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2/10<br />
UNI<br />
MAGAZIN<br />
Gute Gründer:<br />
Mit Biofolien auf den Markt<br />
Sportstudenten in Finnland:<br />
Die Eishockey-Scouts<br />
Biodiversität in China:<br />
50 Hektar voller Vielfalt<br />
Pädagogen in der Peerwelt:<br />
Gleichaltrige und ihr Einfluss<br />
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Wir stehen für Sie Kopf !
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
der Lenz ist da, die Pflanzen sprießen. Die<br />
Ideen auch, nicht zuletzt an der MLU. Immer<br />
öfter sind es unternehmerische Ideen, die<br />
marktreif gedacht und in ein Konzept gegossen<br />
werden wollen. Nun gibt es an unserer<br />
Alma Mater zwar keinen Gründungslehrstuhl<br />
(anders als an rund 60 deutschen Hochschulen),<br />
aber es gibt ein Gründernetzwerk. Und<br />
zwar eines der erfolgreichsten hierzulande,<br />
ein Beispiel guter Praxis, wie die Organisation<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung (OECD) im vergangenen Jahr<br />
konstatierte.<br />
Die Rede ist von UNIVATIONS. Der Name<br />
steht für kompetente hochschulübergreifende<br />
Gründer-Beratung – und ab sofort als Dachmarke<br />
auch für sämtliche Aktivitäten des<br />
bisherigen An-Instituts für Innovation<br />
und Entrepreneurship an der<br />
Schnittstelle zwischen Wirtschaft<br />
und Wissenschaft. Über die Erfolgsgeschichte<br />
des Netzwerks und<br />
seine aktuellen Vorhaben sprechen<br />
die gemeinsamen Initiatoren und<br />
Projektleiter Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard<br />
Neubert und Dr. Ulf-Marten<br />
Schmieder im Interview mit<br />
scientia halensis (S. 10.).<br />
Das stete Ziel lautet: Gute Gründer<br />
soll es geben. Manchmal sind<br />
es zugleich grüne Gründer – zum<br />
Impressum<br />
scientia halensis<br />
<strong>Magazin</strong> der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg (MLU)<br />
Ausgabe 2/10, 18. Jahrgang<br />
ISSN 0945-9529<br />
erscheint viermal im Jahr<br />
sowie im Internet:<br />
www.unimagazin.uni-halle.de<br />
Herausgeber:<br />
Rektor der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg<br />
Redaktion:<br />
Carsten Heckmann (V.i.S.d.P.),<br />
Corinna Bertz, Janine Bornemann,<br />
Ute Olbertz, Melanie Zimmermann<br />
Beispiel jene, die mit ihren Biofolien auf dem<br />
Titelbild dieser Ausgabe des <strong>Uni</strong>magazins zu<br />
sehen sind und die Protein2Plastix ins Leben<br />
gerufen haben (Artikel auf S. 12). Manchmal<br />
sind es auch geisteswissenschaftliche Gründer.<br />
Diplom-Sprechwissenschaftlerin Claudia Gebauer<br />
beispielsweise ist selbstständige Kommunikationstrainerin,<br />
seit fünf Jahren (S. 15).<br />
Bereits zehn Jahre hat boraident hinter sich,<br />
eine der erfolgreichsten MLU-Ausgründungen<br />
(S. 16). Von den 167 Unternehmen, die von<br />
UNIVATIONS beraten wurden, konnten sich<br />
immerhin 80 Prozent dauerhaft am Markt<br />
behaupten. Eine gute Quote. Aber ein Fünftel<br />
der jungen Unternehmen – oder „Gesell-<br />
Kontakt:<br />
Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg<br />
Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />
<strong>Uni</strong>versitätsplatz 9, 06108 Halle (Saale)<br />
Telefon: 0345 55-21004<br />
Fax: 0345 55-27066<br />
E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />
Redaktionsbeirat:<br />
Prof. Dr. Wulf Diepenbrock (Rektor),<br />
Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg (Altrektor),<br />
Corinna Bertz, Carsten Heckmann,<br />
Prof. Dr. Andrea Jäger,<br />
Prof. Dr. Gerhard Lampe,<br />
Ramona Mitsching (VFF),<br />
Jens Müller, Ute Olbertz,<br />
Katrin Rehschuh,<br />
Dr. Ralf-Torsten Speler<br />
Grafik-Design:<br />
Barbara Dimanski, Dipl.-Grafik-<br />
Designerin AGD/BBK<br />
Steffen Schenk (Inhaltsverzeichnis)<br />
Anzeigen / Layout / Gesamtherstellung:<br />
Digital Druckservice Halle GmbH<br />
Kutschgasse 4<br />
06108 Halle (Saale)<br />
Telefon: 0345 47 88 601<br />
Fax: 0345 47 88 6<strong>02</strong><br />
E-Mail: info@digitaldruck-halle.de<br />
Mediadaten:<br />
www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />
Druck:<br />
IMPRESS Druckerei Halbritter KG<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
schaften mit beschränkter Hoffnung“ (Wirtschaftsjournalist<br />
Nico Fickinger) – hat es eben<br />
nicht geschafft. Unternehmensgründung ist ein<br />
Wagnis – vielen kreativen Köpfen offenbar ein<br />
zu großes.<br />
Dass die Selbstständigkeit dennoch eine interessante<br />
berufliche Option ist, gilt es zu vermitteln.<br />
„Wichtig ist, unternehmerisches Denken<br />
überall in der universitären Lehre noch<br />
stärker zu verankern, es sollte sich durch alle<br />
Lehrveranstaltungen ziehen“, sagt Reinhard<br />
Neubert im Interview – und weiß sich einig<br />
mit der OECD. Der berühmte Gründergeist,<br />
er wird auch an der <strong>Uni</strong>versität beschworen.<br />
Durchs <strong>Uni</strong>magazin zieht er schon…<br />
Auf Wiederlesen!<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben die Meinung der Autoren wieder.<br />
Bei unverlangt eingesandten Texten/<br />
Fotos besteht keine Gewähr für einen<br />
Abdruck. Die Redaktion behält sich<br />
Änderungen eingesandter Texte vor.<br />
Der Nachdruck von Artikeln ist bei<br />
Angabe der Quelle gestattet. Die<br />
Redaktion bittet um ein Belegexemplar.<br />
scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />
Unterstützung der Vereinigung der<br />
Freunde und Förderer der Martin-Luther-<br />
<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg e. V. (VFF)<br />
Titelbild: Maike Glöckner<br />
Carsten Heckmann<br />
Leiter der Pressestelle<br />
Sollten Sie etwas im <strong>Uni</strong>magazin vermissen,<br />
Ihre Meinung äußern oder eine<br />
Anregung geben wollen – nur zu, die Redaktion<br />
freut sich auf Ihre E-Mail an magazin@uni-halle.de.<br />
Abbildung: Christoph Polatzky / Fotolia<br />
3<br />
V ORWORT
4<br />
I NHALT<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
10<br />
Varia<br />
Für gute Gründer<br />
UNIVATIONS ist für gründungswillige MLU-<br />
Studierende und Wissenschaftler die erste Anlaufstelle.<br />
Im Interview sprechen die Projektleiter<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und<br />
Dr. Ulf-Marten Schmieder über sechs Jahre<br />
Gründerförderung, die Herausforderungen des<br />
Unternehmertums und die Stärken der Region.<br />
Weitere Themen: zwei Ingenieure auf dem<br />
Weg zur eigenen Biofolienfirma, eine selbstständige<br />
Sprechwissenschaftlerin und die Erfolgsgeschichte<br />
des Unternehmens Boraident.<br />
Heide-Süd: Der Mensa-<br />
Grundstein ist gelegt<br />
Japan-Reise des Rektors:<br />
Gute Beziehungen gefestigt<br />
„We are Family“ 7<br />
Start ins Aktionsjahr zum Thema<br />
Familiengerechtigkeit<br />
Sprachsalat 8<br />
Bilderrätsel 8<br />
Goethe und die Gelehrten 9<br />
Ausstellung zeugt von vielfältigen<br />
Kontakten zur <strong>Uni</strong>versität<br />
6<br />
6<br />
Titelthema<br />
17<br />
„Vom Kunden her denken“ 10<br />
UNIVATIONS-Projektleiter im<br />
Interview<br />
Grüne Gründer für Land und<br />
Wirtschaft<br />
Zwei MLU-Absolventen produzieren<br />
Biofolie aus Proteinen<br />
12<br />
Kolumne von Dr. Zeitgeist 14<br />
Meldungen 14<br />
Rhetorik-Training von der<br />
Einzelkämpferin<br />
Claudia Gebauer vermittelt sprachliche<br />
Kompetenzen als Selbstständige<br />
15<br />
Farbige Schrift in Glas 16<br />
Zehn Jahre nach Gründung: boraident<br />
punktet weiter mit innovativen Ideen<br />
Den Eishockey-Nachwuchs im Blick<br />
Fünf MLU-Studierende reisten im März nach Finnland, um 160<br />
junge Eishockeyspieler genau unter die Lupe zu nehmen. Sie<br />
arbeiteten mit einem neuen Sichtungssystem, das in Finnland<br />
entwickelt und am Sportpsychologie-Lehrstuhl von Professor<br />
Oliver Stoll wissenschaftlich begründet wurde. Unter den Scouts<br />
war auch Philipp Auerswald, der zuvor bei der ZDF-Show „Wetten<br />
dass …?“ seine waghalsige Wette gewann und auf Seite 19<br />
näher vorgestellt wird.<br />
Fotos (v. l.): Maike Glöckner, Oliver Stoll, Sabine Both, Michael<br />
Deutsch, Zentrale Kustodie<br />
Studieren, lehren, leben<br />
Die Eishockey-Scouts 17<br />
Sportstudenten erproben<br />
Beobachtungs-system im<br />
finnischen Vierumäki<br />
Im Eiskanal zum Wettkönig 19<br />
Student aus Halle wird zum Star in<br />
ZDF-Show<br />
Meldungen 20<br />
Podcast auf Schienen 21<br />
Fördervereinigung der MLU unterstützt<br />
deutsch-russisches Medienprojekt<br />
Mit Aktien- und Ethik-Rüstzeug<br />
ins Finanzleben starten<br />
Studierende engagieren sich im<br />
Akademischen Börsenkreis und bei<br />
SNEEP Halle<br />
22
24<br />
50 Hektar voller Vielfalt<br />
Das weltweit größte Experiment zur Rolle von<br />
Biodiversität für Ökosystemfunktionen findet zurzeit<br />
in China statt und die MLU ist daran beteiligt:<br />
Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide reiste ins<br />
subtropischen China, um selbst einige der 100.000<br />
neuen Bäume anzupflanzen. Mit 17 Forschern aus<br />
Deutschland und der Schweiz wird in dem Projekt<br />
die Wirkung der Vielfalt von Bäumen und<br />
Sträuchern auf das Waldökosystem erforscht.<br />
Forschen und publizieren<br />
50 Hektar voller Vielfalt 24<br />
Internationales Forschungsteam<br />
erkundet Biodiversität in subtropischen<br />
Wäldern Chinas<br />
Mit Magnetkraft gegen<br />
Osteoporose<br />
Spannende Molekülforschung im<br />
Kernresonanz-Zentrum<br />
27<br />
Meldungen 28 / 29<br />
(Fach-)Literaturfabrik<br />
<strong>Uni</strong>versität<br />
30<br />
Pädagogen in der Peerwelt 32<br />
Zwei MLU-Projekte zu jungen<br />
Gleichaltrigen-Gruppen<br />
27<br />
Personalia<br />
Halles größter Medizin-Mann 35<br />
Zum 350. Geburtstag von Friedrich<br />
Hoffmann<br />
Der Forscher im Roggen 36<br />
Vor 100 Jahren starb Julius Kühn<br />
Meldungen 36<br />
„Doctor über alle Doctores“ 37<br />
Philipp Melanchthon starb vor 450<br />
Jahren<br />
„Die Ausgangsposition stimmt“ 38<br />
Der alte und neue Kanzler Dr. Martin<br />
Hecht im Interview<br />
Neu berufen 40<br />
20 Fragen an Ingrid Stude 42<br />
Verbales Portrait einer Zeitgenossin<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
35<br />
Das Jahr der Jubiläen<br />
Friedrich Hoffmann erfand die berühmten<br />
Hoffmanns-Tropfen und gründete<br />
die hallesche Medizinische Fakultät.<br />
Das hier abgebildete Ölporträt von<br />
einem unbekannten Maler aus dem 18.<br />
Jahrhundert hängt im Historischen Sessionssaal<br />
im Löwengebäude. Die MLU<br />
würdigt den Hallenser in diesem Jahr<br />
mit akademischer Ehrung, Festkonzert,<br />
Symposium und einer Wanderausstellung.<br />
Zwei weitere Jubilare werden auf<br />
Seite 36 und 37 vorgestellt: Vor 450<br />
Jahren starb der Humanist Philipp Melanchthon<br />
und ebenfalls im April jährt<br />
sich der Todestag des Agrarwissenschaftlers<br />
Julius Kühn zum 100. Mal.<br />
Mit Magnetkraft gegen Osteoporose<br />
Im Kernresonanz-Zentrum der MLU untersuchen die beiden Professoren<br />
Jochen Balbach und Kay Saalwächter (l.) zurzeit die Struktur<br />
eines Proteins, das im menschlichen Blut den Kalziumspiegel reguliert<br />
und für den Knochenaufbau wichtig ist. Die Biophysiker wollen<br />
den entscheidenden Puzzlestein finden, der noch fehlt, um ein Medikament<br />
gegen die Knochenkrankheit entwickeln zu können. Dazu<br />
setzen sie auch das 800-Megahertz-NMR-Spektrometer ein, in dessen<br />
magnetischem Umfeld sogar Münzen schwerelos aneinander kleben<br />
bleiben.<br />
Neu im <strong>Uni</strong>magazin: Webcodes<br />
Das <strong>Uni</strong>magazin ist bekanntlich auch im Internet<br />
zu finden. Die Redaktion bietet dort regelmäßig<br />
aktuelle Beiträge an – und ergänzende Informationen<br />
zu Artikeln im Heft. Ab sofort gibt es eine<br />
Abkürzung dorthin: Per Webcode können Sie direkt<br />
zur entsprechenden Internetseite gelangen. Das<br />
Eingeben eines langen Links erübrigt sich. Nutzen<br />
Sie einfach stets die Internetseite<br />
www.uni-halle.de/webcode.<br />
Dort können Sie den im Heft genannten Webcode<br />
eingeben, der stets mit den Buchstaben SH beginnt,<br />
gefolgt von einem Bindestrich und drei Ziffern. Die<br />
Redaktion wünscht Ihnen einen guten Kurz-Trip in<br />
die Web-Welt!<br />
Some stories are also available in English on our international<br />
website www.international.uni-halle.de<br />
Please look for the flag!<br />
5<br />
I NHALT
6<br />
V ARIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Der Mensa-Grundstein ist gelegt<br />
Bei strahlendem Sonnenschein erlebten rund<br />
150 Gäste und <strong>Uni</strong>-Mitarbeiter am 9. März<br />
mit Glühwein und Blasmusik die feierliche<br />
Grundsteinlegung für den Mensa-Neubau auf<br />
den Campus Heide-Süd am Von-Seckendorff-<br />
Platz. Gekommen waren auch Sachsen-Anhalts<br />
Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz,<br />
der Vorsitzende des Verwaltungsrats des<br />
Studentenwerks, Prof. Dr. Hans Lilie, sowie<br />
Studentenwerks-Chef Dr. Volkmar Thom.<br />
„Es ist der schönste Moment bei der Errichtung<br />
eines Neubaus, denn die Mittel sind<br />
zugesagt, alle Verträge sind unter Dach und<br />
Fach und noch kann es keine Baumängel geben<br />
…“, sagte Lilie. „Grund zur Freude ist<br />
außerdem, dass der Bau der Mensa nun viel<br />
früher als erwartet beginnen kann.“ Denn aus<br />
dem Konjunkturpaket II des Bundes wurden<br />
für dieses Projekt kurzfristig 4,3 Millionen<br />
Euro bereitgestellt, die das Studentenwerk<br />
mit einem Eigenanteil von 680 000 Euro aufstockt.<br />
So kann die moderne Mensa schon in<br />
etwa einem Jahr zur Verfügung stehen. „Der<br />
Hochschulcampus entwickelt sich damit weiter,<br />
wird attraktiver und kann immer mehr<br />
positive Sogwirkung entfalten“, fasste Olbertz<br />
zusammen.<br />
Am Standort Heide-Süd wird die Mensa dringend<br />
gebraucht, denn seit dem Großumzug<br />
im Sommer 2009 haben weitere naturwissenschaftliche<br />
Bereiche der <strong>Uni</strong> hier ihren Sitz.<br />
Damit kamen rund 3000 Studierende und 400<br />
Beschäftigte hinzu, für deren tägliche gastro-<br />
Gute Beziehungen nach Japan gefestigt<br />
MLU-Rektor Wulf Diepenbrock eröffnete<br />
Anfang März die Frühjahrsakademie des Internationalen<br />
Graduiertenkollegs Halle-Tokio<br />
in der japanischen Hauptstadt. Die <strong>Uni</strong>versität<br />
nomische Versorgung nicht allein die Cafeteria<br />
Ein Stein mit ihren 40 Plätzen aufkommen<br />
kann. Das geplante Bauwerk wird über 200<br />
Sitzplätze, eine separate Kaffee-Bar und eine<br />
Abendgaststätte verfügen. Studierende und<br />
Mitarbeiter erhalten nicht nur eine architektonisch<br />
ansprechende, sondern auch eine ökologisch<br />
verantwortungsbewusste Mensa. „Regenerative<br />
Energien wie Geothermie, Solarthermie<br />
und Regenwasser sollen genutzt werden“,<br />
hob Dr. Thom hervor. Von der „Campus-Idee<br />
der kurzen Wege als Teil eines Fahrplans, der<br />
Tokio, eine der renommiertesten Hochschulen<br />
der Welt, hatte ihn dazu eingeladen. Bei seiner<br />
Reise ins „Land der aufgehenden Sonne“<br />
besuchte Diepenbrock fünf <strong>Uni</strong>versitäten und<br />
Rektor Professor Wulf Diepenbrock (2. v. r.) mit Professor Akihiko Tanaka (r.), Vizepräsident der <strong>Uni</strong>versität<br />
Tokio, und den Sprechern des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tokio, Frau Professor Gesine Foljanty-Jost<br />
und Professor Hiroshi Ishida. Foto: MLU, Tino Schölz<br />
schon vor einiger Zeit entworfen wurde und<br />
nun Gestalt annimmt“, sprach <strong>Uni</strong>-Prorektor<br />
Bernd Six.<br />
Der Entwurf des Mensa-Neubaus stammt von<br />
dem bekannten Kölner Architekten Gernot<br />
Schulz, der sich bereits in Halle mit der Gestaltung<br />
des Juridicums, des Audimax und der<br />
Studentenwohnheime am Landrain einen Namen<br />
gemacht hat. „Es soll ein außergewöhnliches<br />
Bauwerk entstehen, in dessen Inneren<br />
es viel zu entdecken geben wird“, so Schulz.<br />
Auch werde die Mensa schräg ins Gelände<br />
gestellt, denn „nur so können drei Seiten zum<br />
Platz hin zeigen“. Ute Olbertz<br />
Der geplante Mensa-Neubau in Heide-Süd – und seine Verortung auf dem Campus-Gelände. Abbildung: gernot<br />
schulz architektur<br />
die Dependance der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG). Sein Fazit: „Wir können<br />
stolz sein auf unsere Kooperationen – und das<br />
Potenzial für den weiteren Ausbau der Partnerschaften<br />
ist groß.“<br />
Sowohl die DFG als auch die Japanische Gesellschaft<br />
zur Förderung der Wissenschaften<br />
(JSPS) unterstützen das 2007 gestartete Graduiertenkolleg<br />
zum Thema „Formenwandel<br />
der Bürgergesellschaft. Japan und Deutschland<br />
im Vergleich“. Von japanischer Seite erreichte<br />
die Organisatoren um Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost<br />
erst kurz vor der Ankunft des Rektors<br />
in Tokio die Nachricht, dass eine zweite Förderperiode<br />
bewilligt wurde.<br />
Auch die Keio-<strong>Uni</strong>versität gehörte zu den<br />
Hochschulen, die Rektor Diepenbrock besuchte.<br />
Mit ihr hat die MLU ein deutsch-japanisches<br />
Doppelmaster-Programm aufgebaut<br />
– „ein erfolgreiches Pionierprojekt“, wie Prof.<br />
Dr. Christian Oberländer betont, unter dessen<br />
Federführung das im Wintersemester angelaufene<br />
Programm aufgebaut worden ist.<br />
Carsten Heckmann<br />
Webcode<br />
SH-860 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Langfassung dieses Beitrags
Jetzt giltÊs: ıWe are family„<br />
Start ins Aktionsjahr zum Thema Familiengerechtigkeit<br />
C ORINNA BERTZ<br />
Ferienbetreuung, Wickeltische und eine Ringvorlesung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
- mit vielen Neuheiten startet die MLU ins Aktionsjahr „we are family“. Der Auftakt findet am<br />
20. April im Hallischen Saal statt. Dort werden unter anderem die Ergebnisse der Studierenden-<br />
und Beschäftigtenbefragung zur Kinderbetreuung und Pflege vorgestellt. Die Auswertung zeigt,<br />
wo in punkto Familiengerechtigkeit konkreter Handlungsbedarf besteht. Sie liefert zugleich die<br />
Grundlage für alle Maßnahmen, die jetzt in Angriff genommen oder bereits umgesetzt werden.<br />
„Endlich passiert was!“, schrieben die Einen.<br />
„Für mich kommt das alles zu spät“, meinten<br />
die Anderen. Das Echo auf die Fragebögen<br />
war ähnlich vielseitig wie die Wünsche und<br />
Meinungen der Befragten. Die Ergebnisse der<br />
Umfrage werden auf der Auftaktveranstaltung<br />
zum Aktionsjahr „we are family“ erstmals der<br />
Öffentlichkeit präsentiert. Die Auswertung,<br />
mit deren Hilfe die audit-Zielvereinbarung<br />
konkretisiert werden soll, wird anschließend<br />
als wissenschaftliche Publikation erscheinen.<br />
„Wir können aus der Umfrage viele neue<br />
Erkenntnisse mitnehmen“, sagt die wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im audit-Projekt Anja<br />
Stübig. „Es gibt beispielsweise sehr viele Beschäftigte,<br />
die Angehörige pflegen. Aber die<br />
Form der Pflege und wie sie unterstützt werden<br />
wollen unterscheidet sich beträchtlich“,<br />
erläutert sie. Um die <strong>Uni</strong>mitarbeiter dabei<br />
optimal zu unterstützen, soll noch enger mit<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Institut<br />
für Gesundheits- und Pflegewissenschaft<br />
zusammengearbeitet werden. Wertvolle Anregungen<br />
liefern auch die Familienbeauftragten<br />
der Fakultäten und der Arbeitskreis „Studieren<br />
mit Kind“ des Studierendenrates.<br />
Häufig tauchte in den ausgefüllten Fragebögen<br />
der Wunsch nach einer Kinderferienbetreuung<br />
auf. In den kommenden Sommerferien, die<br />
sich in der ersten Woche mit der Vorlesungszeit<br />
überschneiden, finden deshalb erstmals<br />
Aktionstage für Kinder von Hochschulangehörigen<br />
und Studierenden statt. Die Betreuungszeiten<br />
sind an die Kernarbeitszeiten der<br />
Beschäftigten angepasst. „Die Vormittage<br />
verbringen wir mit den Kindern im Krokoseum,<br />
wo sie mittags auch vom Studentenwerk<br />
verpflegt werden. An den Nachmittagen sind<br />
Ausflüge geplant“, sagt Anja Stübig, die zusammen<br />
mit einem weiteren Betreuer die 25<br />
Kinder der ersten bis siebenten Klasse betreuen<br />
wird. Das Angebot soll bald zum festen<br />
Bestandteil der universitären Kinderbetreuung<br />
gehören und bei Bedarf zukünftig auf eine<br />
größere Teilnehmerzahl und längere Betreuungszeiträume<br />
erweitert werden.<br />
Auch an den Fakultäten tut sich etwas: Seit<br />
kurzem gibt es im Haus 30 der Franckeschen<br />
Stiftungen den erste Wickeltisch für Babys<br />
an der Theologischen Fakultät. Im Juridicum<br />
wird gerade ein Frauenruheraum mit Wickelauflage,<br />
Spielecke und Stillgelegenheit<br />
eingerichtet und das Dekanat der Wirtschaftswissenschaften<br />
besitzt dank seiner Familienbeauftragten<br />
Dr. Angela Kunow neuerdings<br />
ein Reisekinderbettchen. Beschäftigte der<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Studentin Franziska Seidlitz und ihre Tochter Lillemor in der Zweigbibliothek der Erziehungswissenschaften. Foto: Maike-Glöckner<br />
Juristischen und<br />
Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät<br />
können es ausleihen,<br />
wenn sie im Büro<br />
arbeiten wollen,<br />
während ihre Kinder<br />
schlafen. Eine Spielzeugkiste<br />
für die Nichtschläfer wird ebenfalls<br />
aus audit-Mitteln und Spielzeugspenden von<br />
Mitarbeitern finanziert. Auf diese Weise soll<br />
an allen Fakultäten eine familienfreundliche<br />
Struktur geschaffen werden, die mehr Kinder<br />
an den Campus bringt und damit auch die Attraktivität<br />
der <strong>Uni</strong> als Arbeits- und Studienort<br />
für Eltern steigert.<br />
Dafür sorgen auch bereits vorhandene Angebote<br />
wie die Kinderuni, die Schreibspielwiese<br />
am Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik<br />
oder der kostenfreie Kinderteller<br />
des Studentenwerks Halle. Sie sollen im<br />
Rahmen des Projekts „audit familiengerechte<br />
hochschule“ gebündelt und bekannter gemacht<br />
werden – zum Beispiel auf dem großen Familiefest<br />
auf dem <strong>Uni</strong>versitätsplatz am 11. Juni.<br />
Einen ersten Überblick über alle Angebote im<br />
Aktionsjahr „we are family“ bietet das dieser<br />
Ausgabe des <strong>Uni</strong>magazins beiliegende Plakat,<br />
das auch bei Anja Stübig angefordert werden<br />
kann. Ausführliche Informationen zu den<br />
einzelnen Veranstaltungen und den Anmeldebedingungen<br />
gibt es auch auf der Webseite<br />
www.uni-halle.de/familiengerecht. ■<br />
Anja Stübig<br />
Projekt „audit familiengerechte hochschule“ an der MLU<br />
Telefon: 0345 55 21359/7<br />
E-Mail: Anja.Stuebig@verwaltung.uni-halle.de<br />
7<br />
V ARIA
8<br />
V ARIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
ıBitte einmal gemischten Sprachsalat ⁄„<br />
Diesmal mit analogem Schwanzhundragout<br />
Loriots Schwanzhund gäbe gewiss einen trefflichen<br />
Aprilscherz her. Und so wird diesmal<br />
der Sprachsalat auf dem Scrabble-Tablett serviert.<br />
Sie erinnern sich an Ödipussis Mama<br />
und ihre zänkischen Gespielinnen, die uneins<br />
waren, ob der oben Genannte existiert oder<br />
nicht. Dabei sind die Regeln, wenn man sie<br />
kennt, leicht. Ein rosa Feld im Wort bedeutet<br />
doppelte, ein rotes dreifache Punktzahl; ein<br />
hellblaues Feld verdoppelt den Buchstabenwert,<br />
dunkelblau verdreifacht ihn.<br />
Mit Glück und Geschick kriegt man schnell<br />
ein paar Hundert Punkte pro Runde zusammen<br />
und hat gute Chancen auf den Sieg. Ideal ist<br />
der Einsatz teurer Buchstaben (Y, Q, X, Ö)<br />
und von Wörtern, bei denen es gelingt, rosa<br />
und dunkelblau oder hellblau und rot zu kombinieren.<br />
Will man mit Kleinigkeiten viel erreichen, bieten<br />
sich Wörter wie ÖL, QUA, TEXT, YAK<br />
und die griechischen Buchstaben MY und NY<br />
an; letztere auf dunkelblau zweifach gezählt<br />
ergeben immer mehr als 60 Punkte. Liegt etwa<br />
das Wort NOVUM auf den Feldern B5 bis F5,<br />
versuchen Sie es mit MYSTIK von E6 bis J6:<br />
das bringt, alles in allem, 89 Punkte.<br />
Schwer wird es im Spiel gegen Biologen, Mediziner,<br />
Linguisten oder Chemiker: man hat<br />
kaum Chancen gegen KARYOPSE und SY-<br />
RINGE, MYOTOMIE und PHTHISIS, APEX<br />
und EXONYM, erst recht nicht gegen das<br />
Zeichnung:<br />
Oliver Weiss<br />
Wissen um die Kürzel sämtlicher Elemente.<br />
Aber all das und noch viel mehr steht im DU-<br />
DEN, der in Streitfällen – ein „Schwanzhund“<br />
kommt eben nicht vor! – als oberste Instanz<br />
maßgebend sein muss.<br />
Übrigens sind alle flektierten Formen erlaubt.<br />
Verben im Konjunktiv oder Mehrzahlwörter<br />
mit Ä, Ö oder Ü versprechen extra viele<br />
Punkte.<br />
In der obersten Liga spielt, wer die Zusatzprämie<br />
erringt. Diese 50 Punkte gibt es für das<br />
gleichzeitige Auslegen aller sieben Spielsteine.<br />
Hat der Startspieler C8 bis H8 mit dem Wort<br />
SCHAFE belegt und 34 Punkte kassiert, kontern<br />
Sie optimal mit SCHÖPFTE von H1 bis<br />
H8 und haben 149 Punkte: 99 für das Wort<br />
und 50, weil Sie alle Steine auf einmal losgeworden<br />
sind! Noch besser schneiden Sie ab,<br />
wenn ein Randfeld schon besetzt ist und Ihr<br />
Wort von einem bis zum nächsten roten Feld<br />
reicht. Hat ein Gegner gerade A2 bis E2 mit<br />
EXAKT belegt (30 Punkte), wäre es super<br />
für Sie, passende Steine vorausgesetzt, das<br />
E ebenfalls zu benutzen mit dem Imperativ<br />
VERQUICK von A1 bis A8 – das brächte,<br />
plus Zusatzprämie, 278 Punkte!<br />
Versuchen Sie es, dann wird der Duden bald<br />
Ihr Lieblingsbuch sein.<br />
Margarete Wein<br />
Ein- & Zweifamilienhäuser, Wohnungen & Gewerbeimmobilien<br />
www.immoHAL.de<br />
Beratungscenter “Am Leipziger Turm” � 0345-520490<br />
Bilderrätsel<br />
Was zeigt dieses Bild?<br />
Wie in den letzten Heften ist des Rätsels<br />
Lösung wieder in diesem <strong>Uni</strong>magazin<br />
versteckt.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen und Glück<br />
beim Betrachten der Bilder! Wer der<br />
Redaktion als erste(r) per Telefon, E-<br />
Mail, Fax oder (Haus-) Post die richtige<br />
Lösung übermittelt, auf die oder den<br />
wartet ein GUTSCHEIN im Wert von<br />
15 Euro, einzulösen im <strong>Uni</strong>-Shop im<br />
Marktschlösschen.<br />
Das Rätselfoto in der scientia halensis<br />
1/10, Seite 7, zeigte Kupferschiefer von<br />
einer Halde im Mansfelder Land.<br />
Viele Leser fanden das Foto auf Seite<br />
31 links, am schnellsten war jedoch Renate<br />
Koch, die in der Geschäftsstelle des<br />
Zentrums für Ingenieurwissenschaften<br />
für Beschaffung und Finanzen zuständig<br />
ist. Den versprochenen Zuschuss zum<br />
nächsten Einkauf im <strong>Uni</strong>-Shop hat sie<br />
bereits erhalten.
