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A. Theorie der Strafverteidigung

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für die Verhin<strong>der</strong>ung von materiell gerechtfertigter Bestrafung sein soll. Will man aller-<br />

dings den Verteidiger, <strong>der</strong> die strafvereitelnde Konsequenz seiner rechtlichen Beratung<br />

sieht, hierfür haftbar machen, würde er mittelbar in die Interessen <strong>der</strong> Ermittlungsbehör-<br />

den eingebunden, und die Basis <strong>der</strong> Institution <strong>Strafverteidigung</strong> wäre entscheidend un-<br />

tergraben. Der Mandant hat vielmehr einen Anspruch auf Rechtsinformationen gegen-<br />

über seinem Verteidiger. Dass die <strong>der</strong>art in Erfahrung gebrachten Rechte auch miss-<br />

braucht werden können, gehört zum Risiko je<strong>der</strong> Rechtsberatung 65 und ist für sich ge-<br />

nommen kein Grund, diese Rechte zu verweigern. 66<br />

Ein strafbarer Bereich in diesem Rahmen soll aber u.U. dennoch eröffnet sein, wenn <strong>der</strong><br />

Verteidiger über die schlichte Information hinaus einen weitergehenden psychischen Ein-<br />

fluss auf die Entscheidung des Mandanten ausübt.<br />

Beispiele: Der Verteidiger informiert nicht nur über die Staaten, die keine Auslieferung vornehmen,<br />

son<strong>der</strong>n weist auch auf die aktuell günstigen Flugtickets hin. Er berät nicht nur über das Aussageverweigerungsrecht,<br />

son<strong>der</strong>n hält prozessual das Schweigen und die Verweigerung eines Geständnisses<br />

für angezeigt. 67 Mit <strong>der</strong> Aufklärung über die Möglichkeit, sich zur Berichtigung eines Meineides selbst<br />

anzuzeigen, rät <strong>der</strong> Verteidiger gleichzeitig von einem solchen Schritt ab. 68 Er schlägt vor, zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Prozesslage, ein (wahres) Geständnis zu wi<strong>der</strong>rufen. 69 Der Verteidiger klärt über die Verpflichtung<br />

zum Erscheinen auf eine staatsanwaltschaftliche Ladung auf, rät aber gleichzeitig, dort nicht zu<br />

erscheinen. 70<br />

Dass eine taugliche Strafbarkeitsgrenze zwischen schlichter Rechtsinformation einerseits<br />

und darüber hinaus gehendem Rechtsrat an<strong>der</strong>erseits gezogen werden könnte, er-<br />

scheint angesichts <strong>der</strong> notwendigen Umstände <strong>der</strong>artiger Rechtsgespräche illusorisch. 71<br />

Rechtliche Einschätzungen des Verteidigers sind we<strong>der</strong> abstrakt noch isoliert, son<strong>der</strong>n in<br />

ihrer Relevanz regelmäßig auf das konkrete Verfahren zugeschnitten. Dass eine von meh-<br />

reren Handlungsoptionen angesichts <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten eines Verfahrens sich als pro-<br />

zessual günstigste Variante herausstellt, ist Teil <strong>der</strong> Rechtsbewertung. Der Rat, dem zu fol-<br />

gen, ist die kaum noch zu formulierende Konsequenz.<br />

Sucht man das strafrechtliche Unrecht des Verteidigers in <strong>der</strong> Beeinflussung des Mandan-<br />

ten, ist darüber hinaus zu beachten: Das angebliche Bestimmen des Mandanten durch<br />

die Autorität des rechtlichen Ratschlags stellt sich in je<strong>der</strong> durchschnittlichen Konstellati-<br />

on lediglich als straflose Anstiftung zur straflosen Sebstbegünstigung des Mandanten<br />

selbst dar (s.o. IV 2 b). 72 Die Vorstellung des machtvoll – als Täter - agierenden Verteidi-<br />

gers unter Ausnutzung des eigenen Mandanten als willfähriges Werkzeug, die ihn aus-<br />

nahmsweise zum Täter machen könnte, erscheint eher fremd.<br />

Daneben bleibt zu beachten, dass auch ein – strafvereiteln<strong>der</strong> – Rechtsrat sich auch aus<br />

Sicht <strong>der</strong> Rechtsprechung regelmäßig im rechtlichen Rahmen hält, wenn er sich denn<br />

auf Fundamentalpositionen des Angeklagten bezieht. „Es ist das Recht des Beschuldig-<br />

65<br />

Krekeler, Strafrechtliche Grenzen <strong>der</strong> Verteidigung, NStZ 1989, 146, 147.<br />

66<br />

Vgl. Kempf, <strong>Strafverteidigung</strong> in <strong>der</strong> Praxis, 3.Aufl. § 1 Rn.85.<br />

67<br />

Unzulässig: Peters, Strafprozess, 4.Aufl. 1985, § 29 V.1.c.; zulässig: BGH b.Holtz MDR 1982, 970.<br />

68<br />

Zulässig: BGHSt 2, 375, 377.<br />

69<br />

Unzulässig: BGHSt 2, 375, 378; a.A. Schönke/Schrö<strong>der</strong>/Stree § 258 Rn 20; Krekeler NStZ 1989, 148.<br />

70<br />

Für unzulässig halten dies Burhoff/Stephan, Strafvereitelung durch Strafverteidiger, 2008, Rn 36.<br />

71<br />

Hassemer, Grenzen zulässiger <strong>Strafverteidigung</strong>, Becksches Formularbuch, 5.Aufl. 2010, S.9, hält die Differenzierung für<br />

„wenig tragfähig“.<br />

72<br />

Krekeler NStZ 1989, 148; ausführlich Stumpf, Zur Strafbarkeit des Verteidigers gemäß § 258 StGB, wistra 2001, 123-129.<br />

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