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Globales Lernen in Österreich - Paulo Freire Zentrum

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Aufenthaltsorts und Zugang zum öffentlichen Wohnbau; ferner um den Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildungs<strong>in</strong>stitutionenund Sozialversicherung und nicht zuletztum die Anerkennung von wirtschaftlichen Fluchtmotivenals Fluchtgrund. Sie haben damit öffentlichesAufsehen erregt, haben die Innenm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> und denBundespräsidenten mit ihren Forderungen konfrontiert.Das Besondere, be<strong>in</strong>ahe E<strong>in</strong>malige an diesen Protestenist es, dass hier die Betroffenen, die Rechtlosen, dieAsylsuchenden ihre Sache selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen.Die, die normalerweise nicht zu Wort kommen (sollen),ergreifen öffentlich das Wort und teilen, unüberhörbargeworden, ihre Me<strong>in</strong>ung mit. Sie benehmensich wie StaatsbürgerInnen, denen das Recht des politischenHandelns zusteht, sie eignen sich Citizenshipan. Das haben auch e<strong>in</strong>ige Beobachter klar erkannt:„Der Aufstand der Flüchtl<strong>in</strong>ge ist heute schon aufdiese seltsame, gewisse Weise e<strong>in</strong> Erfolg“, schriebRobert Misik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Standard-Kommentar. „Dererste Erfolg ist, dass es ihn überhaupt gegeben hat;dass die Verletzlichsten, für die normalerweise immernur gutwillige andere die Stimme erhoben haben,selbst gesprochen haben und damit als Subjekte sichtbargeworden s<strong>in</strong>d.“ (Misik 2013)Dar<strong>in</strong> liegt die politische Lernchance dieser Bewegung:Die, deren Rechte niemand wahrnehmen will, nehmenselbst ihre Rechte wahr. Diejenigen, denen ke<strong>in</strong>Recht zu reden zugestanden wird, machen den Mundauf. Sie zeigen damit die Lücken von ÖsterreichsDemokratie auf und arbeiten an ihrer Schließung. Dasist e<strong>in</strong> gar nicht zu unterschätzender Beitrag zu GlobalCitizenship. Was hier gefordert und praktiziert wird,ist – unabhängig davon, ob dies den Beteiligten bewusstist oder nicht – e<strong>in</strong> Schritt zur Ausweitung der Demokratieüber die Grenzen des Nationalstaats h<strong>in</strong>weg.Und so ist es ke<strong>in</strong> Wunder, dass ähnliche Aktionenvon AnalytikerInnen von GlobalCitizenship, für sehrwichtig genommen werden. Luis Cabrera, dem wire<strong>in</strong>e der wichtigsten e<strong>in</strong>schlägigen Studien verdanken,betont, „that such immigrants, <strong>in</strong> seek<strong>in</strong>g to dischargefelt duties of contribution to their family members, or<strong>in</strong> simply seek<strong>in</strong>g to enhance their own protectionsfrom material threats, are engag<strong>in</strong>g <strong>in</strong> a de facto globalcivil rights movement. The nature of their actions, theextraord<strong>in</strong>ary hardships that so any endure <strong>in</strong> attempt<strong>in</strong>gto ga<strong>in</strong> mostly low-wage employment with<strong>in</strong> anaffluent state, is itself a form of advocacy for extend<strong>in</strong>gmemberships or <strong>in</strong>stitutional protections. [...] It isnoted and generally understood as a claim for distributiveand other forms of <strong>in</strong>clusion that, even if notaccepted, must ultimately be addressed“ (Cabrera2010, 261/262).Auf diese Weise kann die Votivkirche zu e<strong>in</strong>er Schuleder Demokratie werden. Die politischen Aktionen derFlüchtl<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Medien breit diskutiert worden.Es steht für e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum genug Materialzur Verfügung, um dieses kontroverse Thema auchkontrovers zu diskutieren. Die Besetzer der Votivkircheführen vor Augen, dass sie ke<strong>in</strong>e hilflosen Opfers<strong>in</strong>d, mit denen man Mitleid haben soll, sondern dasssie politisch Handelnde se<strong>in</strong> können, zu denen mansich solidarisch verhalten kann. Mehr noch: Sie gebene<strong>in</strong> Beispiel für demokratische Interventionen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar aussichtslosen Situation. Das könnteall jenen Mut machen, die me<strong>in</strong>en, dass sich etwasändern müsse, die aber zunächst ke<strong>in</strong>en Weg sehen,selbst aktiv zu werden. Somit kann die politischeBewegung, richtig genutzt, zur Lehrmeister<strong>in</strong> werden,damit etwas politisch <strong>in</strong> Bewegung gerät.Univ.-Prof. Mag. Dr. Werner W<strong>in</strong>terste<strong>in</strong>er ist Professor fürDeutschdidaktik an der Universität Klagenfurt und Leiterdes <strong>Zentrum</strong>s für Friedensforschung und Friedenspädagogikder AAU Klagenfurt.28

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