Goethe und die Gelehrten<br />
Ausstellung zeugt von vielfältigen Kontakten zur <strong>Uni</strong>versität<br />
R ALF-TORSTEN SPELER<br />
Die Zentrale Kustodie zeigt nach der großen Goethe-Ausstellung zum 250. Geburtstag des Dichters<br />
(1999) in diesem Jahr erneut eine Sonderausstellung zu Goethes wissenschaftlichen und<br />
künstlerischen Beziehungen zu Halle, insbesondere seine Kontakte zur <strong>Uni</strong>versität. Anlass ist<br />
die Jahrestagung der Vorstände der Ortsvereinigungen der Goethe-Gesellschaft e.V. Die Ausstellung<br />
im <strong>Uni</strong>versitätsmuseum ist vom 25. April bis zum 6. Juni zu sehen.<br />
Versäumen Sie ja nicht,<br />
sich in Halle umzusehen…<br />
(Goethe an Schiller, 1803)<br />
Seit dem Erscheinungsjahr der Wolfschen Prolegomena<br />
ad Homerum im Jahre 1795 bestand<br />
zwischen Goethe und dem berühmten halleschen<br />
Philologen und Altertumswissenschaftler<br />
Friedrich August Wolf bezüglich dessen bahnbrechender<br />
Homer-Kritik wissenschaftlicher<br />
Kontakt. Nach 1806 übernahm der Theologe<br />
August Hermann Niemeyer als Rektor und<br />
späterer Kanzler die ehrenvolle Aufgabe, die<br />
Verbindung der <strong>Uni</strong>versität und ihres Lehrkörpers<br />
zu Goethe aufrecht zu halten.<br />
Goethe und Niemeyer besuchten sich häufig in<br />
Weimar und Halle. Im Juli 18<strong>02</strong> vermittelten<br />
Wolf und Niemeyer ein Zusammentreffen<br />
Goethes mit den Naturwissenschaftlern Georg<br />
Simon Klügel und Ludwig Wilhelm Gilbert,<br />
deren physikalischen Versuchen er beiwohnte.<br />
Weitere hallesche Gelehrte wie die Theologen<br />
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und<br />
Friedrich August Gotttreu Tholuck, der Naturphilosoph<br />
Henrik Steffens, Mediziner wie<br />
Franz Joseph Gall, Justus Christian von Loder,<br />
Johann Friedrich und Philipp Friedrich Theodor<br />
Meckel und Johann Christian Reil standen<br />
mit Goethe im wissenschaftlichen Austausch.<br />
Die Goethe-Ausstellung zeigt anhand von Exponaten<br />
aus dem Besitz der <strong>Uni</strong>versität Goethes<br />
vielfältige Beziehungen zu diesen halleschen<br />
Gelehrten, zu <strong>Uni</strong>versitätsinstituten und<br />
akademischen Sammlungen, zum Beispiel zum<br />
ersten deutschen Philologischen Institut oder<br />
zum Botanischen Garten, der Anatomischen,<br />
Zoologischen und der Archäologischen Sammlung,<br />
dem Kupferstichkabinett und dem Museum<br />
für Haustierkunde „Julius Kühn“.<br />
Der Begründer des <strong>Uni</strong>versitätskupferstichkabinetts,<br />
der Weimarer Maler und Graphiker<br />
Adam Immanuel Weise, wurde von Goethe zu<br />
Ordnungsarbeiten in seiner Kupferstichsammlung<br />
herangezogen. In der Ausstellung sind<br />
die Kupferstiche zu sehen, deren Exemplare<br />
sowohl Goethe als auch Weise in ihren Privatsammlungen<br />
hatten. Weises Beispiele befinden<br />
sich heute im MLU-Kupferstichkabinett.<br />
Zahlreiche zum Teil noch nicht ausgestellte<br />
Gemälde, wie ein Porträt des Großherzogs Carl<br />
August, Ansichten von Goethes Wohnhaus am<br />
Frauenplan oder eine Landschaftsdarstellung<br />
des Harzes stammen aus der Kunstsammlung<br />
der <strong>Uni</strong>versität. Eine besondere Kuriosität aus<br />
der Haustiersammlung ist das Skelett eines<br />
dreihörnigen Ziegenbocks, das sich ursprünglich<br />
in der Tierarzneischule Jena befand, um<br />
die sich Goethe fürsorglich kümmerte. Es ist<br />
belegt, dass der Großherzog<br />
Carl Alexander als junger<br />
Prinz auf ihm geritten ist.<br />
Goethes Vogelskelettsammlung<br />
wurde in den 1970er<br />
Jahren nach Halle gebracht<br />
und wissenschaftlich bearbeitet.<br />
Aus der Phonetischen<br />
Sammlung werden ein altes<br />
Grammophon und historische<br />
Schallplatten mit bemerkenswerten<br />
Aufnahmen<br />
aus „Faust“, „Prometheus“<br />
und „Götz von Berlichingen“,<br />
gesprochen um 1920<br />
Goethe in seinem Haus am<br />
Frauenplan in Weimar. Ölgemälde<br />
von Otto Rasch, um 1900 (aus<br />
dem Nachlass der Goethe-Sammlung<br />
Günther Schmid, Zentrale<br />
Kustodie, Kunstsammlung).<br />
Foto: Reinhard Henze<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Goethe-Ausstellung<br />
Museum <strong>Uni</strong>versitatis im Löwengebäude,<br />
<strong>Uni</strong>versitätsplatz 11<br />
Dauer: 25. April bis 6. Juni 2010<br />
Eröffnung: 23. April, 18.00 Uhr<br />
Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 10 bis 13<br />
und 14 bis 18 Uhr, Sonntags von 14 bis 18 Uhr<br />
Im Begleitprogramm gibt es Führungen (sonntags,<br />
15 Uhr / 25. April, 9. Mai, 30. Mai, 6. Juni mit<br />
Finissage) und Vorträge (donnerstags, 18 Uhr,<br />
Historischer Hörsaal (29. April, 6. Mai, 13./14. Mai,<br />
22. Juni).<br />
Heilkunst-Helden<br />
Achim Lipp: „Hallesche Helden der Heilkunst“<br />
Zentrale Kustodie / Kupferstichkabinett<br />
Ausstellung vom 16. April bis 6. Juni 2010<br />
Eröffnung: Donnerstag, 15. April, 18 Uhr<br />
Die Werke dieser Ausstellung beschäftigen sich<br />
mit herausragenden historischen Persönlichkeiten<br />
der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg. Es<br />
sind ausschließlich Mitglieder der Medizinischen<br />
Fakultät, unter anderem Friedrich Hoffmann, Johann<br />
Christian Reil oder Richard von Volkmann.<br />
Museumsnacht<br />
11. Museumsnacht Halle – Leipzig<br />
Samstag, 24. April, 18 bis 1 Uhr<br />
u. a. Vortrag um 19 Uhr, Historischer Sessionssaal,<br />
Löwengebäude, <strong>Uni</strong>versitätsplatz 11<br />
„Friedrich Hoffmann und seine Professorenkollegen<br />
in den Gelehrtenbildern der Kunstsammlung der<br />
<strong>Uni</strong>versität“ (Dr. Ralf-Torsten Speler, Leiter der<br />
Zentralen Kustodie)<br />
Nähere Informationen im Internet:<br />
www.kustodie.uni-halle.de/museum/ausstellungen<br />
von Heinrich George, gezeigt. An einer Hörstation<br />
kann der Besucher diese Beispiele abrufen.<br />
Der umfangreichste Bestand an Büchern<br />
und Autographen zur Goethe-Zeit, insbesondere<br />
aus dem Nachlass des halleschen Goethe-Sammlers<br />
und Forschers Prof. Dr. Günther<br />
Schmid, stammt aus den Sondersammlungen<br />
der <strong>Uni</strong>versitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.<br />
■<br />
Dr. Ralf-Torsten Speler<br />
Leiter der Zentralen Kustodie<br />
Telefon: 0345 55 21732<br />
E-Mail: r-t.speler@kustodie.uni-halle.de<br />
Internet: www.kustodie.uni-halle.de<br />
9<br />
V ARIA
10<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
ıVom Kunden her denken„<br />
UNIVATIONS jetzt „Dach für alles“ –<br />
die Projektleiter im Interview<br />
C ORINNA BERTZ UND UTE OLBERTZ<br />
Der berühmte Schritt in die Selbstständigkeit erfordert nicht nur eine gehörige Portion Mut<br />
– wichtig für Firmengründer ist vor allem, kompetente Partner an ihrer Seite zu wissen, um<br />
Risiken abzuschätzen. Ein sehr guter Ruf eilt in diesen Fragen dem Hochschulgründernetzwerk<br />
UNIVATIONS an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg (MLU) voraus. Bei der Förderung<br />
angehender Unternehmer in Sachsen-Anhalt kann es nachhaltige Erfolge verbuchen. Im<br />
Interview mit dem <strong>Uni</strong>versitätsmagazin sprachen die gemeinsamen Initiatoren und Projektleiter<br />
von UNIVATIONS, Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und Dr. Ulf-Marten Schmieder, über ihr<br />
„Erfolgsrezept“ und die Besonderheiten des An-Instituts der MLU.<br />
Wer an den Hochschulen des Landes eine<br />
Gründungsidee hat, dem fällt als Ansprechpartner<br />
sofort UNIVATIONS ein. Nun gibt es<br />
aber seit drei Jahren auch das An-Institut für<br />
Innovation und Entrepreneurship (IIE) an der<br />
MLU, bekannt als Koordinator der Aktivitäten<br />
von UNIVATIONS, Scidea und des Schüler-<br />
Businessplanwettbewerbs futurego. Ist<br />
UNIVATIONS ein untergeordnetes Projekt?<br />
Neubert: Nein, jetzt nicht mehr. Weil der Name<br />
UNIVATIONS so gut angenommen wurde<br />
und zu einer international bekannten Marke<br />
der Gründerförderung avancierte, gibt es eine<br />
Umbenennung: Das An-Institut IIE trägt ab<br />
sofort den übergeordneten Namen UNIVA-<br />
TIONS, der allein durch seine Kürze und Prägnanz<br />
einprägsam und leichter auszusprechen<br />
ist. Über allem steht letztlich das Ziel der stärkeren<br />
Verwertung universitärer Innovationen.<br />
Schmieder: UNIVATIONS wird somit zur<br />
Dachmarke unserer Aktivitäten in der Schnittstelle<br />
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.<br />
Zu den Aufgaben- und Forschungsbereichen<br />
zählen die Innovations- und Gründungsförderung,<br />
der Wissens- und Technologietransfer<br />
sowie die wissenschaftliche Weiterbildung.<br />
Mittelpunkt unserer Arbeit bleiben aber die<br />
potenziellen Gründer, die nach ihren Bedürfnissen<br />
im gesamten Gründungsprozess<br />
betreut und aus den entsprechenden Töpfen<br />
des Landes, des Bundes und der EU gefördert<br />
werden.<br />
UNIVATIONS unterstützt seit 2004 Existenzgründungen<br />
und den Technologietransfer aus<br />
den Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
des Landes Sachsen-Anhalt. Wie hoch ist sein<br />
Stellenwert einzuschätzen?<br />
Neubert: Das An-Institut hat eine ganz wichtige<br />
regionale Bedeutung, denn es bündelt<br />
die Gründungskompetenz der <strong>Uni</strong>versität und<br />
kombiniert sie mit einem ganzheitlichen Ansatz<br />
der Gründungsforschung und -förderung.<br />
In vielen deutschen <strong>Uni</strong>versitäten wurde für<br />
diese Aufgaben eine Existenzgründungsprofessur<br />
eingerichtet. In Halle gibt es eine solche<br />
Professur nicht. Deshalb haben wir das Thema<br />
auf mehrere Lehrstühle<br />
verteilt und<br />
so aus der Not eine<br />
Tugend gemacht,<br />
die sich in der Vielschichtigkeit<br />
der Projekte<br />
niederschlägt.<br />
Daraus entwickelte<br />
sich zugleich die Besonderheit<br />
von UNIVATIONS: Es bietet verschiedene<br />
Programme, die sich sowohl in ihren<br />
Zielgruppen als auch in den Zielsetzungen<br />
unterscheiden. Vielleicht ist das sogar eines<br />
der Geheimnisse um den Erfolg.<br />
Schmieder: Außerdem setzen wir auf Interdisziplinarität.<br />
Natur- und Geisteswissenschaftler<br />
gründen gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftlern<br />
– und zwar hochschulübergreifend!<br />
Wir haben zwischen den vier Hochschulen im<br />
südlichen Sachsen-Anhalt ein erfolgreiches<br />
partnerschaftliches Netzwerk etabliert, und<br />
teilen das Know-how, welches wir über die<br />
sechs Jahre, die wir uns nun schon mit dem<br />
Thema Gründung beschäftigen, gesammelt<br />
„Die Wachstumsphase<br />
ist die schwierigste“<br />
Ulf-Marten Schmieder<br />
haben. Die anwendungsorientierte Ausrichtung<br />
der Angebote ist ein weiterer Baustein<br />
des Erfolgs. Mittlerweile ist UNIVATIONS<br />
selbst zum Qualitätssiegel geworden. In einer<br />
Studie der Organisation für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung wurde das<br />
hallesche Modell im Jahr 2009 sogar als „best<br />
practice Modell“ zur weltweiten Nachahmung<br />
empfohlen.<br />
Gemeinsames Anliegen ist es, die Zahl der<br />
Unternehmensgründungen in der Region zu<br />
erhöhen, damit innovative Köpfe im Land zu<br />
halten und zugleich Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Welche Zwischenbilanz lässt sich ziehen?<br />
Schmieder: Wir können heute eine überaus<br />
erfolgreiche Bilanz ziehen. Um einige Zahlen<br />
zu nennen: Seit 2004 gab es in den über<br />
400 Veranstaltungen des Netzwerks, darunter<br />
Workshops, Gründerakademien und Ringvorlesungen,<br />
insgesamt rund 3 000 interessierte<br />
Teilnehmer. Von über<br />
300 angeschobenen<br />
Projekten, die wir<br />
beraten und begleitet<br />
haben, kam es bei<br />
167 tatsächlich zur<br />
Gründung eines Unternehmens.<br />
Davon<br />
wiederum konnten<br />
sich über 80 Prozent bis heute dauerhaft auf<br />
dem Markt behaupten und mehr als 500 Arbeitsplätze<br />
schaffen.<br />
Wir haben es auch geschafft, Unternehmen<br />
ohne regionalen Bezug ins Land zu holen. Im<br />
April wird zum Beispiel in Halle die Produktionsstätte<br />
der ThermHex Waben GmbH eingeweiht.<br />
Der Unternehmensgründer hat sich<br />
aufgrund der langjährig intensiven Betreuung<br />
durch UNIVATIONS für eine Ansiedlung aus<br />
Belgien in Sachsen-Anhalt entschieden, darauf<br />
sind wir schon ein wenig stolz.<br />
Gründungsberatungs- und Transferzentrum Weinberg Campus<br />
Das Beratungs- und Transferzentrum des UNIVATIONS - Instituts für Innovation & Entrepreneurship an der<br />
Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität befindet sich auf dem Weinberg Campus, Weinbergweg 23, und ist von Montag<br />
bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet.<br />
Dank der Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und weitere Institutionen sind die<br />
Angebote kostenfrei.<br />
Förderprogramme und Finanzierung<br />
Das Institut vermittelt Existenzgründern Stipendien und Fördergelder, z.B. für Personalkosten, Sachmittel<br />
oder Prototypenentwicklung sowie Kapitalgeber für die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung.<br />
Weitere Informationen gibt es unter www.univations.de und www.investforum.de.
Welche Firmen oder Ausgründungen haben<br />
sich bundesweit einen Namen gemacht?<br />
Schmieder: Hier am Weinberg Campus sitzt<br />
beispielsweise die Probiodrug AG, mittlerweile<br />
eines der größten inhabergeführten<br />
Biotechnologieunternehmen Deutschlands.<br />
Beide Gründer kommen aus den Naturwissenschaften<br />
und führen ihr Unternehmen mit<br />
großem Erfolg. Gleiches gilt für die Unternehmen<br />
itCampus und Gollmann Kommissioniersysteme,<br />
die zusammen über 150 Arbeitsplätze<br />
geschaffen haben.<br />
Welche Strategien haben Sie, Gründungsinteressenten<br />
zum Erfolg zu bringen?<br />
Schmieder: Zu uns kommen potenzielle Existenzgründer,<br />
weil sie überzeugt sind, dass die<br />
Welt ihr Produkt braucht. Aber braucht sie es<br />
wirklich? Das prüfen wir bei UNIVATIONS.<br />
Gemeinsam analysieren wir den Markt, erarbeiten<br />
einen Businessplan und ermitteln den<br />
Kapitalbedarf. Der Gründer lernt bei uns, vom<br />
Kunden her zu denken. Wir begleiten und<br />
beraten ihn bei kaufmännischen Angelegenheiten,<br />
Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten<br />
oder rechtlichen Aspekten und zwar<br />
auch noch bis zu fünf Jahre nach der Gründung,<br />
denn die Wachstumsphase ist für Unternehmen<br />
erfahrungsgemäß die schwierigste.<br />
Außerdem hat UNIVATIONS mehr als dreißig<br />
Partner in den unterschiedlichsten Branchen<br />
und kann so gezielt Kontakte knüpfen. Zu unseren<br />
Kooperationspartnern gehören neben<br />
den Akteuren der Existenzgründungsoffensive<br />
des Landes unter anderem Technologie- und<br />
Gründerzentren, Kammern, Wirtschaftsförderungsgesellschaften,<br />
Wirtschaftsverbände,<br />
Cluster-Manager sowie renommierte Banken<br />
und Förderinstitute. Nicht zuletzt bieten wir<br />
Räumlichkeiten sowie den Zugang zu Geräten,<br />
Anlagen und Laboren.<br />
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang<br />
das Investforum Sachsen-Anhalt, das 2009<br />
erstmals von UNIVATIONS organisiert wurde?<br />
Neubert: Wissenschaftler sind bei Gründungen<br />
auf private Investoren – insbesondere<br />
auf Eigen- bzw. Risikokapitalgeber – angewiesen.<br />
Das Investforum soll deshalb junge<br />
innovative Unternehmen und Investoren zusammen<br />
bringen. In einem strukturschwachen<br />
Bundesland wie Sachsen-Anhalt ist ein Netzwerk<br />
solcher Investoren dringend notwendig.<br />
Im Forum erhalten Gründer die Chance, ihre<br />
Konzepte vor privaten und öffentlichen Investoren<br />
zu präsentieren, anschließend entscheiden<br />
diese über eine Finanzierung.<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Die Projektleiter des Gründernetzwerks Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und Dr. Ulf-Marten Schmieder<br />
Welche Vorhaben wollen Sie in der nächsten<br />
Zeit in Angriff nehmen?<br />
Schmieder: Im Bereich Gründungsförderung<br />
starten ab Juli neue Angebote zur Förderung<br />
von Gründerinnen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
sowie für Unternehmen der<br />
Kreativwirtschaft. Außerdem ist 2010/11 der<br />
Aufbau von Inkubatoren zur Produktion von<br />
Prototypen geplant,<br />
insbesondere für die<br />
naturwissenschaftlich-technischen<br />
Bereiche der <strong>Uni</strong>versität.<br />
Die Aktivitäten<br />
im Bereich Technologietransfer<br />
werden<br />
ausgebaut. Beispielsweise<br />
gibt es zur Zeit<br />
ein spannendes Transfer-Projekt mit mehr als<br />
20 Unternehmen aus der Ernährungsbranche.<br />
In einer Art „Innovationslabor für den Mittelstand“<br />
werden neue Produkte entwickelt,<br />
im realen Marktumfeld getestet und in einem<br />
Neuheiten-Regal bei Edeka präsentiert. Außerdem<br />
wollen wir verstärkt Alumni-Gründer<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Neubert<br />
UNIVATIONS Sachsen-Anhalt<br />
Telefon: 0345 55 25000<br />
E-Mail: reinhard.neubert@pharmazie.uni-halle.de<br />
„Wir haben aus der Not<br />
eine Tugend gemacht“<br />
Reinhard Neubert<br />
aufspüren, um sie in Kooperationen einzubinden<br />
und für Drittmittelprojekte zu gewinnen.<br />
Es handelt sich dabei um Firmen, die von Absolventen<br />
und Wissenschaftlern aus der halleschen<br />
<strong>Uni</strong> gegründet worden sind.<br />
Neubert: Entwicklungsbedarf gibt es auch<br />
bei der Drittmitteleinwerbung und im Bereich<br />
wissenschaftliche Weiterbildung. Wichtig ist,<br />
unternehmerisches<br />
Denken überall in der<br />
universitären Lehre<br />
noch stärker zu verankern,<br />
es sollte sich<br />
durch alle Lehrveranstaltungen<br />
ziehen.<br />
Letztlich geht es ja<br />
auch für den Nachwuchs<br />
darum, Forschungsergebnisse<br />
mit Innovationspotenzial<br />
zu erkennen, die sich für den direkten Transfer<br />
in die Wirtschaft eignen bzw. aus denen Gründungsideen<br />
entstehen können. All das setzt<br />
natürlich eine weiterhin sehr gute Grundlagen-<br />
forschung voraus.<br />
Dr. Ulf-Marten Schmieder<br />
UNIVATIONS Sachsen-Anhalt<br />
Telefon: 0345 55 22955<br />
E-Mail: info@univations.de<br />
■<br />
11<br />
T ITELTHEMA
12<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Grüne Gründer für Land<br />
und Wirtschaft<br />
Zwei MLU-Absolventen produzieren Biofolie aus Proteinen<br />
C ORINNA BERTZ<br />
Noch ein Glas Bionade zum Biobrötchen? Biowaren sind allgegenwärtig und werden immer<br />
häufiger vorbildlich im Stoffbeutel nach Hause getragen. Verpackt sind sie allerdings meist<br />
nach wie vor in Kunststofffolie. Ökologisch sinnvoller ist dagegen kompostierbare, ungiftige<br />
Biofolie. Ökonomisch tragbar ist sie auch – davon sind zumindest die Diplomingenieurin Isabell<br />
Stolte und der Wirtschaftsingenieur Dr.-Ing. Patrick Frohberg überzeugt. Seit einem halben Jahr<br />
bereiten die beiden MLU-Absolventen am Weinberg Campus die Gründung von Protein2Plastix<br />
vor. In dem Unternehmen wollen sie umweltfreundliche Folien aus Proteinen selbst entwickeln,<br />
herstellen und vertreiben. Erste Anwendungen sind in der Landwirtschaft geplant.<br />
Auf den ersten Blick sind die Biofolien kaum<br />
von herkömmlichen zu unterscheiden, erst bei<br />
genauem Hinsehen wird eine leicht beige Tönung<br />
sichtbar. Hält man eine der organischen<br />
Folien dann in der Hand, wird der Unterschied<br />
deutlicher: sie ist ungewöhnlich biegsam und<br />
lässt sich nicht so einfach knicken. „Unser<br />
großer Vorteil ist, dass wir die Folieneigenschaften<br />
ganz gezielt und je nach Wunsch des<br />
Kunden steuern können. Wir legen bei der<br />
Herstellung fest, wie wasserresistent die Folien<br />
sind oder wie schnell sie sich zersetzen“,<br />
sagt Dr. Patrick Frohberg.<br />
Spätestens im Frühjahr 2011 sollen bei Protein2Plastix<br />
im Kundenauftrag die ersten Folien<br />
in der Agrarwirtschaft eingesetzt werden. „Sie<br />
können in der Landwirtschaft zum Abdecken<br />
von Feldern genutzt werden oder in der Pharmazie,<br />
als Ersatz für die Pillenkapseln aus Gelatine,<br />
also aus Schweinegewebe, die gläubige<br />
Muslime nicht einnehmen können“, erläutert<br />
der 30-jährige Wirtschaftsingenieur. Als Doktorand<br />
stieß er 2006 zum Forschungsteam<br />
um Prof. Dr. Markus Pietzsch vom<br />
Institut für Pharmazie der MLU.<br />
Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr.<br />
h. c. Joachim Ulrich vom<br />
Lehrstuhl für ThermischeVerfahrenstechnik<br />
verfolgte<br />
Markus Pietzsch<br />
das Ziel, die<br />
folienbildenden<br />
Eigenschaften<br />
von Proteinen für<br />
die Herstellung völlig<br />
neuartiger Biowerkstoffe<br />
zu nutzen.<br />
In seiner Doktorarbeit entwickelte<br />
Frohberg ein thermoplastisches<br />
Verfahren, mit dem<br />
die Folien auf Proteinbasis auch im<br />
Massenproduktionsverfahren hergestellt<br />
werden können. Damit nahm die<br />
Gründungsidee konkrete Formen an. Seine<br />
zukünftige Geschäftspartnerin Isabell Stolte<br />
beschäftigte sich im Rahmen ihrer Diplom-<br />
arbeit bei Professor Pietzsch mit den Materialeigenschaften<br />
proteinogener Biowerkstoffe<br />
und war vom Marktpotenzial des Produkts<br />
überzeugt. „Es gibt zwar bereits einige Unternehmen<br />
für Biofolien, aber die meisten dieser<br />
Folien sind nicht vollständig abbaubar, weil<br />
sie zu Teilen immer noch aus konventionellem<br />
Polymer bestehen“, betont sie.<br />
„Wir beziehen die Proteine zur Zeit aus der<br />
Milchindustrie und von stärkeproduzierenden<br />
Unternehmen, wo sie als Beiprodukt anfallen“,<br />
erzählt Frohberg. „Wir nutzen also einen<br />
Rohstoff, der sowieso vorhanden ist und für<br />
den es noch keinen Markt gibt“, bringt es der<br />
zukünftige Geschäftsführer von Protein2Plastix<br />
auf den Punkt. Aber nicht allein die wirtschaftliche<br />
Seite sondern auch der Aspekt der<br />
Umweltfreundlichkeit war den beiden Gründern<br />
wichtig.<br />
Rein biologisch und noch dazu essbar:<br />
die Biofolien von Protein2Plastix.<br />
Fotos: Maike Glöckner<br />
Frohberg hatte sich bereits im Studium auf<br />
den Schwerpunkt Umweltmanagement festgelegt<br />
und auch Bioingenieurin Stolte wollte<br />
sich nach ihrem Studienabschluss auf nachwachsende<br />
Rohstoffe spezialisieren.<br />
Parallel zur ihrer Doktor- und Diplomarbeit<br />
schrieben sie deshalb gemeinsam den Antrag<br />
für ein EXIST-Gründerstipendium, das Unternehmensgründer<br />
ein Jahr vor der Gründung<br />
mit monatlich 2000 Euro unterstützt. In das<br />
Ideenpapier zu diesem Antrag gehörte bereits<br />
eine Marktrecherche sowie eine erste Unternehmensplanung<br />
inklusive einer Kalkulation<br />
des Finanzbedarfs. Bei Fragen zur Antragstellung<br />
wurden die beiden Bewerber von SCI-<br />
DEA unterstützt. Wertvolle fachliche Hinweise<br />
lieferten die beiden betreuenden Professoren<br />
Markus Pietzsch und Joachim Ulrich.<br />
S ELBSTSTÄNDIG HEISST SELBST UND STÄNDIG<br />
Mit dem erfolgreichen Antrag für ein EXIST-<br />
Gründerstipendium, einem Förderprogramm<br />
des Bundesministeriums für Wirtschaft und<br />
Technologie, war ein erster Meilenstein geschafft<br />
und aus der Idee wurde ein Plan, dem<br />
die beiden Stipendiaten jetzt ihre volle Aufmerksamkeit<br />
und Energie widmen. Von Marketing<br />
und Messeauftritten über Rechts- und<br />
Steuerfragen, Investorenakquise und Mitarbeiterleitung<br />
bis hin zum Aufbau und der Pflege<br />
von Kundenkontakten – jeder neue Schritt<br />
erfordert Professionalität und Handlungssicherheit,<br />
denn jeder Fehler könnte den Traum<br />
vom eigenen Unternehmen zunichte machen.<br />
Gründer sollten alles können oder müssen<br />
zumindest den Willen haben, es in möglichst<br />
kurzer Zeit zu lernen.
