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A. Theorie der Strafverteidigung

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lung geschehen ist, revisionsrechtlich nicht rügen kann, weil er nicht in <strong>der</strong> notwendigen<br />

Art und Weise protokolliert worden ist. Allein unter Bezug auf diese formelle Grundlage<br />

können Verfahrensrügen in <strong>der</strong> Revisionsinstanz erfolgreich erhoben werden, wenn sich<br />

– völlig unabhängig vom tatsächlichen Geschehen in <strong>der</strong> Hauptverhandlung – <strong>der</strong> Ver-<br />

fahrensverstoß nach <strong>der</strong> Protokollierung als solcher auch darstellt. Die Form dominiert<br />

das Revisionsverfahren, weshalb die Revisionsrechtsprechung auch von einem grund-<br />

sätzlichen Rekonstruktionsverbot des Geschehens <strong>der</strong> Hauptverhandlung außerhalb des<br />

Protokolls ausgeht.<br />

Bewegt <strong>der</strong> Verteidiger sich in einem <strong>der</strong>art formalisierten rechtlichen Umfeld, würde er<br />

sich zu seiner Aufgabe <strong>der</strong> optimalen Interessensicherung seines Mandanten in Wi<strong>der</strong>-<br />

spruch setzen, wenn er sein Handeln an an<strong>der</strong>en Kriterien (wie dem tatsächlichen pro-<br />

zessualen Geschehen) orientiert. Seine Arbeitsgrundlage muss <strong>der</strong>jenige prozessuale<br />

Sachverhalt sein, wie er sich nach dem Hauptverhandlungsprotokoll darstellt. Hier muss<br />

er schlüssig und logisch argumentieren. Auch wenn er z.B. fest in Erinnerung hat, dass er<br />

selbst am Morgen eines bestimmten Verhandlungstages vor <strong>der</strong> Strafkammer anwesend<br />

war, darf und muss er – wenn das Hauptverhandlungsprotokoll ihn als abwesend aus-<br />

weist - diese Abwesenheit als prozesswidrig in <strong>der</strong> Revision rügen. Nicht <strong>der</strong> dies rügen-<br />

de Verteidiger handelt bedenklich, son<strong>der</strong>n allenfalls <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> aus wie auch im-<br />

mer verstandener Wahrheitsliebe zu Lasten seines Mandanten eine Erfolg versprechen-<br />

de Revisionsrüge nicht erhebt. 102<br />

Der Vorwurf des unwahren Vorbringens und daran anschließend <strong>der</strong> Strafvereitelung ist<br />

damit nicht nur angesichts dieser formalisierten Beweisstruktur des Revisionsverfahrens<br />

fernliegend. Der Anspruch an die prozessuale Wahrheit des Protokolls wird durch die<br />

neuere Rechtsprechung des BGH eingelöst, wonach auch im Wege <strong>der</strong> nachträglichen<br />

Berichtigung des Protokolls die persönlich in <strong>der</strong> Hauptverhandlung anwesenden Ver-<br />

antwortlichen (Protokollführer und Vorsitzen<strong>der</strong>) je<strong>der</strong>zeit ihre feste Erinnerung an das<br />

Prozessgeschehen nie<strong>der</strong>legen können. Trotz eigener divergieren<strong>der</strong> Erinnerung kann<br />

hier die Argumentation des Verteidigers auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Erinnerung des Vorsitzenden<br />

und des Protokollführers we<strong>der</strong> als Verstoß gegen anwaltliches Ethos 103 noch gegen<br />

Strafvorschriften bewertet werden.<br />

Relativiert werden von diesem Ausgangspunkt Formulierungen <strong>der</strong> überkommenen<br />

Rechtsprechung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erörterung von Strafvereitelung durch den<br />

Verteidiger, die apodiktisch verlangen, <strong>der</strong> Verteidiger dürfe im Gegensatz zu seiner „im<br />

öffentlich rechtlichen Rechte wurzelnde Befugnis“ nicht eine bewusste tätige Verdunke-<br />

lung zugunsten seines Mandanten betreiben. 104 O<strong>der</strong>: Zur Vermeidung seiner eigenen<br />

Strafbarkeit müsse er sich je<strong>der</strong> bewussten Verdunkelung des Sachverhalts und je<strong>der</strong> Er-<br />

schwerung <strong>der</strong> Strafverfolgung enthalten und sich bei seinem Vorgehen auf verfahrens-<br />

rechtlich erlaubte Mittel beschränken. 105 Gerade diese erlaubten Mittel „verdunkeln“ im<br />

Sinne einer richterlichen Wahrheitsfindung. Nicht dieser Effekt kann daher Ausgangspunkt<br />

von Strafbarkeitsüberlegungen sein, son<strong>der</strong>n allein <strong>der</strong> Ort des Agierens des Verteidigers<br />

außerhalb des prozessualen Aktionsfeldes.<br />

102 Bertheau, Rügeverkümmerung – Verkümmerung <strong>der</strong> Revision in Strafsachen, NJW 2010, 973, 976.<br />

103 so aber BGHSt 51, 298 = NJW 2007, 2419 = NStZ 2007, 661 = StV 2007, 403 = BGHR StPO § 274 Berichtigung 2.<br />

104 RGSt 66, 316, 326.<br />

105 BGHSt 2, 375, 377.<br />

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