Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
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Kreolsprecher beantworten. Dies lässt sich natürlich nicht bewerkstelligen, somit sche<strong>in</strong>t der<br />
zweite Ansatz ke<strong>in</strong>e Lösung darzustellen.<br />
Wie bereits angesprochen ist e<strong>in</strong>er der Schwachpunkte der L<strong>in</strong>guistik, dass sie oftmals<br />
mit vielen, so sche<strong>in</strong>t es, spärlich zusammengekleisterten <strong>und</strong> provisorischen Theorien<br />
arbeiten muss 27 . Und auch <strong>in</strong> unserem konkreten Fall bietet sich dieses Pr<strong>in</strong>zip an. Wir<br />
kreieren e<strong>in</strong>e neue Kategorie, nennen sie beispielsweise kontakt<strong>in</strong>duzierte<br />
Grammatikalisierung <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d dann dazu <strong>in</strong> der Lage, e<strong>in</strong>ige Ausnahmeersche<strong>in</strong>ungen wie<br />
die obige aufzufangen. Dies wäre auch mit der Idee vere<strong>in</strong>bar, das Sprachen sehr flexible <strong>und</strong><br />
oftmals sich stark unterscheidende Systeme s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs stellt sich dann die Frage, ob wir<br />
auf diese Weise noch effektive L<strong>in</strong>guistik betreiben, denn auch hier geben wir dem alten<br />
Problem lediglich e<strong>in</strong>en neuen Namen. Somit bliebe als letzte (<strong>und</strong> schwierigste) Option<br />
d) der Begriff der Grammatikalisierung muss vollkommen neu def<strong>in</strong>iert werden, so dass<br />
er alle auf diesen Seiten behandelten Phänomene adäquat erklären kann<br />
Mir sche<strong>in</strong>t Lösung a) für den Moment die beste Alternative zu se<strong>in</strong>. Plag geht<br />
sowieso nicht davon aus, dass se<strong>in</strong>e Theorie vollkommen ist. Ansonsten würde er sie wohl<br />
auch nicht nur bescheiden als "Hilfsmittel" (tool) bezeichnen. Da dieses Hilfsmittel uns<br />
allerd<strong>in</strong>gs auf diesen Seiten mehr als gute Dienste geleistet hat, wird dies der ganzen<br />
Plag'schen Theorie ke<strong>in</strong>en Abbruch tun.<br />
5. Das Ergebnis<br />
Unser Versuch <strong>in</strong> Kapitel 4 war es, die <strong>in</strong> Kapitel 3 vorgestellten<br />
Grammatikalisierungstheorien konkret auf Sprachmaterial aus Pidg<strong>in</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreolsprachen</strong><br />
abzubilden. Zuerst wollen wir zusammenfassen, <strong>in</strong>wiefern sich diese Theorien bewahrheitet<br />
haben bzw. wo, falls sie welche haben, ihre Schwachstellen s<strong>in</strong>d. Im Anschluss wollen wir<br />
dann zusammentragen, <strong>in</strong>wiefern die vier hier vorgestellten Sprachen bzw. Sprachgruppen<br />
sensibel für gewisse Sprachwandelprozesse s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> ob wir dadurch weitergehende Schlüsse<br />
ziehen können. Danach werden wir uns auf die Suche nach den universellen Pr<strong>in</strong>zipien<br />
begeben, die <strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong>n <strong>in</strong> Pidg<strong>in</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreolsprachen</strong> zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />
5.1 Evaluation der Grammatikalisierungstheorien<br />
Die erste Theorie, die wir vorgestellt haben, war Haimans Theorie der Ritualisierung.<br />
Nach diesem Ansatz ist Grammatikalisierung dadurch motiviert, dass sprachliche Elemente<br />
derart frequent im Gebrauch s<strong>in</strong>d, dass ihr semantischer Gehalt mit der Zeit verbleicht <strong>und</strong><br />
das betroffene Element neue Funktionen erhält, also ritualisiert wird.<br />
Die vorangehenden Seiten haben deutlich gemacht, dass Haimans Idee nicht immer<br />
effektiv zum Zuge kommt. Die Entwicklungsphänomene, die wir für das Melanesische Pidg<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> für das Unserdeutsch ausgewählt haben 28 , sche<strong>in</strong>en ganz klar ke<strong>in</strong>e Fälle von<br />
Ritualisierung darzustellen. Dies ist vorrangig dadurch begründet, dass wir <strong>in</strong> den<br />
untersuchten Fällen ke<strong>in</strong>e <strong>Grammatikalisierungsprozesse</strong> annehmen konnten, sondern<br />
vielmehr Reanalyse bzw. Analogie zugr<strong>und</strong>e legten. In den Grammatikalisierungen der FKS<br />
27 Paradebeispiel dafür ist die generative Syntax. In Ermangelung besserer Theorien ist dies jedoch auch legitim.<br />
28 Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass es <strong>in</strong> den betreffenden Sprachen nur Reanalyse- oder Analogieprozesse<br />
gibt. Die Auswahl anderer Entwicklungsphänomene könnte ebenso auch andere Ergebnisse liefern. Wenn<br />
überhaupt, können diese Seiten lediglich kle<strong>in</strong>ere Tendenzen aufweisen.<br />
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