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CHINA IST ERST AUF DEM WEG ZUM PODEST - CDH - EPFL

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25. September 2012<strong>CHINA</strong> <strong>IST</strong> <strong>ERST</strong> <strong>AUF</strong><strong>DEM</strong> <strong>WEG</strong> <strong>ZUM</strong> <strong>PODEST</strong>Hans Peter Hertig glaubt an die Bedeutung kultureller Eigenheitenin der Wissenschaft. (Bild: Luca Christen)Der Gründungsdirektor von Swissnex Shanghai, Hans Peter Hertig, siehtkeine Gründe, weshalb man sich vor China fürchten müsste. Er hält aberauch Auslandsemester in China für eine akademische Karriere noch fürwenig produktiv.Ronald SchenkelHans Peter Hertig, sie habenSwissnex in Shanghai aufgebautund viele chinesischeWissenschafter kennengelernt.Gibt es eigentlich Unterschiedezwischen Schweizer undchinesischen Wissenschaftern?Wissenschaft ist ein globales undstandardisiertes Phänomen und einchinesischer Physiker am CERNunterscheidet sich nicht wesentlich vonseinem Schweizer Kollegen. Aber bei derProduktion von Wissen spielen auchlokale Elemente eine Rolle.Wie meinen sie das?Man lernt und forscht unter denspezifischen Bedingungen des jeweiligenLandes. Hochschulen und Labors inChina unterscheiden sich von den Laborsin den USA oder in der Schweiz und diesfärbt sowohl auf die Art und Weise derFragestellung als auch auf denForschungsansatz ab. Aber dieBedeutung des Lokalen ist natürlich


nicht in allen Disziplinen dieselbe. Sie istdort besonders hoch, wo dieWissenschaft sich an einem bestimmtenMenschenbild orientiert, in denSozialwissenschaften und der Medizinetwa, aber auch in denIngenieurwissenschaften. Einjapanischer Roboter hat ganz spezifische,kulturell geprägte Eigenheiten.Auch in einer globalisiertenWissenschaft?Die Gefahr besteht, dass durch die hoheMobilität solche Eigenheiten verlorengehen. Der kulturelle und kontextuelleEinfluss auf die Wissenschaften verliertunter dem Aspekt der zunehmendenGlobalisierung leider an Gewicht. Weildie chinesischen oder indischenNachwuchswissenschafter eben ihreneigenen Rucksack ablegen, wenn sie insAusland gehen und sich anzupassenversuchen.China avanciert zu einerWissenschaftsmacht, die man nichtübergehen kann.Swissnex will nun aber denAustausch fördern, was jaeigentlich eine gegenseitigeBefruchtung bedeuten müsste.Sind wirklich beide Seitengleichermassen aneinanderinteressiert?Ja, es besteht ein gegenseitiges Interesse.China avanciert zu einerWissenschaftsmacht, die man nichtübergehen kann. Die Schweiz hat keineTradition in derWissenschaftszusammenarbeit mitChina, anders als etwa Frankreich undDeutschland, und muss deshalb heutemehr tun, um am Ball zu bleiben. Chinaforciert umgekehrt die Zusammenarbeitmit Ländern, die vor allem in derGrundlagenforschung stark sind; dieSchweiz gehört dazu.Besteht da aber nicht doch einUngleichgewicht? Die Schweizmöchte vor allem Präsenzmarkieren. Die Chinesen hingegenhaben konkrete Wünsche undErwartungen.Es gibt Gebiete, in denen SchweizerForscher durchaus von chinesischenArbeiten profitieren können. MancheSchweizer Spitzenforscher nutzenSwissnex dann auch, um mitchinesischen Kollegen überhaupt inKontakt treten zu können.Um welche Gebiete handelt es sichdabei?Nano- und Biotechnologie gehörenbestimmt dazu.Und andere?China ist traditionell stark in Chemie undPhysik, sowie in denIngenieurswissenschaften. Zunehmendentwickeln sie auch den BereichLebenswissenschaft undVerbindungsbrücken von diesen zumIngenieurwesen. Das ist auch für dieSchweiz zentral.Aber das Land muss auch imBildungssystem einiges ändern.Welche Rolle spielen denneigentlich Länder wie China undIndien in der Wissenschaftswelt?Beide Länder sind noch auf derAufholjagd. Aber schaut man sich dieFakten für China an - die Zahl derPublikationen, die Zahl derWissenschafter und auch die Gelder, diein die Wissenschaft fliessen - belegt dasLand bereits Spitzenplätze. In zehn bisfünfzehn Jahren wird China die USA inverschiedenen Bereichen überflügeln.Aber natürlich geht es nicht nur umeinen quantitativen Wettstreit. China


