A. Theorie der Strafverteidigung
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Handeln bei dieser Suche als systemwidrig erscheinen. Zum an<strong>der</strong>en spielte und spielt die<br />
fehlende Integrierung des Berufsstandes <strong>der</strong> Anwälte in den staatlich organisierten Straf-<br />
prozess eine maßgebliche Rolle um eine ständige Skepsis des Gesetzgebers an <strong>der</strong> redli-<br />
chen Mitarbeit des Anwalts im Prozess zu schüren.<br />
Die Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Rolle des Strafverteidigers schwankt in <strong>der</strong> Diskussion zwi-<br />
schen zwei Polen: Einerseits wird die Rolle des Verteidigers als die eines institutionalisier-<br />
ten, unabdingbaren und vertrauenswürdigen Funktionsträgers im Prozess beschrieben,<br />
an<strong>der</strong>erseits wird er im Konfliktfall noch heute häufig als prozessualer Fremdkörper be-<br />
handelt, <strong>der</strong> <strong>der</strong> gerichtlichen Wahrheitssuche im Wege steht. Bis heute fehlt ein Erklä-<br />
rungsmodell, das diese Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten integrieren könnte.<br />
b. Notwendigkeit eines Korrektivs im Prozesssystem zugunsten von Beschuldigtenpositionen<br />
aa. die Grenzen des inquisitorischen Systems<br />
Die tatsächlichen Verankerungen von Verteidigerrechten im Gesetz beruhen demge-<br />
genüber offensichtlich auf dem gerade nicht thematisierten Misstrauen gegenüber den-<br />
jenigen Organen, die die Garantie für die Durchführung eines rechtsstaatlichen und fai-<br />
ren Strafverfahrens darstellen sollten. Trotz aller institutionellen Absicherung erschien<br />
auch dem Gesetzgeber die Gefahr einer praktischen Durchführung des Strafprozesses, in<br />
dem die Rechte des Beschuldigten gerade keine ausreichende Beachtung finden, <strong>der</strong>-<br />
art groß, dass die zusätzliche institutionalisierte Kontrolle durch die Verteidigung für un-<br />
abdingbar erachtet wurde. We<strong>der</strong> fachliche Ausbildung noch moralische Integrität in<br />
den Personen <strong>der</strong> Richter und Staatsanwälte verhin<strong>der</strong>n die Beeinflussung des Prozessge-<br />
schehens durch Vorprägungen o<strong>der</strong> Unachtsamkeiten. Das Gewicht des Prozesses, die<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Beschuldigtenrechte und die existentiellen Folgen einer Strafe rechtferti-<br />
gen auch – o<strong>der</strong> gerade – im Inquisitionsprozess die Verankerung <strong>der</strong> Verteidigerrolle.<br />
Eine für den Angeklagten nachteilige Vorprägung des Richters ist durch die StPO bereits<br />
institutionell angelegt. Das Ermittlungsverfahren hat keinesfalls mehr nur die vorbereiten-<br />
de Funktion einer Hauptverhandlung, in <strong>der</strong> offen und unbelastet über vorgebrachte<br />
Vorwürfe diskutiert und entschieden werden kann. Eine regelmäßig von ermittelnden Po-<br />
lizeibeamten hinsichtlich des Umfangs <strong>der</strong> Art und Weise <strong>der</strong> Darstellung geprägte Akte<br />
dominiert auch die Hauptverhandlung. Der in <strong>der</strong> Hauptverhandlung entscheidende<br />
Richter hat die Pflicht diese sorgfältig zu studieren und an den Ergebnissen dieser vorfor-<br />
mulierten Erkenntnisse zunächst den Gang <strong>der</strong> Hauptverhandlung zu orientieren. Auch<br />
ein besonnener und distanziert agieren<strong>der</strong> Richter wird sich dieser Vorprägung nicht ent-<br />
ziehen können. Er ist insbeson<strong>der</strong>e auf den Horizont <strong>der</strong> Ermittlungsbehörden angewie-<br />
sen. Sich allein dem Polizeibeamten aufdrängende entlastende Beweisaufnahmen, die<br />
aber tatsächlich unterlassen worden sind, werden auch im Rahmen <strong>der</strong> Inquisitionsma-<br />
xime vom Richter selbst selten erkannt werden.<br />
Diese systembedingten, in psychologisch unvermeidbaren Konstellationen angelegten<br />
Fehleranfälligkeiten durch die Verteidigung auszugleichen, könnte als eine <strong>der</strong> wesentli-<br />
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