Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen
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E<strong>in</strong> Blick auf Abbildung 5 macht erneut etwas deutlich: bei all diesen drei Prozessen<br />
können wir ke<strong>in</strong>e Grammatikalisierung annehmen, vielmehr liegt e<strong>in</strong>e Analogiebildung<br />
zugr<strong>und</strong>e. Alle drei Elemente der jeweiligen Substratsprache wurden durch das Superstrat<br />
relexifiziert, die Funktionen <strong>und</strong> Bedeutungen wurden hierbei beibehalten. An der Oberfläche<br />
wurden kle<strong>in</strong>ere phonologische Anpassungen vorgenommen. Lediglich im Falle der<br />
Entwicklung des englischen Temporaladverbs just zu tes / das im Solomons Pij<strong>in</strong> können wir<br />
davon ausgehen, dass e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale phonologische Reduktion (der Verlust des f<strong>in</strong>alen<br />
Plosivlautes <strong>und</strong> somit Vere<strong>in</strong>fachung der Silbenstruktur) stattgef<strong>und</strong>en hat. Somit weist von<br />
den drei Entwicklungen nur diese e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e für Grammatikalisierung typische Tendenz auf.<br />
E<strong>in</strong>deutiger wird das Ergebnis jedoch, wenn wir uns wieder <strong>in</strong> die Tiefe begeben. Von<br />
Ritualisierung kann <strong>in</strong> allen drei Fällen ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die Frequenz der Elemente ist völlig<br />
gleich geblieben, somit dürfte aus der Häufigkeit heraus ke<strong>in</strong> Wandel entstanden se<strong>in</strong>. Auch<br />
e<strong>in</strong>e Abstrahierung hat hier nicht stattgef<strong>und</strong>en, die Funktionen <strong>und</strong> Bedeutungen der<br />
Elemente s<strong>in</strong>d ebenfalls völlig konstant geblieben. All diese Feststellungen können wir auch<br />
erneut durch Plags Theorie bestätigen. Da hier e<strong>in</strong>e Analogiebildung vorliegt, die kaum<br />
Merkmale e<strong>in</strong>er Grammatikalisierung vorweist, handelt es sich deutlich um e<strong>in</strong>en<br />
kontakt<strong>in</strong>duzierten Wandel.<br />
Somit können wir auch im Falle der präverbalen TAM-Partikel feststellen, dass die<br />
meisten Grammatikalisierungstheorien hier nicht zum Zuge kommen.<br />
4.3.3 Die Hilfsverben kam <strong>und</strong> go<br />
Vor der Kreolisierung wurden <strong>in</strong> der Substratsprache Kwaio mit Hilfe des Hilfsverbs<br />
kee aufe<strong>in</strong>ander folgende Ereignisse gekennzeichnet. Wurde das Hilfsverb vor das Vollverb<br />
gesetzt, so wurde dadurch ausgedrückt, dass das Ereignis des vorausgehenden Satzes dem mit<br />
dem Auxiliar <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehenden Verb auch zeitlich vorausgeht, <strong>in</strong> etwa übersetzbar als<br />
"vorher passierte …":<br />
( 28 ) e kee nigi lolo'o me-'e bi'i leka folo-si-a<br />
er AUX ankommen oben <strong>und</strong>-er nun gehen herüber-TRS-es<br />
"Dann kam er oben an <strong>und</strong> überquerte (es)."<br />
(Kwaio, Kees<strong>in</strong>g: 332)<br />
Auch das Hilfsverb kee wurde relexifiziert <strong>und</strong> durch go (bzw. die Reduplikation<br />
gogo) ersetzt:<br />
( 29 ) hem-i gogo kas-im antafu ana hem-i tas go koros-im<br />
er AUX erreichen-TRS oben <strong>und</strong> er nun gehen herüber-TRS<br />
"Dann kam er oben an <strong>und</strong> überquerte (es)."<br />
(Melanesisches Pidg<strong>in</strong>, Kees<strong>in</strong>g: 332)<br />
Ähnlich erg<strong>in</strong>g es dem Kwaio-Hilfsverb me'e. Vor e<strong>in</strong> Vollverb gesetzt hat es<br />
ebenfalls e<strong>in</strong>e narrative Funktion, <strong>in</strong>s Deutsche <strong>in</strong> etwa übersetzbar als "danach passierte …":<br />
( 30 ) rua solodia gala me'e ula i suri-a<br />
zwei Polizei sie.beide AUX stehen LOK neben-ihm<br />
"Die beiden Polizisten würden dann neben ihm stehen."<br />
(Kwaio, Kees<strong>in</strong>g: 332)<br />
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