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Politik und Zeitgeschichte im Comic

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Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 179<br />

alle Probleme zum Guten gewendet. Die Inbetriebnahme<br />

der Mine wird verhindert <strong>und</strong> trotzdem werden Arbeitsplätze<br />

geschaffen, denn der Konzern baut eine dem<br />

traditionellen Handwerk der Gegend verb<strong>und</strong>ene Fabrik.<br />

Auch die angeworbenen spanischen Gastarbeiter werden<br />

integriert; an alle wird gedacht. Nur die Herren der<br />

Konzernleitung können ihr altgewohntes Leben nicht<br />

mehr weiterführen. Die Begegnung mit den Mächten<br />

<strong>und</strong> Bewohnern des Waldes hat zu tiefe Risse in ihrem<br />

vernunftorientierten Weltbild hinterlassen.<br />

Die nächsten beiden Bände der „Légendes d’Aujourd’hui“,<br />

nun mit dem Zeichner Enki Bilal. beschäftigen<br />

sich ebenfalls mit der Umweltzerstörung durch die Industrie.<br />

In „Die Kreuzfahrt der Vergessenen“ geht es um ein<br />

militärisches Gehe<strong>im</strong>unternehmen, in dem ein Antischwerkraftsgenerator<br />

ein ganzes Dorf in die Lüfte erhebt.<br />

Doch auch für die beteiligten Militärs bleibt das Ganze<br />

nicht ohne Folgen. Im Laufe der Geschichte verwandeln<br />

sie sich <strong>im</strong>mer mehr in froschartige Gestalten, die bis<br />

zuletzt gehorsam <strong>und</strong> technikgläubig den Anordnungen<br />

der Regierungsbeamten Folge leisten. Auch hier äußert<br />

sich der Protest der betroffenen Bevölkerung sehr mystisch<br />

in Form des wegfliegenden Dorfes.<br />

In einer vorgestellten Geschichte, in der der Agent<br />

50/22B von einer Kommission des Gehe<strong>im</strong>dienstes anhand<br />

seines Dossiers vorgestellt wird, kommen zwei<br />

Individuen vor, die eine „teilweise ähnliche Biographie<br />

wie 50/22B“ haben: Herr Bilal <strong>und</strong> Herr Christin. Sie<br />

charakterisieren ihren Helden selbst als „Symbolfigur mit<br />

übernatürlichen Kräften, Anti-Held, ein Irrtum des Zeitgeistes,<br />

ein Symbol der widerstreitenden gesellschaftlichen<br />

Kräfte, des Klassenkampfes, der die herrschende<br />

Ideologie unterlaufen wird“. 102 So drückt sich in der Präsenz,<br />

bzw. Abwesenheit von 50/22B, die von Band zu<br />

Band schwindet, der Opt<strong>im</strong>ismus der Autoren aus, durch<br />

einen politisch handelnden Menschen die gesellschaftliche<br />

Entwicklung noch beeinflussen zu können.<br />

Auch in „Das steinerne Schiff“ richtet sich die Kritik<br />

gegen einen Konzern, der an der bretonischen Küste<br />

eine Touristenzentrum bauen will. Eine alte Burg soll zu<br />

diesem Zweck verlegt werden, doch der letzte Bewohner,<br />

ein merkwürdiger alter Mann, gibt nicht kampflos<br />

auf. Die Burg verwandelt sich in ein Schiff, das Symbol<br />

der ursprünglichen Lebensart der Bretonen, die vom<br />

Fischfang lebten. Auch früher sei die Burg ein Schiff<br />

gewesen, sagt der Alte, das Schiff mit dem die ersten<br />

Menschen in die Bretagne kamen. Diese Geschichte<br />

endet nicht mehr ganz so opt<strong>im</strong>istisch wie die beiden<br />

ersten, das Dorf verschwindet mit der Burg, ein unerklärlicher<br />

Vorgang. Doch an der Südspitze des amerikanischen<br />

Kontinentes, in Feuerland, entsteht ein neues<br />

Dorf. Hier deutet sich ein Trend an, der sich in den<br />

Werken der beiden Autoren nun fortsetzt. Immer mehr<br />

schwindet die Zuversicht auf eine glückliche Lösung<br />

nicht nur der Umweltprobleme der Menschheit.<br />

Ein leider nicht mehr lieferbarer <strong>Comic</strong> erschien 1978 in<br />

Deutschland. „Die Geschichte von der Wyhlmaus <strong>und</strong><br />

anderen Menschen“ von Wolfgang Hippe <strong>und</strong> Jari Pekka<br />

Cuypers ist ein Ergebnis der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />

