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2/10<br />

UNI<br />

MAGAZIN<br />

Gute Gründer:<br />

Mit Biofolien auf den Markt<br />

Sportstudenten in Finnland:<br />

Die Eishockey-Scouts<br />

Biodiversität in China:<br />

50 Hektar voller Vielfalt<br />

Pädagogen in der Peerwelt:<br />

Gleichaltrige und ihr Einfluss<br />

scientia halensis


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Wir stehen für Sie Kopf !


Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

der Lenz ist da, die Pflanzen sprießen. Die<br />

Ideen auch, nicht zuletzt an der MLU. Immer<br />

öfter sind es unternehmerische Ideen, die<br />

marktreif gedacht und in ein Konzept gegossen<br />

werden wollen. Nun gibt es an unserer<br />

Alma Mater zwar keinen Gründungslehrstuhl<br />

(anders als an rund 60 deutschen Hochschulen),<br />

aber es gibt ein Gründernetzwerk. Und<br />

zwar eines der erfolgreichsten hierzulande,<br />

ein Beispiel guter Praxis, wie die Organisation<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung (OECD) im vergangenen Jahr<br />

konstatierte.<br />

Die Rede ist von UNIVATIONS. Der Name<br />

steht für kompetente hochschulübergreifende<br />

Gründer-Beratung – und ab sofort als Dachmarke<br />

auch für sämtliche Aktivitäten des<br />

bisherigen An-Instituts für Innovation<br />

und Entrepreneurship an der<br />

Schnittstelle zwischen Wirtschaft<br />

und Wissenschaft. Über die Erfolgsgeschichte<br />

des Netzwerks und<br />

seine aktuellen Vorhaben sprechen<br />

die gemeinsamen Initiatoren und<br />

Projektleiter Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard<br />

Neubert und Dr. Ulf-Marten<br />

Schmieder im Interview mit<br />

scientia halensis (S. 10.).<br />

Das stete Ziel lautet: Gute Gründer<br />

soll es geben. Manchmal sind<br />

es zugleich grüne Gründer – zum<br />

Impressum<br />

scientia halensis<br />

<strong>Magazin</strong> der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

Halle-Wittenberg (MLU)<br />

Ausgabe 2/10, 18. Jahrgang<br />

ISSN 0945-9529<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

sowie im Internet:<br />

www.unimagazin.uni-halle.de<br />

Herausgeber:<br />

Rektor der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Redaktion:<br />

Carsten Heckmann (V.i.S.d.P.),<br />

Corinna Bertz, Janine Bornemann,<br />

Ute Olbertz, Melanie Zimmermann<br />

Beispiel jene, die mit ihren Biofolien auf dem<br />

Titelbild dieser Ausgabe des <strong>Uni</strong>magazins zu<br />

sehen sind und die Protein2Plastix ins Leben<br />

gerufen haben (Artikel auf S. 12). Manchmal<br />

sind es auch geisteswissenschaftliche Gründer.<br />

Diplom-Sprechwissenschaftlerin Claudia Gebauer<br />

beispielsweise ist selbstständige Kommunikationstrainerin,<br />

seit fünf Jahren (S. 15).<br />

Bereits zehn Jahre hat boraident hinter sich,<br />

eine der erfolgreichsten MLU-Ausgründungen<br />

(S. 16). Von den 167 Unternehmen, die von<br />

UNIVATIONS beraten wurden, konnten sich<br />

immerhin 80 Prozent dauerhaft am Markt<br />

behaupten. Eine gute Quote. Aber ein Fünftel<br />

der jungen Unternehmen – oder „Gesell-<br />

Kontakt:<br />

Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />

<strong>Uni</strong>versitätsplatz 9, 06108 Halle (Saale)<br />

Telefon: 0345 55-21004<br />

Fax: 0345 55-27066<br />

E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />

Redaktionsbeirat:<br />

Prof. Dr. Wulf Diepenbrock (Rektor),<br />

Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg (Altrektor),<br />

Corinna Bertz, Carsten Heckmann,<br />

Prof. Dr. Andrea Jäger,<br />

Prof. Dr. Gerhard Lampe,<br />

Ramona Mitsching (VFF),<br />

Jens Müller, Ute Olbertz,<br />

Katrin Rehschuh,<br />

Dr. Ralf-Torsten Speler<br />

Grafik-Design:<br />

Barbara Dimanski, Dipl.-Grafik-<br />

Designerin AGD/BBK<br />

Steffen Schenk (Inhaltsverzeichnis)<br />

Anzeigen / Layout / Gesamtherstellung:<br />

Digital Druckservice Halle GmbH<br />

Kutschgasse 4<br />

06108 Halle (Saale)<br />

Telefon: 0345 47 88 601<br />

Fax: 0345 47 88 6<strong>02</strong><br />

E-Mail: info@digitaldruck-halle.de<br />

Mediadaten:<br />

www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />

Druck:<br />

IMPRESS Druckerei Halbritter KG<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

schaften mit beschränkter Hoffnung“ (Wirtschaftsjournalist<br />

Nico Fickinger) – hat es eben<br />

nicht geschafft. Unternehmensgründung ist ein<br />

Wagnis – vielen kreativen Köpfen offenbar ein<br />

zu großes.<br />

Dass die Selbstständigkeit dennoch eine interessante<br />

berufliche Option ist, gilt es zu vermitteln.<br />

„Wichtig ist, unternehmerisches Denken<br />

überall in der universitären Lehre noch<br />

stärker zu verankern, es sollte sich durch alle<br />

Lehrveranstaltungen ziehen“, sagt Reinhard<br />

Neubert im Interview – und weiß sich einig<br />

mit der OECD. Der berühmte Gründergeist,<br />

er wird auch an der <strong>Uni</strong>versität beschworen.<br />

Durchs <strong>Uni</strong>magazin zieht er schon…<br />

Auf Wiederlesen!<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben die Meinung der Autoren wieder.<br />

Bei unverlangt eingesandten Texten/<br />

Fotos besteht keine Gewähr für einen<br />

Abdruck. Die Redaktion behält sich<br />

Änderungen eingesandter Texte vor.<br />

Der Nachdruck von Artikeln ist bei<br />

Angabe der Quelle gestattet. Die<br />

Redaktion bittet um ein Belegexemplar.<br />

scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vereinigung der<br />

Freunde und Förderer der Martin-Luther-<br />

<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg e. V. (VFF)<br />

Titelbild: Maike Glöckner<br />

Carsten Heckmann<br />

Leiter der Pressestelle<br />

Sollten Sie etwas im <strong>Uni</strong>magazin vermissen,<br />

Ihre Meinung äußern oder eine<br />

Anregung geben wollen – nur zu, die Redaktion<br />

freut sich auf Ihre E-Mail an magazin@uni-halle.de.<br />

Abbildung: Christoph Polatzky / Fotolia<br />

3<br />

V ORWORT


4<br />

I NHALT<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

10<br />

Varia<br />

Für gute Gründer<br />

UNIVATIONS ist für gründungswillige MLU-<br />

Studierende und Wissenschaftler die erste Anlaufstelle.<br />

Im Interview sprechen die Projektleiter<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und<br />

