Abendprogramm 6. September 2012 - Berliner Festspiele
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<strong>6.</strong> <strong>September</strong><br />
AAroN CoplANd<br />
Aaron Copland (1900–1990) ist ein Komponist mit zwei Gesichtern.<br />
Da gibt es auf der einen Seite den Künstler, der sich klar und<br />
verständlich ausdrücken will und sich mit leicht zugänglichen Werken<br />
an ein großes Publikum wendet. Auf der anderen Seite steht Copland<br />
der Avantgardist, der seine Werke aus wenigen Bausteinen aufbaut<br />
und schroffe Dissonanzen schreibt, wenn dies der Idee der<br />
Komposition entspricht. Das Faszinierende an Coplands Musik ist,<br />
dass diese beiden Seiten seines Schaffens nicht voneinander getrennt<br />
sind, sondern sich durchdringen. Auch seine entschieden der Neuen<br />
Musik zugewandten Werke sind klar und verständlich, wenn man<br />
sich auf ihre Klangsprache einlässt. Umgekehrt entbehren seine populären<br />
Stücke wie Appalachian Spring keineswegs der inneren Folgerichtigkeit<br />
und sind mit großer motivischer Ökonomie gestaltet, wobei<br />
Copland auch in diese Kompositionen Elemente der Neuen Musik<br />
aufnimmt. Dabei verbindet er in seinem Schaffen Einflüsse von der<br />
jüdischen Musik über anglo- und lateinamerikanische Volksmusik<br />
bis zum Jazz mit der europäischen Tradition und ist in dieser Vielfalt<br />
ein zentraler Exponent der amerikanischen Musik. Im Musikleben<br />
der Vereinigten Staaten hat Copland nicht nur als Komponist, sondern<br />
auch als Organisator, Publizist und Förderer vieler anderer Musiker<br />
tiefe Spure hinterlassen.<br />
Geboren wurde Aaron Copland am 19. November 1900 im New<br />
Yorker Stadtteil Brooklyn. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer<br />
aus Litauen, die in New York als Betreiber eines Warenhauses zu<br />
Wohlstand gekommen waren. Als Kind fühlte sich Aaron Copland<br />
vom Klavier angezogen und erfand erste eigene Melodien. Im Alter<br />
von 13 Jahren erhielt er professionellen Klavierunterricht, vier Jahre<br />
später kam Unterricht in Komposition hinzu. Entscheidend für sein<br />
künstlerisches Leben wurde ein Aufenthalt in Paris von 1921 bis 1924,<br />
wo er unter anderem bei Nadia Boulanger studierte und sich gründlich<br />
mit der Musik seiner Zeit vertraut machte. Größte Bewunderung<br />
hegte Copland für Igor Strawinsky, dessen Schaffen ihn stark beeinflusste.<br />
Zurückgekehrt in die USA erlebte Copland 1924 seine erste<br />
große Uraufführung, die der Orgelsymphonie, bei der Nadia Boulanger<br />
als Solistin mitwirkte. Auch wenn das Werk in konservativ gestimmten<br />
Kreisen auf Ablehnung stieß, machte die Uraufführung den jungen<br />
Komponisten doch auf einen Schlag bekannt. Im Verlauf der<br />
nächsten zehn Jahre schuf Copland stetig neue, der Avantgarde zugeneigte<br />
Werke. Manch Kompositionen zeigen sich vom Jazz beeinflusst,<br />
doch ist die Anlehnung an das Jazzidiom, anders als etwa bei<br />
George Gershwin, nirgends stark ausgeprägt. Zu den bedeutendsten<br />
14.<br />
Musikfest Berlin <strong>2012</strong><br />
Werken dieser Zeit zählen das mit Vierteltönen arbeitende Klaviertrio<br />
Vitebsk und die Variations für Klavier. Gleichzeitig engagierte sich<br />
Copland für die Sache der Neuen Musik in verschiedenen Organisationen,<br />
veranstaltete Konzertreihen und schrieb Artikel für Zeitungen<br />
und Zeitschriften.<br />
Mitte der 1930er Jahre setzte eine Wende in seinem Schaffen ein.<br />
Copland machte es sich zum Ziel, den »Common Man«, wie es in einem<br />
Werktitel heißt, den einfachen Menschen anzusprechen, ohne<br />
seicht oder banal zu werden. Es entstanden zahlreiche sehr erfolgreiche<br />
Kompositionen wie die Ballettmusik Billy the Kid oder das Orchesterstück<br />
El Salón México, in denen Copland häufig kunstvoll Gebrauch<br />
von folkloristischen Elementen macht. Copland wendete sich nun<br />
auch der Filmmusik zu und erhielt 1948 einen Oscar. Mit seinen<br />
Schriften und später auch mit Fernsehsendungen erreichte er ein<br />
breites Publikum, bei dem er um Verständnis für die Neue Musik<br />
warb. In den 1950er und 60er Jahren fügte Copland seinem Schaffen<br />
eine weitere Facette hinzu und schuf mehrere sperrige Werke, in denen<br />
er auf originelle und undogmatische Weise Gebrauch von der<br />
Zwölftonmethode machte. Mit beinahe 60 Jahren nahm Copland<br />
noch eine Dirigentenkarriere auf, in der zwar das eigene Schaffen im<br />
Mittelpunkt stand, die aber keineswegs auf dieses beschränkt war.<br />
1973 gab Copland, der mit zunehmenden Gesundheitsproblemen zu<br />
kämpfen hatte, das Komponieren auf, dirigierte aber noch bis 1983.<br />
Er starb am 2. Dezember 1990.<br />
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