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Isabell Stolte und Patrick Frohberg präsentieren die ersten industriell hergestellten kompostierbaren Folien auf dem Julius-Kühn-Versuchsfeld der MLU.<br />
Deshalb besucht Isabell Stolte verschiedene<br />
UNIVATIONS-Seminare zu BWL-Themen, zu<br />
Buchführung und Zeitmanagement. Genauso<br />
wichtig wie Fachkenntnisse ist folglich auch<br />
die Bereitschaft, mehr als 40 Stunden die Woche<br />
in seine Arbeit zu investieren: „Im Moment<br />
arbeiten wir von früh bis spät und auch<br />
am Wochenende“, erzählt die 26-Jährige, die<br />
sich seit Jahresbeginn mit ihrem Gründungspartner<br />
ein eigenes Büro auf dem Weinberg<br />
Campus teilt.<br />
Zur Zeit ist sie allerdings häufiger in den beiden<br />
Laboren am Biozentrum anzutreffen. Dort<br />
arbeitet die junge Frau, die nach der Firmengründung<br />
den Forschungs- und Entwicklungsbereich<br />
leiten wird, an der Optimierung der<br />
Folien, während Frohberg sich immer häufiger<br />
mit potenziellen Kunden trifft. „So ergänzen<br />
wir uns ganz gut“, sind sich die beiden einig.<br />
Als Team können sie auch die schwierigen ersten<br />
Monate nach der Gründung meistern, sagen<br />
sie. „In meiner Familie habe ich gesehen,<br />
was für eine große finanzielle und auch mentale<br />
Belastung ein Unternehmen direkt nach<br />
der Gründung darstellt“, erzählt Stolte. „Aber<br />
wenn man einmal den Mut hat, diesen großen<br />
Schritt zu gehen, dann wird sich das letztlich<br />
auszahlen“, ist Patrick Frohberg überzeugt und<br />
seine Geschäftspartnerin stimmt zu: „Es ist<br />
einfach eine tolle Chance, diese Herausforderung<br />
anzugehen und nicht im Alter dasitzen zu<br />
müssen und zu bedauern, dass man so etwas<br />
nicht gemacht hat.“<br />
Bislang fühlen sich die beiden angehenden<br />
Gründer am Weinberg Campus optimal unterstützt,<br />
was nicht zuletzt auch an ihrem Personal<br />
Coach liegen dürfte, der ihnen von UNI-<br />
VATIONS zur Seite gestellt wurde:<br />
Dr. Ulf-Marten Schmieder, der seit über fünf<br />
Jahren Gründer begleitet, konnte den beiden<br />
viele wertvolle Kontakte und Tipps vermitteln.<br />
Zudem gibt es auch nach der Gründung noch<br />
Dipl.-Ing. Isabell Stolte<br />
Protein2Plastix<br />
Telefon: 0345 55 28 414<br />
E-Mail: Isabell.stolte@iw.uni-halle.de<br />
verschiedene Möglichkeiten der Förderung.<br />
Neben speziellen Finanzierungsangeboten für<br />
technologiebasierte Jungunternehmen etwa<br />
des High-Tech Gründerfonds, der Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau oder durch so genannte<br />
Business Angels gibt es auch die Möglichkeit,<br />
Diplomanden und Doktoranden zu beschäftigen,<br />
um in der Forschung weiterzuarbeiten.<br />
Wer das Risiko und den Arbeitsaufwand nicht<br />
scheut, dem kann Frohberg das Gründen nur<br />
empfehlen: „Diesen ganzen Prozess von Beginn<br />
an nicht nur zu begleiten, sondern ihn<br />
auch zu steuern, ist eine einmalige Gelegenheit<br />
und der spannendste Weg das Unternehmertum<br />
kennenzulernen.“<br />
■<br />
Dr.-Ing. Patrick Frohberg<br />
Protein2Plastix<br />
Telefon: 0345 55 28 414<br />
E-Mail: patrick.frohberg@iw.uni-halle.de<br />
13<br />
T ITELTHEMA
14<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
D R. USUS ZEITGEIST<br />
Lasst uns eine <strong>Uni</strong><br />
gründen<br />
Martin Luther hat ausgedient, auf welches<br />
ökonomische Modell beruft er sich überhaupt?<br />
Lassen wir Haushaltslöcher und Schuldenberge<br />
hinter uns und geben Gas für die<br />
Neugründung. Wir beginnen mit einem<br />
Kick-Off-Meeting an der MLU (der Name<br />
– die Marke – steht natürlich auch zur Diskussion).<br />
McKinsey zieht vorübergehend<br />
ins Rektorat und übernimmt das Consulting.<br />
Mit ein paar Workshops und ein bisschen<br />
Coaching zum Humanressourcenmanagement<br />
wird ein nachhaltiger Businessplan<br />
für die StartUp-<strong>Uni</strong> von morgen herbeigezaubert.<br />
Der Input stimmt schon mal: 18 100 motivierte,<br />
unverbrauchte junge Leistungsträger<br />
– der Traum eines jeden Personalers!<br />
Bachelor-geknebelt absolvieren sie ihr<br />
Studium im Schnelldurchlauf und steigern<br />
so ihren Marktwert ins Unermessliche.<br />
Wahre Goldstücke, die da produziert und<br />
anschließend einfach so dem Arbeitsmarkt<br />
geschenkt werden! Und das nur, weil ein<br />
paar Unbeirrbare noch immer von wahrer<br />
Bildung statt der Ware Bildung träumen?<br />
Sicher, Platon wäre stolz gewesen ob solch<br />
selbstloser Ausbildungswut. Ökonomisch<br />
durchdacht ist das mit dem Gemeinnutzen<br />
aber nicht. Hätten die Griechen neben der<br />
Pädagogik doch nur die Kosten-Nutzen-<br />
Maxime gleich mit erfunden!<br />
Aber auf dieses ökonomische Prinzip sind<br />
die Briten gestoßen, wie auch auf so viele<br />
Begriffe aus der Welt des Business.<br />
Wer sich trotzdem lieber an den alten<br />
Weisen orientieren will, der sei bitteschön<br />
auch konsequent: Gelehrt wird zukünftig<br />
kostengünstig auf den offenen Plätzen der<br />
Stadt und das nur noch vom Frühling bis in<br />
den Herbst – solange es grün ist. Damit die<br />
Corporate Identity der <strong>Uni</strong> gewahrt bleibt.<br />
Zeichnung: Oliver Weiss<br />
Gründer entwickeln Alters-TÜV für Betonbauten<br />
Das hallesche Gründerteam „Nonlin“ entwickelt eine neue Software, mit der die Statik von Betonbauten<br />
erheblich genauer berechnet und sogar deren Alterung simuliert werden kann. Mit ihrem Vorhaben<br />
gewannen die drei Diplomingenieure Stephan Mucha, Thomas Püschel und Gunter Schenck den mit 7500 Euro<br />
dotierten ersten Preis im Businessplanwettbewerb Sachsen-Anhalt 2009. Foto: Michael Deutsch<br />
IQ-Innovationspreis<br />
Halle 2010<br />
Der mit 5000 Euro dotierte IQ-Innovationspreis<br />
Halle wird in diesem Jahr durch die<br />
Stadt Halle und die MLU gemeinsam vergeben.<br />
IQ steht dabei für „InnovationsQuotient“.<br />
Neben dem Geldpreis erhält der beste Existenzgründer<br />
ein Gründercoaching durch das<br />
UNIVATIONS Institut sowie ein PR-Coaching<br />
durch die Agentur signum.<br />
Bis zum 7. März konnten sich Unternehmer,<br />
Gründer, Studenten und Forscher mit ihren<br />
Entwicklungen aus regional starken Innovationsbranchen<br />
wie Energie und Umwelt,<br />
Ernährungswirtschaft oder der Informationstechnologie<br />
für den Preis sowie gleichzeitig<br />
für den IQ Innovationspreis Mitteldeutschland<br />
bewerben. Insgesamt 126 Bewerbungen aus<br />
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gingen<br />
in diesem Jahr ein.<br />
Die Preisträger werden am 17. Juni 2010 in<br />
Gera bekanntgegeben. Der IQ-Preis Mitteldeutschland<br />
ist die Dachmarke der lokalen IQ-<br />
Wettbewerbe und wird durch die Wirtschaftsinitiative<br />
für Mitteldeutschland umgesetzt.<br />
Weitere Informationen im Internet: www.iqmitteldeutschland.de.<br />
Corinna Bertz<br />
Wolfgang-Wirichs-<br />
Förderpreis 2010<br />
Für sein Forschungsprojekt<br />
„Integrierte Multichannel-Kommunikation<br />
im<br />
Einzelhandel“ wurde Dr.<br />
Ulf-Marten Schmieder (Foto:<br />
UNIVATIONS) mit dem<br />
Wolfgang-Wirichs-Förderpreis<br />
ausgezeichnet. Der Preis gehört zu den bedeutendsten<br />
wissenschaftlichen Auszeichnungen<br />
im Bereich des Handels. Die Ergebnisse der<br />
marketingtheoretisch, informationstechnisch<br />
und empirisch fundierten Untersuchung leisten<br />
einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung<br />
von Kommunikationsaktivitäten. In<br />
dem Projekt am Lehrstuhl für Marketing &<br />
Handel wurden Kommunikationskonzepte und<br />
Entscheidungshilfen für die Integration alternativer<br />
Kommunikationskanäle im Multichannel-Retailing<br />
erarbeitet. Dem Lehrstuhl von<br />
Prof. Dr. Dirk Möhlenbruch wird damit bereits<br />
zum zweiten Mal nach 2007 diese wichtige<br />
Auszeichnung in der Handelsforschung zuteil.<br />
Der „Wolfgang-Wirichs-Förderpreis Handel“<br />
zeichnet insbesondere Wissenschaftler aus, deren<br />
Arbeiten zu innovativen Problemlösungen<br />
für den Handel führen. Ute Olbertz<br />
Webcodes<br />
SH-857 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Mehr über Ulf-Marten Schmieder<br />
SH-858 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Mehr über das Gründerteam „Nonlin“
Rhetorik-Training von der<br />
Einzelkämpferin<br />
Claudia Gebauer vermittelt sprachliche Kompetenzen<br />
als Selbstständige<br />
J ANINE BORNEMANN<br />
Ob im Gespräch, in Sitzungen oder in Präsentationssituationen, rhetorische und kommunikative<br />
Fähigkeiten sind im beruflichen Alltag unverzichtbar. Um diese Kompetenzen zu schulen, bietet<br />
Claudia Gebauer Trainings, Coaching und Beratungen in den Bereichen Rhetorik, Kommunikation<br />
und Sprecherziehung an. Die Diplom-Sprechwissenschaftlerin arbeitet seit ihrem Studienabschluss<br />
vor fünf Jahren in der Selbstständigkeit.<br />
Je nach Zielgruppe geht Claudia Gebauer<br />
individuell auf die jeweilige Situation, Bedürfnisse<br />
und Ziele ihrer Kunden ein. Für<br />
ihre Auftraggeber steht dabei der berufliche<br />
Aspekt im Vordergrund, weshalb es sich<br />
hauptsächlich um Unternehmen und öffentliche<br />
Einrichtungen handelt. „Wichtig ist mir,<br />
Prozesse gemeinsam, wirksam und nachhal-<br />
Claudia Gebauer bietet Trainings, Coaching und Beratungen in den Bereichen<br />
Rhetorik, Kommunikation und Sprecherziehung an. Foto: Maike Glöckner<br />
tig zu gestalten“, sagt die 31-Jährige. Dazu<br />
arbeitet die Diplom-Sprechwissenschaftlerin<br />
mit vielfältigen Methoden und einem direkten<br />
Praxisbezug, um den Transfer in den Alltag<br />
zu erleichtern. Zur intensiven Reflexion und<br />
gezielten Weiterentwicklung des Kommunikations-<br />
und Sprechverhaltens nutzt Claudia<br />
Gebauer unter anderem auch Videokamera<br />
und Tonaufnahmegerät.<br />
Dadurch können<br />
sich ihre Kunden aus<br />
einer neuen Perspektive<br />
wahrnehmen<br />
und ihre Wirkung auf<br />
andere besser nachvollziehen.<br />
Außerdem arbeitet<br />
die Sprechwissenschaftlerin<br />
für verschiedene<br />
Hochschulen, unter<br />
anderem die MLU.<br />
Dort vermittelte sie<br />
beispielsweise AllgemeineSchlüsselqualifikationen<br />
in den<br />
Bereichen Argumentation<br />
und mündliche<br />
Kommunikation in<br />
der Wissenschaft.<br />
Auch an einem Projekt<br />
zur Erforschung<br />
und Optimierung der<br />
professionellen Telefonie<br />
am Seminar für<br />
Sprechwissenschaft<br />
an der MLU ist sie<br />
beteiligt. „Durch<br />
die Anbindung an<br />
die <strong>Uni</strong> bleibt der<br />
Kontakt zur Wissenschaft<br />
sowie zu<br />
aktuellen sprechwissenschaftlichen<br />
Untersuchungen und<br />
Forschungsergebnis-<br />
sen erhalten“, sagt<br />
die Hallenserin, die<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Germanistik und Spanisch als Wahlnebenfächer<br />
studiert hat. Zusätzliche Kenntnisse und<br />
Erfahrungen, die sie während ihres Studiums<br />
sammelte, kann die 31-Jährige für ihre tägliche<br />
Arbeit nutzen. So lernte sie beispielsweise<br />
die Organisation eines Büros während ihrer<br />
studentischen Arbeit in einem Unternehmen<br />
und Selbstmanagement während ihrer Auslandsaufenthalte<br />
in Spanien und Argentinien.<br />
Auch die ersten Kontakte zu Auftraggebern<br />
knüpfte Claudia Gebauer schon während ihres<br />
Studiums. Bereits vor ihrem Abschluss arbeitete<br />
sie freiberuflich im Rhetorik- und Kommunikationsbereich.<br />
Das ermöglichte ihr einen<br />
fließenden Übergang in die Selbstständigkeit.<br />
Auf diesem Weg wurde sie durch eine Qualifizierungsmaßnahme<br />
unterstützt. Über einen<br />
Zeitraum von 40 Wochen nahm sie einmal<br />
wöchentlich an einem Kurs teil, in dem alles<br />
rund um Selbstständigkeit gelehrt wurde. „Das<br />
war sehr hilfreich, besonders für das Verständnis<br />
der Abläufe im Bereich Rechnungswesen<br />
und Steuern“, so die Sprechwissenschaftlerin.<br />
Mit ihrer Entscheidung, freiberuflich zu<br />
arbeiten, ist Claudia Gebauer sehr zufrieden.<br />
Im Anschluss an ihre Diplomarbeit bot sich<br />
für sie die Chance zu promovieren, doch die<br />
Hallenserin entschied sich erst einmal dagegen,<br />
um ihre gewonnenen Kontakte zu Firmen<br />
und Bildungsträgern für ihre Selbstständigkeit<br />
nutzen zu können. An ihrer Arbeit schätzt sie<br />
besonders die Vielfältigkeit und Flexibilität:<br />
„Ich arbeite mit verschiedenen Zielgruppen, in<br />
verschiedenen Projekten mit ganz unterschiedlichen<br />
Gegebenheiten. Dabei lerne ich interessante<br />
Menschen und Orte kennen.“<br />
Zu den breit gefächerten Aufgabenfeldern der<br />
Diplom-Sprechwissenschaftlerin gehört ein<br />
Projekt, das die sprachliche und soziale Kompetenz<br />
bei Kindern in der Grundschule fördert.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die<br />
Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten<br />
beziehungsweise deren Angehörigen.<br />
Dabei geht es beispielsweise um verständliche<br />
Formulierungen, aber auch um Einfühlungsvermögen<br />
seitens der Ärzte. In Halle wird<br />
das bereits in die Ausbildung der Mediziner<br />
integriert.<br />
Diese verschiedenen Aufgabenfelder und die<br />
damit verbundene Abwechslung sind es, die<br />
Claudia Gebauer besonders gefallen. Deshalb<br />
sieht sie ihre Arbeit nicht nur als Beruf, sondern<br />
auch als Berufung.<br />
■<br />
Claudia Gebauer<br />
Diplom-Sprechwissenschaftlerin<br />
Telefon: 0345 919 65 00<br />
E-Mail: gebauer@einfachsprechen.de<br />
Internet: www.einfachsprechen.de<br />
15<br />
T ITELTHEMA
16<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Farbige Schrift in Glas<br />
Zehn Jahre nach der Gründung:<br />
boraident punktet weiter mit innovativen Ideen<br />
U TE OLBERTZ<br />
„Für die Ewigkeit“ in Glas schreiben – über diese und weitere unverwechselbare Fähigkeiten<br />
verfügt boraident. Die GmbH bietet damit ihren Kunden weltweit einzigartige Leistungen an,<br />
die sich großer Nachfrage erfreuen. Zehn Jahre liegt nunmehr die Gründung des etablierten Unternehmens<br />
zurück und die Erfolgsgeschichte der Firma wird bis heute weiter fortgeschrieben.<br />
Die beiden Gründer Reinhard Borek und Dr. Thomas Rainer setzten in den 1990er Jahren als<br />
Studenten ihre ersten innovativen Ideen bei Experimenten mit Glas an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
um. Sie arbeiteten in Projekten der Fachgruppe Experimentelle Physik I unter der Betreuung<br />
von Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg und Dr. Klaus-Jürgen Berg.<br />
Die von Borek und Rainer entwickelte Technologie<br />
ließ bereits in den Anfängen immenses<br />
Potenzial vermuten. Mit per Laserstrahl erzeugten<br />
winzigen Silberpartikeln schrieben sie<br />
farbige Markierungen in und auf Glas. Nicht<br />
nur in der Automobilzulieferindustrie stieß das<br />
patentgeschützte Verfahren sehr schnell auf<br />
größtes Interesse.<br />
Im Zuge einer Initiative des Landes Sachsen-<br />
Anhalt, die Existenzgründungen aus Hochschul-<br />
und Forschungseinrichtungen förderte,<br />
wurde im Juni 2000 die boraglas GmbH als<br />
Ausgründung aus der MLU ins Leben gerufen.<br />
„Zunächst nutzten wir noch Räume des damaligen<br />
Fachbereichs Physik, der uns bei der Unternehmensgründung<br />
sehr stark unterstützte“,<br />
sagt Dr. Rainer. „Im Gegenzug erhielt die <strong>Uni</strong>versität<br />
unser Know-how.“<br />
Heute hat die boraident GmbH ihren Sitz in<br />
der Köthener Straße 33a in Halle und beschäftigt<br />
am dortigen Standort 15 Mitarbeiter<br />
in den Bereichen Produktion, Service sowie<br />
Forschung und Entwicklung. Sie stellt Markierungs-<br />
und Identifizierungssysteme für die<br />
Branchen Photovoltaik (Solarglas), Architektur<br />
(Einscheibensicherheitsglas, Verbundsicherheitsglas),<br />
Automobilindustrie (ESG, VSG)<br />
sowie Pharmazie und Medizin (Hohl- und<br />
Containerglas) her.<br />
Auf der Grundlage langjähriger Forschungs-<br />
und Entwicklungsarbeit in Kooperation mit<br />
Instituten, Hochschulen und <strong>Uni</strong>versitäten hat<br />
das Team aus physikalischen Effekten immer<br />
weitere Technologien und Produkte für<br />
die industrielle Anwendung entwickelt – vor<br />
allem in dem Geschäftsfeld Lasermarkierung<br />
von Glasprodukten und Identifizierung. Eine<br />
dauerhafte, schonende und zugleich fälschungssichere<br />
Beschriftung ist dank spezieller<br />
Verfahren möglich, die das Glassubstrat mittels<br />
Ionentransfer zerstörungsfrei mit einem<br />
maschinenlesbaren Code (Data Matrix Code)<br />
markieren. Dieser kann je nach Vorstellung der<br />
Kunden neben Herstellerinformationen (Logo)<br />
und Normangaben auch dynamische Daten<br />
(Produkt-ID, Chargennummer) enthalten.<br />
„Unser Potenzial für Innovation und Kreativität<br />
wird durch eine strategische Kooperation<br />
Glasmarkierung in der industriellen<br />
Fertigung: Kennzeichnung von<br />
Floatglasprodukten im ersten Fertigungsschritt,<br />
Foto: boraident<br />
Eine Erfolgsgeschichte<br />
Bereits 2001 ging das Unternehmen boraglas als<br />
Sieger des „start-up“-Wettbewerbs in Sachsen-<br />
Anhalt hervor. Es folgte 2004 die Auszeichnung<br />
mit dem „Hugo Junkers Innovationspreis“ von<br />
Sachsen-Anhalt. Anschließend stand die Entwicklung<br />
von Markierungstechnologien für Architekturglas<br />
(glassmarkings) auf dem Programm.<br />
Die neuen Produkte gelangten bereits 2006<br />
zur Markteinführung und damit zu ihrem ersten<br />
industriellen Einsatz, darunter patentierte und<br />
weltweit einzigartige Technologien für die<br />
Markierung in und auf Glas sowie Sensoren zur<br />
Bestimmung der Anzahl und Dicke von Gläsern ■<br />
in einem Paket bzw. der Luft- und Badseite von<br />
Floatglas. Schließlich wurde 2008 die boraident<br />
GmbH als Mitglied der ACI group gegründet und<br />
das boraglas-Kerngeschäft übernommen. In das<br />
gleiche Jahr fiel auch die Etablierung einer Repräsentanz<br />
in Japan. Standorte und Servicestützpunkte<br />
gibt es außerdem noch im Schwarzwald<br />
und in Taiwan.<br />
innerhalb der ACI group unterstützt, das ist ein<br />
Firmenverbund, der im Bereich Maschinenbau<br />
Konstruktions-, Oberflächenreinigungs- und<br />
Softwarelösungen anbietet“, sagt Rainer. In<br />
Kooperation entwickeln die Partner aufeinander<br />
abgestimmte Lösungen zu kundenindividuellen<br />
Aufgabenstellungen. „Die Zusammenarbeit<br />
im Netzwerk stärkt die Wettbewerbsfähigkeit<br />
jedes einzelnen Unternehmens“, so Rainer.<br />
Nicht zuletzt liegt in dem starken Netzwerk ein<br />
weiterer Schlüssel zum Erfolg.<br />
■<br />
boraident GmbH<br />
Tel.: 0345 4782350<br />
E-Mail: info@boraident.de<br />
Internet: www.boraident.de
Die Eishockey-Scouts<br />
Sportstudenten erproben Beobachtungssystem im<br />
finnischen Vierumäki<br />
U TE OLBERTZ<br />
Wer schafft es in die finnische U16-Eishockeynationalmannschaft? Das war die große Frage, die<br />
vier Tage lang im finnischen Vierumäki nicht nur rund 160 junge Spieler beschäftigte. Auch für<br />
fünf Studierende des Masterstudiengangs Angewandte Sportpsychologie der halleschen <strong>Uni</strong>versität,<br />
die unter Leitung von Professor Oliver Stoll und PD Dr. Andreas Lau vom 2. bis 10. März<br />
nach Finnland gereist waren, stellte diese Auswahl eine Herausforderung dar, deren Ergebnis<br />
nicht vorhersehbar war. Von den angetretenen Sportlern, unter 16 Jahre jung, erhielten nur 40<br />
das „Ticket“, für den Nachwuchs der Nationalmannschaft geeignet zu sein.<br />
Spannung herrschte also von Anfang an bei<br />
allen am Scouting-Projekt des finnischen Eishockeyverbandes<br />
(FIHA) Beteiligten. Professor<br />
Stoll hatte bereits im vergangenen Jahr mit<br />
Unterstützung durch das Sokrates-Programm<br />
die finnischen Kollegen besucht. „Eine Partnerschaft<br />
besteht seit 2005 mit der Haaga-<br />
Helia-<strong>Uni</strong>versität“, sagt der Sportpsychologe.<br />
Zur <strong>Uni</strong>versität gehört auch das Sportinstitut<br />
in Vierumäki, dessen sehr kleiner Campus in<br />
ruhiger Lage inmitten finnischer Wälder zu<br />
finden ist. Das dortige Institut hat ein Talentbeobachtungssystem<br />
im Eishockey nach der<br />
Grundidee eines Studenten aus Vierumäki entwickelt,<br />
bei dem vor allem Verhaltensweisen<br />
der Spieler und weniger technische Elemente<br />
eine Rolle spielen. Später erfolgte die wissenschaftliche<br />
Prüfung der Gütekriterien an<br />
der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Das System<br />
verfügt über hohe prognostische Validität und<br />
Studierende füllen beim „Mental Scouting“ die Beobachtungsblätter aus. Foto: Prof. Dr. Oliver Stoll<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
wurde nun in Finnland auf die U16-Nationalmannschaft<br />
angewandt.<br />
Nach welchen Kriterien richtet sich das System<br />
bei der Beurteilung, ob ein Eishockeyspieler<br />
für die Nationalmannschaft geeignet ist<br />
oder nicht? „Zunächst führten wir vier Tage<br />
lang motorische und sportmedizinische Tests<br />
durch, die parallel weiterliefen, während bereits<br />
die Mannschaften zum Turnier gegeneinander<br />
antraten“, so Stoll.<br />
Die fünf Sport-Studierenden aus Halle, unter<br />
ihnen Philipp Auerswald, der bei der ZDF-<br />
Show „Wetten dass …?“ herausragende sportliche<br />
Fähigkeiten bewiesen hat (siehe Seite<br />
19), beobachteten gemeinsam mit finnischen<br />
Studenten die 15-jährigen Sportler. „Unsere<br />
Master-Studenten konnten das, was sie gelernt<br />
haben, jetzt vor Ort praktisch anwenden“, erklärt<br />
Stoll.<br />
Jeder der Studenten beobachtete das Verhalten<br />
von drei Spielern auch außerhalb des Eises<br />
und trug die Ergebnisse im Rahmen eines<br />
„Mental Scoutings“ auf einem Beobachtungsblatt<br />
– einem Fragebogen ähnlich – ein. „Zu<br />
den Kriterien, die ausschlaggebend sind, ob<br />
ein Spieler geeignet ist, gehören zum Beispiel<br />
Willensstärke, Durchsetzungsvermögen sowie<br />
Teamfähigkeit und ob der Sportler in der<br />
17<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN
18<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
15-jährige finnische Eishockeyspieler stellen sich dem Scouting. Fotos: Prof. Dr. Oliver Stoll<br />
Mannschaft in der Lage ist, Verantwortung zu<br />
übernehmen. Nicht zuletzt spielt nonverbales<br />
Kommunizieren auf dem Eis, unter anderem<br />
die Körpersprache, eine Rolle“, führt der<br />
Sportpsychologe weiter aus.<br />
Bei dem Scouting wurden ein finnischer und<br />
ein deutscher Student jeweils unabhängig voneinander<br />
auf drei gleiche Spieler angesetzt.<br />
Anschließend ging es an die Auswertung der<br />
