Seumes Nachleben - bei Johann Gottfried Seume
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Akademie der Künste. Er hat die Reise, die er beschrieb, tatsächlich 1925/26 selbst<br />
unternommen, angeblich bewusst auf <strong><strong>Seume</strong>s</strong> Spuren 32 .<br />
<strong>Seume</strong> war, sozusagen offiziell, im Ar<strong>bei</strong>ter- und Bauernstatt angekommen – aber<br />
keineswegs vorbehaltlos willkommen. Im DDR-Kulturbetrieb konnte man nämlich<br />
kaum begeistert sein von dem Wanderer, lässt sich die Vokabel „Wandern“ doch<br />
lässig zum subversiven Begriff „Unterwandern“ erweitern. Und <strong>Seume</strong> ist, wenn<br />
schon nicht ausgewandert, so doch immerhin ins Ausland und im Ausland<br />
gewandert. Sogar in das westlichen Ausland und im westlichen Ausland. So<br />
zeichnete denn auch der (Ost-)Deutsche Schriftsteller Friedrich Christian Delius<br />
<strong>Seume</strong> in seiner Erzählung „Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus“ als<br />
Mutmacher für DDR-Flüchtlinge. 33<br />
Ignorieren konnten DDR- den fragwürdigen <strong>Seume</strong> andererseits auch nicht. Schon<br />
deshalb, weil sein Andenken in seiner engeren Heimat immer gegenwärtig gewesen<br />
geblieben war. Vor allem in der Gegend von Leipzig und Grimma und im Gedächtnis<br />
der Menschen hatte er Spuren hinterlassen. Nicht zuletzt als Wanderer. 34<br />
Es galt mithin, <strong>Seume</strong> möglichst für den DDR-Sozialismus zu instrumentalisieren,<br />
zumindest aber seine Attraktivität zu kanalisieren. Für <strong>Seume</strong> sprach immerhin seine<br />
proletarische Herkunft. Seine gesellschaftspolitischen An- und Absichten waren zwar<br />
unklar, boten aber ob ihrer Vielfalt gelegentlich Anknüpfungspunkte für Lenin-Zitate.<br />
Wenn man selber die Herausgabe seiner Werke in die Hand nahm, behielt man<br />
zumindest die Interpretationshoheit.<br />
Was immer hinter Verlags- und Regierungs-Türen verhandelt wurde: bereits im Jahr<br />
1954, ist in Weimar, im Thüringer Volksverlag, ein Sammelwerk arg verstümmelter<br />
<strong>Seume</strong>-Schriften erschienen. Unter dem Titel: „SEUME – Ein Lesebuch für unsere<br />
Zeit“ 35 . Und 1977 durfte der „Aufbau-Verlag“ (Berlin und Weimar) „<strong><strong>Seume</strong>s</strong> Werke in<br />
zwei Bänden“ herausgeben 36 , soweit ich weiß ohne inhaltlich eingreifen zu müssen.<br />
Die Einleitungen zu <strong>bei</strong>den genannten Werken zeugen in ihrer Ausführlichkeit und in<br />
der gewundenen Ausdrucksweise von den Problemen, <strong>Seume</strong> als klassenbewussten<br />
Vorläufer des Ar<strong>bei</strong>ter- und Bauerstaats zu präsentieren. 37