möchte Weltspitze-Unis haben. Dazumüssen sie ihre Grundlagenforschungausbauen und innovativer werden. Dabeihelfen die vielen Wissenschafter, die ausdem Ausland, vor allem denUSA, zurückgeholt werden. Aber dasLand muss auch im Bildungssystemeiniges ändern. Dieses ist noch zu wenigauf Kritik und Kreativität ausgerichtet.China kennt diese Probleme, wird sielösen und in naher Zukunft mit den USAeine führende Rolle einnehmen. WasIndien betrifft, bin ich etwas skeptischer.Wird man sich dann auch auf eineandere Lingua franca in derWissenschaft einstellen müssen?Nein, das glaube ich nicht. Englisch hatsich überall durchgesetzt. Die Chinesenbemühen sich vielmehr, ihr Englisch zuverbessern und den viel zu hohen Anteilan Publikationen in Mandarin zureduzieren.Fliegenbeinezählen ohne kritischeDimension.Wenn wir vonWissenschaftskooperationgesprochen haben, meinten wir bisjetzt tendenziell die exaktenWissenschaften. Wie sieht es mitden Geistes- undSozialwissenschaften und mit demAustausch auf diesen Gebietenaus?Neben den linguistisch orientiertenWissenschaften wie Japanologie undSinologie steigt auch das Interesseanderer Sozial- undHumanwissenschaften. Das Problembesteht aber darin, dass China in vielenBereichen wirklich noch sehr starkhinterher hinkt. Beispielsweise wirdSoziologie noch vielerorts betrieben wiebei uns Mitte des letzten Jahrhunderts.Fliegenbeinezählen ohne kritischeDimension. Dafür gibt es natürlichpolitische und historische Gründe; dasFach wurde über Jahrzehnte auch garnicht mehr angeboten. Ein gewisserPragmatismus, ein primäres Augenmerkauf das Lösen konkreter Probleme imGesundheits- und Sozialwesen etwa, istauf der anderen Seite durchaus auchverständlich.Das bedeutet also auch, dass derwissenschaftliche Nutzen einesAuslandsemesters in China unterUmständen sehr beschränkt bleibt.Ein Auslandsemester in China ist immernoch ein Abenteuer, zumindest fürjemanden, der eine wissenschaftlicheKarriere anstrebt. Will man es eingehen,muss man unbedingt genau abklären,wohin man gehen möchte. Es gibt nurganz wenige Labors oderForschungsstätten, die sich eigenen undein internationales Umfeld aufweisen.Wenn man vom aufstrebendenOsten und von China spricht,schwingt ja immer auch die Angstdes Westens mit. Sind sie auch vonsolchen Angstschüben befallen?Angstschübe sind verfehlt, Vorsicht aberdurchaus am Platz. China weiss, was eswill, die Schweiz manchmal weniger. Ichhabe Delegationen aus demschweizerischen Hochschulumfelderlebt, die doch mit einer gehörigenPortion an Naivität agierten. Politischsehe ich keine Anzeichen zurBeunruhigung. Es gibt wenigGrossmächte mir einer derart wenigagressiven Aussenpolitik. Innenpolitischbleibt sicher noch Einiges zu tun; die zulösenden Probleme sind enorm, aber derchinesische Staat hat eine hoheProblemlösungskompetenz.Wissenschaft findet auch in einempolitischen Kontext statt. Ist essinnvoll, mit einem Land denAustausch zu pflegen, mit dessenPolitik man nicht einverstandenist?