Ergebnisse, die tatsächlich beim Vergleich erstaunlich<br />
gut übereinstimmten. Das ist auch<br />
ein Beweis dafür, dass sich das Sichtungssystem<br />
bewährt und auf einer soliden wissenschaftlichen<br />
Basis steht. Hier erlebten die<br />
Studenten die Verknüpfung von Forschungsund<br />
Anwendungspraxis. Nicht zuletzt konnten<br />
auch die Ergebnisse des vergangenen<br />
Jahres bestätigt werden. „Das Besondere ist,<br />
dass Eishockeytrainer jetzt auf einem akademischen<br />
Level ausgebildet werden können“,<br />
sagt Stoll.<br />
Die 40 ausgewählten Spieler sollen zu den<br />
U 16 entwickelt werden und bilden künftig<br />
die erweiterte finnische Nationalmannschaft.<br />
Sie werden in den nächsten zwei Jahren regelmäßig<br />
eingeladen und erhalten ein spezielles<br />
Training. Zugleich erfolgt in diesem Zeitraum<br />
neben der Ausbildung eine weitere Auswahl,<br />
nach der schließlich noch 25 Spieler im Alter<br />
von 18 Jahren übrig bleiben. Die besten<br />
Spieler traten am Ende des Vierumäki-Aufenthalts<br />
in einem Turnier gegeneinander an<br />
und bewiesen ihr Können bei einem Spiel auf<br />
höchstem Niveau. Das finnische Partnerinstitut<br />
kam für Verpflegung und Übernachtung<br />
der MLU-Gäste auf, während die Reisekosten<br />
der Studenten der finnische Eishockeyverband<br />
bezahlte und die Hochschullehrer über<br />
das Sokrates-Programm reisten. „Fürs nächste<br />
Jahr sind wir bereits wieder eingeladen“, freut<br />
sich Stoll. „Einige der Studenten stellen schon<br />
Überlegungen an, wie man die grundlegende<br />
Idee der Auswahl auch auf den Fußballbereich<br />
übertragen kann.“<br />
■<br />
Webcode<br />
SH-859 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Die beiden Studenten Marc Oliver Löw und Christian<br />
Reinhardt berichten über ihre Erfahrungen und<br />
Erlebnisse während der Reise nach Vierumäki im<br />
Onlinemagazin der <strong>Uni</strong>versität. Hier zeigt auch eine<br />
Bildergalerie, dass eine Studenten-Exkursion nicht<br />
nur lehrreich ist, sondern jede Menge Spaß mit sich<br />
bringen kann.<br />
Prof. Dr. Oliver Stoll<br />
Institut für Medien, Kommunikation und Sport<br />
Dept. Sportwissenschaft<br />
Telefon: 0345 55 24440<br />
E-Mail: oliver.stoll@sport.uni-halle.de
Im Eiskanal zum Wettkönig<br />
Student aus Halle wird zum Star in ZDF-Show<br />
U TE OLBERTZ<br />
Fast elf Millionen Fernsehzuschauer fieberten Ende Januar mit dem halleschen Sportstudenten<br />
Philipp Auerswald, als er bei der ZDF-Show „Wetten dass...?“ mit Tempo 70 den Eiskanal in<br />
Altenberg auf Schlittschuhen herunter raste. Nicht genug: Er setzte gleichzeitig in 87 Sekunden<br />
die Figur aus einem Überraschungsei zusammen – ein Männlein in einem grünen Käfer Cabrio.<br />
Dass es tatsächlich klappen könnte und dass das Publikum ihn dann auch noch zum Wettkönig<br />
küren würde, hätte Auerswald noch kurz zuvor selbst nicht zu denken gewagt.<br />
„Wow respekt“, „coole wette“ oder „geile<br />
idee“ – so lauten bewundernde Kommentare<br />
der Fans auf YouTube, wo man den sensationellen<br />
Lauf per Video verfolgen kann. Der<br />
aus Geising (Osterzgebirge) stammende ausgebildete<br />
Diplomsportlehrer und gegenwärtige<br />
Student des Masterstudiengangs Angewandte<br />
Sportpsychologie in Halle ist fit in verschiedenen<br />
Wintersportarten, darunter Eishockey,<br />
Snowboard und Ski Cross. Die alpinen Diziplinen<br />
haben es ihm angetan. Kein Wunder,<br />
liegt doch sein Heimatort ganz in der Nähe der<br />
Altenberger Bobbahn, außerdem gibt es dort<br />
gute Ski- und Rodelmöglichkeiten.<br />
Wie und wann kam Philipp Auerswald auf<br />
die Idee, sich einer so ungewöhnlichen Wette<br />
zu stellen? „Es begann vor elf Jahren – ebenfalls<br />
mit einer Wette“, sagt der Sportstudent<br />
im Gespräch mit dem <strong>Uni</strong>versitätsmagazin.<br />
„Ein Freund verlor damals 50 DM an mich,<br />
weil er glaubte, dass ich es nicht wage, die<br />
Altenberger Bobbahn herunter zu fahren. Sie<br />
gilt als eine der gefährlichsten Angstbahnen<br />
Deutschlands, weil hier die Verletzungsgefahr<br />
sehr groß ist.“ Selbst die zweimalige Rodel-<br />
Olympiasiegerin Sylke Otto, die bei der Show<br />
aus einer Trommel mit 30 Eiern das entsprechende<br />
Ei zog, räumte ein, dass dies nie ihre<br />
Lieblingsbahn gewesen sei.<br />
Da Auerswald schon seit Jahren gern die<br />
Sendung „Wetten dass...?“ verfolgte, lag die<br />
Idee einer Bewerbung nicht fern. Zur Steigerung<br />
des Schwierigkeitsgrades kam noch das<br />
gleichzeitige Zusammenbasteln einer Überraschungsei-Figur<br />
hinzu. Nach der zweiten Bewerbung<br />
gab es 2003 die erste Interessenbe-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Glücklich und stolz nach der gewonnenen Wette: Philipp Auerswald an der Altenberger Bobbahn. Foto: picture alliance/ZB, Peter Stringer<br />
Mehr im Netz: Im YouTube-Channel der<br />
MLU steht das Video mit Philipp Auerswalds<br />
rasanter Wettfahrt durch den Bobkanal:<br />
www.youtube.com/<strong>Uni</strong>HalleMLU<br />
kundung des Senders und Vorbesichtigungen<br />
mit Kamerateams. „Nun dauerte es noch sieben<br />
Jahre, in denen ich mein Wettangebot am<br />
Köcheln hielt, dazu gehörte neben sportlichem<br />
Training auch das ständige Üben der Fingerfertigkeit<br />
beim Zusammenbau dieser 30 Figuren<br />
der Serie ...“, so Auerswald. Im Oktober<br />
2009 war es dann soweit: Das ZDF bestätigte<br />
seine Mitwirkung bei der Außenwette in der<br />
Januar-Sendung 2010. Der inzwischen 29-jährige<br />
Sportstudent, der die gesamte Zeit aktiv<br />
Leistungssport betrieb, sagt: „Die Bobbahn<br />
kenne ich mittlerweile so gut, das ich dort<br />
keine Probleme sah. Aber noch einen Tag vor<br />
der Sendung hatte ich bei der Probefahrt zwei<br />
winzige Teile einer Figur verloren ...“ Nicht<br />
zuletzt hatte Auerswald vier Wochen vor dem<br />
Start den kleinen Finger gebrochen. „Nur ein<br />
kleiner Fehler hätte fatale Folgen haben können“,<br />
ist sein Professor Oliver Stoll überzeugt.<br />
„Dennoch haben wir die ganze Zeit gewusst,<br />
dass er es schaffen kann.“<br />
Die technische Vorbereitung der Außenwette<br />
gestaltete sich übrigens auch für den Sender<br />
zu einer immensen Herausforderung: Am<br />
Eiskanal mussten 4000 bis 5000 Meter Kabel<br />
verlegt werden, 17 Kameras waren im Einsatz<br />
und ein 30-Tonnen-LKW schaffte das Lichtmaterial<br />
heran. Dass sich der Aufwand gelohnt<br />
hat, zeigten der bravouröse Sieg und die unglaubliche<br />
Begeisterung des Publikums. ■<br />
Philipp Auerswald<br />
E-Mail: philipp.auerswald@gmx.de<br />
Internet: www.auerswald-xrace.de<br />
19
20<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Kontaktmesse für<br />
Geisteswissenschaftler<br />
Am 23. April 2010<br />
findet im Löwengebäude<br />
der MLU<br />
eine Messe speziell<br />
für Geistes- und<br />
Kulturwissenschaftler<br />
statt. Auf<br />
der Firmen- und<br />
Kontaktmesse<br />
können sich Studierende<br />
von 10<br />
Abb.: CultureConAction<br />
bis 17 Uhr über<br />
Berufseinstieg, Praktika, Nebenjobs und<br />
Möglichkeiten des außeruniversitären Engagements<br />
informieren. Geboten werden<br />
Vorträge von Vertretern der EU-Kommission,<br />
des Goethe-Instituts und von BMW<br />
sowie Bewerbungsmappenchecks, Karriereberatungen,<br />
Rhetoriktraining und eine<br />
Podiumsdiskussion. Die Messe wurde im<br />
vergangenen Jahr zum ersten Mal von<br />
dem studentischen Verein CultureConAction<br />
organisiert und von über 500 Studierenden<br />
besucht. Weitere Informationen<br />
gibt es unter www.cultureconaction.de.<br />
Corinna Bertz<br />
12. Auflage von ıCampus meets Companies„<br />
Am 19. Mai 2010 können Studierende von<br />
9.30 bis 16 Uhr auf der Karrieremesse „Campus<br />
meets Companies“ Kontakte zu potentiellen<br />
Arbeitgebern knüpfen und sich Einblick<br />
in verschiedene Berufsfelder und Branchen<br />
verschaffen.<br />
In Einzelgesprächen und ausgewählten Fachvorträgen<br />
besteht die Möglichkeit, mittelständische<br />
Firmen und Konzerne wie Allianz,<br />
DELL, Deutsche Telekom und DOW ken-<br />
Proteste in Wien<br />
Über 10.000 Studierende protestierten am<br />
11. und 12. März gegen die Feierlichkeiten<br />
zum zehnjährigen Jubiläum der Bologna-Beschlüsse<br />
in Wien. Auch Studierende der MLU<br />
beteiligten sich an den Protesten gegen die<br />
Mängel des vereinheitlichten Studiensystems<br />
und fuhren mit einem vom Studierendenrat<br />
finanzierten Bus nach Österreich.<br />
Aus ganz Europa waren Demonstranten angereist<br />
und forderten freie Bildung ohne Zugangsbeschränkungen,<br />
ohne Studiengebühren<br />
und ohne Diskriminierung. Unter dem Motto<br />
„Reclaim your future“ diskutierten sie auf<br />
einem Gegengipfel Alternativen zur Bologna-<br />
Reform und Perspektiven in der europäischen<br />
Hochschulpolitik. Corinna Bertz<br />
nenzulernen. Der Schwerpunkt der Messe<br />
für Studierende, Hochschulabsolventen und<br />
Promovierende liegt bei den Wirtschaftswissenschaften.<br />
Organisator ist die studentische<br />
Unternehmensberatung Campus Contact e. V.<br />
Informationen zu den einzelnen Ausstellern<br />
gibt es unter<br />
www.campusmeetscompanies.de.<br />
Corinna Bertz<br />
Utopien in Halle<br />
Weltverbesserung im Allgemeinen ist seit dem<br />
12. Februar Thema der „ufo-<strong>Uni</strong>versität“ in<br />
Halle. Ein halbes Jahr lang suchen zwei Burg-<br />
Studenten gemeinsam mit allen Interessierten<br />
nach Utopien und kreativen Lösungen für die<br />
Probleme des Alltags.<br />
Eine erste Präsentation der Zwischenergebnisse<br />
wird ab dem 31. März für elf Tage in der<br />
Adam-Kuckhoff-Straße 30 gezeigt.<br />
Corinna Bertz<br />
Webcode<br />
SH-854 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Bericht über die „ufo-<strong>Uni</strong>versität“
Podcast auf Schienen<br />
Fördervereinigung der MLU unterstützt deutsch-russisches<br />
Medienprojekt<br />
J ANINE BORNEMANN<br />
Klischees über Russland gibt es viele – von Armut bis Trinkfestigkeit. Das interkulturelle Medienprojekt<br />
MediA=H will mit den Vorurteilen aufräumen und zeigen, welche Unterschiede<br />
es zwischen der Stadt Archangelsk und Halle wirklich gibt – oder eben nicht. Dafür reisten im<br />
vergangenen Oktober elf hallesche Studierende in die nordrussische Hafenstadt. Gemeinsam mit<br />
Projektteilnehmenden aus Archangelsk besuchten sie unter anderem Sozial- und Jugendeinrichtungen,<br />
um deren Arbeitsweise zu dokumentieren. Ergebnis des Workshops ist ein knapp 23 Minuten<br />
langer Film, der einige Einrichtungen vorstellt. Hinzu kommen mehrere Podcasts, Audio-<br />
Aufnahmen in deutscher und russischer Sprache, sowie Weblogbeiträge über die gesamte Reise.<br />
Ziel von MediA=H ist es, einen kulturellen<br />
und sprachlichen Austausch zu vollziehen<br />
und dabei Medienkompetenzen zu schulen.<br />
Unter anderem lernen die Projektmitglieder<br />
beider Nationalitäten, wie man kritisch mit<br />
Medien umgeht, aber auch wie man Kritik<br />
in den Medien formuliert. So profitieren alle<br />
Studierenden von den jeweiligen Erfahrungen.<br />
„Wir haben alle unterschiedliche Sichtweisen<br />
auf unterschiedliche Dinge. Aber indem wir<br />
mit der jeweils anderen konfrontiert werden,<br />
lernen wir auch unsere eigene Sichtweise kritisch<br />
zu hinterfragen“, sagt Projektkoordinator<br />
André Horn.<br />
Dass das Ergebnis der Workshops öffentlich<br />
präsentiert werden konnte, ermöglichte die<br />
Vereinigung der Freunde und Förderer (VFF)<br />
der MLU. Sie finanzierte die Raummiete und<br />
die nötigen Materialien, um den Film, die Podcast-Aufnahmen,<br />
Fotos und Blog-Auszüge<br />
in der Studentenwerkstatt Triftpunkt e.V. zu<br />
zeigen. Dabei sollten die Besucher zugleich<br />
die russische Kultur kennenlernen können.<br />
So stellten zwei russische Studentinnen ihre<br />
Heimatstadt Archangelsk in einem Vortrag<br />
vor und die deutsch-russische Theatergruppe<br />
dadaZ erfreute mit kurzen Szenen. Russische<br />
Speisen wie Piroggen und Wodka rundeten<br />
den Abend kulinarisch ab.<br />
Dabei wurde auch die Gastfreundschaft demonstriert,<br />
die André Horn in Russland besonderes<br />
schätzt. Die Studierenden wohnten<br />
während des Aufenthalts in Archangelsk bei<br />
Gastfamilien und wurden in den universitären<br />
Alltag eingebunden. Außerdem organisierten<br />
die Gastgeber Ausflüge, damit die halleschen<br />
Besucher Land und Leute kennen lernen konnten.<br />
Diese hatten zum Teil mit Medien zu tun,<br />
beispielsweise der Besuch einer Fernsehanstalt<br />
oder ein Treffen mit jungen Journalisten, mit<br />
denen über Arbeitsweise, Einstellungen, aber<br />
auch Repressionen des Staates gegenüber freier<br />
Berichterstattung und Reportern gesprochen<br />
wurde. Auch über solche Ereignisse und ande-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
re Erlebnisse am Rande wurde meist tagesaktuell<br />
im Weblog von MediA=H berichtet.<br />
Bis zur Entstehung der Medienprodukte war<br />
es allerdings ein langer Weg: Nach dem Flug<br />
nach Moskau wurden die weiteren 1000 Kilometer<br />
bis nach Archangelsk während einer 24stündigen<br />
Zugfahrt zurückgelegt. Bereits diese<br />
Zeit wurde für Podcast-Aufzeichnungen genutzt.<br />
So entstanden Interviews mit deutschen<br />
und russischen Reisenden über den Mythos<br />
Zugfahrt in Russland.<br />
Seitdem das interkulturelle Medienprojekt<br />
im November 2004 gegründet wurde, gibt<br />
es regelmäßig wechselseitige Besuche in Archangelsk<br />
und Halle. So waren die russischen<br />
Teilnehmenden bereits zweimal in Halle, zuletzt<br />
im Jahr 2008. Für dieses Jahr ist wieder<br />
Moderne Technik im Einsatz: die Russinnen Alja Iwanina und Natasha Gladsowa (r.) lernen Halle beim Filmdreh auf dem <strong>Uni</strong>versitätsplatz kennen. Foto: MediA=H<br />
ein Workshop in der Saalestadt geplant. Im<br />
Vordergrund steht der Umgang mit Medien,<br />
aber auch das Kennenlernen der Sprache,<br />
Städte und Gesellschaft ist ein wichtiges Ziel,<br />
das von MediA=H verfolgt wird. Finanzielle<br />
Unterstützung erhält die studentische Gruppe<br />
nicht nur von der VFF, sondern auch vom<br />
Deutschen Akademischen Austausch Dienst<br />
(DAAD), der MLU, dem Studierendenrat und<br />
den Fachschaftsräten der Philosophischen<br />
Fakultäten I und II. Auf russischer Seite wird<br />
die Vernetzung der Studierenden durch die<br />
Staatliche Pomoren-<strong>Uni</strong>versität Archangelsk<br />
gefördert.<br />
■<br />
André Horn<br />
Telefon: 0176 89 229 426<br />
E-Mail: medienprojekt.ah@googlegroups.com<br />
Internet (Blog mit Podcast):<br />
www.medienprojekt.wordpress.com<br />
21<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
22<br />
Mit Aktien- und Ethik-Rüstzeug<br />
ins Finanzleben starten<br />
Studierende engagieren sich im Akademischem Börsenkreis<br />
und bei SNEEP Halle<br />
C ORINNA BERTZ<br />
Die Finanz- und Wirtschaftkrise hat auch das Studium der Wirtschaftswissenschaften verändert:<br />
Verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften werden immer häufiger zum Lehr- und<br />
Forschungsthema. Diese Entwicklung will das studentische Netzwerk für Wirtschaftsethik<br />
SNEEP noch ein wenig beschleunigen. Der Akademische Börsenkreis Halle e. V. (ABH) widmet<br />
sich dagegen „der Förderung der Aktienkultur“, wie es in der Vereinssatzung heißt. Denn für<br />
viele BWL-Studierende hat die Börse trotz finanzieller Verluste nicht an Reiz verloren.<br />
Von sinkenden Mitgliederzahlen kann Oliver<br />
Patzsch nicht berichten. „Gerade in der letzten<br />
Zeit gibt es wieder viele Zutritte“, sagt<br />
der Vorstandsvorsitzende des Akademischen<br />
Börsenkreises. Seit seiner Gründung im Jahr<br />
1993 ist der Verein von neun Mitgliedern auf<br />
mittlerweile über 100 Mitglieder gewachsen,<br />
von denen rund 30 zurzeit aktiv sind. Wie<br />
viele von ihnen auch an der Börse aktiv investieren,<br />
ist nicht genau bekannt, denn der<br />
Aktienhandel bleibt Privatsache. „Als Verein<br />
besitzen wir Gemeinnützigkeitsstatus, uns geht<br />
es also wirklich nicht darum, gemeinsam Geld<br />
zu verdienen“, widerspricht Vorstandsmitglied<br />
Claudia Lautschke einem Vorurteil, das hin<br />
und wieder auftaucht, wenn sich der ABH an<br />
der <strong>Uni</strong> präsentiert.<br />
„Wir wollen vor allem börsenrelevantes Wissen<br />
vermitteln und selbst auf diesem Gebiet<br />
dazulernen“, betont die Studentin des Personalmanagements.<br />
Zu diesem Zweck organisiert<br />
der Verein zum Beispiel Vorlesungsreihen<br />
und Börsenfahrten nach Prag oder London.<br />
Außerdem vergibt er den sogenannten „Börsenführerschein“,<br />
den man nach dem Besuch<br />
von vier Veranstaltungen über die wichtigsten<br />
Börsengrundlagen erwerben kann. Dass auch<br />
ein solcher Führerschein nicht vor finanziellen<br />
Verlusten schützt, wissen einige Vereinsmitglieder<br />
aus eigener Erfahrung. Aber auf die<br />
Praxis wollen sie nicht verzichten. „Gerade<br />
diese Mischung aus Theorie und Praxis, bei<br />
der eben auch mal Fehler gemacht werden,<br />
macht den Aktienhandel ja so spannend“,<br />
findet Oliver Patzsch.<br />
Selbst die größten Börsenfans<br />
im ABH sind jedoch<br />
der Meinung, dass in den<br />
letzten Jahren am Aktien-<br />
und Finanzmarkt viel schief<br />
gelaufen ist. „Die Verantwortung<br />
von Banken<br />
und Börsenhändlern ist<br />
natürlich ein Thema bei<br />
uns, genauso wie Nachhaltigkeit“,<br />
versichert Tobias<br />
Schulze. Die meisten<br />
Mitglieder studieren<br />
BWL und sitzen<br />
auch in den Vorlesungen<br />
zur Wirtschaftsethik<br />
von Prof.<br />
Dr. Ingo Pies. Gemeinsam<br />
mit SNEEP Halle hat<br />
der Börsenkreis im Sommersemester 2011<br />
nun einen Vertreter der Deutschen Bank eingeladen,<br />
der über die Nachhaltigkeit von Banken<br />
referieren wird.<br />
Die Abkürzung SNEEP steht für „student<br />
network for ethics in economic education<br />
and practice“. Das bundesweite studentische<br />
Netzwerk will Themen der Wirtschafts- und<br />
Unternehmensethik an die Hochschulen bringen<br />
und stärker im Studium verankern. „Mit<br />
den Angeboten am Lehrstuhl für Wirtschaftse-
thik ist man in Halle<br />
schon auf einem guten<br />
Weg“, meint Annette Illy,<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Lehrstuhl<br />
für Ökonometrie. Vor zwei<br />
Jahren gründete sie nach<br />
einem Wirtschaftsethik-<br />
Seminar gemeinsam mit<br />
einigen Kommilitonen die lokale<br />
SNEEP-Gruppe, die mittlerweile aus<br />
zehn Mitgliedern besteht. Mit Flyern und<br />
Infoständen machen sie zur Zeit auf sich<br />
aufmerksam, denn für ihre Vorhaben im<br />
Sommersemester können sie Verstärkung<br />
gut gebrauchen: „Gemeinsam mit der Jugenduni<br />
Halle wollen wir zum ersten Mal<br />
auch Schülern ein wirtschaftethisches<br />
Modul anbieten“, kündigt Doktorandin<br />
Annette Illy an.<br />
W IRTSCHAFT UND MORAL � LÄSST SICH<br />
DAS ÜBERHAUPT VERBINDEN?<br />
Im vergangenen Dezember hatte<br />
SNEEP gemeinsam mit der Studentenwerkstatt<br />
Triftpunkt e. V. bereits einen<br />
zweitägigen Workshop organisiert. Die<br />
Frage, die von den Teilnehmern intensiv<br />
diskutiert wurde, lautete: Lassen sich<br />
Wirtschaft und Moral überhaupt verbinden<br />
- und wenn ja wie? „Das ist ein ständiger<br />
Balanceakt“, sagt Matthias Will, einer der<br />
Workshop-Organisatoren. „Man kann zwar<br />
das klassische Modell moralischer Pflichten<br />
aus der Philosophie auf die Wirtschaft übertragen<br />
und Sollensvorschriften formulieren, aber<br />
bei negativen Entwicklungen des Wirtschaftssystems<br />
müssen auch die Rahmenbedingungen<br />
angepasst werden“, erklärt er. Diskussionen<br />
darüber, wie das gelingen kann, werden<br />
auch auf höchster Unternehmensebene geführt,<br />
stellten die SNEEPler bei ihrem letzten<br />
Ausflug fest. In Berlin sprachen die MLU-<br />
Studenten mit Vertretern des Mineralölunternehmens<br />
TOTAL über Nachhaltigkeit und<br />
erfuhren, dass auch so manche hochrangige<br />
Manager ihrem Unternehmen nicht unkritisch<br />
gegenüberstehen. In Halle will die Gruppe<br />
mit kleinen Schritten das Bewusstsein für die<br />
ethischen Fragen des Wirtschaftens stärken<br />
– zum Beispiel mit einem Stand im Audimax<br />
am Tag des Studentischen Engagements. Dort<br />
trafen SNEEP und der Akademische Börsenkreis<br />
zum ersten und sicher nicht zum letzten<br />
Mal aufeinander, denn gemeinsame Projekte<br />
schließen beide Gruppen nicht aus.<br />
Ein ABH- und SNEEP-Mitglied in Personalunion<br />
gibt es allerdings bislang noch nicht.<br />
„Das ist ein Selbstselektionsprozess“, sagt<br />
der Master-Student Matthias Will. „Zu uns<br />
kommen Studenten, die sich auch im späteren<br />
Berufsleben speziell mit Nachhaltigkeit und<br />
Wirtschaftsethik auseinandersetzen wollen und<br />
zu dem Thema oft auch promovieren.“ Der<br />
Gründungschef des Börsenkreises Halle arbeitet<br />
heute hingegen als Hedgefonds-Manager<br />
in New York, andere Mitglieder des Vereins<br />
sind an der Frankfurter Börse oder im Bankgeschäft<br />
tätig. Für Studenten, die sich über<br />
ihre Prioritäten und Zukunftspläne noch nicht<br />
so ganz im Klaren sind, könnten also beide<br />
Gruppen eine wertvolle Entscheidungshilfe<br />
bieten. Und terminlich ließe sich das ganz gut<br />
kombinieren: Der Akademische Börsenkreis<br />
SNEEP Halle<br />
(Studentisches Netzwerk für<br />
Wirtschafts- und Unternehmensethik)<br />
E-Mail: halle@sneep.info<br />
Internet: www.sneep.info<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Bulle und Bär, wie sie vor der Frankfurter<br />
Börse zu sehen sind. Der Begriff<br />
Bullenmarkt steht für anhaltend steigende<br />
Kurse. Vom Bärenmarkt spricht<br />
man bei anhaltend sinkenden Kursen.<br />
Foto: Heino Pattschull - Fotolia<br />
trifft sich jeden zweiten Dienstag im Monat<br />
im The One am <strong>Uni</strong>ring 9, das Semester-Anfangs-Treffen<br />
findet dort am 13. April um<br />
20 Uhr statt. SNEEP trifft sich jeden zweiten<br />
Donnerstag im nt-Café, Große Ulrichstraße<br />
50, im neuen Semester zum ersten Mal am 15.<br />
April um 20 Uhr.<br />
■<br />
Akademischer Börsenkreis - <strong>Uni</strong>versität Halle e. V.<br />
Telefon: 0345 55 22925<br />
E-Mail: info@boersenkreis-halle.de<br />
Internet: www.boersenkreis-halle.de<br />
23<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN
24<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
50 Hektar voller Vielfalt<br />
Internationales Forschungsteam erkundet Biodiversität in<br />
subtropischen Wäldern Chinas<br />
