Oper von Giuseppe Verdi - Opera Viva.
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MACBETH, EIN MONSTER? ODER WER A SAGT, MUSS AUCH B SAGEN<br />
Sie haben soeben den erfolgreichen Abschluss eines Geschäftes hinter sich.<br />
Im persönlichen Horoskop wird Ihnen prophezeit, dass Sie vom Abteilungsleiter<br />
erst zum Regionaldirektor und schliesslich zum CEO befördert werden.<br />
Könnte es sein, dass Ihre geheimsten Träume wahr werden? Sogleich bekommen<br />
Sie einen Anruf und erfahren, dass Sie zum Regionaldirektor gewählt<br />
wurden. In einer SMS schreiben Sie da<strong>von</strong> Ihrer Frau. Als Anerkennung<br />
beschliesst der CEO, den Abend bei Ihnen zu verbringen und bei Ihnen zu<br />
übernachten. Ihre Frau deutet dies als Wink des Schicksals und überredet<br />
Sie, den Direktor in derselben Nacht umzubringen. Es kostet Sie Überwindung,<br />
aber Sie wollen vor Ihrer Frau nicht als Memme dastehen. Der Mord<br />
wird vollzogen, und es gelingt Ihnen, den Verdacht auf seine Assistenten zu<br />
lenken. Sie sind nun über Nacht zum Chef avanciert. Doch im Horoskop<br />
stand auch, dass Konkurrenten ihnen den Chefsessel streitig machen könnten.<br />
Konsequenterweise müssen Sie auch diese eliminieren. Und so dreht sich die<br />
Spirale des Horrors bis zum bitteren Ende. Wobei Ihre Gewissenbisse immer<br />
grösser werden, das haben Sie so doch gar nicht gewollt. Keine Sekunde<br />
können Sie den Chefsessel geniessen. Es kommt zum nervlichen Kurzschluss:<br />
Den Unfalltod Ihrer Frau nehmen Sie apathisch zur Kenntnis. So in etwa<br />
könnte man die Geschichte heute erzählen.<br />
Bei allem Greuel: Es ist mir wichtig, Macbeth so menschlich wie möglich zu<br />
zeigen, damit wir uns eben doch ein Stück weit identi� zieren können mit<br />
dem vermeintlichen Monster. Es sind auch Schicksalsschläge, Zufälle, die uns<br />
zum Mörder werden lassen. Seine psychische Struktur freilich ist der ideale<br />
Nährboden: Er ist ein Mensch zwischen Labilität und Aggressionsbereitschaft,<br />
zwischen Unterwerfung und Machtdemonstration – repräsentativ für mancherlei<br />
Despoten dieser Welt.<br />
HINTER JEDEM STARKEN MANN STEHT EINE NOCH STÄRKERE FRAU<br />
Die treibende Kraft, die (vermeintlich) starke Persönlichkeit, die Inkarnation<br />
der Machtgier ist bei <strong>Verdi</strong> – noch mehr als bei Shakespeare – Lady<br />
Macbeth. Und doch interessiert mich, auch bei ihr Charakterzüge herauszuschälen,<br />
die dem Bild der «eisernen Lady» entgegenlaufen. Weshalb ist diese<br />
Frau so durchtrieben böse? Was kompensiert sie damit? Offensichtlich konnte<br />
das Paar keine Kinder bekommen. Vielleicht wirft sie das ihrem Mann vor?<br />
Auf jeden Fall unterlässt sie keine Gelegenheit, ihren Mann als Schwächling<br />
zu denunzieren. Dass auch sie nicht unverwundbar ist, zeigt sich in den<br />
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