Für ein Land wie die Schweiz, das starkin der Wissenschaft ist und es bleibenwill, gibt es keine Alternative. Von einerHochenergiegruppe zu erwarten, jedesMal an die Menschenrechtssituation zuerinnern, wenn man etwas mit Chinesenmacht, scheint mir wenig sinnvoll.Geistes- und Sozialwissenschaftensind eine wichtige und notwendigeBereicherung des Studienplanes einerpolytechnischen SchuleNach dem Engagment beiSwissnex sind sie Direktor desCenters for Areal and CulturalStudies CACS an der <strong>EPFL</strong>geworden. Warum braucht eineIngenieursschule ein solchesZentrum?Geistes- und Sozialwissenschaften sindeine wichtige und notwendigeBereicherung des Studienplanes einerpolytechnischen Schule und jeder <strong>EPFL</strong>-Student muss sie als Pflichtfach belegen.Einzelne Fächer sind aber sinnvoller alsandere und die <strong>EPFL</strong> will diese inspezifischen Einheiten speziell pflegen.CACS, und mit ihm der Blick aufnichtwestliche Kulturen, speziell Asienund den mittleren Osten, ist das erstederartige Zentrum; andere werdenfolgen.Warum das?Dahinter stecken zwei Gründe: DieWahrscheinlichkeit, dass Absolventendieser Schule mit diesen Regionen zu tunbekommen, nach dem StudiumKooperationen pflegen oder sogar einmaldort leben und arbeiten werden, wirdimmer grösser. Das ist sozusagen dieutilitaristische Überlegung, die der Ideezugrunde liegt. Die andere ist eher etwasaufklärerisch: Die eingehendeAuseinandersetzung mit anderenKulturen fördert Toleranz und Respekt,aber auch ein kritische Haltung demeigenen Kulturkreis gegenüber.Das Angebot der CACS kann mannur in Anspruch nehmen, wennman es als Nebenfach nimmt.Warum das?Nebenfächer sind etwas, das nichtevident ist an dieser Schule. Esverlängert den Master um ein halbesJahr. Wir haben das Format für Leutegewählt, die wirklich einsteigen wollen.Und wenn jemand ein Nebenfach macht,ist er motiviert.Und ist es erfolgreich?Diesen Sommer führten wir es im drittenJahr durch. Angefangen haben wir mit 12Studierenden. Im zweiten Jahr hat sichdie Zahl verdoppelt. Jetzt stehen wir bei30 Teilnehmern, dem Maximum. Es istdas erste nicht-technische Nebenfach derSchule und gleich das Erfolgreichste.wir gehen essen...Und was lernen die Teilnehmerdenn nun?Neben der Vermittlung von generellemWissen über Politik undGesellschaft diskutieren wir Themen, diein besonderem Masse kulturelleEigenheiten reflektieren undverständlich machen, vom menschlichenKörper über Architektur bis zurPopkultur. Im Fokus stehen natürlichimmer auch Themen, die für einetechnische Hochschule relevant sind undviele nicht-technische Dimensionenaufweisen, wie beispielsweise Wasser.Wasserversorgung im Mekong-Delta isteine ausserordentlich interessanteThematik um Vietnam besser kennen zulernen.Die Kurse finden aber nicht nur inder Schweiz statt. In den SummerSchools wird auch gereist.


Neben Seminarien während desSemesters gibt es im Sommer zweidreiwöchige Blockveranstaltungen inLausanne und in Bangalore/Shanghai. InIndien und China geht es vor allemdarum, Themen, die wir in Lausannediskutieren und dazu Experten aus derganzen Welt einladen, voneinheimischen Wissenschaftlern zubeleuchten und, wenn möglich selbst zuerfahren. In Shanghai hören wirVorlesungen an den Universitäten Fudanund Tongji, diskutieren mit chinesischenStudierenden, besuchen ein TCM Spital,schweizerische und internationaleFirmen, chinesische Forschungslabors,Einkaufszentren, traditionelle undmoderne Wohnquartiere,Künstlerateliers und so weiter... undselbstverständlich machen wirBekanntschaft mit einem der wichtigstenKulturelemente überhaupt: wir gehenessen.Ronald SchenkelNZZ 25. September 2012http://campus.nzz.ch/hertig

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