M ELANIE ZIMMERMANN<br />
Für den Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide vom Institut für Biologie an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
(MLU) begann der Frühling mit einer neuen Herausforderung: Es galt, in Xingangshan<br />
in der Provinz Jianxi im subtropischen China die nächsten 100 000 Bäume anzupflanzen.<br />
Denn an diesem bedeutenden Hotspot biologischer Vielfalt mit Wäldern, in denen hunderte<br />
Arten von Bäumen zusammen vorkommen, findet das weltweit größte Experiment zur Rolle<br />
von Biodiversität für Ökosystemfunktionen statt. In diesem Rahmen haben nun 18 Forscher aus<br />
Deutschland und der Schweiz gemeinsam mit einer Gruppe chinesischer Wissenschaftler Wälder<br />
verschiedener Komplexität und Vielfalt auf einer Fläche von 50 Hektar neu angelegt.<br />
Die Indische Azalee (Rhododendron simsii), die bei Europäern als kultivierte Zimmerpflanze hoch im Kurs<br />
steht, stammt ebenfalls aus China. Foto: Helge Bruelheide<br />
Die Riemenblume (Loropetalum chinense), ein Hamamelis- bzw. Zaubernussgewächs, ist heimisch in den subtropischen<br />
Wäldern Chinas. Foto: Helge Bruelheide<br />
Ziel dieses 2008 begonnenen Projektes, das<br />
die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />
mit fast drei Millionen Euro fördert, ist „die<br />
Erforschung des Effekts der Diversität von<br />
Bäumen und Sträuchern auf biologische Funktionen<br />
und Dienstleistungen dieses Waldökosystems“,<br />
erklärt Helge Bruelheide, Sprecher<br />
der DFG-Forschungsgruppe 891 „BEF China“.<br />
„Dabei ist das Verständnis der Funktionen<br />
von Biodiversität einerseits klare Grundlagenforschung<br />
– andererseits geht es darum, Wege<br />
aufzuzeigen, wie sich Biodiversität fördern<br />
und nutzen lässt.“<br />
Die Region der Provinzen Zhejiang und Jiangxi<br />
eignet sich dafür hervorragend: Bäume und<br />
Sträucher entwickeln hier einen Artenreichtum<br />
wie nirgendwo sonst auf der nördlichen Hemisphäre<br />
– das Gutianshan Naturreservat in<br />
der Provinz Zhejiang weist etwa fünf Mal so<br />
viele Gehölzarten auf wie ganz Deutschland.<br />
Ein Schwerpunkt in der ersten Phase des Forschungsprojektes<br />
waren daher vergleichende<br />
Untersuchungen der Vielfalt in natürlichen<br />
und sekundären Wäldern, wozu nicht nur alle<br />
Pflanzenarten identifiziert, sondern auch Produktivität,<br />
Kohlenstoffspeicherung, Nährstoffkreisläufe,<br />
Bodenerosion, Bodenbeschaffenheit<br />
und abhängige Lebensgemeinschaften an<br />
Tieren und Pilzen analysiert wurden.<br />
Verschiedene Fragen, z. B. wie die Produktivität<br />
eines Waldes durch die Biodiversität beeinflusst<br />
wird, lassen sich anhand der natürlichen<br />
Wälder jedoch nicht klären, da hier einzelne<br />
Prozesse nicht unabhängig von anderen untersucht<br />
werden können. Das internationale<br />
Forschungsteam hat daher unter der Annahme,<br />
dass Artenvielfalt wichtig für das Funktionieren<br />
eines Ökosystems ist, ein Experiment<br />
ausgeklügelt, das im Wesentlichen auf der Nischentheorie<br />
basiert: Wenn mehrere Arten unter<br />
den gleichen Bedingungen wachsen, dann<br />
ist es wahrscheinlich, dass sie gemeinsam den<br />
Umweltgradienten, also beispielsweise den<br />
Lichteinfall oder das Bodenwasser, besser ausnutzen.<br />
L OGISTISCHE HERAUSFORDERUNG<br />
Für das Experiment wurde eine Vielzahl von<br />
Bäumen und Sträuchern in Baumschulen herangezogen.<br />
Auf einer gigantischen Fläche<br />
von etwa 50 Hektar, eingeteilt in Reihen und<br />
Spalten, sollen insgesamt Setzlinge von 100<br />
Gehölzen, je 50 Bäumen und 50 Sträuchern, je<br />
50 immergrünen und 50 sommergrünen Arten<br />
von Hand gepflanzt werden. Der Versuch folgt<br />
einem Design, bei dem die Pflanzen in unterschiedlichen<br />
Diversitätsstufen – mit 1, 2, 4, 8,<br />
16 oder 24 Arten pro Versuchsfeld – angeordnet<br />
werden. Dazu wurde das gesamte Arteninventar<br />
in drei Teile von jeweils 16 Baumarten<br />
eingeteilt, aus denen die sechs Stufen der Artenvielfalt<br />
gebildet wurden.
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Natürlicher Waldbestand (Vergleichsflächen)<br />
in China. Foto: Sabine Both<br />
25
26<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Eines der fünf Gewächshäuser in der Provinz Jiangxi, die zur Aufzucht von 500.000 Setzlingen für die zweite Phase des Projektes genutzt wurden.<br />
Foto: Helge Bruelheide<br />
Am 19. März 2009 pflanzte Prof. Dr. Helge Bruelheide<br />
den ersten Baum für das weltweit größte Biodiversitätsexperiment.<br />
Foto: Sylvie Herrmann<br />
Das Anpflanzen von etwa 100.000 Bäumen<br />
und Sträuchern auf den ersten 25 Hektar<br />
fand im März und April 2009 statt, weitere<br />
100.000 Pflanzen werden in diesen Wochen<br />
ausgebracht. „Das Ganze ist eine logistische<br />
Herausforderung, weil jeder Baum und jeder<br />
Strauch in dem Experiment einen ganz bestimmten,<br />
vorher für ihn festgelegten Platz<br />
hat. So wird gewährleistet, dass sich die Entwicklung<br />
jedes Individuums über die kommenden<br />
Jahre und Jahrzehnte genau verfolgen<br />
lässt“, erläutert Professor Bruelheide.<br />
A RBEIT FÜR VIELE GENERATIONEN<br />
Zudem finden parallel zum Experiment in<br />
China Untersuchungen und Auswertungen an<br />
den Instituten der beteiligten <strong>Uni</strong>versitäten<br />
statt. So sind beispielsweise die hallesche<br />
Geobotanikerin Dr. Alexandra Erfmeier und<br />
die Doktorandin Sabine Both im Gewächshaus<br />
der MLU der Frage nachgegangen, ob eine<br />
hohe Diversität an heimischen Pflanzen in<br />
diesen subtropischen Wäldern vor exotischen<br />
Eindringlichen, also gebietsfremden Arten,<br />
schützt, da diese die einheimischen Arten verdrängen<br />
und Funktionen im Ökosystem verändern<br />
können.<br />
Der Umfang des Projektes lässt sich lediglich<br />
andeuten. Mit ihm ist die Grundlage für die<br />
Arbeit vieler Generationen von Forschern gelegt.<br />
Obwohl die Wissenschaftler erwarten,<br />
dass die Auswirkungen der Artenvielfalt auf<br />
Ökosystemprozesse schon in den frühen Stadien<br />
des Experiments sichtbar werden, werden<br />
die Auswertungsmöglichkeiten exponentiell<br />
mit der Dauer des Experiments ansteigen.<br />
Geobotaniker Bruelheide weiß: „Es werden<br />
die kommenden Generationen sein, die ernten,<br />
was heute gesät wurde.“ ■<br />
Mehr im Netz: DFG Science TV berichtet in<br />
Videobeiträgen detailliert über das Experiment:<br />
www.dfg-science-tv.de/de/projekte/funktion-durch-vielfalt<br />
Prof. Dr. Helge Bruelheide<br />
Institut für Biologie / Lehrstuhl für Geobotanik<br />
Telefon: 0345 55 26222<br />
E-Mail: helge.bruelheide@botanik.uni-halle.de<br />
Internet: www.botanik.uni-halle.de
Mit Magnetkraft gegen Osteoporose<br />
Spannende Molekül-Forschung im Kernresonanz-Zentrum<br />
M ICHAEL DEUTSCH<br />
Halles Wissenschaftler machen Osteoporose-Patienten Hoffnung: Im Kernresonanz-Zentrum des<br />
Institutes für Physik der <strong>Uni</strong> Halle untersuchen derzeit Biophysiker die Struktur eines Proteins,<br />
das im menschlichen Blut den Kalziumspiegel reguliert und so für den Knochenaufbau wichtig<br />
ist. Damit glauben die Physiker den entscheidenden Puzzlestein zu finden, mit dem es möglich<br />
ist, ein Medikament gegen die Knochenkrankheit zu entwickeln. Professor Jochen Balbach und<br />
Professor Kay Saalwächter, beide Fachgruppenleiter im Kernresonanz-Zentrum, dringen dazu<br />
in die dreidimensionalen Welten der Moleküle vor, die kein herkömmliches Mikroskop sichtbar<br />
machen könnte.<br />
Als Superlupen benutzen sie magnetische<br />
Kernresonanz-Spektrometer (NMR), die mit<br />
einer sage und schreibe 500-millionenfachen<br />
Vergrößerung arbeiten. Zum Vergleich: „Ein<br />
Linsen-Mikroskop schafft nur etwa eine mehrhundertfache<br />
Vergrößerung“, veranschaulicht<br />
Kay Saalwächter den enormen Unterschied.<br />
Allerdings sei das Mikroskop in anderen Bereichen<br />
dennoch im Vorteil, denn eine computergestützte,<br />
detaillierte Auswertung der<br />
NMR-Spektroskopie könne viele Wochen<br />
betragen.<br />
Obwohl beide Experimentalphysiker in den<br />
Mikrokosmos der Moleküle eintauchen, sind<br />
die Forschungsfelder klar aufgeteilt. Kay Saalwächter<br />
untersucht hauptsächlich die Bewegungen<br />
von Atomen. Damit will er etwa die<br />
wissenschaftliche Erklärung liefern, worauf<br />
genau die Elastizität von Gummi beruht. Dank<br />
des NMR-Spektrometers sei es möglich, die<br />
Bewegungen der Polymer-Ketten vom Sekunden-<br />
bis in den Piko-Sekundenbereich zu erfassen,<br />
erklärt der 39-Jährige.<br />
Indes interessiert sich sein Kollege Jochen<br />
Balbach für die atomaren Strukturen, speziell<br />
der von Proteinen. Mit diesem Wissen könnten<br />
neue Medikamente entwickelt werden. Viele<br />
Krankheiten, auch die Osteoporose, sagt er,<br />
würden durch Proteine ausgelöst. „Sofern man<br />
die Struktur dieser Eiweißketten entschlüsseln<br />
kann, lässt sich auch ein Wirkstoff entwerfen,<br />
der das schädliche Protein blockieren kann“,<br />
erklärt Balbach, der vergangenes Jahr mit<br />
seiner Arbeitsgruppe schon für Schlagzeilen<br />
sorgte. Mithilfe der NMR-Spektroskopie<br />
konnte die atomare Struktur eines bestimmten<br />
Proteins aufgeklärt werden. Dadurch gelang<br />
es, einen Test zum Nachweis von HIV-Viren<br />
im Blutserum zu entwickeln.<br />
Bereits sechs NMR-Spektrometer besitzt das<br />
Kernresonanz-Zentrum, das sich damit zu den<br />
größten universitären Experimentier-Werkstätten<br />
dieser Art an Physikfachbereichen in<br />
Deutschland zählen darf. Drei Geräte, darunter<br />
auch das leistungsstärkste 800-Megahertz-<br />
NMR-Spektrometer, wurden mit dem Umzug<br />
der Physiker nach Heide-Süd für 3,7 Millionen<br />
Euro angeschafft. Alle Geräte eint eine<br />
unsichtbare Kraft namens Magnetismus. Die<br />
ist nicht nur im Spektrometer, sondern auch<br />
im Raum so groß, dass einem sprichwörtlich<br />
das Geld aus der Tasche gezogen wird. Jochen<br />
Balbach und Kay Saalwächter zeigen<br />
das an kleinen Geldmünzen. Die werden vom<br />
Magnetfeld unweit vom NMR-Spektrometer<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
entfernt schwerelos im Raum gehalten. „Kein<br />
Permanent- und kein konventioneller Elektromagnet<br />
vermag annähernd die gleiche Kraft<br />
zu erzeugen“, sagt Professor Balbach. Im Zentrum<br />
herrsche ein Magnetfeld, das 500 000fach<br />
stärker sei als das der Erde.<br />
Auf magnetische Gegenstände müssen die<br />
Wissenschaftler bei ihrer Arbeit verzichten.<br />
Alles Metallische unterliege der Anziehungskraft,<br />
die wohl 1000-mal stärker als ein<br />
Wandtafelmagnet sei, vergleicht Balbach. Das<br />
Geheimnis des Supermagneten liege in der<br />
Spule, die aus Supraleiter gefertigt ist und mit<br />
Flüssigstickstoff und Helium auf Minus 271<br />
Grad Celsius gekühlt werde. Das Phänomenale<br />
daran: Strom für die Magnetspule werde<br />
nur einmal beim Anlaufen gebraucht. Dann<br />
kann quasi der Stecker aus der Steckdose gezogen<br />
werden. Dank des Nullwiderstandes des<br />
Supraleiters gibt es keine Leistungsverluste, so<br />
dass die elektrische Energie im System dauerhaft<br />
erhalten bleibt.<br />
■<br />
Auch rund um das leistungsstarke 800-Megahertz-NMR-Spektrometer ist der Magnetismus verblüffend groß<br />
– wie Kay Saalwächter (l.) und Jochen Balbach mithilfe von 5-Cent-Münzen demonstrieren.<br />
Prof. Dr. Kay Saalwächter<br />
Leiter der Fachgruppe NMR<br />
Tel.: 0345 55 28560<br />
E-Mail: kay.saalwaechter@physik.uni-halle.de<br />
Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/nmr<br />
Prof. Dr. Jochen Balbach<br />
Leiter der Fachgruppe Biophysik<br />
Tel.: 0345 55 28550<br />
E-Mail: jochen.balbach@physik.uni-halle.de<br />
Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/biophysik<br />
27<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
28<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
50 Jahre Elektronenmikroskopie in Halle<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich<br />
an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität eine international<br />
anerkannte Schule für angewandte Elektronenmikroskopie<br />
und Festkörperphysik.<br />
Der 2001 verstorbene hallesche Forscher<br />
Heinz Bethge gründete vor 50 Jahren an der<br />
MLU die entsprechende Arbeitsstelle. Daraus<br />
wurde später das Institut für Festkörperphysik<br />
und Elektronenmikroskopie der Akademie der<br />
Wissenschaften der DDR.<br />
Die aus Bethges Arbeit entstandene Anwendungsbreite<br />
der abbildenden Technik sowie<br />
Parasitologen, Strukturbiologen und Wirkstoffforscher<br />
aus drei europäischen Staaten<br />
und Brasilien arbeiten gemeinsam an der<br />
Entwicklung von neuen Arzneistoffen für die<br />
die Verzahnung von Grundlagenforschung<br />
und Industriekooperation sind in Deutschland<br />
einmalig. Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates<br />
gingen nach der Wende 1990 aus dem<br />
Akademie-Institut das Max-Planck-Institut<br />
für Mikrostrukturphysik MPI und das heutige<br />
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />
IWM hervor. Die elektronen- und ionenbasierte<br />
Mikrostrukturdiagnostik und Materialforschung<br />
ist heute ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt<br />
in Halle. So werden am Fraunhofer<br />
IWM für Bauteile der Mikroelektronik und<br />
Pharmazeuten entwickeln Medikament gegen Tropenkrankheit<br />
Beispiele für Molekülstrukturen, an die Arzneistoffe<br />
binden können. Abbildung: Abteilung Medizinische<br />
Chemie<br />
Therapie der Tropenkrankheit Bilharziose, die<br />
durch den Pärchenegel (Schistosoma) hervorgerufen<br />
wird. Weltweit sind mehr als 200 Millionen<br />
Menschen mit dem Parasiten infiziert,<br />
was jährlich zu 280 000 Todesfällen führt. Die<br />
Europäische <strong>Uni</strong>on fördert das Forschungsprojekt<br />
„SEtTReND – Schistosoma Epigenetics<br />
– Targets, Regulation, New Drugs“ mit insgesamt<br />
3,3 Millionen Euro. Beteiligt ist auch das<br />
Institut für Pharmazie der MLU.<br />
Sieben universitäre und außeruniversitäre<br />
Forschungseinrichtungen sowie Industrieunternehmen<br />
arbeiten in dem Projekt zusammen,<br />
das vom Institut Louis-Pasteur in Lille<br />
(Frankreich) koordiniert wird. „Die Idee ist,<br />
auf der Basis von epigenetischen Regulations-<br />
®<br />
Große Steinstraße 10 · 06108 Halle<br />
Telefon (03 45) 2<strong>02</strong>9241<br />
Steinweg 27 · 06110 Halle<br />
Telefon (03 45) 5126560<br />
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Rathenauplatz 12 · 06114 Halle<br />
Telefon (0345) 5238000<br />
www.trothe-sehzentrum.de<br />
Mikrosystemtechnik die Struktur-, Material-<br />
und Bauteileigenschaften charakterisiert, die<br />
Zuverlässigkeit von Mikrobauteilen bewertet<br />
und Prüfverfahren für Mikrodimensionen entwickelt.<br />
Auch an der MLU gehen zahlreiche<br />
Wissenschaftler grundlagen- und anwendungsrelevanten<br />
materialwissenschaftlichen<br />
Fragestellungen auf den Grund. Hierzu ist an<br />
der halleschen <strong>Uni</strong>versität das Landesexzellenznetzwerk<br />
„Nanostrukturierte Materialien“<br />
angesiedelt.<br />
Jasmine Ait-Djoudi<br />
mechanismen des Pärchenegels biologisch<br />
wirksame Verbindungen zu entwickeln, die<br />
gezielt den Parasiten abtöten können“, erklärt<br />
MLU-Professor Wolfgang Sippl vom<br />
Institutsbereich Pharmazeutische Chemie und<br />
Klinische Pharmazie. Über die nächsten drei<br />
Jahre wird Sippls Arbeitsgruppe Medizinische<br />
Chemie aus Mitteln des EU-FP-7 Rahmenprogramms<br />
mit 245 000 Euro unterstützt. Ziel<br />
der beteiligten Wissenschaftler aus den Biowissenschaften<br />
und der Wirkstoffforschung ist<br />
es, neuartige Angriffskonzepte im parasitären<br />
Lebenszyklus zu analysieren und gezielt Arzneistoffkandidaten<br />
zu entwickeln.<br />
Carsten Heckmann<br />
sehen erleben<br />
TROTHE OPTIK<br />
TROTHE sehzentrum<br />
Kontaktlinsen-Institut<br />
vergrößernde Sehhilfen
Förderung für Forschung zu synthetischen Molekülen<br />
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />
fördert eine neue Forschergruppe (FOR 1145)<br />
zur „Strukturbildung von synthetischen polyphilen<br />
Molekülen mit Lipidmembranen“ über<br />
einen Zeitraum von drei Jahren mit rund 1,6<br />
Millionen Euro. Sprecher der Forschergruppe<br />
ist Prof. Dr. Alfred Blume vom Institut für<br />
Chemie der MLU. Sämtliche Arbeitsgruppen<br />
sind an der MLU angesiedelt. Vier Arbeitsgruppen<br />
stammen dabei aus dem Institut für<br />
Chemie und eine aus dem Institut für Physik<br />
der Naturwissenschaftlichen Fakultät II. Die<br />
DFG finanziert neben den Forschungsarbeiten<br />
auch Doktoranden- und Post-Doc-Stellen.<br />
„Die Einwerbung der Mittel für die Finanzierung<br />
der Forschergruppe stellt für die Naturwissenschaftliche<br />
Fakultät II einen weiteren<br />
großen Erfolg dar“, erklärt Professor Blume.<br />
„Sie zeigt auch, dass der eingeschlagene Weg<br />
mit einer konsequent auf bestimmte Forschungsschwerpunkte<br />
ausgerichteten Berufungsstrategie<br />
erfolgreich ist.“<br />
Das Thema der Forschergruppe ist ein sehr<br />
aktuelles. Es beschäftigt sich mit der Struk-<br />
Sachsen-Anhalts<br />
Landesexzellenznetzwerk<br />
„Strukturen und<br />
Mechanismen<br />
der biologischen<br />
Informationsverarbeitung“<br />
soll<br />
einen würdigen<br />
Nachfolger mit<br />
neuer Schwerpunktsetzung<br />
bekommen. Ein<br />
entsprechender<br />
Antrag werde<br />
vorbereitet,<br />
sagten die Netz-<br />
werk-Sprecher im Vorfeld einer Tagung, die<br />
die Kooperationspartner am 4. und 5. März<br />
2010 in Halle veranstalteten. Das an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg angesiedelte<br />
Netzwerk besteht seit 2006 und wird<br />
bis Ende dieses Jahres gefördert.<br />
„Das Land Sachsen-Anhalt hat vor fünf Jahren<br />
mit der Exzellenzförderung eine Vorreiterrolle<br />
übernommen“, konstatiert MLU-Biologe Prof.<br />
Dr. Gunter Reuter, Nachfolger des 2009 verstorbenen<br />
Prof. Dr. Rainer Rudolph im Sprecher-Trio<br />
des Netzwerks. „Diese Entscheidung<br />
war goldrichtig. Und jetzt deuten die Signale,<br />
die wir von der Landesregierung erhalten haben,<br />
darauf hin, dass ein biowissenschaftlicher<br />
Schwerpunkt auch weiterhin erwünscht ist.<br />
Damit wird es langfristig möglich, das international<br />
anerkannte Potenzial der beteiligten<br />
Forschungseinrichtungen Sachsen-Anhalts<br />
turbildung von synthetischen Molekülen, die<br />
aufgrund ihrer besonderen, sogenannten polyphilen<br />
Eigenschaften zur Strukturbildung und<br />
Selbstassoziation befähigt sind, mit Modellmembranen<br />
aus Lipiden (wasserunlöslichen<br />
Stoffen). In der Forschergruppe sollen neue<br />
polyphile Moleküle sowohl im niedermolekularen<br />
Bereich als auch auf dem Gebiet der<br />
Polymere hergestellt werden.<br />
„Ziel der Forschergruppe ist es, die Wechselwirkung<br />
und die damit verbundene Strukturbildung<br />
von neu synthetisierten polyphilen<br />
Molekülen per se und mit unterschiedlich<br />
hergestellten Phospholipidmembranen zu untersuchen“,<br />
sagt Prof. Dr. Alfred Blume. Es<br />
sei geplant, polyphile Moleküle zu finden, die<br />
biologische Relevanz besitzen und die damit<br />
potenzielle Anwendungen in der Medizin,<br />
Pharmazie, Biologie und den Materialwissenschaften<br />
haben. Beispielsweise könnte die<br />
Funktionsweise dieser Moleküle für die Suche<br />
nach neuen Antibiotika eine Rolle spielen.<br />
Carsten Heckmann<br />
Biowissenschaftler wollen weiteres Exzellenznetzwerk<br />
Prof. Dr. Gunter Reuter, Leiter<br />
der Arbeitsgruppe Entwicklungsgenetik<br />
an der MLU,<br />
Foto: Maike Glöckner<br />
weiter zu stärken.“ Über die thematische Neuausrichtung<br />
berate derzeit eine Arbeitsgruppe,<br />
danach werde eine Antragsskizze erstellt.<br />
„Die Erforschung von Proteinfunktionen und<br />
-strukturen dürfte stärker in den Fokus rücken.“<br />
Das bestehende Exzellenznetzwerk umfasst<br />
106 Forscher aus vier Fakultäten der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität,<br />
der Max-Planck-Forschungsstelle<br />
für Enzymologie der Proteinfaltung<br />
Halle, dem Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie<br />
Halle und dem Leibniz-Institut für<br />
Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung<br />
Gatersleben. Ihre gemeinsamen Ziele: wissenschaftliche<br />
Spitzenleistungen vollbringen,<br />
die Nachwuchsqualifizierung stärken und die<br />
Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Halle/<br />
Gatersleben erhöhen, national wie international.<br />
Das Netzwerk gab die Initialzündung für weitere,<br />
in Wettbewerbsverfahren auf den Weg<br />
gebrachte Großprojekte, darunter das Zentrum<br />
für Innovationskompetenz „HALOmem“ und<br />
das Protein-Kompetenznetzwerk Halle (Pro-<br />
Net-T³). Letzteres bekam im vergangenen Jahr<br />
die Förderzusage vom Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung – als einziges Projekt<br />
aus Sachsen-Anhalt in der zweiten Runde des<br />
Programms „Spitzenforschung und Innovation<br />
in den Neuen Ländern“. Die eingeworbenen<br />
Drittmittel summieren sich auf 26 Millionen<br />
Euro. Die durch das Land Sachsen-Anhalt<br />
getragene Grundförderung für das Exzellenznetzwerk<br />
betrug jährlich bis zu 2,5 Millionen<br />
Euro.<br />
Carsten Heckmann<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Rudolph-Stiftung<br />
vergibt künftig<br />
Forschungspreis<br />
Der im Dezember vergangenen Jahres verstorbene<br />
Rainer Rudolph. Foto: Maike Glöckner<br />
Die Ideen und Visionen des im Dezember<br />
2009 verstorbenen Proteinforschers<br />
der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität, Prof. Dr.<br />
Rainer Rudolph, werden weiter lebendig<br />
gehalten. Seine ehemaligen Mitarbeiter,<br />
Kollegen und Weggefährten haben gemeinsam<br />
eine Rainer-Rudolph-Stiftung<br />
ins Leben gerufen, die sich jetzt in Gründung<br />
befindet. Aller ein bis zwei Jahre<br />
wird die Stiftung einen Forschungspreis<br />
auf dem Gebiet der Proteinforschung<br />
ausloben. Vor allem an Nachwuchswissenschaftler<br />
soll sich diese Ausschreibung<br />
richten. Rainer Rudolphs Anliegen,<br />
jungen vielversprechenden Forschern in<br />
Halle Perspektiven zu eröffnen, wird damit<br />
weiter verfolgt. Der Preis stellt eine<br />
Chance für Nachwuchsforscher dar und<br />
bietet leistungsstarken Studierenden vor<br />
Ort einen zusätzlichen Anreiz für ihre<br />
Arbeit. Der national und international anerkannte<br />
Wissenschaftler hat den Standort<br />