Dr. Ulf-Marten Schmieder über sechs Jahre<br />

Gründerförderung, die Herausforderungen des<br />

Unternehmertums und die Stärken der Region.<br />

Weitere Themen: zwei Ingenieure auf dem<br />

Weg zur eigenen Biofolienfirma, eine selbstständige<br />

Sprechwissenschaftlerin und die Erfolgsgeschichte<br />

des Unternehmens Boraident.<br />

Heide-Süd: Der Mensa-<br />

Grundstein ist gelegt<br />

Japan-Reise des Rektors:<br />

Gute Beziehungen gefestigt<br />

„We are Family“ 7<br />

Start ins Aktionsjahr zum Thema<br />

Familiengerechtigkeit<br />

Sprachsalat 8<br />

Bilderrätsel 8<br />

Goethe und die Gelehrten 9<br />

Ausstellung zeugt von vielfältigen<br />

Kontakten zur <strong>Uni</strong>versität<br />

6<br />

6<br />

Titelthema<br />

17<br />

„Vom Kunden her denken“ 10<br />

UNIVATIONS-Projektleiter im<br />

Interview<br />

Grüne Gründer für Land und<br />

Wirtschaft<br />

Zwei MLU-Absolventen produzieren<br />

Biofolie aus Proteinen<br />

12<br />

Kolumne von Dr. Zeitgeist 14<br />

Meldungen 14<br />

Rhetorik-Training von der<br />

Einzelkämpferin<br />

Claudia Gebauer vermittelt sprachliche<br />

Kompetenzen als Selbstständige<br />

15<br />

Farbige Schrift in Glas 16<br />

Zehn Jahre nach Gründung: boraident<br />

punktet weiter mit innovativen Ideen<br />

Den Eishockey-Nachwuchs im Blick<br />

Fünf MLU-Studierende reisten im März nach Finnland, um 160<br />

junge Eishockeyspieler genau unter die Lupe zu nehmen. Sie<br />

arbeiteten mit einem neuen Sichtungssystem, das in Finnland<br />

entwickelt und am Sportpsychologie-Lehrstuhl von Professor<br />

Oliver Stoll wissenschaftlich begründet wurde. Unter den Scouts<br />

war auch Philipp Auerswald, der zuvor bei der ZDF-Show „Wetten<br />

dass …?“ seine waghalsige Wette gewann und auf Seite 19<br />

näher vorgestellt wird.<br />

Fotos (v. l.): Maike Glöckner, Oliver Stoll, Sabine Both, Michael<br />

Deutsch, Zentrale Kustodie<br />

Studieren, lehren, leben<br />

Die Eishockey-Scouts 17<br />

Sportstudenten erproben<br />

Beobachtungs-system im<br />

finnischen Vierumäki<br />

Im Eiskanal zum Wettkönig 19<br />

Student aus Halle wird zum Star in<br />

ZDF-Show<br />

Meldungen 20<br />

Podcast auf Schienen 21<br />

Fördervereinigung der MLU unterstützt<br />

deutsch-russisches Medienprojekt<br />

Mit Aktien- und Ethik-Rüstzeug<br />

ins Finanzleben starten<br />

Studierende engagieren sich im<br />

Akademischen Börsenkreis und bei<br />

SNEEP Halle<br />

22


24<br />

50 Hektar voller Vielfalt<br />

Das weltweit größte Experiment zur Rolle von<br />

Biodiversität für Ökosystemfunktionen findet zurzeit<br />

in China statt und die MLU ist daran beteiligt:<br />

Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide reiste ins<br />

subtropischen China, um selbst einige der 100.000<br />

neuen Bäume anzupflanzen. Mit 17 Forschern aus<br />

Deutschland und der Schweiz wird in dem Projekt<br />

die Wirkung der Vielfalt von Bäumen und<br />

Sträuchern auf das Waldökosystem erforscht.<br />

Forschen und publizieren<br />

50 Hektar voller Vielfalt 24<br />

Internationales Forschungsteam<br />

erkundet Biodiversität in subtropischen<br />

Wäldern Chinas<br />

Mit Magnetkraft gegen<br />

Osteoporose<br />

Spannende Molekülforschung im<br />

Kernresonanz-Zentrum<br />

27<br />

Meldungen 28 / 29<br />

(Fach-)Literaturfabrik<br />

<strong>Uni</strong>versität<br />

30<br />

Pädagogen in der Peerwelt 32<br />

Zwei MLU-Projekte zu jungen<br />

Gleichaltrigen-Gruppen<br />

27<br />

Personalia<br />

Halles größter Medizin-Mann 35<br />

Zum 350. Geburtstag von Friedrich<br />

Hoffmann<br />

Der Forscher im Roggen 36<br />

Vor 100 Jahren starb Julius Kühn<br />

Meldungen 36<br />

„Doctor über alle Doctores“ 37<br />

Philipp Melanchthon starb vor 450<br />

Jahren<br />

„Die Ausgangsposition stimmt“ 38<br />

Der alte und neue Kanzler Dr. Martin<br />

Hecht im Interview<br />

Neu berufen 40<br />

20 Fragen an Ingrid Stude 42<br />

Verbales Portrait einer Zeitgenossin<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

35<br />

Das Jahr der Jubiläen<br />

Friedrich Hoffmann erfand die berühmten<br />

Hoffmanns-Tropfen und gründete<br />

die hallesche Medizinische Fakultät.<br />

Das hier abgebildete Ölporträt von<br />

einem unbekannten Maler aus dem 18.<br />

Jahrhundert hängt im Historischen Sessionssaal<br />

im Löwengebäude. Die MLU<br />

würdigt den Hallenser in diesem Jahr<br />

mit akademischer Ehrung, Festkonzert,<br />

Symposium und einer Wanderausstellung.<br />

Zwei weitere Jubilare werden auf<br />

Seite 36 und 37 vorgestellt: Vor 450<br />

Jahren starb der Humanist Philipp Melanchthon<br />

und ebenfalls im April jährt<br />

sich der Todestag des Agrarwissenschaftlers<br />

Julius Kühn zum 100. Mal.<br />

Mit Magnetkraft gegen Osteoporose<br />

Im Kernresonanz-Zentrum der MLU untersuchen die beiden Professoren<br />

Jochen Balbach und Kay Saalwächter (l.) zurzeit die Struktur<br />

eines Proteins, das im menschlichen Blut den Kalziumspiegel reguliert<br />

und für den Knochenaufbau wichtig ist. Die Biophysiker wollen<br />

den entscheidenden Puzzlestein finden, der noch fehlt, um ein Medikament<br />

gegen die Knochenkrankheit entwickeln zu können. Dazu<br />

setzen sie auch das 800-Megahertz-NMR-Spektrometer ein, in dessen<br />

magnetischem Umfeld sogar Münzen schwerelos aneinander kleben<br />

bleiben.<br />

Neu im <strong>Uni</strong>magazin: Webcodes<br />

Das <strong>Uni</strong>magazin ist bekanntlich auch im Internet<br />

zu finden. Die Redaktion bietet dort regelmäßig<br />

aktuelle Beiträge an – und ergänzende Informationen<br />

zu Artikeln im Heft. Ab sofort gibt es eine<br />

Abkürzung dorthin: Per Webcode können Sie direkt<br />

zur entsprechenden Internetseite gelangen. Das<br />

Eingeben eines langen Links erübrigt sich. Nutzen<br />

Sie einfach stets die Internetseite<br />

www.uni-halle.de/webcode.<br />

Dort können Sie den im Heft genannten Webcode<br />

eingeben, der stets mit den Buchstaben SH beginnt,<br />

gefolgt von einem Bindestrich und drei Ziffern. Die<br />

Redaktion wünscht Ihnen einen guten Kurz-Trip in<br />

die Web-Welt!<br />

Some stories are also available in English on our international<br />

website www.international.uni-halle.de<br />

Please look for the flag!<br />

5<br />

I NHALT


6<br />

V ARIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Der Mensa-Grundstein ist gelegt<br />

