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Politik und Zeitgeschichte im Comic

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Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 167<br />

Abb. 2: Gotische Sch<strong>im</strong>pfwörter<br />

spruch „Die spinnen, die Römer!“, der notfalls auch auf<br />

andere Völker angewendet werden kann, sei hier nur<br />

beispielhaft angeführt.<br />

Das Dorf der Gallier liegt nicht ohne Gr<strong>und</strong> in der Bretagne,<br />

eine Region Frankreichs, die für ihren starken Autonomieanspruch<br />

bekannt ist. Die Sympathie der Leser<br />

liegt eindeutig bei der unterdrückten Minderheit, die sich<br />

gegen die über ihr stehende Autorität wehrt, auch wenn<br />

der Kampf aussichtslos erscheinen mag. Innerhalb des<br />

Dorfes sind die Strukturen dafür sehr patriarchal, niemand<br />

begehrt ernsthaft auf. Auch der Aufstand der Frauen,<br />

die sich sonst mit der Rolle als Hausdrachen begnügen,<br />

wird friedlich beendet. 37 Sich sämtlichen Neuerungen<br />

zu verschließen scheint das Ziel der eingeschworenen<br />

Dorfgemeinschaft zu sein. 38<br />

Die selbstgerecht-patriotische Haltung drückt sich auch<br />

auf den zahlreichen Reisen der Helden aus; so werden<br />

die Briten, die früher nur heißes Wasser verkosteten,<br />

endlich mit der Teepflanze bekannt gemacht 39 <strong>und</strong> die<br />

Abb. 3: Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel in der Übersetzung<br />

des Kauka-Verlags<br />

Karikatur der Deutschen in „Asterix <strong>und</strong> die Goten“ tritt<br />

die bekannten Klischees breit: Marschieren in Reih <strong>und</strong><br />

Glied oder lauter, autoritärer Umgangston. 40<br />

Goscinny hat zwar <strong>im</strong>mer wieder jede politische Intention<br />

bestritten, 41 aber 1976 tritt in „Obelix GmbH <strong>und</strong> Co.“<br />

ein Römer auf, der Jacques Chirac auffällig ähnelt <strong>und</strong><br />

der versucht, die Dorfbewohner in einen kapitalistischem<br />

Konkurrenzkampf zu verstricken <strong>und</strong> damit Zwietracht<br />

zu säen. 42<br />

Doch der Chauvinismus der Originalversion wurde<br />

durch die erste deutsche Übersetzung durch den Kauka-Verlag<br />

noch übertroffen.<br />

Schon zwei Jahre, bevor die heute bekannte <strong>und</strong> so<br />

beliebte Version des Ehapa-Verlages erschien, die seit<br />

1967 publiziert wird, gab es eine „eingedeutschte“ Fassung<br />

unter dem Titel „Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel“ in<br />

der Zeitschrift „Lupo“. Das Deckblatt war verändert <strong>und</strong><br />

das von „unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf“ wurde<br />

zur „Fliehburg Bonnhalla“. Von „Wiedervereinigung“ ist<br />

die Rede, <strong>und</strong> „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen“<br />

seien „rein zufällig“. Aus Asterix wurde „Siggi“, von Siegfried<br />

dem Unverw<strong>und</strong>baren, aus Obelix „Babarras“, der<br />

einen Findling mit sich herumträgt „wie andere einen<br />

Schuldkomplex“; der Druide heißt „Konradin“ (es ist wohl<br />

Konrad Adenauer gemeint) <strong>und</strong> der Barde wird mit dem<br />

eigenartigen Namen „Parlament“ bedacht: „… nur ein<br />

stummer Parlament ist ein guter Parlament, ansonsten<br />

aber lästig!“ 43 . Der Anführer der Schieberbande spricht<br />

mit jiddisierendem Tonfall <strong>und</strong> selbst vor Grüßen wie<br />

„Heil Hein, heil unserem geliebten Bonnhalla!“ 44 schreckt<br />

die Kauka-Redaktion nicht zurück.<br />

Als ihnen daraufhin von Goscinny <strong>und</strong> Uderzo die Rechte<br />

entzogen wurden, machte sich der Verlag an eine<br />

Nachfolgeserie, die die Gr<strong>und</strong>idee übern<strong>im</strong>mt. „Als die<br />

Römer frech geworden“ heißt das erste Plagiat, das mit<br />

den Hauptfiguren „Fritze Blitz <strong>und</strong> Dunnerkiel“ in dem<br />

Kauka-Magazin „Fix <strong>und</strong> Foxi Super Tip Top Bd. 4“<br />

erschien. Die reaktionäre Ideologie ist die gleiche geblieben,<br />

die Helden bekämpfen englischsprachige „Besatzer“.<br />

In „Der Ochsenkrieg“ widmen sich die Helden, die<br />

wieder die alten Namen „Siggi“ <strong>und</strong> „Babarras“ tragen,<br />

dem geteilten Deutschland. Die letzte dieser Geschichten<br />

war „Siggi <strong>und</strong> die Ostgoten“, darin hatte auch<br />

„Franz-Josevix“ als „bajuwarischer“ Kollege von „Konradix“<br />

seinen Auftritt. 45 Im Kauka-Verlag erscheinen noch<br />

mehr solcher revanchistischer Serien, z.B „Pichlsteiner“<br />

<strong>und</strong> „Bretzelburger“ (1969), in denen die DDR als He<strong>im</strong>statt<br />

hungernder Sklaven dargestellt wird. 46<br />

Als sich jedoch die öffentliche Kritik rührte, reagierte die<br />

Redaktion schnell <strong>und</strong> vermied daraufhin solche offensichtlichen<br />

Tendenzen.<br />

37 Goscinny/Uderzo: Asterix <strong>und</strong> Maestria. Stuttgart 1992.<br />

38 Goscinny/Uderzo: Die Trabantenstadt. Stuttgart 1975.<br />

39 Goscinny/Uderzo: Asterix bei den Briten. Stuttgart 1971.<br />

40 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />

1980. S. 104 ff.<br />

41 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />

1980. S. 106.<br />

42 Fuchs: Batman, Beatles, Barbarella. Ebersberg/Obb. 1985.<br />

S. 63.<br />

43 Lupo. 1965. H. 6, S. 10.<br />

44 Lupo. 1965. H. 6, S. 13.<br />

45 Knigge: Asterix in Deutschland. In: Comixene 17. 1978. S. 27-<br />

39.<br />

46 Lupo modern – Das junge Magazin.

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