13.07.2015 Aufrufe

Der Satz von Taylor mit Anwendungen

Der Satz von Taylor mit Anwendungen

Der Satz von Taylor mit Anwendungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Der</strong> <strong>Taylor</strong>sche <strong>Satz</strong> — Herleitung und<strong>Anwendungen</strong>Joachim Schneider ‡Juni 2004ZusammenfassungEs wird ein enfacher Beweis des <strong>Taylor</strong>sche <strong>Satz</strong> über die lokale Approximierbarkeithinreichend glatter Funktionen durch Polynome gegeben.Anhand einiger Bespiele wird seine Anwendung in Mathematik, Numerikund Mechanik demonstriert.1 MotivationEine beliebige genügend glatte (f ∈ C m+1 ([a, b]); a, b ∈ R , a < b; m ∈ N 0 )Funktion, f: [a, b] −→ R , soll an der Stelle x 0 ∈ [a, b] durch ein Polynom Tvom Grade m approximiert werden (T = T f,m,x0 ).Die Approximation soll so sein, daß alle Ableitungen <strong>von</strong> f und T an derStelle x 0 bis zur Ordnung m übereinstimmen: T soll sich also an f anschmiegen:f (k) (x 0 ) = T (k) (x 0 ) , für k = 0, . . . , m (1)Dann sind also alle lokalen Eigenschaften <strong>von</strong> f und T , die aus den erstenm Ableitungen an der Stelle x 0 folgen, gleich: Funktionswert, Steigung,Krümmung, Extrema, Wendepunkte, . . ..‡ Q2, 11-1268161 Mannheimemail: joachim@hal.rhein-neckar.de1


2 DIE TAYLORSCHE FORMEL 2Für T setzen wir also anm∑T (x) = a j (x − x 0 ) j (2)j=0Dann wird die k-te Ableitung zuT (k) (x) =m−k ∑j=0und insbesondere ist(j + 1) · · · (j + k) a j+k (x − x 0 ) j (3)T (k) (x 0 ) = k!a k (4)Da<strong>mit</strong> folgt für T :T (x) =m∑j=01j! f (j) (x 0 ) (x − x 0 ) j (5)Das ist das <strong>Taylor</strong>polynom <strong>von</strong> f der Ordnung m um die Stelle x 0 :T = T f,m,x0 . (6)2 Die <strong>Taylor</strong>sche Formel<strong>Der</strong> Zusammenhang zwischen einer Funktion und dem zugehörigen <strong>Taylor</strong>polynomwird durch die <strong>Taylor</strong>sche Formel ver<strong>mit</strong>telt. Natürlich gilt immerf (x) = T f,m,x0 (x) + R f,m,x0 <strong>mit</strong> einem entsprechenden “Restglied”R (x) = R f,m,x0 (x); die <strong>Taylor</strong>sche Formel liefert eine brauchbare Darstellungdieses Restgliedes.


2 DIE TAYLORSCHE FORMEL 3Zu ihrer Herleitung integrieren wir partiell ([1], [2]):∫f (x) = f (x 0 ) − x f (1) (t) d ( (x−t)1 ) dtdt 1!x 0= f (x 0 ) + f (1) ∫(x 0 ) (x − x 0 ) − x f (2) (t) d ( (x−t)2 ) dtdt 2!x 0= f (x 0 ) + f (1) (x 0 ) (x − x 0 ) + f (2) (x 0 ) (x−x 0) 2 ∫− x f (3) (t) d ( (x−t)3 ) dt2! dt 3!x 0.= ∑ mj=0 f (j) (x 0 ) (x−x 0) j∫− x f (m+1) (t) d ( (x−t)m+1 ) dtj! dt (m+1)!x 0= ∑ m 1f (j)j=0 (xj! 0 ) (x − x 0 ) j + 1 x∫f (m+1) (t) (x − t) m dtm!x 0Da<strong>mit</strong> hat man die <strong>Taylor</strong>sche Formel alsf (x) =m∑j=0<strong>mit</strong> dem Restglied1j! f (j) (x 0 ) (x − x 0 ) j + R (x) (7)∫xR (x) = R f,m,x0 (x) = 1 f (m+1) (t) (x − t) m dt (8)m!x 0Mit dem Mittelwertsatz der Integralrechnung sieht man, daß ein ξ ∈ 〈x, x 0 〉(〈x, x 0 〉 := (x, x 0 ) falls x < x 0 , 〈x, x 0 〉 := (x 0 , x) sonst) existiert, so daß dasRestglied alsR (x) = R f,m,x0 (x) = 1 ∫xm! f (m+1) (ξ)darstellen kann. Insbesondere ist auf [a, b]=(x − t) m dtx 0(9)1(m + 1)! f (m+1) (ξ) (x − x 0 ) m+1R (x) = R f,m,x0 (x) = O ( (x − x 0 ) m+1) , (10)weil f (m+1) auf [a, b] stetig ist und daher beschränkt ist.