<strong>und</strong> speziell der Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk<br />

in Wyhl. Die Autoren treiben die Segnungen der<br />

Industriegesellschaft satirisch auf die Spitze, <strong>im</strong> sie einen<br />

völlig durchtechnisierten Tagesablauf darstellen –<br />

denn irgendwo muß der viele Strom ja hin. Eine tatkräf-<br />

tige Maus führt durch das Geschehen <strong>und</strong> erklärt das<br />

Funktionieren des KKWs genauso wie die Positionen<br />

der Gegner. Landesvater „Filbi“ <strong>und</strong> die dargestellten<br />

Kommunalpolitiker sind wohl die einzigen gewesen, denen<br />

das Lachen bei diesem <strong>Comic</strong> verging.<br />

Eine steile Karriere hat die Serie der Marburger Joach<strong>im</strong><br />

Friedmann <strong>und</strong> Henk Wyninger „Lais <strong>und</strong> Ben“ gemacht.<br />

Das B<strong>und</strong>esministerium für Umweltschutz hat eine allerdings<br />

„überarbeitete“ Version für Schulen herausgegeben.<br />

„Lais <strong>und</strong> Ben“sind zwei junge Studenten, die in<br />

einem Studiencamp <strong>im</strong> brasilianischen Amazonasgebiet<br />

eigentlich ihren Forschungen nachgehen sollen. Doch<br />

ihr Engagement für den Umweltschutz geht über die<br />

eigentlichen Forschungen hinaus. Die Farbgebung <strong>und</strong><br />

der Zeichenstil erinnern an lateinamerikanische Kunst<br />

<strong>und</strong> passen daher sehr gut zum Inhalt. Der Zusammenhang<br />

zwischen Entwicklungspolitik <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

wird deutlich.<br />

Im Bereich des Jugend-<strong>Comic</strong>s wird in nächster Zukunft<br />

sicher noch einiges angeboten werden. Anzeichen hierfür<br />

sind einmal der Jugendliteraturbereich <strong>und</strong> auch die<br />

Trickfilmindustrie, die das Thema Ökologie, das gerade<br />

Jugendliche stark bewegt, verstärkt aufgreifen. Die TV-<br />

Serie „Zaster, Zoff <strong>und</strong> die Rezurzen“, eine Mischung<br />

aus Wiedervereinigungskr<strong>im</strong>i <strong>und</strong> Umweltkomödie, liegt<br />

nun auch als <strong>Comic</strong> vor.<br />

5.6 Rassismus<br />

„In jedem Rassismus steckt ein <strong>Comic</strong><br />

strip, mit seiner krassen Entgegensetzung<br />

von Gut <strong>und</strong> Böse.“<br />

Art Spiegelman 104<br />

Im amerikanischen <strong>Comic</strong> tauchen Schwarze erst seit<br />

Ende der sechziger Jahre auf. Die Marvelhelden bekamen<br />

schwarze Helfer; so tauchte bei den „Fantastic<br />

Four“ 1966 ein schwarzer Superheld auf: Black Panther.<br />

Der Name wurde später geändert, um eine Verwechslung<br />

mit der Bürgerrechtsbewegung auszuschließen.<br />

Auch Captain America bekamt einen schwarzen Helden<br />

an seine Seite, „The Falcon“. Frühere Versuche, z.B.<br />

von Will Eisner schon in den vierziger Jahren, scheiterten<br />

vor allem an der mangelnden Akzeptanz der Leser,<br />

die nur Weiße <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> akzeptierten. 105<br />

Rassismus in seiner momentan aggressivsten Form, der<br />

Apartheid in Südafrika, ist das Thema zweier Geschichten<br />

des Franzosen Jean Louis Trippier, kurz ,Tripp‘ genannt.<br />

In „Zoulou Blues“ <strong>und</strong> „Afrikaans Bazaar“ verwickelt<br />

Tripp seinen Helden Jacques Gallard in die Auseinandersetzungen<br />

der Gehe<strong>im</strong>polizei mit dem ANC.<br />

Tripp montiert geschickt Bilder eines Massakers an<br />

Schwarzen in Südafrika parallel zu einem Anschlag von<br />

Faschisten in Frankreich gegen Aktivisten von SOS-<br />

Rassismus <strong>und</strong> verschweigt somit auch nicht den Rassismus<br />

in Europa.<br />

Er arbeitet in dem ersten Band Auszüge der Verteidigungsrede<br />

von Nelson Mandela ein <strong>und</strong> in dem zweiten<br />

102 Christin/Bilal: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek 1988.<br />

S. 14.<br />

103 <strong>Comic</strong> Info 1 (1993) S. 10.<br />

104 Howald: Fröschin oder Mäusin? In: Die Zeit (17.04.1992).<br />

105 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 241.

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