Bei strahlendem Sonnenschein erlebten rund<br />

150 Gäste und <strong>Uni</strong>-Mitarbeiter am 9. März<br />

mit Glühwein und Blasmusik die feierliche<br />

Grundsteinlegung für den Mensa-Neubau auf<br />

den Campus Heide-Süd am Von-Seckendorff-<br />

Platz. Gekommen waren auch Sachsen-Anhalts<br />

Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz,<br />

der Vorsitzende des Verwaltungsrats des<br />

Studentenwerks, Prof. Dr. Hans Lilie, sowie<br />

Studentenwerks-Chef Dr. Volkmar Thom.<br />

„Es ist der schönste Moment bei der Errichtung<br />

eines Neubaus, denn die Mittel sind<br />

zugesagt, alle Verträge sind unter Dach und<br />

Fach und noch kann es keine Baumängel geben<br />

…“, sagte Lilie. „Grund zur Freude ist<br />

außerdem, dass der Bau der Mensa nun viel<br />

früher als erwartet beginnen kann.“ Denn aus<br />

dem Konjunkturpaket II des Bundes wurden<br />

für dieses Projekt kurzfristig 4,3 Millionen<br />

Euro bereitgestellt, die das Studentenwerk<br />

mit einem Eigenanteil von 680 000 Euro aufstockt.<br />

So kann die moderne Mensa schon in<br />

etwa einem Jahr zur Verfügung stehen. „Der<br />

Hochschulcampus entwickelt sich damit weiter,<br />

wird attraktiver und kann immer mehr<br />

positive Sogwirkung entfalten“, fasste Olbertz<br />

zusammen.<br />

Am Standort Heide-Süd wird die Mensa dringend<br />

gebraucht, denn seit dem Großumzug<br />

im Sommer 2009 haben weitere naturwissenschaftliche<br />

Bereiche der <strong>Uni</strong> hier ihren Sitz.<br />

Damit kamen rund 3000 Studierende und 400<br />

Beschäftigte hinzu, für deren tägliche gastro-<br />

Gute Beziehungen nach Japan gefestigt<br />

MLU-Rektor Wulf Diepenbrock eröffnete<br />

Anfang März die Frühjahrsakademie des Internationalen<br />

Graduiertenkollegs Halle-Tokio<br />

in der japanischen Hauptstadt. Die <strong>Uni</strong>versität<br />

nomische Versorgung nicht allein die Cafeteria<br />

Ein Stein mit ihren 40 Plätzen aufkommen<br />

kann. Das geplante Bauwerk wird über 200<br />

Sitzplätze, eine separate Kaffee-Bar und eine<br />

Abendgaststätte verfügen. Studierende und<br />

Mitarbeiter erhalten nicht nur eine architektonisch<br />

ansprechende, sondern auch eine ökologisch<br />

verantwortungsbewusste Mensa. „Regenerative<br />

Energien wie Geothermie, Solarthermie<br />

und Regenwasser sollen genutzt werden“,<br />

hob Dr. Thom hervor. Von der „Campus-Idee<br />

der kurzen Wege als Teil eines Fahrplans, der<br />

Tokio, eine der renommiertesten Hochschulen<br />

der Welt, hatte ihn dazu eingeladen. Bei seiner<br />

Reise ins „Land der aufgehenden Sonne“<br />

besuchte Diepenbrock fünf <strong>Uni</strong>versitäten und<br />

Rektor Professor Wulf Diepenbrock (2. v. r.) mit Professor Akihiko Tanaka (r.), Vizepräsident der <strong>Uni</strong>versität<br />

Tokio, und den Sprechern des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tokio, Frau Professor Gesine Foljanty-Jost<br />

und Professor Hiroshi Ishida. Foto: MLU, Tino Schölz<br />

schon vor einiger Zeit entworfen wurde und<br />

nun Gestalt annimmt“, sprach <strong>Uni</strong>-Prorektor<br />

Bernd Six.<br />

Der Entwurf des Mensa-Neubaus stammt von<br />

dem bekannten Kölner Architekten Gernot<br />

Schulz, der sich bereits in Halle mit der Gestaltung<br />

des Juridicums, des Audimax und der<br />

Studentenwohnheime am Landrain einen Namen<br />

gemacht hat. „Es soll ein außergewöhnliches<br />

Bauwerk entstehen, in dessen Inneren<br />

es viel zu entdecken geben wird“, so Schulz.<br />

Auch werde die Mensa schräg ins Gelände<br />

gestellt, denn „nur so können drei Seiten zum<br />

Platz hin zeigen“. Ute Olbertz<br />

Der geplante Mensa-Neubau in Heide-Süd – und seine Verortung auf dem Campus-Gelände. Abbildung: gernot<br />

schulz architektur<br />

die Dependance der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG). Sein Fazit: „Wir können<br />

stolz sein auf unsere Kooperationen – und das<br />

Potenzial für den weiteren Ausbau der Partnerschaften<br />

ist groß.“<br />

Sowohl die DFG als auch die Japanische Gesellschaft<br />

zur Förderung der Wissenschaften<br />

(JSPS) unterstützen das 2007 gestartete Graduiertenkolleg<br />

zum Thema „Formenwandel<br />

der Bürgergesellschaft. Japan und Deutschland<br />

im Vergleich“. Von japanischer Seite erreichte<br />

die Organisatoren um Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost<br />

erst kurz vor der Ankunft des Rektors<br />

in Tokio die Nachricht, dass eine zweite Förderperiode<br />

bewilligt wurde.<br />

Auch die Keio-<strong>Uni</strong>versität gehörte zu den<br />

Hochschulen, die Rektor Diepenbrock besuchte.<br />

Mit ihr hat die MLU ein deutsch-japanisches<br />

Doppelmaster-Programm aufgebaut<br />

– „ein erfolgreiches Pionierprojekt“, wie Prof.<br />

Dr. Christian Oberländer betont, unter dessen<br />

Federführung das im Wintersemester angelaufene<br />

Programm aufgebaut worden ist.<br />

Carsten Heckmann<br />

Webcode<br />

SH-860 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Langfassung dieses Beitrags


Jetzt giltÊs: ıWe are family„<br />

Start ins Aktionsjahr zum Thema Familiengerechtigkeit<br />

C ORINNA BERTZ<br />

Ferienbetreuung, Wickeltische und eine Ringvorlesung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

- mit vielen Neuheiten startet die MLU ins Aktionsjahr „we are family“. Der Auftakt findet am<br />

20. April im Hallischen Saal statt. Dort werden unter anderem die Ergebnisse der Studierenden-<br />

und Beschäftigtenbefragung zur Kinderbetreuung und Pflege vorgestellt. Die Auswertung zeigt,<br />

wo in punkto Familiengerechtigkeit konkreter Handlungsbedarf besteht. Sie liefert zugleich die<br />

Grundlage für alle Maßnahmen, die jetzt in Angriff genommen oder bereits umgesetzt werden.<br />