Weinberg-Campus, der heute der zweitgrößte<br />
Technologiepark Ostdeutschlands<br />
ist, zum Exzellenzcluster entwickelt.<br />
Halle als Exzellenzcluster für Proteinbiotechnologie<br />
mit vernetzter Grundlagenforschung,<br />
angewandter Forschung und<br />
Produktion war seine Vision.<br />
Im Herbst findet eine internationale Konferenz<br />
statt, die noch von Rainer Rudolph<br />
initiiert wurde: Anfang September 2010<br />
treffen sich Fachleute aus Wirtschaft und<br />
Wissenschaft, um neue Ergebnisse und<br />
rekombinante Proteine zu diskutieren.<br />
Diese Veranstaltung der Proteinforschung<br />
wird künftig aller zwei Jahre in Halle<br />
stattfinden, organisiert von der MLU und<br />
der Scil Proteins GmbH.<br />
Ute Olbertz<br />
29<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
30<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
(Fach-)Literaturfabrik <strong>Uni</strong>versität<br />
Lese-Empfehlungen querbeet<br />
N EUES VOM HASSELPOGG<br />
Alle Jahre wieder quaken sie. Im April. Ganz<br />
gleich, ob der Laie (regional bedingt) Baum-,<br />
Hecken- oder Laubfrosch, Laubkleber, Wetterfrosch<br />
oder -prophet oder hoch im deutschen<br />
Norden Haselpogg sagt – der Wissenschaftler<br />
nennt die sympathischen Tiere Hyla arborea.<br />
Wer diese Spezies mit ihren zahlreichen Gattungen<br />
und Hunderten von Arten erforschen<br />
will, kann fast weltweit unterwegs sein; nur in<br />
Zentral- und Südafrika sowie in Teilen Südostasiens<br />
kommen sie nicht vor.<br />
PD Dr. Wolf-Rüdiger Große vom Institut<br />
für Biologie der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität,<br />
Leiter der Arbeitsgruppe Spezielle Zoologie<br />
und der Zoologischen Sammlungen, zählt zu<br />
den international renommierten Experten der<br />
Hylidenforschung. Jüngst erschienen erneut<br />
zwei Bücher von ihm, die sowohl in der einschlägigen<br />
Fachliteratur ihren Platz finden, für<br />
Biologiestudenten auf der Lektüreliste stehen<br />
als auch manchem Naturfreund zur besseren<br />
Orientierung dienen werden.<br />
Die Monografie „Der Laubfrosch“ kam schon<br />
zum zweiten Mal (zuerst 1994) in der Reihe<br />
„Die Neue Brehm-Bücherei“ heraus; als Band<br />
27 der Frankfurter Beiträge zur Naturkunde<br />
erschien, mit wunderschönen Fotos ausgestattet,<br />
die umfassende Darstellung „Laubfrösche.<br />
Europa – Mittelmeerregion – Kleinasien“.<br />
Große beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit<br />
seinen Lieblingsamphibien.<br />
Schon in der Jugend begeisterter Terrarianer,<br />
betreibt er Freilandforschungen vor allem in<br />
den Auwaldgebieten zwischen Halle und Leipzig<br />
im Sinne des Biotop- und Artenschutzes.<br />
In den zurückliegenden 40 Jahren publizierte<br />
er über 300 wissenschaftliche Beiträge in<br />
Büchern und Zeitschriften. Seine Studenten<br />
motiviert er in den Fachpraktika zur Amphibienkunde<br />
jedes Frühjahr neu für die weit über<br />
Halle hinaus bekannten Krötenschutzaktionen<br />
an den Kreuzerteichen und im Amselgrund.<br />
Denn vom steten Rückgang der Laubfroschbestände<br />
ist er wie alle Herpetologen alarmiert<br />
und engagiert sich deshalb intensiv im Natur-<br />
und Umweltschutz.<br />
Margarete Wein<br />
� Wolf-Rüdiger Große<br />
Laubfrösche. Europa � Mittelmeerregion � Kleinasien, Edition<br />
Chimaira, Frankfurt am Main 2009, 288 Seiten, mit über<br />
200 Farbfotos, Karten, Grafiken, Tabellen und einer ausführlichen<br />
Bibliografie,<br />
39,80 Euro, ISBN: 978-3-930612-81-9<br />
� Wolf-Rüdiger Grosse<br />
Der Laubfrosch. Hyla arborea, 2. überarbeitete und erweiterte<br />
Auflage, Die Neue Brehm-Bücherei, Band 615, Westarp<br />
Wissenschaften, Hohenwarsleben 2009, 236 Seiten, mit 1<strong>02</strong><br />
Abbildungen, 16 Tabellen, 1 S/W- und 4 Farbtafeln,<br />
29,95 Euro, ISBN: 978-3-89432-407-0<br />
Webcode<br />
SH-868 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Langfassung der Rezension
C AROLINEN, DOROTHEEN, LUISEN ⁄<br />
… auch Annen und Julianen en masse – so<br />
hieß man eben als Frau im 18. Jahrhundert<br />
und war’s zufrieden. Protest jedoch forderten<br />
die damals vielen aufgezwungenen Lebensumstände<br />
heraus. Der (100.!) internationale Frau-<br />
S O ROMANTISCH � UND DOCH KRIMINELL!<br />
„TatortOst“ kennt kein Tabu; nicht einmal vor<br />
Reformation und Romantik macht die Reihe<br />
halt. So avancieren selbst Luther und Eichendorff<br />
in historischen Krimis zu Hauptakteuren.<br />
Wie der mitteldeutsche Reformator taucht<br />
entag ist gerade vorbei, der Muttertag steht<br />
vor der Tür, und man staunt, wie modern manche<br />
Ideale von Frauen vor zwei oder drei Jahrhunderten<br />
schon waren. Und darüber, dass ein<br />
Kompendium wie dieses erst jetzt zusammengestellt<br />
worden ist. Doch besser spät als nie!<br />
Das Resultat – Band 4 der vom Kultusministerium<br />
des Landes geförderten Reihe „Sachsen-Anhalt<br />
im 18. Jahrhundert“ und zugleich<br />
offizieller Katalog zum Themenjahr 2008 – ist<br />
ein wunderbares Buch, mit dem interessierte<br />
Leser niemals fertig werden. Leserinnen erst<br />
recht nicht.<br />
Sowohl die Aufzählung der hier porträtierten<br />
Frauen wie die der Autoren – das Inhaltsverzeichnis<br />
mit seinen in der Mehrzahl der Fälle<br />
Neugier weckenden Titeln und Untertiteln<br />
– verspricht eine spannende und interessante<br />
Lektüre, die an historischen Details und kritischen<br />
Betrachtungen (deren einige man<br />
durchaus auf die Gegenwart übertragen darf<br />
oder gar muss) wenig zu wünschen übrig lässt.<br />
„Wo ist das glückliche Land, in dem ein<br />
milder Genius die Blüten des weiblichen<br />
Geistes pflegt?“ fragte Louise von Anhalt-<br />
Dessau 1801 ihr Tagebuch. Ob ihr heutige<br />
Blogger eine Antwort geben könnten? Als<br />
Teil der seit 2003 wirkenden Landesinitiative<br />
„Sachsen-Anhalt im 18. Jahrhundert“ war das<br />
Jahr 2008 den „Frauen im 18. Jahrhundert“<br />
gewidmet. Museen und andere kulturelle Ein-<br />
auch der schlesische Adelsspross nicht zum<br />
ersten Mal im neuen Mitteldeutschen Verlag<br />
auf. Nach der gediegenen, autobiografisch<br />
orientierten Edition 2007 – „Joseph von Eichendorff.<br />
Halle, Harz und Heidelberg“, herausgegeben<br />
von Heidi Ritter und Eva Scherf<br />
(s. scientia halensis 1/08, S. 33) – nunmehr die<br />
„Folgen einer Landpartie“. Andere aber als der<br />
fast anzüglich anmutende Titel suggeriert.<br />
Hier schreibt ein hallescher Student über das<br />
hallesche Studentenleben. Allerdings liegen<br />
über zweihundert Jahre zwischen Beschreibung<br />
und Beschriebenem!<br />
Der gegenwärtige Autor (27) studiert Literatur<br />
und Geschichte in Halle und Leipzig; der<br />
unvergangene Freiherr und Held des Romans<br />
(damals 17) widmete sich an der Alma mater<br />
halensis neben der Jurisprudenz einem halben<br />
Dutzend anderer Fächer und – den üblichen<br />
studentischen Vergnügungen. Dazu zählten<br />
Theaterbesuche in Goethes Theater im nahen<br />
Bad Lauchstädt oder im Merseburger Schlossgartensalon.<br />
Bei einer solchen Gelegenheit begegnet<br />
er einer rätselhaften Rothaarigen zum<br />
ersten Mal. Näherer Bekanntschaft scheint<br />
nichts im Weg zu stehen, sie stammt gleich<br />
ihm aus gutem Haus. Zudem ist Undine von<br />
Botfelds Bruder Heinrich, Gutsherr in Geusau,<br />
sein Kommilitone an der halleschen <strong>Uni</strong>versität.<br />
Dann jedoch kommt es dick. Begleitet von<br />
seinem treuen Diener und Freund Jakob<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
richtungen brachten sich mit über 300 Veranstaltungen<br />
ein: Ausstellungen, Führungen, Lesungen,<br />
Konzerte, wissenschaftliche Tagungen<br />
etc. pp. Auch die <strong>Uni</strong>versitäten des Landes<br />
waren mit verschiedenen Projekten dabei. In<br />
Halle beteiligten sich außerdem die Franckeschen<br />
Stiftungen, das Händelhaus und das<br />
Stadtmuseum mit großem Engagement. Seitens<br />
der <strong>Uni</strong> sind – neben der Zentralen Kustodie<br />
– mehrere Institute und interdisziplinäre<br />
Zentren vertreten.<br />
Die faktenreichen Texte sind von vielen Faksimiles,<br />
Fotos, Gemälden und Kupferstichen<br />
illustriert, so dass die Vergangenheit auf eindrucksvolle<br />
Weise lebendig wird und wir die<br />
vorgestellten „Weibsbilder“ an ihren diversen<br />
„FrauenOrten“ leibhaftig vor uns sehen.<br />
Margarete Wein<br />
� Thomas Weiss (Hg.)<br />
Frauen im 18. Jahrhundert. Entdeckungen zu Lebensbildern<br />
in Museen und Archiven in Sachsen-Anhalt, unter Mitarbeit<br />
von Katrin Dziekan und Ingo Pfeifer, Halle 2009,<br />
368 Seiten, viele Abbildungen,<br />
25,00 Euro, ISBN 978-3-89812-648-9<br />
Webcode<br />
SH-867<br />
Langfassung der Rezension<br />
Schöpp, folgt Eichendorff einer Einladung<br />
zur Entenjagd in Geusau. Bei der Rückkehr<br />
erwartet die Jagdgesellschaft die Nachricht,<br />
Botfelds Kammerdiener habe sich aufgehängt.<br />
Das mag der Gast nicht glauben. Vor<br />
allem nicht, weil Michael Thiel verliebt war<br />
(wie er selbst). So setzt es sich Eichendorff in<br />
den Kopf, ein Verbrechen aufzuklären. Umso<br />
mehr, nachdem es einen zweiten Toten – womöglich<br />
den Mörder des ersten? – auf Gut<br />
Geusau gibt …<br />
Nicht nur die spannende Handlung (Restzweifel<br />
bleiben bis zum Schluss) lohnt die Lektüre.<br />
Mindestens ebenso interessant sind die Einblicke<br />
in den städtischen und studentischen<br />
Alltag jener Zeit, inklusive anschaulicher Lokalinformationen<br />
und stimmiger Personenporträts.<br />
Alles Ergebnisse genauer Recherchen des<br />
Autors, der überdies bereits eine Fortsetzung<br />
zu seinem Debüt geschrieben hat.<br />
Margarete Wein<br />
� Bernhard Spring<br />
Folgen einer Landpartie. Ein historischer Halle-Krimi, Halle<br />
2010, 166 Seiten,<br />
9,90 Euro, ISBN 978-3-89812-681-6<br />
Webcode<br />
SH-869 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Langfassung der Rezension<br />
31<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
32<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Pädagogen in der Peerwelt<br />
Wissenschaftler erforschen in zwei Projekten<br />
junge Gleichaltrigen-Gruppen<br />
C ORINNA BERTZ<br />
Nicht nur Eltern fühlen sich ab und zu ausgeschlossen, wenn ihre Kinder mit Freunden unterwegs<br />
sind – auch Erziehungswissenschaftler hatten lange Zeit keinen Einblick in die Gruppen<br />
gleichaltriger Kinder oder Jugendlicher. Dabei spielt sich in diesen „peer groups“, wie sie in der<br />
Forschung genannt werden, ein ganz entscheidender Teil der Persönlichkeitsentwicklung ab. Die<br />
Philosophische Fakultät III der MLU zählt zu den Vorreitern der deutschen Peerforschung. An<br />
zwei Lehrstühlen nähert man sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Prof.<br />
Dr. Heinz-Hermann Krüger leitet eine der ersten und größten qualitativen Längsschnittstudien,<br />
die den Zusammenhang zwischen Peers und Bildungsbiographie untersucht. Sein Kollege Prof.<br />
Dr. Günther Opp setzt dagegen auf pädagogische Intervention, um an Schulen eine Positive<br />
Peerkultur zu entwickeln.<br />
Der Erziehungswissenschaftler Heinz-Hermann<br />
Krüger hat eine besonders schwer<br />
zugängliche Peergruppe gewählt: „Wir erforschen<br />
die natürlichen Freundeskreise, weil<br />
sie die Kinder und ihre Wertorientierungen<br />
besser repräsentieren als willkürlich zusammengesetzte<br />
Schulklassen“, erklärt der Leiter<br />
des Projekts „Peergroups und schulische Selektion<br />
– Interdependenzen und Bearbeitungsformen“.<br />
150 Fünftklässler aus vier verschiedenen<br />
Schultypen befragte sein Team im Jahr 2005.<br />
„Nach Interviews und Gruppendiskussionen<br />
wählten wir in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen<br />
zehn Kinder aus, die wir in<br />
ihre Peerwelt begleiten wollten“, erläutert<br />
die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maren<br />
Zschach das Verfahren. Diese zehn Elfjährigen<br />
nannten den Pädagogen ihre ganz unterschiedlich<br />
großen Freundesgruppen, die sie<br />
im Fußballverein, beim Shoppen, Tanzen oder<br />
zum heimlichen Rauchen hinterm Stadtklo<br />
treffen.<br />
In drei Erhebungswellen beobachten, beschreiben<br />
und analysieren die Wissenschaftler im<br />
Abstand von je zwei Jahren den Alltag und<br />
das Verhalten der Kinder und ihrer Peers. Anhand<br />
von Beobachtungen, Fragebögen, Gruppendiskussionen,<br />
Interviews und Videoaufnahmen<br />
können sie Rückschlüsse auf die individuellen<br />
und kollektiven Wertorientierungen<br />
ziehen. „Wir greifen aber nie aktiv in die<br />
Gruppe ein, eher laufen wir den Peers auch<br />
mal durch den Wald hinterher oder sitzen ein<br />
paar Stunden mit ihnen im Kinderzimmer“, erzählt<br />
Aline Deinert, die jetzt mit der Auswertung<br />
der letzten, dritten Welle beschäftigt ist.<br />
Abbildung: Kirsty Pargeter, Fotolia<br />
Um das Verhältnis von Peergruppe und individueller<br />
schulischer Bildungsbiographie darzustellen,<br />
entwickelten die Wissenschaftler fünf<br />
verschiedene Muster. Bei vieren von ihnen<br />
stimmen die Einstellungen der Peers und der<br />
Kinder zur Schule weitgehend überein. Ein<br />
positiver Schulbezug besteht etwa, wenn sich<br />
ein strebsamer Schüler in einer ebenfalls leistungsorientierten<br />
Peerwelt bewegt. Negative<br />
Passungen ergeben sich dagegen, wenn Kinder<br />
mit bildungsfernen schulischen Orientierungen<br />
auch risikobehafteten Peergruppen angehören.<br />
Nach der Verknüpfung der ersten beiden<br />
Erhebungen ließen sich acht von zehn Fällen<br />
diesen vier Mustern zuordnen.<br />
Die bisherige Botschaft könnte also lauten:<br />
Gleich und gleich gesellt sich gern. Doch<br />
nicht alle Fälle bestätigen diese These. Pro-
jektleiter Krüger schildert den Fall einer Schülerin,<br />
deren Peergruppe eine Gegenwelt zu<br />
ihrer hohen schulischen Bildungsorientierung<br />
darstellt: „Sie ist in der 9. Klasse mit verbesserten<br />
Leistungen von der Hauptschule in die<br />
Realschule aufgestiegen, obwohl sich ihre<br />
ganzen Freizeitaktivitäten um Parties, Jungs<br />
und Alkohol drehen.“ Ihre Entwicklung interessiert<br />
die Pädagogen ganz besonders, denn<br />
eine Erklärung für dieses Muster haben sie<br />
noch nicht.<br />
Generell spielen Schulthemen in der Peerwelt<br />
offenbar eine untergeordnete Rolle. „Zugespitzt<br />
könnte man Peergruppe häufig als Parallelwelt<br />
zur Schule bezeichnen. Natürliche<br />
Peers stellen zwar selten bildungsfördernde<br />
Lernpotenziale bereit, sie fungieren jedoch<br />
als ‚emotionaler Tröster’“, fasst Heinz-Her-<br />
mann Krüger einige Zwischenergebnisse der<br />
Langzeitstudie zusammen. Trotzdem vermutet<br />
der Erziehungswissenschaftler, dass Kinder<br />
und Jugendliche zu starke Gegensätze zwischen<br />
der individuellen und der kollektiven<br />
Bildungsorientierung auf Dauer nicht aufrecht<br />
erhalten können. Ob sich diese These im Fall<br />
der Schülerin bestätigt, wird die Auswertung<br />
der dritten Erhebung zeigen, die 2011 abgeschlossen<br />
werden soll.<br />
ıGEMEINSAM STATT EINSAM„ � DAS BEISPIEL<br />
P OSITIVER PEERKULTUR<br />
Dass Peers unter pädagogischer Anleitung<br />
mehr können als trösten, beschreibt Prof. Dr.<br />
Günther Opp vom Institut für Rehabilitati-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
onspädagogik der MLU. Das Projekt Positive<br />
Peerkultur konzentriert sich überwiegend auf<br />
die Arbeit mit Kindern, die in ihrem Lebensalltag<br />
mit erheblichen Belastungen konfrontiert<br />
sind. „Diese Kinder wachsen mit Gewalt,<br />
Arbeitslosigkeit, Armut oder überforderten Eltern<br />
auf. Wir wissen relativ viel über sie, aber<br />
was tun wir bei all diesen Befunden? Das ist<br />
die Frage, die uns umtreibt“, begründet Günther<br />
Opp den pädagogischen Ansatz Positiver<br />
Peerkultur.<br />
Von 20<strong>02</strong> bis 2007 wurde das Projekt „Gemeinsam<br />
statt einsam“, in dem das Konzept<br />
der Positiven Peerkultur umgesetzt wird, an<br />
halleschen Schulen erprobt. Die Erfahrungen<br />
aus verschiedenen Gruppen bestärkten Günther<br />
Opp in seinem Vorhaben, Erziehungseinrichtungen<br />
und professionellen Pädagogen<br />
den Arbeitsansatz näher zu bringen. „Denn<br />
wir können es uns einfach nicht leisten, diese<br />
positive Kraft der Peergruppe zu verschenken.<br />
Gerade Kinder, die wenig Unterstützung von<br />
Erwachsenen erhalten, brauchen Peers, die sie<br />
halten und stützen“, unterstreicht der Sonderpädagoge.<br />
Die Gesprächsrunden der Peergruppen werden<br />
von Pädagogen geleitet, die aufgefordert<br />
sind, sich mit jedem Treffen ein wenig mehr<br />
zurückzunehmen. Ihre Aufgabe ist es, durch<br />
einen festen Ablauf und bestimmte Diskussionsregeln<br />
lediglich den Rahmen herzustellen,<br />
der es den Kindern ermöglicht, ihre coole,<br />
reservierte Haltung abzulegen und Schwache<br />
vor Stigmatisierungen zu schützen. Steht dann<br />
ein Problem erstmal im Raum, öffnet sich die<br />
Gruppe allein durch die Frage „Habt ihr so<br />
was schon mal erlebt?“ meist ganz schnell,<br />
denn loszuwerden haben die Kinder viel: Ärger<br />
mit den Eltern oder Freunden, Zukunftsängste,<br />
Drogenprobleme oder unsichere Familienverhältnisse<br />
sind immer wiederkehrende<br />
Themen.<br />
Wichtiger als das Problemlösen ist für Günther<br />
Opp, dass die Kinder die Solidarität der<br />
Gruppe erfahren, indem sich andere für ihre<br />
Probleme interessieren und mit ihnen nachdenken.<br />
Auf diese Weise lernen sie auch, dass<br />
sie für andere Verantwortung übernehmen<br />
und anderen helfen können. „Das ist die Erfahrung,<br />
die sie am meisten stärkt, denn wer<br />
anderen hilft, hat selbst einen Wert“, bringt es<br />
der Pädagoge auf den Punkt. Das Kernprinzip<br />
der Positiven Peerkultur ist simpel und<br />
nicht neu. Es beruht auf der gemeinsamen<br />
Wertebasis der Kinder, auf ihrer Fähigkeit,<br />
mit anderen zu empfinden, und vor allem auf<br />
33<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
34<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
dem Vertrauen der engagierten Erwachsenen<br />
darauf, dass Kinder und Jugendliche Verantwortung<br />
übernehmen und Probleme selbst<br />
lösen können.<br />
D ER ı MAGIC TURN„ IN DER GRUPPE<br />
„Wenn es uns zum Beispiel gelingt, den Kindern<br />
deutlich zu machen, dass der, der den<br />
meisten Ärger macht, derjenige ist, der ihre<br />
Hilfe auch am dringendsten benötigt, dann<br />
vollzieht sich eine Art ‚magic turn’“, erklärt<br />
Günther Opp und beschreibt einen konkreten<br />
Fall: „Wir verlagern die Aufmerksamkeit der<br />
Kinder von Kevin dem Troublemaker hin zu<br />
Kevin, dem Kind, dem wir helfen können.“<br />
Kommen die Kinder dann selbst auf die Idee,<br />
dass sie Kevin in den Pausen stärker mit<br />
einbeziehen müssten, kann es gelingen, die<br />
Peerkultur und damit im Idealfall auch die<br />
Schulkultur und den Lebensalltag der Kinder<br />
allmählich zu verändern - im Idealfall, denn<br />
nicht immer kann sich das Konzept durchsetzen.<br />
Auch im deutschen Schulsystem ist die Positive<br />
Peerkultur noch nicht angekommen.<br />
„Genau da gehört sie aber hin, denn im Stundenplan<br />
muss auch Platz für den Alltag sein“,<br />
fordert Günther Opp nachdrücklich. Entscheidende<br />
Anschubhilfe leistete dabei vor allem<br />
die Körber-Stiftung, die das Peerkultur-Projekt<br />
im Jahr 2004 mit dem USable-Preis auszeichnete<br />
und dem Projekt zu einem qualitativen<br />
Sprung verhalf. Ein nächster großer Schritt<br />
ist die Kooperation mit dem weltweit tätigen<br />
SOS-Kinderdorf e. V. Aber auch die engagierten<br />
Lehrer und Schulleiter, die sich inzwischen<br />
bundesweit für den pädagogischen Arbeitsansatz<br />
interessieren, beweisen, dass an vielen<br />
deutschen Schulen Handlungsbedarf erkannt<br />
wurde.<br />
■<br />
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Einen umfassenden Überblick über theoretische<br />
Ansätze und die Diskussionen in der Kindheits- und Jugendforschung<br />
bietet das 1049 Seiten dicke „Handbuch<br />
Kindheits- und Jugendforschung“ von Heinz-Hermann<br />
Krüger und Cathleen Grunert. In vierzig Einzelbeiträgen<br />
schreiben Pädagogen, Soziologen und Psychologen über<br />
Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen aus historischer<br />
und internationaler Perspektive. Interdisziplinär<br />
wird der aktuelle Stand erziehungswissenschaftlicher<br />
Forschung zu den Lebensbedingungen von Kindern und<br />
Jugendlichen in Familie, Kindergarten, Schule, Beruf,<br />
Freizeit, Politik, Religion und in sozialpädagogischen<br />
Institutionen dargestellt.<br />
Das Standardwerk ist im VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />
erschienen und jetzt in zweiter Auflage<br />
erhältlich.<br />
Prof. Dr. Heinz-Hermann Krüger<br />
Institut für Pädagogik<br />
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Prof. Dr. Günther Opp<br />
Institut für Rehabilitationspädagogik<br />
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Halles größter Medizin-Mann<br />
Zum 350. Geburtstag von Friedrich Hoffmann<br />
J ÜRGEN HELM<br />
Am 19. Februar 2010 jährte sich der Geburtstag von Professor Friedrich Hoffmann zum 350.<br />
Mal. Hoffmann war einer der bekanntesten europäischen Mediziner in der ersten Hälfte des 18.<br />
Jahrhunderts. Gemeinsam mit Georg Ernst Stahl gründete er die hallesche Medizinische Fakultät.<br />
Bis heute bleibt Hoffmanns akademische Karriere an der MLU unerreicht. 48 Mal war er<br />
Dekan der Medizinischen Fakultät, fünfmal Dekan der Philosophischen Fakultät und ebenso oft<br />
Prorektor. Unter anderem Hoffmanns Denken bereitete den Weg für die technische Sicht auf den<br />
menschlichen Organismus, welche die moderne Medizin heute prägt.<br />
Links der berühmte Mediziner, rechts seine berühmte Medizin. Das Hoffmann-Porträt stammt aus der Vitrinenausstellung<br />
der <strong>Uni</strong>versitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid<br />
nach einem Gemälde von Antoine Pesne). Foto rechts: Maike Glöckner<br />
Hoffmann wurde in Halle geboren und ist auf<br />
dem Stadtgottesacker beerdigt. Er studierte an<br />
der <strong>Uni</strong>versität Jena, wo er 1681 zum Dr. med.<br />
promoviert wurde. Nach kurzer Lehrtätigkeit<br />
praktizierte er als Arzt in Minden und Halberstadt.<br />
Im Jahr 1693 wurde der Mediziner<br />
vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich<br />
III. auf die erste Professur für Medizin an der<br />
neu gegründeten <strong>Uni</strong>versität Halle berufen.<br />
Hier las er über Anatomie, Chirurgie, Therapie,<br />
