<strong>Jetzt</strong> <strong>erst</strong> <strong>recht</strong>!Text: Sylvia Caviezel, Fotos: Elisabeth SchmidOktober 2012Wie jedes Jahr verbrachte ich auch diesen Herbst meine Ferien in Griechenland, diesmalauf der Insel Chios.Im letzten Bulletin stand ein Artikel über Mastixbäume und Mastixverarbeitung in Chiosund genau in dieser Gegend sind wir heute unterwegs. Zu<strong>erst</strong> fahren wir noch durchgrünes, bebautes Gebiet mit Olivenbäumen und nach und nach sehen wir immer mehrMastixplantagen. Plötzlich ändert sich das Bild schlagartig: wir fahren durch eineschwarze, verkohlte Gegend, Opfer der grossen Brände vom August.Es sieht wirklich trostlos aus, nichts alsschwarze, verbrannte Sträucher, die ehemaligenMastixbäume. Für lange Zeit ist hierkeine Mastixgewinnung mehr möglich, eineKatastrophe für die Bauern, die schon vordem Brand in einer schwierigen Lage waren!Zum Glück ändert sich das Bild wieder, alswir dem Meer zu fahren, dort ist die Naturwieder unversehrt.In Emporios, unserm heutigen Ziel, angekommen,steigen wir aus dem Bus. Es istnoch früh am Morgen, das Dorf schläft noch.Wir setzten uns in die Taverne von Maria, wowir die Badesachen von unsern Wanderern,die noch unterwegs sind, deponieren wollen.Nur eine Kollegin wird ungeduldig, stapft aufdem Dorfplatz herum und sucht eine offeneTaverne, sie will einen Ouzo haben. Undüberhaupt, wo ist denn hier der Strand? Siemustert den kleinen Fischerhafen, Ist daswohl schon hier? Das ist ja schrecklich! Ichkann sie diesbezüglich beruhigen, denn derStrand von Emporios ist noch hinter demkleinen Hügel. Aber beim Ouzo suchen kannich ihr nicht helfen, es ist definitiv noch alleszu. Auch die Nachfrage bei einem Griechen,der gerade das Trottoir abspritzt. nützt nichts,Geduld ist gefragt! Aber schliesslich habendie Tavernenbesitzer ja bis in alle Nacht gearbeitetund müssen ja nicht unbedingt schonvor 10 Uhr wieder da sein, insbesondere daausser uns noch weit und breit keine Touristenzu sehen sind. Schliesslich kommt derBäcker mit frischem Brot und telefoniert derTavernenbesitzerin, die bald auch erscheintund uns sehr freundlich bedient.Dann spazieren wir über den Hügel, wo derVulkanstrand zu finden ist, ein wunderschönesBild, die schwarzen Kiesel und daskristallklare Wasser des Meeres. Dazu ist erfast menschenleer.Na, wo sind denn hier die Liegestühle, tönt esfragend hinter mir. Dass es hier keine hat, isteine mittlere Katastrophe für meine Kollegin,wo soll ich mich denn jetzt hinlegen???Natürlich sind die Kiesel nicht so bequem wieLiegestühle, aber diesen wunderbaren Strandmit Stühlen zu "garnieren" wäre wirklichschade! Wir geniessen die Sonne und daswarme Meer in vollen Zügen. Meine Kollegin4
ist allerdings schon bald wieder auf demRückweg ins Dorf, diesen Schreck mit demunbequemen Strand muss sie unbedingt miteinem weiteren Ouzo hinunter spülen!Auf dem Rückweg besuchen wir noch dasMastixdorf Pirgi, das zwar kurze Zeit evakuiertwerden musste, weil die Gefahr einerRauchvergiftung drohte. Aber Gott sei Dankwurde es kein Raub der Flammen! Ich war jadas <strong>erst</strong>e Mal etwa vor 15 Jahren hier. Mittlerweileist das Dorf mit seinen Sgraffiti wunderschönrenoviert worden und steht unterSchutz. Viele ältere Frauen sitzen vor ihrerHaustür und sortieren in einem grossenBecken die Mastixernte der unversehrt gebliebenenBäume. Es ist eine Sisyphusarbeit,denn die Mastixklümpchen sind mit Erde undBlättern vermischt, die mühsam getrennt werdenmüssen. Aber wenn man nur ein bisschengriechisch spricht, sind sie glücklich undwollen alles wissen, woher man kommt, obwir verheiratet sind und wie viele Kinder wirhaben. Ich glaube den Zivilstand ledig, wie ichihn habe, existiert gar nicht hier. Es gibt vielzu reden unter den Frauen und sie v<strong>erst</strong>ehenabsolut nicht, dass ich keinen Mann habe!Am Schluss möchte ich nochmals auf dieBrände zurück kommen. Es hat ja ausser imMastixgebiet auch im Norden und auf derInsel Inousses grosse Flächen verbrannt.Es ist ein trauriges Bild, links und <strong>recht</strong>s derSrasse verkohlte Bäume zu sehen, wo einstein mühsam aufgeforsteter Wald stand.Aber auch auf der Insel Chios steht inmittender verbranntenErde das KlosterNea-Monimitsamt seinenZypressen unversehrtalsZeichen derHoffnung.Und ich denke,jetzt <strong>erst</strong> <strong>recht</strong>müssen wirGriechenlandund der gebeuteltenInsel dieTreue halten,die Menschenhaben es verdient!5