„Endlich passiert was!“, schrieben die Einen.<br />

„Für mich kommt das alles zu spät“, meinten<br />

die Anderen. Das Echo auf die Fragebögen<br />

war ähnlich vielseitig wie die Wünsche und<br />

Meinungen der Befragten. Die Ergebnisse der<br />

Umfrage werden auf der Auftaktveranstaltung<br />

zum Aktionsjahr „we are family“ erstmals der<br />

Öffentlichkeit präsentiert. Die Auswertung,<br />

mit deren Hilfe die audit-Zielvereinbarung<br />

konkretisiert werden soll, wird anschließend<br />

als wissenschaftliche Publikation erscheinen.<br />

„Wir können aus der Umfrage viele neue<br />

Erkenntnisse mitnehmen“, sagt die wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im audit-Projekt Anja<br />

Stübig. „Es gibt beispielsweise sehr viele Beschäftigte,<br />

die Angehörige pflegen. Aber die<br />

Form der Pflege und wie sie unterstützt werden<br />

wollen unterscheidet sich beträchtlich“,<br />

erläutert sie. Um die <strong>Uni</strong>mitarbeiter dabei<br />

optimal zu unterstützen, soll noch enger mit<br />

wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Institut<br />

für Gesundheits- und Pflegewissenschaft<br />

zusammengearbeitet werden. Wertvolle Anregungen<br />

liefern auch die Familienbeauftragten<br />

der Fakultäten und der Arbeitskreis „Studieren<br />

mit Kind“ des Studierendenrates.<br />

Häufig tauchte in den ausgefüllten Fragebögen<br />

der Wunsch nach einer Kinderferienbetreuung<br />

auf. In den kommenden Sommerferien, die<br />

sich in der ersten Woche mit der Vorlesungszeit<br />

überschneiden, finden deshalb erstmals<br />

Aktionstage für Kinder von Hochschulangehörigen<br />

und Studierenden statt. Die Betreuungszeiten<br />

sind an die Kernarbeitszeiten der<br />

Beschäftigten angepasst. „Die Vormittage<br />

verbringen wir mit den Kindern im Krokoseum,<br />

wo sie mittags auch vom Studentenwerk<br />

verpflegt werden. An den Nachmittagen sind<br />

Ausflüge geplant“, sagt Anja Stübig, die zusammen<br />

mit einem weiteren Betreuer die 25<br />

Kinder der ersten bis siebenten Klasse betreuen<br />

wird. Das Angebot soll bald zum festen<br />

Bestandteil der universitären Kinderbetreuung<br />

gehören und bei Bedarf zukünftig auf eine<br />

größere Teilnehmerzahl und längere Betreuungszeiträume<br />

erweitert werden.<br />

Auch an den Fakultäten tut sich etwas: Seit<br />

kurzem gibt es im Haus 30 der Franckeschen<br />

Stiftungen den erste Wickeltisch für Babys<br />

an der Theologischen Fakultät. Im Juridicum<br />

wird gerade ein Frauenruheraum mit Wickelauflage,<br />

Spielecke und Stillgelegenheit<br />

eingerichtet und das Dekanat der Wirtschaftswissenschaften<br />

besitzt dank seiner Familienbeauftragten<br />

Dr. Angela Kunow neuerdings<br />

ein Reisekinderbettchen. Beschäftigte der<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Studentin Franziska Seidlitz und ihre Tochter Lillemor in der Zweigbibliothek der Erziehungswissenschaften. Foto: Maike-Glöckner<br />