3 DIE TAYLORSCHE FORMEL: EINE ANDERE HERLEITUNG 41.5Einige <strong>Taylor</strong>polynome der Sinusfunktion10.50-0.5-1-1.5-3 -2 -1 0 1 2 3sin(x) T 1 (x) T 3 (x) T 5 (x)3 Die <strong>Taylor</strong>sche Formel: Eine andere HerleitungHier soll noch eine andere Herleitung angegeben werden, die <strong>mit</strong> etwasschwächeren Voraussetzunggen auskommt, dafür aber auch eine nicht so allgemeineForm des Restgliedes liefert (vergleiche [3] und [4]).Die entscheidende Beobachtung dafür ist, daß man das <strong>Taylor</strong>polynom x ↦−→T f,m,x0 bei festem x auch als Funktion <strong>von</strong> x 0 auffassen kann. Sei also (wirwollen für diese Betrachtung lieber t statt x 0 verwenden)T t (x) := T f,m,t (11)Dann erhält man die überraschende Identitätddt (T t (x)) = 1 m! f (m+1) (t) (x − t) m , (12)es taucht also hier nur noch die (m + 1)-te Ableitung <strong>von</strong> f auf, alle anderenTerme heben sich gegenseitig weg.Definiert man nung (t) := f (x) − T t (x) , (13)so folgt:


3 DIE TAYLORSCHE FORMEL: EINE ANDERE HERLEITUNG 5g ′ (x) = 0,g (x 0 ) = R f,m,x0 (x) undg ′ (t) = − 1 m! f (m+1) (t) (x − t) m .(14)Erinnert man sich an den <strong>Satz</strong> <strong>von</strong> Rolle: “Zwischen zwei a-Stellen einer differenzierbarenFunktion liegt eine Nullstelle der Ableitung” (Beweis: Funktionhat lokales Extremum zwischen den beiden a-Stellen), so sieht man schnellden zweiten Mittelwertsatz der Differentialrechnung ein:Seien g und h differenzierbar auf [a, b], und x, x 0 ∈ [a, b], dann existiert einξ aus 〈x, x 0 〉 so, daß(g (x) − g (x 0 )) h ′ (ξ) = (h (x) − h (x 0 )) g ′ (ξ) . (15)Zum Beweis wende man den <strong>Satz</strong> <strong>von</strong> Rolle auf die Funktions (t) := (g (x) − g (x 0 )) h (t) − (h (x) − h (x 0 )) g (t) (16)an, für die ja a := s (x 0 ) = s (x) gilt.Mit (14) und (15) und einer auf [a, b] streng monotonen und differenzierbarenFunktion h folgt dann:R (x) = g (x 0 ) − g (x)= (g (x 0 ) − g (x)) h ′ (ξ) /h ′ (ξ)= (h (x 0 ) − h (x)) g ′ (ξ) /h ′ (ξ)= 1 m! f (m+1) (x − ξ)m(ξ) (h (x) − h (xh ′ 0 )) .(ξ)(17)Wählt man jetzt (zum Beispiel!)1h (ξ) = −(m + 1)! (x − ξ)m+1 , (18)so folgt für das RestgliedR (x) =1(m + 1)! f (m+1) (ξ) (x − x 0 ) m+1 (19)Man braucht für diesen Beweis also nicht zu integrieren und es reicht, daß fm-mal stetig differenzierbar auf [a, b] ist und daß die (m + 1)-te Ableitungin (a, b) existiert.


4 ANWENDUNGEN 64 <strong>Anwendungen</strong>4.1 Potenzreihendarstellung wichtiger FunktionenIst eine Funktion unendlich oft differenzierbar, so konvergiert Ihre <strong>Taylor</strong>reihe— also die Folge ihrer <strong>Taylor</strong>polynome — genau dann gegen die Funktion,wennlimn−→∞ R f,n,x 0= 0, (20)und man hat die Darstellungf (x) =∞∑j=01j! f (j) (x 0 ) (x − x 0 ) j (21)Mit der Restglieddarstellung (8) folgt sofort die Abschätzung|R f,n,x0 | ≤∥∥f (n+1)∥ ∥ ∥∞1(n + 1)! (x − x 0) n+1 (22)Insbesondere dann, wenn eine Konstante C ∈ R + existiert, so daß für alle∥k ∈ N ∥f (k)∥ ∥ ∥∞ ≤ C k ist 1 , gilt die Darstellung (21), denn für jedes positivea ist lim k−→∞ a k /k! = 0.Wenden wir uns den trigonometrischen Funktionen sin () und cos () zu, diewir um die Stelle 0 entwickeln wollen:Mitundsin (0) = 0, cos (0) = 1 (23)sin ′ = coscos ′ = − sin(24)folgensin (k) (0) = (0, 1, 0, −1, 0, 1, . . .)cos (k) (0) = (1, 0, −1, 0, 1, 0, . . .)und da<strong>mit</strong> die Potenzreihendarstellungen1 ∥ ∥f (k)∥ ∥∞≡ max x∈[a,b]∣ ∣ f (k) (x) ∣ ∣


