A. Theorie der Strafverteidigung
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hielt das Bundesverfassungsgericht entgegen, dass eine Beschwerde schon im Interesse des Mandanten<br />
so schnell wie möglich erhoben werden müsse. Zwar können leichtfertig aufgestellte unwahre<br />
Tatsachenbehauptungen ehrenrühriger Art zum Ausschluss des § 193 führen, allerdings könne <strong>der</strong><br />
Begriff <strong>der</strong> Leichtfertigkeit nicht über Gebühr ausgedehnt werden. 126<br />
c. falsche Verdächtigung<br />
§ 164 StGB kann durch Verteidigerhandeln tatbestandlich erfüllt werden, wenn im Rah-<br />
men von Verteidigung nicht nur Alternativsachverhalte gegenüber <strong>der</strong> Anklage, son-<br />
<strong>der</strong>n auch Alternativtäter konkret benannt werden. Auch hier ist <strong>der</strong> Handlungsspiel-<br />
raum <strong>der</strong> Verteidigung erweitert, da die relevanten Behauptungen ohnehin Gegen-<br />
stand <strong>der</strong> im Prozess stattfindenden Sachaufklärung sind.<br />
d. Parteiverrat<br />
Die Verpflichtung des Anwalts, allein und einseitig die Interessen seines Mandanten und<br />
nicht die eines an<strong>der</strong>en Beteiligten wahrzunehmen, wird vom Gesetzgeber <strong>der</strong>art hoch<br />
eingeschätzt, dass ein Verstoß gegen dieses Gebot strafrechtlich sanktioniert ist (§ 356<br />
StGB). Hier unterliegt <strong>der</strong> Verteidiger keinem strafrechtlichen Risiko durch die dem staat-<br />
lichen Strafanspruch zuwi<strong>der</strong>laufende Unterstützung eines Beschuldigten. Im Gegenteil:<br />
Die Effektivität des Verteidigerhandelns wird gerade in <strong>der</strong> Einseitigkeit seines Handelns<br />
im Rahmen des Mandates bewertet und strafrechtlich abgesichert.<br />
Evident ist das unzulässige agieren eines Anwalts in einem zivilrechtlichen Streit, in dem<br />
sich zwei Parteien gegenüber stehen. Die rechtliche Vertretung bei<strong>der</strong> Seiten macht<br />
den Verstoß gegen das Prinzip <strong>der</strong> einseitigen Unterstützung offenbar. Im Gegensatz zu<br />
zivilrechtlichen Konstellationen bestehen allerdings in Strafsachen erhebliche Unter-<br />
schiede, die den Tatbestand des Parteiverrats seltener aufscheinen lassen. Gegensätz-<br />
liche Parteirollen ergeben sich im Prozess allenfalls bei angeklagtem und Nebenkläger.<br />
Selbst zwei auf <strong>der</strong>selben Anklagebank sitzende Personen weisen u.U. weit von sich,<br />
dass ihre rechtlichen Interessen unterschiedlich sind. Nur <strong>der</strong> formale Aspekt des § 146<br />
StPO verbietet hier die anwaltliche Vertretung bei<strong>der</strong> angeklagter durch denselben<br />
Verteidiger. Zwei mögliche Mittäter, die nicht in dem selben Verfahren verfolgt werden,<br />
haben unter Umständen allenfalls ein rein tatsächliches Interesse am Ausgang des je-<br />
weiligen Verfahrens, was sie nach <strong>der</strong> früheren Rechtsprechung allerdings noch nicht<br />
zur Partei im Sinne des § 356 StGB machte. 127 Diesen Rechtsstandpunkt hat <strong>der</strong> BGH<br />
ausdrücklich aufgegeben und unterschiedliche Beschuldigte als Parteien im Sinne des §<br />
356 StGB aufgefasst, wenn gegen sie jeweils <strong>der</strong> Verdacht besteht, gemeinsam mit dem<br />
an<strong>der</strong>en Beschuldigten als Mittäter, Anstifter o<strong>der</strong> Gehilfe Teilnehmer <strong>der</strong> selben Straftat<br />
gewesen zu sein. 128<br />
Ein Verteidiger hatte zunächst das Mandat für eine Mandantin (M.) angenommen, die des versuchten<br />
Mordes beschuldigt wurde, dieses Mandat später nie<strong>der</strong>legt und stattdessen eine Freundin (F)<br />
<strong>der</strong> bisherigen Mandantin verteidigt. Als im Prozess die frühere Mandantin M nunmehr die F belastete,<br />
wonach diese zu dem Mord angestiftet habe, agierte <strong>der</strong> Verteidiger zu Gunsten seiner aktuellen<br />
126 BVerfG NJW 2000, 199f.<br />
127 RGSt 66, 316, 323; BGH Anwaltsblatt 1954, 189.<br />
128 BGH wistra 2008, 467, 468.<br />
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