Juristischen und<br />

Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät<br />

können es ausleihen,<br />

wenn sie im Büro<br />

arbeiten wollen,<br />

während ihre Kinder<br />

schlafen. Eine Spielzeugkiste<br />

für die Nichtschläfer wird ebenfalls<br />

aus audit-Mitteln und Spielzeugspenden von<br />

Mitarbeitern finanziert. Auf diese Weise soll<br />

an allen Fakultäten eine familienfreundliche<br />

Struktur geschaffen werden, die mehr Kinder<br />

an den Campus bringt und damit auch die Attraktivität<br />

der <strong>Uni</strong> als Arbeits- und Studienort<br />

für Eltern steigert.<br />

Dafür sorgen auch bereits vorhandene Angebote<br />

wie die Kinderuni, die Schreibspielwiese<br />

am Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik<br />

oder der kostenfreie Kinderteller<br />

des Studentenwerks Halle. Sie sollen im<br />

Rahmen des Projekts „audit familiengerechte<br />

hochschule“ gebündelt und bekannter gemacht<br />

werden – zum Beispiel auf dem großen Familiefest<br />

auf dem <strong>Uni</strong>versitätsplatz am 11. Juni.<br />

Einen ersten Überblick über alle Angebote im<br />

Aktionsjahr „we are family“ bietet das dieser<br />

Ausgabe des <strong>Uni</strong>magazins beiliegende Plakat,<br />

das auch bei Anja Stübig angefordert werden<br />

kann. Ausführliche Informationen zu den<br />

einzelnen Veranstaltungen und den Anmeldebedingungen<br />

gibt es auch auf der Webseite<br />

www.uni-halle.de/familiengerecht. ■<br />

Anja Stübig<br />

Projekt „audit familiengerechte hochschule“ an der MLU<br />

Telefon: 0345 55 21359/7<br />

E-Mail: Anja.Stuebig@verwaltung.uni-halle.de<br />

7<br />

V ARIA


8<br />

V ARIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

ıBitte einmal gemischten Sprachsalat ⁄„<br />

Diesmal mit analogem Schwanzhundragout<br />

Loriots Schwanzhund gäbe gewiss einen trefflichen<br />

Aprilscherz her. Und so wird diesmal<br />

der Sprachsalat auf dem Scrabble-Tablett serviert.<br />

Sie erinnern sich an Ödipussis Mama<br />

und ihre zänkischen Gespielinnen, die uneins<br />

waren, ob der oben Genannte existiert oder<br />

nicht. Dabei sind die Regeln, wenn man sie<br />

kennt, leicht. Ein rosa Feld im Wort bedeutet<br />

doppelte, ein rotes dreifache Punktzahl; ein<br />

hellblaues Feld verdoppelt den Buchstabenwert,<br />

dunkelblau verdreifacht ihn.<br />

Mit Glück und Geschick kriegt man schnell<br />

ein paar Hundert Punkte pro Runde zusammen<br />

und hat gute Chancen auf den Sieg. Ideal ist<br />

der Einsatz teurer Buchstaben (Y, Q, X, Ö)<br />

und von Wörtern, bei denen es gelingt, rosa<br />

und dunkelblau oder hellblau und rot zu kombinieren.<br />

Will man mit Kleinigkeiten viel erreichen, bieten<br />

sich Wörter wie ÖL, QUA, TEXT, YAK<br />

und die griechischen Buchstaben MY und NY<br />

an; letztere auf dunkelblau zweifach gezählt<br />

ergeben immer mehr als 60 Punkte. Liegt etwa<br />

das Wort NOVUM auf den Feldern B5 bis F5,<br />

versuchen Sie es mit MYSTIK von E6 bis J6:<br />

das bringt, alles in allem, 89 Punkte.<br />

Schwer wird es im Spiel gegen Biologen, Mediziner,<br />

Linguisten oder Chemiker: man hat<br />

kaum Chancen gegen KARYOPSE und SY-<br />

RINGE, MYOTOMIE und PHTHISIS, APEX<br />

und EXONYM, erst recht nicht gegen das<br />

Zeichnung:<br />

Oliver Weiss<br />

Wissen um die Kürzel sämtlicher Elemente.<br />

Aber all das und noch viel mehr steht im DU-<br />

DEN, der in Streitfällen – ein „Schwanzhund“<br />

kommt eben nicht vor! – als oberste Instanz<br />

maßgebend sein muss.<br />

Übrigens sind alle flektierten Formen erlaubt.<br />

Verben im Konjunktiv oder Mehrzahlwörter<br />

mit Ä, Ö oder Ü versprechen extra viele<br />

Punkte.<br />

In der obersten Liga spielt, wer die Zusatzprämie<br />

erringt. Diese 50 Punkte gibt es für das<br />

gleichzeitige Auslegen aller sieben Spielsteine.<br />

Hat der Startspieler C8 bis H8 mit dem Wort<br />

SCHAFE belegt und 34 Punkte kassiert, kontern<br />

Sie optimal mit SCHÖPFTE von H1 bis<br />

H8 und haben 149 Punkte: 99 für das Wort<br />

und 50, weil Sie alle Steine auf einmal losgeworden<br />

sind! Noch besser schneiden Sie ab,<br />

wenn ein Randfeld schon besetzt ist und Ihr<br />

Wort von einem bis zum nächsten roten Feld<br />

reicht. Hat ein Gegner gerade A2 bis E2 mit<br />

EXAKT belegt (30 Punkte), wäre es super<br />

für Sie, passende Steine vorausgesetzt, das<br />

E ebenfalls zu benutzen mit dem Imperativ<br />

VERQUICK von A1 bis A8 – das brächte,<br />

plus Zusatzprämie, 278 Punkte!<br />

Versuchen Sie es, dann wird der Duden bald<br />

Ihr Lieblingsbuch sein.<br />

Margarete Wein<br />

Ein- & Zweifamilienhäuser, Wohnungen & Gewerbeimmobilien<br />

www.immoHAL.de<br />

Beratungscenter “Am Leipziger Turm” � 0345-520490<br />

Bilderrätsel<br />

Was zeigt dieses Bild?<br />

Wie in den letzten Heften ist des Rätsels<br />

Lösung wieder in diesem <strong>Uni</strong>magazin<br />

versteckt.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen und Glück<br />

beim Betrachten der Bilder! Wer der<br />

Redaktion als erste(r) per Telefon, E-<br />

Mail, Fax oder (Haus-) Post die richtige<br />

Lösung übermittelt, auf die oder den<br />

wartet ein GUTSCHEIN im Wert von<br />

15 Euro, einzulösen im <strong>Uni</strong>-Shop im<br />

Marktschlösschen.<br />

Das Rätselfoto in der scientia halensis<br />

1/10, Seite 7, zeigte Kupferschiefer von<br />

einer Halde im Mansfelder Land.<br />

Viele Leser fanden das Foto auf Seite<br />

31 links, am schnellsten war jedoch Renate<br />

Koch, die in der Geschäftsstelle des<br />

Zentrums für Ingenieurwissenschaften<br />

für Beschaffung und Finanzen zuständig<br />

ist. Den versprochenen Zuschuss zum<br />

nächsten Einkauf im <strong>Uni</strong>-Shop hat sie<br />

bereits erhalten.


Goethe und die Gelehrten<br />

Ausstellung zeugt von vielfältigen Kontakten zur <strong>Uni</strong>versität<br />

R ALF-TORSTEN SPELER<br />

Die Zentrale Kustodie zeigt nach der großen Goethe-Ausstellung zum 250. Geburtstag des Dichters<br />

(1999) in diesem Jahr erneut eine Sonderausstellung zu Goethes wissenschaftlichen und<br />

künstlerischen Beziehungen zu Halle, insbesondere seine Kontakte zur <strong>Uni</strong>versität. Anlass ist<br />

die Jahrestagung der Vorstände der Ortsvereinigungen der Goethe-Gesellschaft e.V. Die Ausstellung<br />

im <strong>Uni</strong>versitätsmuseum ist vom 25. April bis zum 6. Juni zu sehen.<br />

Versäumen Sie ja nicht,<br />

sich in Halle umzusehen…<br />

(Goethe an Schiller, 1803)<br />

Seit dem Erscheinungsjahr der Wolfschen Prolegomena<br />

ad Homerum im Jahre 1795 bestand<br />

zwischen Goethe und dem berühmten halleschen<br />

Philologen und Altertumswissenschaftler<br />

Friedrich August Wolf bezüglich dessen bahnbrechender<br />

Homer-Kritik wissenschaftlicher<br />

Kontakt. Nach 1806 übernahm der Theologe<br />

August Hermann Niemeyer als Rektor und<br />

späterer Kanzler die ehrenvolle Aufgabe, die<br />

Verbindung der <strong>Uni</strong>versität und ihres Lehrkörpers<br />

zu Goethe aufrecht zu halten.<br />

Goethe und Niemeyer besuchten sich häufig in<br />

Weimar und Halle. Im Juli 18<strong>02</strong> vermittelten<br />

Wolf und Niemeyer ein Zusammentreffen<br />

Goethes mit den Naturwissenschaftlern Georg<br />

Simon Klügel und Ludwig Wilhelm Gilbert,<br />

deren physikalischen Versuchen er beiwohnte.<br />

Weitere hallesche Gelehrte wie die Theologen<br />

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und<br />

Friedrich August Gotttreu Tholuck, der Naturphilosoph<br />

Henrik Steffens, Mediziner wie<br />

Franz Joseph Gall, Justus Christian von Loder,<br />

Johann Friedrich und Philipp Friedrich Theodor<br />

Meckel und Johann Christian Reil standen<br />

mit Goethe im wissenschaftlichen Austausch.<br />

Die Goethe-Ausstellung zeigt anhand von Exponaten<br />

aus dem Besitz der <strong>Uni</strong>versität Goethes<br />

vielfältige Beziehungen zu diesen halleschen<br />

Gelehrten, zu <strong>Uni</strong>versitätsinstituten und<br />

akademischen Sammlungen, zum Beispiel zum<br />

ersten deutschen Philologischen Institut oder<br />

zum Botanischen Garten, der Anatomischen,<br />

Zoologischen und der Archäologischen Sammlung,<br />

dem Kupferstichkabinett und dem Museum<br />

für Haustierkunde „Julius Kühn“.<br />

Der Begründer des <strong>Uni</strong>versitätskupferstichkabinetts,<br />

der Weimarer Maler und Graphiker<br />

Adam Immanuel Weise, wurde von Goethe zu<br />

Ordnungsarbeiten in seiner Kupferstichsammlung<br />

herangezogen. In der Ausstellung sind<br />

die Kupferstiche zu sehen, deren Exemplare<br />

sowohl Goethe als auch Weise in ihren Privatsammlungen<br />

hatten. Weises Beispiele befinden<br />

sich heute im MLU-Kupferstichkabinett.<br />

Zahlreiche zum Teil noch nicht ausgestellte<br />

Gemälde, wie ein Porträt des Großherzogs Carl<br />

August, Ansichten von Goethes Wohnhaus am<br />

Frauenplan oder eine Landschaftsdarstellung<br />

des Harzes stammen aus der Kunstsammlung<br />

der <strong>Uni</strong>versität. Eine besondere Kuriosität aus<br />

der Haustiersammlung ist das Skelett eines<br />

dreihörnigen Ziegenbocks, das sich ursprünglich<br />

in der Tierarzneischule Jena befand, um<br />

die sich Goethe fürsorglich kümmerte. Es ist<br />

belegt, dass der Großherzog<br />

Carl Alexander als junger<br />

Prinz auf ihm geritten ist.<br />

Goethes Vogelskelettsammlung<br />

wurde in den 1970er<br />

Jahren nach Halle gebracht<br />

und wissenschaftlich bearbeitet.<br />

Aus der Phonetischen<br />

Sammlung werden ein altes<br />

Grammophon und historische<br />

Schallplatten mit bemerkenswerten<br />

Aufnahmen<br />

aus „Faust“, „Prometheus“<br />

und „Götz von Berlichingen“,<br />

gesprochen um 1920<br />

Goethe in seinem Haus am<br />

Frauenplan in Weimar. Ölgemälde<br />

von Otto Rasch, um 1900 (aus<br />

dem Nachlass der Goethe-Sammlung<br />

Günther Schmid, Zentrale<br />

Kustodie, Kunstsammlung).<br />

Foto: Reinhard Henze<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Goethe-Ausstellung<br />

