Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
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<strong>und</strong> Kognitionswissenschaftler erst noch enthüllen müssen. In diesem Abschnitt wollen wir<br />
uns die Frage stellen, welche tieferen Beweggründe es für die verschiedenen<br />
<strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong> gibt. Beim synchronen Sprachvergleich (wie wir ihn kurz <strong>in</strong><br />
Tabelle 1 versucht haben) stellt man sehr schnell fest, dass es Tendenzen zu geben sche<strong>in</strong>t.<br />
Manche Prozesse sche<strong>in</strong>en geradezu typisch zu se<strong>in</strong>. Englisch, Französisch <strong>und</strong> Spanisch s<strong>in</strong>d<br />
nicht die e<strong>in</strong>zigen Sprachen dieser Welt, die künftige Ereignisse mit e<strong>in</strong>em Grammem<br />
kodieren, welches sich aus dem lexikalischen E<strong>in</strong>trag für GEHEN entwickelt hat. Selbst viele<br />
Sprachen, die ke<strong>in</strong>erlei genetischen oder kulturellen Bezug zu den europäischen Sprachen<br />
haben, weisen dieses Merkmal auf.<br />
Wie kann man sich diese Parallelitäten erklären? Wenn es schon ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
l<strong>in</strong>guistische, kulturelle oder geschichtliche Basis gibt, dann müssen die Geme<strong>in</strong>samkeiten der<br />
Sprachen e<strong>in</strong>er anderen Quelle entspr<strong>in</strong>gen. Als solche bietet sich praktisch nur die<br />
menschliche Kognition an. Menschen teilen, unabhängig von ihrer Geschichte <strong>und</strong> ihrem<br />
Aufenthaltsort, genetische Merkmale. Dies äußert sich dar<strong>in</strong>, dass wir den Großteil der Welt<br />
auf die gleiche Art <strong>und</strong> Weise wahrnehmen. Diese Wahrnehmung spiegelt sich auch <strong>in</strong> der<br />
Sprache wieder. Es gibt unmittelbare Evidenz dafür, dass Kognition <strong>in</strong> der Sprache reflektiert<br />
wird (vgl. Lakoff 2003, Frowe<strong>in</strong> 2004). Dieser Ansatz steht im direkten Gegensatz zur Sapir-<br />
Whorf-Hypothese, die feststellt, dass umgekehrt die Sprache unsere Art zu Denken<br />
bee<strong>in</strong>flusst. Whorf erklärt, dass<br />
"[…] Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benutzen,<br />
durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen <strong>und</strong><br />
verschiedenen Bewertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen [gelangen]."<br />
(Whorf 1956: 20)<br />
In den folgenden Abschnitten wollen wir etwas konkreter werden. Auf Basis des<br />
Lakoff'schen Ansatzes wurden verschiedene Theorien formuliert, die versuchen zu erklären,<br />
<strong>in</strong>wiefern unsere Wahrnehmung e<strong>in</strong>e Rolle bei <strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong>n spielt. Diese<br />
sollen hier nun kurz dargestellt werden. Mit diesen Theorien werden wir im Hauptteil dieser<br />
Seiten den Versuch wagen, sie auf <strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong> <strong>in</strong> Pidg<strong>in</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Kreolsprachen</strong> zu projizieren.<br />
3.3.1 Grammatikalisierung durch Ritualisierung (Haiman 1994)<br />
E<strong>in</strong>en Versuch, die nicht sichtbaren Eigenschaften von<br />
<strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong>n zu beleuchten, unternahm Haiman (1994). Für Haiman wird<br />
nahezu jede Form von Wandel durch Ritualisierung motiviert. Zur Erläuterung vergleicht er<br />
Ritualisierungsprozesse <strong>in</strong> der Natur mit solchen Prozessen <strong>in</strong> der Sprache.<br />
Ursprünglich übergab das paarungsbereite Tanzfliegenmännchen dem Weibchen e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
Seide e<strong>in</strong>gewickeltes Insekt als Hochzeitsgeschenk. Dies tat es nicht nur aus gutem Willen,<br />
sondern es diente e<strong>in</strong>em konkreten Zweck. Es sollte das Weibchen, welches das Männchen <strong>in</strong><br />
der Regel nach dem Paarungsakt frisst, ablenken, damit das Männchen mit dem Weibchen<br />
den Paarungsakt vollziehen konnte. Im Laufe der Zeit jedoch gaben sich die<br />
Tanzfliegenmännchen weniger Mühe mit den Hochzeitsgeschenken <strong>und</strong> übergaben dem<br />
paarungsbereiten Weibchen irgendwann nur noch e<strong>in</strong>en leeren Seidenkokon, diese Übergabe<br />
sollte von nun an ihre Paarungsbereitschaft signalisieren. Nun konnte der Akt vollzogen<br />
werden, während das Weibchen den leeren Kokon auswickelt. Das Präsent fungierte ab hier<br />
nicht mehr als Instrument, um das Weibchen abzulenken, sondern nur noch als Symbol zur<br />
Signalisierung der Paarungsbereitschaft. Die Übergabezeremonie wurde ritualisiert.<br />
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