Physik sowie Chemie und erwies sich als<br />
sehr erfolgreicher akademischer Lehrer, der<br />
zahlreiche Studenten nach Halle zog. Unter<br />
seiner und Professor Stahls Leitung wurde die<br />
hallesche Medizinische Fakultät an der Wende<br />
zum 18. Jahrhundert zur führenden deutschen<br />
Ausbildungsstätte für akademische Ärzte.<br />
In seinen Hauptwerken präsentierte sich der<br />
Hallenser als konsequenter Vertreter einer<br />
medizinischen Richtung, die im Anschluss<br />
an Descartes‘ mechanische Naturphilosophie<br />
die Funktionen des menschlichen Körpers<br />
ausschließlich mit Grundsätzen der Mechanik<br />
zu erklären versuchte. Der menschliche Körper<br />
galt als eine kunstvoll zusammengesetzte<br />
Maschine, deren einzelne Bestandteile sich so<br />
bewegten, wie es sich aus ihrer Form, Größe,<br />
Lage und ihrem Zusammenwirken ergab.<br />
Krankheiten fasste Hoffmann als Störungen<br />
in den normalen Bewegungen der festen und<br />
flüssigen Teile des Körpers auf. Aufgabe des<br />
Arztes war es demzufolge, dem Organismus<br />
zu einer Normalisierung der Bewegungsabläufe<br />
zu verhelfen. Hoffmanns Therapie war<br />
zurückhaltend und mild: Im Wesentlichen<br />
bestand sie in diätetischen Maßnahmen und<br />
in der Verschreibung einfacher Medikamente.<br />
Als „Hoffmannstropfen“ sehr bekannt geworden<br />
ist das von Hoffmann entwickelte und<br />
verkaufte Schmerzmittel, der so genannte Liquor<br />
anodynus mineralis.<br />
■<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Festkonzert<br />
Am 24. April veranstaltet das Orchester der<br />
Medizinischen Fakultät in der Museumsnacht<br />
zu Ehren Hoffmanns ein Festkonzert in der Aula<br />
der MLU. Noch bis zum Juni ist in der <strong>Uni</strong>versitäts-<br />
und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt<br />
(ULB) zudem eine Vitrinenausstellung zu sehen,<br />
die das Wirken des Arztes, Wissenschaftlers<br />
und Gelehrten skizziert. Voraussichtlich im Juni<br />
wandert die Schau dann in das <strong>Uni</strong>versitätsklinikum<br />
Halle.<br />
Symposium<br />
Friedrich Hoffmann steht neben weiteren<br />
berühmten halleschen Gelehrten der Heilkunst<br />
auch im Mittelpunkt eines wissenschaftlichkünstlerischen<br />
Symposiums auf dem Templerhof<br />
Gut Mücheln (bei Wettin). Der Verein<br />
Freunde Templerhof Gut Mücheln veranstaltet<br />
das Symposium, das durch das Engagement und<br />
die Mitwirkung einiger Professoren der MLU,<br />
vorwiegend aus der Medizinischen Fakultät,<br />
getragen wird. Das Programm widmet sich auch<br />
so herausragenden Medizinerpersönlichkeiten<br />
wie Johann Christian Reil, Meckel dem Jüngeren,<br />
Richard von Volkmann und Ernst Kromayer.<br />
Interessenten sind dazu am 19. Juni 2010,<br />
um 14 Uhr, herzlich eingeladen. Anmeldung<br />
erforderlich bei Achim Lipp, unter achim.lipp@<br />
gmx.de.<br />
Akademische Ehrung<br />
Mit einer Dosis Hoffmannstropfen und einem<br />
Festvortrag gedachte die MLU einem ihrer<br />
größten Mediziner Ende Februar im Historischen<br />
Sessionssaal der <strong>Uni</strong>versität. Zwischen großformatigem<br />
Hoffmann-Porträt zur Linken und<br />
Hoffmann-Gipsbüste zur Rechten hob Rektor<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Wulf Diepenbrock in seinem<br />
Grußwort die überragende Bedeutung des<br />
Gelehrten für die hallesche <strong>Uni</strong>versität und die<br />
Medizin hervor.<br />
Im Festvortrag schlug Dr. Jürgen Helm den<br />
Bogen von Hoffmans Zeiten zur modernen<br />
Medizin. Er sprach über ein Problem, welches<br />
Mediziner bis heute umtreibt: Wie lässt sich<br />
medizinische Gewissheit gewinnen? Für eine<br />
gelungene Geburtstagsüberraschung sorgte im<br />
Anschluss Prof. Dr. Hans-Herbert Haase. Der<br />
Inhaber der Mohren-Apotheke schenkte allen<br />
Gästen Hoffmanns-Tropfen. Die Arznei aus zwei<br />
Dritteln Alkohol und einem Drittel aus Äther<br />
kann bei Schwächeanfällen, Ohnmachten oder<br />
Krämpfen helfen.<br />
Webcode<br />
SH-866 unter www.uni-halle.de/webcode<br />
Mehr zum Symposium<br />
35<br />
P ERSONALIA
36<br />
P ERSONALIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Heiner Lück in<br />
Fachbeirat gewählt<br />
Prof. Dr. Heiner Lück, Inhaber des Lehrstuhls<br />
für Bürgerliches Recht, Europäische,<br />
Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte<br />
an der MLU, ist für die nächsten sechs<br />
Jahre in den Fachbeirat des Max-Planck-<br />
Instituts für Europäische Rechtsgeschichte<br />
berufen worden. Dem fünfköpfigen Gremium<br />
gehören Wissenschaftler aus drei<br />
europäischen Ländern an. Lück ist außerdem<br />
Ordentliches Mitglied der Sächsischen<br />
Akademie der Wissenschaften zu Leipzig,<br />
Mitglied der daran angeschlossenen Historischen<br />
Kommission sowie der Wissenschaftlichen<br />
Vereinigung für Familienrecht.<br />
Regina Daenecke<br />
ausgezeichnet<br />
Die Gesellschaft für Informatik in der<br />
Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft<br />
(GIL) hat ihren Preis für die beste Dissertation<br />
auf dem Gebiet der Agrarinformatik<br />
in diesem Jahr an Dr. Regina Daenecke<br />
verliehen. Die 35-Jährige wurde an der<br />
Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg<br />
(MLU) bei Professor Joachim Spilke<br />
promoviert. Die ausgezeichnete Arbeit leistet<br />
einen bedeutsamen Beitrag zur Umsetzung<br />
von E-Learning-Konzepten und der<br />
Methodenentwicklung innerhalb der Agrarinformatik.<br />
Forschungsstipendium<br />
für Jürgen Stolzenberg<br />
Foto: Norbert Kaltwaßer<br />
Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg ist mit einem<br />
Fellowship der Carl Friedrich von Siemens<br />
Stiftung ausgezeichnet worden. Ab<br />
1. Oktober 2010 wird der Professor für<br />
Geschichte der Philosophie für ein Jahr<br />
von allen Lehrverpflichtungen an der MLU<br />
freigestellt, um als Fellow in München den<br />
Zusammenhang zwischen Musik und Subjektivität<br />
in der Moderne zu erforschen.<br />
Stolzenberg wurde zudem kürzlich zum<br />
Korrespondierenden Mitglied der Historisch-Philologischen<br />
Klasse der Akademie<br />
der Wissenschaften zu Göttingen gewählt.<br />
Corinna Bertz<br />
Der Forscher im Roggen<br />
Vor 100 Jahren starb Julius Kühn<br />
M ELANIE ZIMMERMANN UND OLAF CHRISTEN<br />
Der 14. April 2010 ist der 100. Todestag des wegbereitenden Wissenschaftlers Julius Kühn,<br />
mit dessen Berufung an die hallesche <strong>Uni</strong>versität im Jahre 1862 ein neuer Abschnitt in der Geschichte<br />
der universitären Ausbildung begann: Er errichtete die erste landwirtschaftliche Lehr-<br />
und Forschungsstätte Deutschlands an der Alma mater halensis und erntete nicht nur das Gesäte,<br />
sondern auch den Titel „Exzellenz“.<br />
Julius Kühn, aufgenommen wahrscheinlich 1879.<br />
Foto: Archiv des Museums für Haustierkunde<br />
Der wissenschaftliche Werdegang des am<br />
23. Oktober 1825 in der Pfefferkuchenstadt<br />
Pulsnitz geborenen Julius Kühn scheint eher<br />
untypisch. Nach dem Besuch der Schule und<br />
anschließend des Polytechnikums in Dresden<br />
folgte kein Studium. Stattdessen begann Kühn<br />
1841 eine Lehre in der Landwirtschaft, der<br />
die Tätigkeit eines Verwalters in mehreren<br />
Betrieben und im Jahre 1848 die Leitung des<br />
gräflichen Guts Groß-Krausche bei Bunzlau<br />
als Amtmann folgte. In diesen Jahren konnte<br />
er sich weitreichende Kenntnisse auf dem<br />
Gebiet der landwirtschaftlichen Praxis aneignen<br />
und stellte schon wissenschaftliche<br />
Forschungen über Pflanzenkrankheiten und<br />
botanische Systematik an. Knapp dreißigjährig<br />
immatrikulierte Kühn sich an der Landwirtschaftlichen<br />
Lehranstalt Bonn-Poppelsdorf;<br />
finanzielle Gründe zwangen ihn jedoch, das<br />
Studium nach zwei Semestern wieder aufzugeben.<br />
Seine bis dahin bereits verfassten<br />
wissenschaftlichen Arbeiten ermöglichten ihm<br />
allerdings eine Promotion zum Dr. phil. an der<br />
Leipziger <strong>Uni</strong>versität. 1857 übernahm er als<br />
Wirtschaftsdirektor die Leitung über die Güter<br />
des Grafen von Egloffsheim in Schwusen. Er<br />
war ein Mann der Praxis, allerdings durchaus<br />
gelehrt. Für sein 1858 veröffentlichtes Buch<br />
über Pflanzenkrankheiten wurde ihm die Anerkennung<br />
berühmter Wissenschaftler zuteil.<br />
Eine Berufung an die Berliner <strong>Uni</strong>versität<br />
lehnte Kühn ab. Aus praktischen Gründen entschloss<br />
er sich dazu, der Berufung nach Halle<br />
im Jahre 1862 zu folgen, da Halle in einer Region<br />
intensiven Landwirtschaftsbetriebes lag,<br />
ihm für seine Forschungen also vielversprechend<br />
schien. So trat er seine Lehrtätigkeit an<br />
der halleschen <strong>Uni</strong>versität im Wintersemester<br />
1862/63 an und übte sie – beliebt bei den Studenten<br />
aufgrund seiner Praxisnähe – beinahe<br />
fünf Jahrzehnte lang aus.<br />
Zu seinen bedeutendsten Leistungen seit<br />
seiner Berufung zählt, allen voran, die Errichtung<br />
eines landwirtschaftlichen Instituts<br />
an der halleschen <strong>Uni</strong>versität nach eigenen<br />
Plänen. Gemäß seiner eigenen praxisorientierten<br />
Natur legte er eine 115 Hektar große<br />
Versuchsfläche an, das „Kühn-Feld“, auf dem<br />
seit 1878 der Dauerdüngungsversuch „Ewiger<br />
Roggen“ fortläuft. Außerdem errichtete Kühn<br />
einen botanischen Demonstrationsgarten, eine<br />
Versuchsstation und ein Laboratorium für<br />
landwirtschaftlich-physiologische Untersuchungen.<br />
Mit dem „Haustiergarten“, aus dem<br />
das Museum für Haustierkunde hervorgegangen<br />
ist, begründete er eine inzwischen weltberühmte<br />
Lehrsammlung. Das von ihm errichtete<br />
Institut, dem er, drei weitere Berufungen<br />
ablehnend, bis zu seiner Emeritierung im<br />
Jahre 1909 treu blieb, wurde das berühmteste<br />
Deutschlands. Für seine außerordentlichen<br />
Beiträge zur Landwirtschaftswissenschaft<br />
wurde er mit so vielen Orden ausgezeichnet<br />
wie kein anderer Agrarwissenschaftler; in<br />
seiner Funktion als Geheimer Rat errang er<br />
1903 den Titel „Exzellenz“. 1895 ernannte ihn<br />
die Stadt Halle zum Ehrenbürger, und noch<br />
zu seinen Lebzeiten erhielt eine Straße in der<br />
Saalestadt seinen Namen. Anlässlich seines<br />
100. Todestages am 14. April 2010 wird der<br />
Rektor auf dem Nordfriedhof in Halle einen<br />
Kranz niederlegen. Anschließend werden die<br />
Straßenschilder in der Julius-Kühn-Straße im<br />
Rahmen der Kooperation mit der städtischen<br />
Initiative „Bildung im Vorübergehen“ durch<br />
ein Zusatzschild ergänzt. Eine gemeinsame<br />
Gedenkveranstaltung des Julius-Kühn-Instituts<br />
und des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften<br />
der MLU findet um 13 Uhr in<br />
Quedlinburg statt.<br />
■<br />
Prof. Dr. Olaf Christen<br />
Prodekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät III<br />
Telefon: 0345 55 22627<br />
E-Mail: olaf.christen@landw.uni-halle.de
ıDoctor über alle Doctores„<br />
Philipp Melanchthon starb vor 450 Jahren<br />
M ELANIE ZIMMERMANN<br />
Am 19. April 2010 sind 450 Jahre seit dem Tode des Humanisten Philipp Melanchthons vergangen<br />
und es gibt gute Gründe dafür, dass auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit einem<br />
Festvortrag seiner gedenkt: Der schon zu Lebzeiten mit dem Titel „Praeceptor Germaniae“<br />
(Lehrer Deutschlands) geehrte Alt-Rektor der Wittenberger Lecorea reformierte die Schulen und<br />
<strong>Uni</strong>versitäten des Landes mit einer Nachhaltigkeit, die bis in die heutige Zeit reicht.<br />
Den am 16. Februar 1497 in Bretten geborenen<br />
Philipp Schwartzerdt hat das Schicksal<br />
früh gezeichnet: Bereits im elften Lebensjahr<br />
verlor er sowohl seinen Vater als auch seinen<br />
Großvater, der zeitig für die Bildung<br />
des jungen Melanchthon sorgte. Der<br />
Verlust brachte ihn nach Pforzheim<br />
ins Haus seiner Großmutter Elisabeth<br />
Reuter, einer Schwester des berühmten<br />
Humanisten Johannes Reuchlin. Dort<br />
besuchte er die Lateinschule, lernte<br />
außerdem Griechisch. Aufgrund seiner<br />
Begabung und seiner Fortschritte<br />
im Griechischen wurde zu dieser Zeit<br />
Johannes Reuchlin auf den Jungen<br />
aufmerksam, schenkte ihm eine griechische<br />
Grammatik und verlieh ihm<br />
in der Widmung durch die Gräzisierung<br />
von „Schwartzerdt“ den Humanistennamen<br />
Melanchthon.<br />
Bereits zwei Jahre nach seinem Einzug<br />
in die <strong>Uni</strong>versität Heidelberg im Jahre<br />
1509 erwarb er das Bakkalaureat, wechselte<br />
anschließend aus Altersgründen<br />
an die <strong>Uni</strong>versität Tübingen, wo er<br />
im Jahre 1514 nach Absolvieren<br />
des Quadriviums, also der mathematischen<br />
Fächer, die Magisterwürde<br />
erhielt. Sein besonderes<br />
Interesse galt den humanistischen<br />
Studien, fortdauernd<br />
beschäftigte er sich mit den<br />
Sprachen Griechisch, Hebräisch<br />
und Latein, aber auch<br />
mit Theologie, Rechtswissenschaft<br />
und Medizin.<br />
Durch die Vermittlung Reuchlins,<br />
seines größten Förderers,<br />
gelangte Melanchthon an den 1518<br />
vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen<br />
gestifteten Lehrstuhl für Griechisch an der<br />
Wittenberger <strong>Uni</strong>versität. Seine Antrittsrede<br />
„Sermo … de corrigendis adulescentiae studiis“,<br />
die er sogleich dazu nutzte, Konzeptionen<br />
zur Schul- und <strong>Uni</strong>versitätsreform anzubringen,<br />
stieß auf begeisterte Zuhörer und fand<br />
Eingang in die Geschichte. Dabei traf er nicht<br />
nur den Zeitgeist des Humanismus mit seinem<br />
Gedanken, das Studium der antiken Schriftsteller<br />
im Original könne zum Ursprung neuen<br />
Denkens werden; er traf auch Martin Luther.<br />
Mit diesem verband ihn zeitlebens eine enge<br />
Freundschaft, die sich in der Zusammenarbeit<br />
Die Melanchthon-Büste, die vor der Aula<br />
im Löwengebäude der MLU aufgestellt ist.<br />
Gestaltet hat sie Gerhard Marcks 1930/31.<br />
Foto: Zentrale Kustodie<br />
für die Reformation bewährte und verstärkte.<br />
Vor allem durch die Ausarbeitung der Augsburger<br />
Konfession von 1530 hat Melanchthon<br />
das Bekenntnis der evangelischen Kirchen<br />
weithin geprägt. Luther nannte seinen engsten<br />
Berater den „Doctor über alle Doctores“ und<br />
vertraute auf ihn bis zu seinem Tode. Die Mar-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
tin-Luther-<strong>Uni</strong>versität hütet das Dekanatsbuch<br />
der Theologischen Fakultät zu Wittenberg mit<br />
Melanchthons Nachruf auf den Freund.<br />
D EN PROTOTYP DES GYMNASIUMS GESCHAFFEN<br />
Als Rektor gestaltete Melanchthon die Wittenberger<br />
Leucorea nach seinem Bildungsideal<br />
neu, entwickelte Statuten für <strong>Uni</strong>versitäten<br />
und Fakultäten und beteiligte sich persönlich<br />
an der Reorganisation der <strong>Uni</strong>versitäten Tübingen,<br />
Frankfurt/Oder, Greifswald, Rostock<br />
und Leipzig. Als herausragender Pädagoge bewährte<br />
sich der leidenschaftliche und überaus<br />
geschätzte Lehrer vor allem durch die Erarbeitung<br />
von Lehrprogrammen für Gymnasien und<br />
die Herausgabe etlicher Lehrbücher, die im<br />
16. Jahrhundert an vielen Schulen zum vorgeschriebenen<br />
Unterrichtsmaterial zählten und<br />
ihm den Titel „Praeceptor Germaniae“<br />
einbrachten.<br />
Melanchthon schuf den Prototyp des<br />
Gymnasiums; seine Bildungsideale,<br />
beispielsweise die Betreuung von<br />
Studienanfängern, die Ausbildung<br />
rhetorischer Fähigkeiten und Qualität<br />
statt Quantität bei der Vermittlung<br />
des Lernstoffs, sind auch<br />
Jahrhunderte später von brennender<br />
Aktualität. Die Biographie des 1560<br />
verstorbenen Lehrers Deutschlands<br />
scheint ein Appell an jeden Einzelnen,<br />
Kraft zu schöpfen aus sich selbst, das<br />
eigene Potential zu nutzen und auf Vernunft<br />
zu bauen.<br />
Die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität wird diesem<br />
geistigen Vater in einer Tagung vom<br />
13. bis 17. Oktober dieses Jahres in der<br />
Leucorea zu Wittenberg die Ehre erweisen.<br />
Die Evangelische Kirche in<br />
Deutschland (EKD) veranstaltet<br />
vom 16. bis 19. April 2010 ein Melanchthon-Wochenende,<br />
das am<br />
19. April in einem Festakt in der<br />
Schloßkirche zu Wittenberg mit Gästen<br />
aus Politik, Kultur, Wirtschaft<br />
und Kirche gipfelt, darunter Bundeskanzlerin<br />
Dr. Angela Merkel. ■<br />
Weitere Informationen:<br />
www.melanchthon.com/Melanchthon-2010/Melanchthon2010_Veranstaltungen/Veranstaltungsuebersicht.php<br />
Prof. Dr. Heiner Lück<br />
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,<br />
Europäische, Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte<br />
Telefon: 0345 55 23200<br />
E-Mail: heiner.lueck@jura.uni-halle.de<br />
37<br />
P ERSONALIA
38<br />
P ERSONALIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
ıDie Ausgangsposition stimmt„<br />
Der alte und neue Kanzler Dr. Martin Hecht im Interview<br />
Für Dr. Martin Hecht beginnt in diesen Tagen seine zweite achtjährige Amtszeit als Kanzler<br />
der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Seit April 20<strong>02</strong> leitet er die Geschicke der <strong>Uni</strong>-Verwaltung und<br />
ist Mitglied des Rektoratskollegiums. Im Interview mit scientia halensis spricht er über jene<br />
Bereiche, in denen er die Verwaltung gut aufgestellt sieht – und über aktuelle und künftige Aufgaben.<br />
Am 10. Februar sprach sich der MLU-Senat<br />
mit großer Mehrheit für Sie aus. Wie haben<br />
Sie sich gefühlt, als Sie vom Ergebnis erfuhren?<br />
Ich habe mich wirklich gefreut, dass der Senat<br />
sich für mich entschieden hat – und dass ich<br />
somit weitere acht Jahre lang in dieser Position<br />
für die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität tätig sein<br />
darf.<br />
Wodurch haben Sie sich dieses Vertrauen<br />
erarbeitet?<br />
Ich habe in den vergangenen Monaten versucht<br />
darzustellen, wie wichtig die Leistung<br />
der Verwaltung für die <strong>Uni</strong>versität ist. Dies zu<br />
vermitteln war und ist nicht einfach und muss<br />
im Bewusstsein der <strong>Uni</strong>versität verankert werden<br />
– das ist weiterhin eine wichtige Aufgabe<br />
für mich.<br />
Effektivität und Service sind Stichworte, die<br />
im Zusammenhang mit guter Verwaltungsarbeit<br />
gerne fallen. Auch Sie haben davon ge-<br />
sprochen, als Sie 20<strong>02</strong> an der MLU anfingen.<br />
Wo steht die <strong>Uni</strong>versität in dieser Hinsicht?<br />
Die Begriffe sind treffend, ergänzend möchte<br />
ich noch die Wirksamkeit nennen, die Wirksamkeit<br />
für Forschung und Lehre. Ich glaube,<br />
dass unsere Infrastruktur, mit der wir die<br />
universitären Prozesse unterstützen, besser ist<br />
als ihr Ruf. Das heißt nicht, dass wir in allen<br />
Bereichen gut sind, aber die Ausgangsposition<br />
stimmt.<br />
In welchen Bereichen ist die Verwaltung denn<br />
gut aufgestellt?<br />
Im Rahmen der Forschungsadministration<br />
leisten wir bereits einen anerkannten Service.<br />
Hier bekomme ich regelmäßig positive Rückmeldungen,<br />
gerade von Wissenschaftlern, die<br />
die <strong>Uni</strong>versität verlassen haben. Im Bereich<br />
Studium und Lehre gehen wir mit der Entwicklung<br />
des Studierenden Service Centers in<br />
Verbindung mit dem Hochschulmarketing einen<br />
wesentlichen Schritt nach vorn. Die Infrastruktur<br />
ist in den vergangenen Jahren deutlich<br />
entwickelt worden. Mit einer Mannschaft, die<br />
Service-Strukturen, Ressourcen-Fragen, Personalarbeit und vieles mehr: Vor Dr. Martin Hecht liegen weitere<br />
acht Jahre als Kanzler der MLU – eine zweite Amtszeit voller alter und neuer Aufgaben. „Natürlich geht es<br />
erst einmal darum, die Dinge voranzutreiben, die wir begonnen haben“, sagt er im Interview mit dem <strong>Uni</strong>magazin.<br />
Fotos: Maike Glöckner<br />
für derartige Großprojekte gar nicht ausgestattet<br />
ist, haben wir beachtliche Bauprojekte<br />
erfolgreich realisiert. Mit der IT-Unterstützung<br />
im Bereich Campus Management stehen wir<br />
im Vergleich zu anderen <strong>Uni</strong>versitäten gut da,<br />
bewegen uns bundesweit im oberen Drittel.<br />
Last but not least: Im Bereich der dezentralen<br />
Budgetierung haben wir einen sehr guten<br />
Stand erreicht, gekennzeichnet von Transparenz<br />
und Informationstiefe.<br />
Welche offenen Baustellen sehen Sie � oder<br />
werden sie eröffnen?<br />
Natürlich geht es erst einmal darum, die Dinge<br />
voranzutreiben, die wir begonnen haben.<br />
Wir wollen Service-Strukturen optimieren,<br />
noch mehr Transparenz in Ressourcen-Fragen<br />
schaffen und die Infrastruktur weiter ausbauen.<br />
Im Detail wollen wir zum Beispiel die Personalarbeit<br />
weiter verbessern. Die Personalabteilung<br />
funktioniert gut, aber aufgrund von<br />
vielen persönlichen Befindlichkeiten auf allen<br />
Seiten steht sie in einem schlechten Licht. Ich<br />
glaube, es ist für die <strong>Uni</strong>versitätsöffentlichkeit<br />
wichtig zu wissen, dass wir ein großes Projekt<br />
zur Optimierung der Personalarbeit aufgelegt<br />
haben. Da spielt nicht nur die Personalabteilung<br />
eine Rolle, sondern auch alle anderen<br />
Bereiche, die mit Personalarbeit in Berührung<br />
kommen. Neue Personalentwicklungsinstrumente<br />
sollen eingeführt und eine neue Organisationskultur<br />
etabliert werden.<br />
Welche Instrumente sind das?<br />
Im Sinne einer Potenzialanalyse ist es beispielsweise<br />
wichtig zu wissen: Wo steht ein<br />
Mitarbeiter? Gibt es Qualifikationsbedarf? Zudem<br />
müssen die Voraussetzungen geschaffen<br />
werden, damit die Kommunikation zwischen<br />
Vorgesetzten und Mitarbeitern gut funktionieren<br />
kann. Wir haben in der Verwaltung in den<br />
letzten Jahren das strukturierte Mitarbeitergespräch<br />
eingeführt. Mir schwebt vor, solche<br />
Instrumente in Abstimmung mit dem wissenschaftlichen<br />
Bereich der <strong>Uni</strong>versität auch universitätsübergreifend<br />
einzuführen.<br />
Im Bau-Bereich ist sicher das Geistes- und<br />
Sozialwissenschaftliche Zentrum zu nennen?<br />
Und darüber hinaus?<br />
Natürlich, das GSZ steht an erster Stelle. Im<br />
Mai werden voraussichtlich Entwürfe zu sehen<br />
sein. Im Sommer soll die Haushaltsunterlage<br />
Bau erstellt werden, die dann im Finanzausschuss<br />
des Landtags bestätigt werden<br />
muss. Neben dem GSZ gibt es aber weiterhin<br />
einen großen Bedarf an Neubauten und Sanierungen,<br />
beispielsweise in der Zoologie, der<br />
Biochemie, den Wirtschaftswissenschaften.