Museum <strong>Uni</strong>versitatis im Löwengebäude,<br />

<strong>Uni</strong>versitätsplatz 11<br />

Dauer: 25. April bis 6. Juni 2010<br />

Eröffnung: 23. April, 18.00 Uhr<br />

Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 10 bis 13<br />

und 14 bis 18 Uhr, Sonntags von 14 bis 18 Uhr<br />

Im Begleitprogramm gibt es Führungen (sonntags,<br />

15 Uhr / 25. April, 9. Mai, 30. Mai, 6. Juni mit<br />

Finissage) und Vorträge (donnerstags, 18 Uhr,<br />

Historischer Hörsaal (29. April, 6. Mai, 13./14. Mai,<br />

22. Juni).<br />

Heilkunst-Helden<br />

Achim Lipp: „Hallesche Helden der Heilkunst“<br />

Zentrale Kustodie / Kupferstichkabinett<br />

Ausstellung vom 16. April bis 6. Juni 2010<br />

Eröffnung: Donnerstag, 15. April, 18 Uhr<br />

Die Werke dieser Ausstellung beschäftigen sich<br />

mit herausragenden historischen Persönlichkeiten<br />

der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg. Es<br />

sind ausschließlich Mitglieder der Medizinischen<br />

Fakultät, unter anderem Friedrich Hoffmann, Johann<br />

Christian Reil oder Richard von Volkmann.<br />

Museumsnacht<br />

11. Museumsnacht Halle – Leipzig<br />

Samstag, 24. April, 18 bis 1 Uhr<br />

u. a. Vortrag um 19 Uhr, Historischer Sessionssaal,<br />

Löwengebäude, <strong>Uni</strong>versitätsplatz 11<br />

„Friedrich Hoffmann und seine Professorenkollegen<br />

in den Gelehrtenbildern der Kunstsammlung der<br />

<strong>Uni</strong>versität“ (Dr. Ralf-Torsten Speler, Leiter der<br />

Zentralen Kustodie)<br />

Nähere Informationen im Internet:<br />

www.kustodie.uni-halle.de/museum/ausstellungen<br />

von Heinrich George, gezeigt. An einer Hörstation<br />

kann der Besucher diese Beispiele abrufen.<br />

Der umfangreichste Bestand an Büchern<br />

und Autographen zur Goethe-Zeit, insbesondere<br />

aus dem Nachlass des halleschen Goethe-Sammlers<br />

und Forschers Prof. Dr. Günther<br />

Schmid, stammt aus den Sondersammlungen<br />

der <strong>Uni</strong>versitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.<br />

■<br />

Dr. Ralf-Torsten Speler<br />

Leiter der Zentralen Kustodie<br />

Telefon: 0345 55 21732<br />

E-Mail: r-t.speler@kustodie.uni-halle.de<br />

Internet: www.kustodie.uni-halle.de<br />

9<br />

V ARIA


10<br />

T ITELTHEMA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

ıVom Kunden her denken„<br />

UNIVATIONS jetzt „Dach für alles“ –<br />

die Projektleiter im Interview<br />

C ORINNA BERTZ UND UTE OLBERTZ<br />

Der berühmte Schritt in die Selbstständigkeit erfordert nicht nur eine gehörige Portion Mut<br />

– wichtig für Firmengründer ist vor allem, kompetente Partner an ihrer Seite zu wissen, um<br />

Risiken abzuschätzen. Ein sehr guter Ruf eilt in diesen Fragen dem Hochschulgründernetzwerk<br />

UNIVATIONS an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg (MLU) voraus. Bei der Förderung<br />

angehender Unternehmer in Sachsen-Anhalt kann es nachhaltige Erfolge verbuchen. Im<br />

Interview mit dem <strong>Uni</strong>versitätsmagazin sprachen die gemeinsamen Initiatoren und Projektleiter<br />

von UNIVATIONS, Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und Dr. Ulf-Marten Schmieder, über ihr<br />

„Erfolgsrezept“ und die Besonderheiten des An-Instituts der MLU.<br />

Wer an den Hochschulen des Landes eine<br />

Gründungsidee hat, dem fällt als Ansprechpartner<br />

sofort UNIVATIONS ein. Nun gibt es<br />

aber seit drei Jahren auch das An-Institut für<br />

Innovation und Entrepreneurship (IIE) an der<br />

MLU, bekannt als Koordinator der Aktivitäten<br />

von UNIVATIONS, Scidea und des Schüler-<br />

Businessplanwettbewerbs futurego. Ist<br />

UNIVATIONS ein untergeordnetes Projekt?<br />

Neubert: Nein, jetzt nicht mehr. Weil der Name<br />

UNIVATIONS so gut angenommen wurde<br />

und zu einer international bekannten Marke<br />

der Gründerförderung avancierte, gibt es eine<br />

Umbenennung: Das An-Institut IIE trägt ab<br />

sofort den übergeordneten Namen UNIVA-<br />

TIONS, der allein durch seine Kürze und Prägnanz<br />

einprägsam und leichter auszusprechen<br />

ist. Über allem steht letztlich das Ziel der stärkeren<br />

Verwertung universitärer Innovationen.<br />

Schmieder: UNIVATIONS wird somit zur<br />

Dachmarke unserer Aktivitäten in der Schnittstelle<br />

zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Zu den Aufgaben- und Forschungsbereichen<br />

