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Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen

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( 8 ) Anu ale, mô dalô, u' n gâje.<br />

IMP:1P gehen me<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> du RESULTAT erreichen<br />

"Nun geh, me<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong>, du hast (jetzt) genug erreicht (geschafft)."<br />

(Seychellois, Michaelis 1993: 73)<br />

Am Beispiel des Seychellois ist e<strong>in</strong>e erste typische Begleitersche<strong>in</strong>ung der<br />

Grammatikalisierung deutlich erkennbar: die phonologische Reduktion /f<strong>in</strong>i/ > /n/. Auch<br />

sche<strong>in</strong>t es sich hierbei um e<strong>in</strong>e Klitisierung an das Subjektpronomen (u'n) zu handeln.<br />

FINI(R) sche<strong>in</strong>t jedoch der Ausgangspunkt für verschiedene<br />

Grammatikalisierungsketten zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Grammatikalisierungsprozess kann bei e<strong>in</strong>em<br />

konkreten lexikalischen E<strong>in</strong>trag beg<strong>in</strong>nen, kann aber von dort aus verschiedene Wege gehen.<br />

Oftmals s<strong>in</strong>d sich diese Wege durch semantische Bezüge sehr nah (vgl. Craig 1991 am<br />

Beispiel des Rama). In den FKS gibt es ebenfalls solch e<strong>in</strong>en weiteren<br />

Grammatikalisierungsprozess, die Entwicklung von FINI(R) zu e<strong>in</strong>em Adverb, welches den<br />

Grad e<strong>in</strong>es bestimmten Vorgangs oder Zustandes spezifiziert. So verdeutlicht FINI <strong>in</strong> (9) den<br />

endgültigen Abschluss des Ereignisses, <strong>in</strong> (10) den Zustand der gänzlichen Verblödung <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

(11), dass die gesamte Geschichte relevant ist.<br />

( 9 ) Quand tout la f<strong>in</strong>i prêt, frrr [...] Canards y s'envole.<br />

"Als alles ganz fertig war, frrr [...] flogen die Enten davon."<br />

( 10 ) Mon Dié moi f<strong>in</strong>i bète.<br />

"Me<strong>in</strong> Gott, ich b<strong>in</strong> völlig blöd."<br />

( 11 ) M'pa t'a-vlé l'f<strong>in</strong>-kônê sa.<br />

"Ich möchte nicht, dass er die ganze Geschichte erfährt."<br />

(Réunionnais, Héry 1828)<br />

(Morysien [Mautirius], Chrestien 1820)<br />

(Haitianisches Kreol, Sylva<strong>in</strong> 1979: 92)<br />

E<strong>in</strong>e solche metonymische Verschiebung lässt sich ganz genau so <strong>in</strong> den europäischen<br />

Sprachen beobachten (vgl. lat. perfectus 'vollendet / abgeschlossen' < perficere 'abschließen /<br />

beenden', dt. vollendet < vollenden, spn. cumplido < cumplir 'beenden / abschließen /<br />

erfüllen').<br />

Das Kreol Französisch Guyanas entwickelte e<strong>in</strong>e weitere Grammatikalisierungskette:<br />

vom Lexem FINI(R) zum Adjektiv bzw. Adverb, welches Perfektheit (<strong>in</strong> diesem Fall die<br />

'ästhetische Vollkommenheit' e<strong>in</strong>es Vorgangs, nicht den aspektuellen Abschluss) ausdrückt:<br />

( 12 ) Enkò yé di-konsa ou ka-chanté f<strong>in</strong>i.<br />

"Und außerdem, sie sagen du s<strong>in</strong>gst perfekt."<br />

(Französisch-Guyana Kreol [19. Jh.], Schlupp 1997: 237)<br />

Detges nennt noch e<strong>in</strong>e weitere mögliche Lesart von FINI im Louisianischen Kreol<br />

(USA). Wenn man über das Resultat e<strong>in</strong>es Vorgangs spricht, kann dies auch so <strong>in</strong>terpretiert<br />

werden, dass der entsprechende Vorgang, im Gegensatz zur Erwartung des Hörers, schon<br />

abgeschlossen ist:<br />

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