4 ANWENDUNGEN 7sin (x) =cos (x) =∞∑k=0∞∑k=0(−1) k(2k + 1)! x2k+1(−1) k(2k)! x2k .(25)Da<strong>mit</strong> werden diese Funktionen überhaupt erst berechenbar.4.2 Numerische Berechnung <strong>von</strong> AbleitungenAus der <strong>Taylor</strong>schen Formel erhalten wir für eine hinreichend glatte Funktionf :f (x + h) = f (x) + f ′ (x) h + 1 2 f ′′ (x) h 2 + 1 6 f ′′′ (x) h 3 + O ( h 4)f (x − h) = f (x) − f ′ (x) h + 1 2 f ′′ (x) h 2 − 1 6 f ′′′ (x) h 3 + O ( h 4) (26)Durch Addition und Subtraktion dieser Gleichungen erhält man Formeln fürdie erste und die zweite Ableitung:f ′ (x) =f ′′ (x) =f (x + h) − f (x − h)+ O ( h 2)2hf (x + h) + f (x − h) − 2f (x)+ O ( (27)h 2) h 2Das hier ein Fehler O (h 2 ) gemacht wird bedeutet z.B., daß bei Anwendungdieser Formeln eine Halbierung der Schrittweite h bewirkt, daß der lokaleDiskretisierungsfehler um den Faktor 4 kleiner wird.Weitere solcher Formeln gibt es z.B. in [5].4.3 Kleine SchwingungenWir betrachten ein eindimensionales mechanisches System:mẍ = K (x) (28)Das System befinde sich bei x = 0 in Ruhe und die Kraft K wirke beikleinen Auslenkungen rücktreibend, in einer Umgebung <strong>von</strong> x = 0 gilt alsoK (x) < 0 für x > 0 und K (x) > 0 für x < 0.


.....4 ANWENDUNGEN 8Wir nähern K durch ihr <strong>Taylor</strong>polynom an, wobei wir uns auf den ersten<strong>von</strong> Null verschiedenen Term beschränken. Das muß dann also ein Term <strong>mit</strong>einer ungeraden Potenz in x sein:K (x) ≈ αx 2l+1 für ein l ∈ N 0 ; α > 0 (29)In den meisten Fällen wird K ≈ αx gelten, das muß aber nicht so sein, wieder hier skizierte Schwinger zeigt, bei dem für kleine Auslenkungen die Kraftproportional zur dritten Potenz der Auslenkung ist (vergleiche dazu [6]).. . . ... ..Masse = m...y.Federkonstante = D...x... . . .Ein Schwinger <strong>mit</strong> Kraft ∝ (∆y) 3In der überwiegenden Zahl der Fälle, in denen K ≈ αx ist, erhält man alsBewegungsgleichnug für kleine Auslenkungen die Differentialgleichung desharmonischen Oszillatorsmẍ + αx = 0 (30)<strong>mit</strong> der Lösung (ω :=√α/m)x (t) = (ẋ 0 /ω) sin (ωt) + x 0 cos (ωt) (31)Das heißt: “Alle kleinen Schwingungen sind gleich”.


LITERATUR 9Literatur[1] Brauch, W., Dreyer, H.-J. und Haacke, W.: Mathematik für Ingenieure.Stuttgart: B.G. Teubner, 1990.[2] Forster, O.: Analysis 1. Braunschweig/Wiesbaden: Friedr. Vieweg &Sohn, 1983.[3] Heuser, H.: Lehrbuch der Analysis — Teil 1. Stuttgart,Leipzig: B.G.Teubner, 1998.[4] Barner, M. u. Flohr, F.: Analysis I. Berlin, New York: de Gruyter, 1991.[5] Chapra, S.C. u. Canale R.P.: Numerical Methods for Engineers. Boston,. . . : Mc Graw-Hill, 2002.[6] Collatz, L.: Differentialgleichungen. Stuttgart: B. G. Teubner, 1990.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!