zählen die Innovations- und Gründungsförderung,<br />

der Wissens- und Technologietransfer<br />

sowie die wissenschaftliche Weiterbildung.<br />

Mittelpunkt unserer Arbeit bleiben aber die<br />

potenziellen Gründer, die nach ihren Bedürfnissen<br />

im gesamten Gründungsprozess<br />

betreut und aus den entsprechenden Töpfen<br />

des Landes, des Bundes und der EU gefördert<br />

werden.<br />

UNIVATIONS unterstützt seit 2004 Existenzgründungen<br />

und den Technologietransfer aus<br />

den Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

des Landes Sachsen-Anhalt. Wie hoch ist sein<br />

Stellenwert einzuschätzen?<br />

Neubert: Das An-Institut hat eine ganz wichtige<br />

regionale Bedeutung, denn es bündelt<br />

die Gründungskompetenz der <strong>Uni</strong>versität und<br />

kombiniert sie mit einem ganzheitlichen Ansatz<br />

der Gründungsforschung und -förderung.<br />

In vielen deutschen <strong>Uni</strong>versitäten wurde für<br />

diese Aufgaben eine Existenzgründungsprofessur<br />

eingerichtet. In Halle gibt es eine solche<br />

Professur nicht. Deshalb haben wir das Thema<br />

auf mehrere Lehrstühle<br />

verteilt und<br />

so aus der Not eine<br />

Tugend gemacht,<br />

die sich in der Vielschichtigkeit<br />

der Projekte<br />

niederschlägt.<br />

Daraus entwickelte<br />

sich zugleich die Besonderheit<br />

von UNIVATIONS: Es bietet verschiedene<br />

Programme, die sich sowohl in ihren<br />

Zielgruppen als auch in den Zielsetzungen<br />

unterscheiden. Vielleicht ist das sogar eines<br />

der Geheimnisse um den Erfolg.<br />

Schmieder: Außerdem setzen wir auf Interdisziplinarität.<br />

Natur- und Geisteswissenschaftler<br />

gründen gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftlern<br />

– und zwar hochschulübergreifend!<br />

Wir haben zwischen den vier Hochschulen im<br />

südlichen Sachsen-Anhalt ein erfolgreiches<br />

partnerschaftliches Netzwerk etabliert, und<br />

teilen das Know-how, welches wir über die<br />

sechs Jahre, die wir uns nun schon mit dem<br />

Thema Gründung beschäftigen, gesammelt<br />

„Die Wachstumsphase<br />

ist die schwierigste“<br />

Ulf-Marten Schmieder<br />

haben. Die anwendungsorientierte Ausrichtung<br />

der Angebote ist ein weiterer Baustein<br />

des Erfolgs. Mittlerweile ist UNIVATIONS<br />

selbst zum Qualitätssiegel geworden. In einer<br />

Studie der Organisation für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung wurde das<br />

hallesche Modell im Jahr 2009 sogar als „best<br />

practice Modell“ zur weltweiten Nachahmung<br />

empfohlen.<br />

Gemeinsames Anliegen ist es, die Zahl der<br />

Unternehmensgründungen in der Region zu<br />

erhöhen, damit innovative Köpfe im Land zu<br />

halten und zugleich Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Welche Zwischenbilanz lässt sich ziehen?<br />

Schmieder: Wir können heute eine überaus<br />

erfolgreiche Bilanz ziehen. Um einige Zahlen<br />

zu nennen: Seit 2004 gab es in den über<br />

400 Veranstaltungen des Netzwerks, darunter<br />

Workshops, Gründerakademien und Ringvorlesungen,<br />

insgesamt rund 3 000 interessierte<br />

Teilnehmer. Von über<br />

300 angeschobenen<br />

Projekten, die wir<br />

beraten und begleitet<br />

haben, kam es bei<br />

167 tatsächlich zur<br />

Gründung eines Unternehmens.<br />

Davon<br />

wiederum konnten<br />

sich über 80 Prozent bis heute dauerhaft auf<br />

dem Markt behaupten und mehr als 500 Arbeitsplätze<br />

schaffen.<br />

Wir haben es auch geschafft, Unternehmen<br />

ohne regionalen Bezug ins Land zu holen. Im<br />

April wird zum Beispiel in Halle die Produktionsstätte<br />

der ThermHex Waben GmbH eingeweiht.<br />

Der Unternehmensgründer hat sich<br />

aufgrund der langjährig intensiven Betreuung<br />

durch UNIVATIONS für eine Ansiedlung aus<br />

Belgien in Sachsen-Anhalt entschieden, darauf<br />

sind wir schon ein wenig stolz.<br />

Gründungsberatungs- und Transferzentrum Weinberg Campus<br />

Das Beratungs- und Transferzentrum des UNIVATIONS - Instituts für Innovation & Entrepreneurship an der<br />

Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität befindet sich auf dem Weinberg Campus, Weinbergweg 23, und ist von Montag<br />

bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet.<br />

Dank der Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und weitere Institutionen sind die<br />

Angebote kostenfrei.<br />

Förderprogramme und Finanzierung<br />

Das Institut vermittelt Existenzgründern Stipendien und Fördergelder, z.B. für Personalkosten, Sachmittel<br />

oder Prototypenentwicklung sowie Kapitalgeber für die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung.<br />

Weitere Informationen gibt es unter www.univations.de und www.investforum.de.


Welche Firmen oder Ausgründungen haben<br />

sich bundesweit einen Namen gemacht?<br />

Schmieder: Hier am Weinberg Campus sitzt<br />

beispielsweise die Probiodrug AG, mittlerweile<br />

eines der größten inhabergeführten<br />

Biotechnologieunternehmen Deutschlands.<br />

Beide Gründer kommen aus den Naturwissenschaften<br />

und führen ihr Unternehmen mit<br />

großem Erfolg. Gleiches gilt für die Unternehmen<br />

itCampus und Gollmann Kommissioniersysteme,<br />

die zusammen über 150 Arbeitsplätze<br />

geschaffen haben.<br />

Welche Strategien haben Sie, Gründungsinteressenten<br />

zum Erfolg zu bringen?<br />

Schmieder: Zu uns kommen potenzielle Existenzgründer,<br />

weil sie überzeugt sind, dass die<br />

Welt ihr Produkt braucht. Aber braucht sie es<br />

wirklich? Das prüfen wir bei UNIVATIONS.<br />

Gemeinsam analysieren wir den Markt, erarbeiten<br />

einen Businessplan und ermitteln den<br />

Kapitalbedarf. Der Gründer lernt bei uns, vom<br />

Kunden her zu denken. Wir begleiten und<br />

beraten ihn bei kaufmännischen Angelegenheiten,<br />

Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten<br />

oder rechtlichen Aspekten und zwar<br />

auch noch bis zu fünf Jahre nach der Gründung,<br />

denn die Wachstumsphase ist für Unternehmen<br />

erfahrungsgemäß die schwierigste.<br />

Außerdem hat UNIVATIONS mehr als dreißig<br />

Partner in den unterschiedlichsten Branchen<br />

und kann so gezielt Kontakte knüpfen. Zu unseren<br />

Kooperationspartnern gehören neben<br />

den Akteuren der Existenzgründungsoffensive<br />

des Landes unter anderem Technologie- und<br />

Gründerzentren, Kammern, Wirtschaftsförderungsgesellschaften,<br />

Wirtschaftsverbände,<br />

Cluster-Manager sowie renommierte Banken<br />

und Förderinstitute. Nicht zuletzt bieten wir<br />

Räumlichkeiten sowie den Zugang zu Geräten,<br />

Anlagen und Laboren.<br />

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang<br />

das Investforum Sachsen-Anhalt, das 2009<br />

erstmals von UNIVATIONS organisiert wurde?<br />

Neubert: Wissenschaftler sind bei Gründungen<br />

auf private Investoren – insbesondere<br />

auf Eigen- bzw. Risikokapitalgeber – angewiesen.<br />

Das Investforum soll deshalb junge<br />

innovative Unternehmen und Investoren zusammen<br />

bringen. In einem strukturschwachen<br />

Bundesland wie Sachsen-Anhalt ist ein Netzwerk<br />

solcher Investoren dringend notwendig.<br />

Im Forum erhalten Gründer die Chance, ihre<br />

Konzepte vor privaten und öffentlichen Investoren<br />

zu präsentieren, anschließend entscheiden<br />

diese über eine Finanzierung.<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Die Projektleiter des Gründernetzwerks Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Neubert und Dr. Ulf-Marten Schmieder<br />

