herunterladen. - Bremer Frauenmuseum

Hochgefühl, ihre erste Pflicht als Lan-
desmutter erfüllt und die Thronfolge
gesichert zu haben. Bald aber wandelte
sich ihre Freude in Beschämung und
Schuldbewusstsein. Dass ihr Sohn nicht
vollkommen war. empfand sie als per-
sönliches Versagen. Wie sollte ein
Behinderter in Preußen regieren, wo die
Könige Offiziere waren und sich ihrem
Volk hoch zu Roß als Heerführer zeigten?
Wilhelm wurde zum Sorgenkind, er, auf
dem so viele Hoffnungen ruhten. Genau
wie seiner Mutter war auch Wilhelm
bereits eine Rolle in dem großen Plan
zugedacht, den Prinzgemahl Albert mit
anderen Angehörigen des Hauses Coburg
für Deutschland und Europa entwickelt
hatte, dem Coburger Plan. Die nationale
Einigung Deutschlands unter Führung
Preußens, die in den Kämpfen der 48er-
Revolution nicht gelungen war, aber
weiterhin als große Aufgabe dem 19.
Jahrhundert gestellt blieb, hoffte man auf
unblutigem Wege zu erreichen.
Voraussetzung dafür war die
Umwandlung Preußens, dem sein König
Ende 1848 eine Verfassung ohne
angemessene Volksvertretung aufoktro-
yiert hatte, in eine konstitutionelle Monar-
chie nach englischem Muster. Wenn die
liberalen Kräfte sich durchsetzen könnten,
würde Preußen "moralische Eroberungen
in Deutschland machen", als deutsche
Vormacht eine unwiderstehliche Anzie-
hungskraft auf die kleineren Staaten
ausüben und so die Vereinigung auf der
Grundlage einer liberalfortschrittlichen
Gesinnung möglich werden. Eine Allianz
der beiden germanischen Völker England
und Deutschland sollte dann dem Frieden
in Europa eine sichere Grundlage geben.
Die Eheschließung zwischen Vicky und
Fritz schien schon ein Meilenstein auf
diesem Wege, zeigte sich der preußische
Thronfolger doch als Mann von liberaler
Gesinnung. Die junge Frau an seiner Seite
sollte ihn in seinen Bestrebungen unter-
stützen, die Wende in der preußischen
Politik mit herbeiführen und ihren ältesten
Sohn im Sinne des Coburger Planes
erziehen.
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