Aus der Vita:<br />
Dr. Martin Hecht wurde am 21. Juli 1966 in Nienburg/Weser geboren. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen<br />
an den <strong>Uni</strong>versitäten Kaiserslautern und Hamburg. In Greifswald baute er später den wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Bereich mit auf und promovierte zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der <strong>Uni</strong>versität.<br />
Von 1998 bis 20<strong>02</strong> leitete Hecht das Grundsatzreferat Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />
Anschließend wurde er Kanzler der MLU. Martin Hecht ist verheiratet und Vater eines<br />
zweieinhalbjährigen Sohnes.<br />
Hinzu kommen das Naturkundliche <strong>Uni</strong>versitätsmuseum<br />
und die Sporthalle Heide-Süd.<br />
Die finanzielle Misere macht der <strong>Uni</strong>versität<br />
zu schaffen. Wie attraktiv ist denn das<br />
Kanzleramt an einer von Ihnen selbst und<br />
dem Rektor als ıchronisch unterfinanziert„<br />
eingestuften <strong>Uni</strong>versität?<br />
Für mich ist Geldmangel dann kein existentielles<br />
Problem, wenn ich die Möglichkeit habe,<br />
damit intelligent umzugehen. Wenn wir für<br />
1850 Stellen Mittel haben müssten, bekommen<br />
diese aber nicht, dann muss allen Beteiligten<br />
klar sein, dass wir die entsprechende<br />
Leistung nicht bringen können. Im politischen<br />
Raum ist zu diskutieren, was gewollt wird.<br />
Für mich ist der Standort Halle extrem attraktiv<br />
und ich formuliere gern „Halle-Leipzig bei<br />
Berlin“. Wir müssen uns nicht verstecken, sind<br />
als mittelgroße <strong>Uni</strong>versität mit der Stadt Halle<br />
und ihrem Umfeld absolut wettbewerbsfähig.<br />
Wie wird es der <strong>Uni</strong>versität denn nach Ihrer<br />
neuen Amtszeit, also in acht Jahren, gehen?<br />
Wie groß wird sie sein?<br />
Ich hoffe, dass sie dann noch ihre heutige<br />
Fakultätsvielfalt hat, selbst wenn sich die ein<br />
oder andere Struktureinheit anders darstellen<br />
wird. Ich gehe davon aus, dass das außeruniversitäre<br />
Umfeld weiterhin so stark sein wird<br />
wie heute, das ist eine wichtige Stütze der<br />
<strong>Uni</strong>versität und des gesamten Standortes. Und<br />
ich hoffe, dass wir den Erwartungen entspre-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
chen können, die an uns gestellt werden. Ziel<br />
muss es sein, dass wir nicht durch Spar- und<br />
Strukturdiskussionen Zeit verlieren. Wir müssen<br />
die Möglichkeit bekommen, unsere Ziele<br />
auf national und international anerkanntem<br />
Niveau zu erreichen.<br />
Acht weitere Jahre als Kanzler in Halle � was<br />
bedeutet das für Sie privat?<br />
Es bedeutet, zusammen mit meiner Familie<br />
weiterhin gut zu wohnen und in seinem sehr<br />
reichen kulturellen Umfeld zu leben. Und für<br />
kleine Kinder und deren Betreuung ist Halle<br />
bekanntlich auch ein guter Standort.<br />
Nicht erst seit Sie in der Mitteldeutschen Zeitung<br />
mit ihrem Cello zu sehen waren, wissen<br />
wir, dass Sie ein großes Interesse an klassischer<br />
Musik haben. Sie sind Mit-Begründer<br />
der Reihe ıaula konzerte halle„. Was war<br />
dafür Ihr Beweggrund � und inwiefern ist ein<br />
solches Engagement Teil Ihrer Aufgaben als<br />
Kanzler?<br />
Das Interesse für die Musik ist bei mir immer<br />
schon gegeben. Mit der Konzertreihe wollen<br />
wir weitere Potenziale unserer <strong>Uni</strong>versität nutzen.<br />
Wir wollten ein kulturelles Angebot an<br />
die <strong>Uni</strong>versität und die Stadt unterbreiten, das<br />
nicht ausschließlich auf <strong>Uni</strong>versitätsangehörige<br />
ausgerichtet ist. Ich glaube, das ist recht<br />
gut gelungen. Und es ist in der Tat auch die<br />
Aufgabe eines Kanzlers, eines Rektoratsmitglieds,<br />
die Verbindung zwischen <strong>Uni</strong>versität,<br />
Stadt und Region zu stärken. Generell müssen<br />
wir als MLU in diesem Umfeld auch mit Themen<br />
punkten, die neben Forschung und Lehre<br />
eine Rolle spielen.<br />
Wenn Sie frei wählen könnten, wer würde<br />
dann innerhalb der nächsten acht Jahre in<br />
jedem Fall in der Aula spielen?<br />
Gerne würde ich den Countertenor Andreas<br />
Scholz begrüßen, einen der großen Barock-<br />
Interpreten, verbunden natürlich mit einem<br />
entsprechenden Ensemble. Er hat eine tolle<br />
Stimme – und wird im Juli auch in Halle zu<br />
hören sein, denn er gastiert bei den Händel-<br />
Festspielen.<br />
Dr. Martin-Hecht<br />
Kanzler<br />
Telefon: 0345 55 21011<br />
E-Mail: kanzler@uni-halle.de<br />
Interview: Carsten Heckmann<br />
39<br />
P ERSONALIA
40<br />
P ERSONALIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Kai-Uwe Goss steht für moderne Formen der Lehre<br />
Foto: André Künzelmann<br />
Er leitet seit zwei Jahren das Department für<br />
Analytische Umweltchemie am Helmholtz-<br />
Zentrum für Umweltforschung (UFZ) – und er<br />
ist nun auch Professor für dieses Fachgebiet:<br />
Kai-Uwe-Goss. Zum 1. Februar wurde der 46-<br />
Jährige an die MLU (Naturwissenschaftliche<br />
Fakultät II) berufen. Goss kennt sich bestens<br />
aus in Sachen Transport und Anreicherung<br />
von organischen Chemikalien in der Umwelt.<br />
Darüber hinaus interessiert er sich auch für<br />
das Spezialgebiet seines UFZ-Kollegen Hans-<br />
Jörg Vogel, die Bodenphysik – inbesondere<br />
die Wasserbewegung in trockenen Böden (s. a.<br />
Kurzportrait auf Seite 41).<br />
Goss stammt aus Nordrhein-Westfalen (Büderich),<br />
ist im Saarland (Völklingen) zur Schule<br />
gegangen, hat an der <strong>Uni</strong>versität Bayreuth Geoökologie<br />
studiert und dort auch promoviert.<br />
Es folgte ein per Stipendium der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft realisierter PostDoc-<br />
Aufenthalt an der <strong>Uni</strong>versity of Minnesota<br />
(USA) und die Habilitation an der ETH Zürich,<br />
wo er von 20<strong>02</strong> bis 2006 als Privatdozent<br />
tätig war, bevor er zum UFZ wechselte.<br />
Was ihn nun an der neuen Aufgabe an der<br />
halleschen <strong>Uni</strong>versität reizt? Die Antwort<br />
fällt kurz und prägnant aus: „Die Lehre“. Die<br />
Studierenden dürfen wohl einiges von Goss<br />
erwarten. „Ich will aufzeigen, dass es interessante,<br />
moderne Formen der Lehre gibt“, sagt<br />
der Leipziger. In Zürich ist ihm das bereits gelungen:<br />
2006 heimste er an der ETH die von<br />
Studierenden vergebene „Goldene Eule“ ein,<br />
für die beste Lehre im Bereich Umweltwissenschaften.<br />
Die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität sei für ihn auch<br />
deshalb attraktiv, weil „hier viele Fachrichtungen<br />
vertreten sind, die einen Umweltwissenschaftler<br />
interessieren – neben der Chemie<br />
und der Lebensmittelchemie eben auch die<br />
Bodenkunde und die Agrarwissenschaften“.<br />
Beste Voraussetzungen also für die UFZ/<br />
MLU-Doppeltätigkeit.<br />
In der Freizeit hält sich Kai-Uwe Goss übrigens<br />
auch gern in der Natur auf, am liebsten<br />
im Kanu. Weitere Hobbys, die er nennt: Reisen<br />
(bevorzugtes Ziel: Ukraine) – und die Familie.<br />
Der frisch gebackene MLU-Professor<br />
hat zwei Söhne im Alter von drei und fünfeinhalb<br />
Jahren.<br />
Carsten Heckmann<br />
Prof. Dr. Kai-Uwe Goss<br />
Telefon: 0341 23 51411<br />
E-Mail: kai-uwe.goss@ufz.de<br />
www.herrmann-tallig.de
Michael Bron forscht mit der Zukunft im Blick<br />
Foto: Norbert Kaltwaßer<br />
Am 1. Februar begann Michael Bron seine<br />
Arbeit als Professor für Technische Chemie<br />
an der MLU. Er verstärkt den Institutsbereich<br />
„Technische Chemie und Makromolekulare<br />
Chemie“ um eine dritte Arbeitsgruppe. In dieser<br />
wird anwendungsorientiert und mit Blick<br />
auf die Zukunft geforscht, denn der 42-Jährige<br />
ist Spezialist für Materialien und Prozesse für<br />
regenerative Energien.<br />
„Auf diesem Gebiet bestehen an der MLU<br />
attraktive Forschungs- und Kooperationsmöglichkeiten“,<br />
sagt der gebürtige Wilhelmshavener.<br />
Besonders gut gefällt ihm die Größe<br />
der Hochschule: „Sie ist für die Bildung<br />
exzellenter Schwerpunkte ausreichend groß,<br />
aber doch weit entfernt von einer Massenuniversität.“<br />
Denn am Professorenberuf reizt ihn<br />
insbesondere die Zusammenarbeit mit jungen<br />
Leuten und Studierenden sowie die Möglichkeit,<br />
die <strong>Uni</strong>versität mitzugestalten.<br />
Bron hat an der Carl von Ossietzky-<strong>Uni</strong>versität<br />
in Oldenburg Chemie studiert und wurde<br />
1998 an der TU Chemnitz mit Auszeichnung<br />
promoviert. Seine Dissertation zu einem<br />
Thema der Elektrochemie wurde mit einem<br />
Stipendium der sächsischen Graduiertenförderung<br />
unterstützt. Ein Forschungsaufenthalt<br />
führte ihn im Anschluss für einen Monat an<br />
die Hebrew <strong>Uni</strong>versity in Jerusalem, bevor er<br />
im 1998 als PostDoc am Hahn-Meitner-Institut<br />
in Berlin seine Arbeit im Bereich der Solaren<br />
Energetik fortsetzte.<br />
Hans-Jörg Vogel will Agrar- und Umweltforschung stärken<br />
Foto: Norbert Kaltwaßer<br />
Seit viereinhalb Jahren leitet Hans-Jörg Vogel<br />
die Abteilung für Bodenphysik am Helmholtz-<br />
Zentrum für Umweltforschung (UFZ), seit 1.<br />
März dieses Jahres ist er nun auch Professor<br />
für dieses Fachgebiet an der MLU (Naturwissenschaftliche<br />
Fakultät II). „Neben der Forschung<br />
engagiere ich mich gerne in der Lehre.<br />
Ich freue mich auf die Herausforderung, die<br />
halleschen Studierenden von meinem Fach zu<br />
begeistern – und hoffe natürlich auf engagierte<br />
Diplomanden und Doktoranden“, sagt der 49-<br />
Jährige.<br />
Aus der Einbindung der Bodenphysik in die<br />
Boden- und Pflanzenforschung der MLU erwartet<br />
Vogel wertvolle Synergien. Die Agrar-<br />
und Umweltforschung der <strong>Uni</strong>versität zu<br />
stärken, ist sein Ziel. „Außerdem habe ich als<br />
Professor der MLU erweiterte Möglichkeiten<br />
zur Einwerbung von Drittmitteln.“<br />
Vogels Spezialgebiet umfasst die Modellierung<br />
von Wasserfluss und Stofftransport sowie<br />
die Strukturbildung in Böden und deren Einfluss<br />
auf Stoffumsatz und -flüsse. Um diese<br />
Themen drehte sich auch seine Habilitation,<br />
die er 2001 an der ETH Zürich abschloss. Zuvor<br />
war der Wissenschaftler jeweils mehrere<br />
Jahre lang an den <strong>Uni</strong>versitäten in Heidelberg<br />
und Hohenheim tätig. In Hohenheim hatte der<br />
gebürtige Nürtinger (Baden-Württemberg) von<br />
1981 bis 1988 Agrarwissenschaften studiert<br />
und 1993 promoviert. 1994/95 führte ihn ein<br />
EU-geförderter Auslandsaufenthalt nach Avignon<br />
(Frankreich). 1995 war er auch erstmals<br />
in Halle, zu einer Tagung der Deutschen Bo-<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand<br />
ging Bron 2001 an das Institut für Technische<br />
und Makromolekulare Chemie der TU<br />
Darmstadt, an der er sich 2009 auf dem Gebiet<br />
der heterogenen Katalyse habilitierte. Bereits<br />
2007 wechselte er an die Ruhr <strong>Uni</strong>versität<br />
Bochum, um dort eine Nachwuchsgruppe zu<br />
Niedertemperatur Brennstoffzellen zu leiten.<br />
Seine Freizeit verbringt der Vater zweier Söhne<br />
am liebsten mit Laufen oder Radfahren.<br />
Corinna Bertz<br />
Prof. Dr. Michael Bron<br />
Telefon: 0345 55 25900<br />
E-Mail: michael.bron@chemie.uni-halle.de<br />
denkundlichen Gesellschaft. „Seitdem hat sich<br />
die Stadt enorm entwickelt und ist heute ein<br />
attraktives kulturelles Zentrum.“<br />
Außerhalb seines Fachgebiets befasst sich<br />
Hans-Jörg Vogel mit der Bildanalyse, außerhalb<br />
der Arbeitswelt mit seiner Familie und<br />
seinen Hobbys. Er ist seit fast 23 Jahren verheiratet,<br />
Vater von gleich drei Mädchen (15,<br />
20 und 22 Jahre alt) – und ziemlich sportlich:<br />
Im Kajak kommt er im Wildwasser der Kategorie<br />
vier zurecht. Das ist die Kategorie „sehr<br />
schwierig“, gekennzeichnet unter anderem<br />
durch hohe, andauernde Wasserschwalle, kräftige<br />
Walzen, Wirbel und Presswasser sowie<br />
versetzte Blöcke im Stromzug des Flussbetts.<br />
Hobby Nummer zwei spielt sich in ruhigerem<br />
Fahrwasser ab: Vogel spielt gern und gut Gitarre,<br />
akustisch wie elektrisch.<br />
Carsten Heckmann<br />
Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel<br />
Telefon: 0345 55 85403<br />
E-Mail: : hjvogel@ufz.de<br />
41<br />
P ERSONALIA
42<br />
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SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
20 Fragen an Ingrid Stude<br />
Verbales Porträt einer Zeitgenossin<br />
Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt<br />
geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu finden. scientia<br />
halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unser Match-Partnerin Ingrid Stude, Leiterin der Mediathek<br />
des Sprachenzentrums der MLU.<br />
Foto: Janine Bornemann<br />
1. Warum leben Sie in Halle und nicht anderswo?<br />
Das Studium hat mich hierher verschlagen.<br />
„Verschlagen“, weil Halle 1971 ja tatsächlich<br />
noch die „Diva in Grau“ war und nicht unbedingt<br />
den Charme einer attraktiven <strong>Uni</strong>versitätsstadt<br />
hatte. Allerdings kam man damals<br />
als Absolvent relativ leicht an eine befristete<br />
Assistentenstelle, die sich nach Bewährung in<br />
eine unbefristete Stelle als Lehrer im Hochschuldienst<br />
„verwandelte“. Und die Gelegenheit,<br />
an einer wissenschaftlichen Einrichtung<br />
auch ohne wissenschaftliche Karriereabsicht<br />
sozusagen Wissenschaftdienstleistung als Beruf<br />
zu betreiben, war und ist eine Versuchung,<br />
der man nicht widerstehen kann.<br />
2. Wenn nicht Fremdsprachenlehrerin, was wären<br />
Sie dann geworden?<br />
Irgendwas mit Schaltkreisen und Strom – wäre<br />
es nach meinem Physiklehrer gegangen. Fast<br />
aber Biologin, denn für die Biowissenschaften<br />
hatte ich mich bei der Wahl meines Studienfaches<br />
anfangs entschieden. Dass ich letztlich<br />
Diplomlehrerin für Französisch und Russisch<br />
wurde, hatte mehr mit interkultureller Neugier<br />
zu tun.<br />
3. Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />
Lehrveranstaltungen in überschaubarer Runde<br />
und bei bemerkenswerten Persönlichkeiten.<br />
Und es blieb Zeit für Singeklubs und Studentenbaubrigaden.<br />
4. Welchen Rat fürs Überleben würden Sie<br />
Studenten geben?<br />
Das Studium will nicht überlebt, sondern erlebt<br />
werden! Und ich darf Friedrich Schiller<br />
zitieren, der in Jena vor reichlich 200 Jahren<br />
in seiner Vorlesung „Was heißt und zu welchem<br />
Ende studiert man <strong>Uni</strong>versalgeschichte“<br />
sagte: „Eine ‚Sklavenseele‘, wer bloß an sein<br />
Einkommen denkt!“<br />
5. Wenn Sie Rektor einer <strong>Uni</strong>versität wären, was<br />
würden Sie als erstes tun?<br />
Einen Schutzschirm aufspannen – gegen<br />
Reformen, die eigentlich Kürzung und Streichung<br />
heißen müssten und vom Sparzwang<br />
diktiert sind, gegen Strukturmaßnahmen, die<br />
einzig der Finanzminister begrüßt.<br />
6. Was ist für Sie die erste Aufgabe der<br />
Wissenschaft?<br />
Das Leben leichter zu machen und die Lebensarbeitszeit<br />
zu verkürzen, unsere Lebensgrundlagen<br />
zu erhalten und zu verhindern,<br />
dass sein Verstand sich gegen den Menschen<br />
selbst richtet. Kurz, sie soll dem Wohle der<br />
Gesellschaft dienen.<br />
7. Was haben Intelligenz und Menschlichkeit<br />
miteinander zu tun?<br />
Sie gehen leider nicht immer Hand in Hand,<br />
brauchen sozusagen eigentlich eine Regelungsinstanz.<br />
8. Worüber ärgern Sie sich am meisten?<br />
Über unproduktiven Streit und Ignoranz, die<br />
Arbeits- und Lernprozesse behindern.<br />
9. Was bringt Sie zum Lachen?<br />
Beispielsweise gute Film-Abwandlungen<br />
(Rambo, der Meisterkoch!) von „Elsterglanz“.<br />
10. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden?<br />
Geduld und Zuverlässigkeit, und dass sie Prioritäten<br />
zu setzen in der Lage sind.<br />
11. Wo sehen Sie Ihre Stärken?<br />
Das sagt sich nicht leicht und bleibt doch bescheiden.<br />
Vielleicht Geradlinigkeit und der<br />
Ehrgeiz, für kritische und kluge junge Menschen<br />
ein angemessener Lernpartner zu sein.<br />
12. Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />
Ich hoffe, dass weder Geld noch Menschenleben<br />
in Kriegen verbrannt werden, dass weder<br />
meine noch anderer Leute Kinder in Staatsraison<br />
als Kanonenfutter dienen müssen.<br />
13. Woran glauben Sie?<br />
An die genialen Steuermechanismen der Natur<br />
und den Selbsterhaltungstrieb der Menschheit.<br />
14. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit<br />
hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />
Vielleicht Heiner Fink und Heiner Geißler, für<br />
kluges Nachdenken über wichtige Themen.<br />
15. Wer war oder ist (bisher) für Sie der wichtigste<br />
Mensch in Ihrem Leben?<br />
Das kann ich nicht auf den Singular reduzieren.<br />
Das sind meine Familie, meine Eltern,<br />
meine drei Kinder, das war mein Mann, meine<br />
Kommilitonen, meine Kollegen…<br />
16. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />
kennen lernen?<br />
Da vermisse ich eigentlich nichts Wichtiges.<br />
Den Ararat wollte ich nur sehen und nicht besteigen,<br />
desgleichen den Eiffelturm. Und kennen<br />
lernen beziehe ich gern auf Menschen.<br />
17. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?<br />
Mit Gartenarbeit und am Kochtopf – da sind<br />
einem Zuneigung und Bewunderung sicher.<br />
Und man kann sich seine Freunde warmhalten!<br />
18. Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />
Ich gebe es zu – das französische Volkskochbuch<br />
„Tante Marie“ (für alle Fälle…), ein<br />
Strittmatter und „Roissy Express“ von François<br />
Maspero.<br />
19. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...?<br />
Ich glaube nicht an Wünsche – es passiert<br />
nichts von selbst. Es wird das, was man will<br />
und sich erarbeitet.<br />
20. Ihr Motto?<br />
Kopf hoch und nicht die Hände!<br />
Aus der Vita:<br />
Geboren 1953 in Neustadt/Sachsen, Diplom-Lehrerstudium<br />
in der Fachkombination Französisch/<br />
Russisch an der Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften<br />
der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Danach<br />
Arbeit im Wissenschaftsbereich Fachsprachen der<br />
Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften. Nach<br />
der Wende Lehre im Sprachenzentrum und Schwerpunktverlagerung<br />
von Russisch auf Französisch.<br />
■
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43
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