A. Theorie der Strafverteidigung
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Dies gilt nicht nur für den Straftatbestand <strong>der</strong> Strafvereitelung. Der BGH hat in einem wei-<br />
teren Beispielsfall deutlich gemacht, dass Verteidigerhandeln unter Umständen zwangs-<br />
läufig dem in § 129 StGB pönalisierten Verhalten <strong>der</strong> Unterstützung einer kriminellen Ver-<br />
einigung unterfällt. 48 So kann die Weitergabe protokollierter Zeugenaussagen aus <strong>der</strong> Ak-<br />
te an den <strong>der</strong> Vereinigung zugehörigen Mandanten durch den Verteidiger <strong>der</strong> Organisa-<br />
tion selbst objektiv von Nutzen sein. Derartige Effekte sind jedoch durch das System <strong>der</strong><br />
Prozessordnung angelegt und dadurch hinzunehmen. Prozessual zulässiges Verteidiger-<br />
handeln kann daher trotz möglicherweise messbarer Effekte tatbestandlich niemals<br />
rechtswidriges Unterstützen einer kriminellen o<strong>der</strong> terroristischen Vereinigung sein.<br />
b. <strong>der</strong> dogmatische Ansatz<br />
Trotz dieser selbstverständlichen Ausgangspunkte ist die höchstrichterliche Rechtspre-<br />
chung bemüht, dem Verteidiger – auch strafrechtliche – Grenzen im Rahmen seiner Tä-<br />
tigkeit aufzuzeigen. Nur die so genannte sachgerechte Verteidigung soll jede tatbe-<br />
standliche 49 Strafvereitelung ausschließen. Prozessordnungswidriges Verhalten des Ver-<br />
teidigers soll demgegenüber dieses „Privileg“ entfallen lassen. Eine Fixierung des Straf-<br />
barkeitsbereichs wird damit nicht in § 258 StGB, son<strong>der</strong>n im Prozessrecht vorgenommen.<br />
Eine klare Abgrenzung zwischen zulässigem und unzulässigem Verteidigerverhalten in<br />
diesem Rahmen steht bislang allerdings aus. Erkennbar ist lediglich, dass die <strong>der</strong>art eröff-<br />
nete Weite des Strafbarkeitsbereichs durch die Prämisse im subjektiven Bereich kompen-<br />
siert werden soll, wonach bei Verteidigern <strong>der</strong> innere Vorbehalt zu vermuten sei, dass<br />
dieser im Ergebnis strafbares Verhalten nicht billige und ihm daher regelmäßig eine Ver-<br />
eitelungsabsicht fehle. 50<br />
Ob tatsächlich das Prozessrecht allein die maßgebliche Leitlinie für die Abgrenzung von<br />
strafbarem Verhalten ist, wird zum Teil in <strong>der</strong> Literatur bezweifelt. Systematische Ansätze<br />
werden an<strong>der</strong>weitig gesucht.<br />
Eine Analyse des speziellen Unrechts <strong>der</strong> Strafvereitelung bietet Autoren einen validen<br />
materiell rechtlichen Ansatz, um weite Teile des als unsachlich empfundenen Verteidi-<br />
gerverhaltens dem strafbaren Bereich zu entziehen. Besteht das geschützte Rechtsgut<br />
<strong>der</strong> Strafvereitelung in <strong>der</strong> Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, kann die bloße<br />
Unterstützungshandlung für den Vortäter allenfalls als Beihilfe zur straflosen Selbstbegün-<br />
stigung gewertet werden. Das Selbstbegünstigungsprivileg muss den Verteidiger immer<br />
dann straflos stellen, wenn er für seinen Mandanten in einer Form tätig wird, die dieser<br />
straffrei für sich selbst in Anspruch nehmen kann. 51 Erst die seltene Konstellation eines im<br />
eigenen Interesse handelnden täterschaftlichen Vereitelns kann hier den Verteidiger in<br />
den pönalisierten Bereich führen.<br />
48 BGH NJW 19890. S. 64f.<br />
49 BGHSt 46, 53 für den Tatbestandsausschluss, nicht für bloßen Rechtsfertigungsgrund.<br />
50 BGHSt 38, 350; BGH wistra 2000, 302, 304.<br />
51 Hamm NJW 1993, Der Standort des Verteidigers im heutigen Strafprozess, 289; Kargl, Das Unrecht <strong>der</strong> Strafvereitelung –<br />
insbeson<strong>der</strong>e zu den strafrechtlichen Grenzen <strong>der</strong> <strong>Strafverteidigung</strong>, Hamm-FS (2008), 235ff.; Krekeler, Strafrechtliche<br />
Grenzen <strong>der</strong> Verteidigung, NStZ 1989, 146, 147.<br />
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