Welche Vorhaben wollen Sie in der nächsten<br />

Zeit in Angriff nehmen?<br />

Schmieder: Im Bereich Gründungsförderung<br />

starten ab Juli neue Angebote zur Förderung<br />

von Gründerinnen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften<br />

sowie für Unternehmen der<br />

Kreativwirtschaft. Außerdem ist 2010/11 der<br />

Aufbau von Inkubatoren zur Produktion von<br />

Prototypen geplant,<br />

insbesondere für die<br />

naturwissenschaftlich-technischen<br />

Bereiche der <strong>Uni</strong>versität.<br />

Die Aktivitäten<br />

im Bereich Technologietransfer<br />

werden<br />

ausgebaut. Beispielsweise<br />

gibt es zur Zeit<br />

ein spannendes Transfer-Projekt mit mehr als<br />

20 Unternehmen aus der Ernährungsbranche.<br />

In einer Art „Innovationslabor für den Mittelstand“<br />

werden neue Produkte entwickelt,<br />

im realen Marktumfeld getestet und in einem<br />

Neuheiten-Regal bei Edeka präsentiert. Außerdem<br />

wollen wir verstärkt Alumni-Gründer<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Neubert<br />

UNIVATIONS Sachsen-Anhalt<br />

Telefon: 0345 55 25000<br />

E-Mail: reinhard.neubert@pharmazie.uni-halle.de<br />

„Wir haben aus der Not<br />

eine Tugend gemacht“<br />

Reinhard Neubert<br />

aufspüren, um sie in Kooperationen einzubinden<br />

und für Drittmittelprojekte zu gewinnen.<br />

Es handelt sich dabei um Firmen, die von Absolventen<br />

und Wissenschaftlern aus der halleschen<br />

<strong>Uni</strong> gegründet worden sind.<br />

Neubert: Entwicklungsbedarf gibt es auch<br />

bei der Drittmitteleinwerbung und im Bereich<br />

wissenschaftliche Weiterbildung. Wichtig ist,<br />

unternehmerisches<br />

Denken überall in der<br />

universitären Lehre<br />

noch stärker zu verankern,<br />

es sollte sich<br />

durch alle Lehrveranstaltungen<br />

ziehen.<br />

Letztlich geht es ja<br />

auch für den Nachwuchs<br />

darum, Forschungsergebnisse<br />

mit Innovationspotenzial<br />

zu erkennen, die sich für den direkten Transfer<br />

in die Wirtschaft eignen bzw. aus denen Gründungsideen<br />

entstehen können. All das setzt<br />

natürlich eine weiterhin sehr gute Grundlagen-<br />

forschung voraus.<br />

Dr. Ulf-Marten Schmieder<br />

UNIVATIONS Sachsen-Anhalt<br />

Telefon: 0345 55 22955<br />

E-Mail: info@univations.de<br />

■<br />

11<br />

T ITELTHEMA


12<br />

T ITELTHEMA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Grüne Gründer für Land<br />

und Wirtschaft<br />

Zwei MLU-Absolventen produzieren Biofolie aus Proteinen<br />

C ORINNA BERTZ<br />

Noch ein Glas Bionade zum Biobrötchen? Biowaren sind allgegenwärtig und werden immer<br />

häufiger vorbildlich im Stoffbeutel nach Hause getragen. Verpackt sind sie allerdings meist<br />

nach wie vor in Kunststofffolie. Ökologisch sinnvoller ist dagegen kompostierbare, ungiftige<br />

Biofolie. Ökonomisch tragbar ist sie auch – davon sind zumindest die Diplomingenieurin Isabell<br />

Stolte und der Wirtschaftsingenieur Dr.-Ing. Patrick Frohberg überzeugt. Seit einem halben Jahr<br />

bereiten die beiden MLU-Absolventen am Weinberg Campus die Gründung von Protein2Plastix<br />

vor. In dem Unternehmen wollen sie umweltfreundliche Folien aus Proteinen selbst entwickeln,<br />

herstellen und vertreiben. Erste Anwendungen sind in der Landwirtschaft geplant.<br />

Auf den ersten Blick sind die Biofolien kaum<br />

von herkömmlichen zu unterscheiden, erst bei<br />

genauem Hinsehen wird eine leicht beige Tönung<br />

sichtbar. Hält man eine der organischen<br />

Folien dann in der Hand, wird der Unterschied<br />

deutlicher: sie ist ungewöhnlich biegsam und<br />

lässt sich nicht so einfach knicken. „Unser<br />

großer Vorteil ist, dass wir die Folieneigenschaften<br />

ganz gezielt und je nach Wunsch des<br />

Kunden steuern können. Wir legen bei der<br />

Herstellung fest, wie wasserresistent die Folien<br />

sind oder wie schnell sie sich zersetzen“,<br />

sagt Dr. Patrick Frohberg.<br />

Spätestens im Frühjahr 2011 sollen bei Protein2Plastix<br />

im Kundenauftrag die ersten Folien<br />

in der Agrarwirtschaft eingesetzt werden. „Sie<br />

können in der Landwirtschaft zum Abdecken<br />

von Feldern genutzt werden oder in der Pharmazie,<br />

als Ersatz für die Pillenkapseln aus Gelatine,<br />

also aus Schweinegewebe, die gläubige<br />

Muslime nicht einnehmen können“, erläutert<br />

der 30-jährige Wirtschaftsingenieur. Als Doktorand<br />

stieß er 2006 zum Forschungsteam<br />

um Prof. Dr. Markus Pietzsch vom<br />

Institut für Pharmazie der MLU.<br />

Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr.<br />

h. c. Joachim Ulrich vom<br />

Lehrstuhl für ThermischeVerfahrenstechnik<br />

verfolgte<br />

Markus Pietzsch<br />

das Ziel, die<br />

folienbildenden<br />

Eigenschaften<br />

von Proteinen für<br />

die Herstellung völlig<br />

neuartiger Biowerkstoffe<br />

zu nutzen.<br />

In seiner Doktorarbeit entwickelte<br />

Frohberg ein thermoplastisches<br />

Verfahren, mit dem<br />

die Folien auf Proteinbasis auch im<br />

Massenproduktionsverfahren hergestellt<br />

werden können. Damit nahm die<br />

Gründungsidee konkrete Formen an. Seine<br />

zukünftige Geschäftspartnerin Isabell Stolte<br />

beschäftigte sich im Rahmen ihrer Diplom-<br />

arbeit bei Professor Pietzsch mit den Materialeigenschaften<br />

proteinogener Biowerkstoffe<br />

und war vom Marktpotenzial des Produkts<br />

überzeugt. „Es gibt zwar bereits einige Unternehmen<br />

für Biofolien, aber die meisten dieser<br />

Folien sind nicht vollständig abbaubar, weil<br />

sie zu Teilen immer noch aus konventionellem<br />

Polymer bestehen“, betont sie.<br />

„Wir beziehen die Proteine zur Zeit aus der<br />

Milchindustrie und von stärkeproduzierenden<br />

Unternehmen, wo sie als Beiprodukt anfallen“,<br />

erzählt Frohberg. „Wir nutzen also einen<br />

Rohstoff, der sowieso vorhanden ist und für<br />

den es noch keinen Markt gibt“, bringt es der<br />

zukünftige Geschäftsführer von Protein2Plastix<br />

auf den Punkt. Aber nicht allein die wirtschaftliche<br />

Seite sondern auch der Aspekt der<br />

Umweltfreundlichkeit war den beiden Gründern<br />

wichtig.<br />

Rein biologisch und noch dazu essbar:<br />

die Biofolien von Protein2Plastix.<br />

Fotos: Maike Glöckner<br />

Frohberg hatte sich bereits im Studium auf<br />

den Schwerpunkt Umweltmanagement festgelegt<br />

und auch Bioingenieurin Stolte wollte<br />

sich nach ihrem Studienabschluss auf nachwachsende<br />

Rohstoffe spezialisieren.<br />

Parallel zur ihrer Doktor- und Diplomarbeit<br />

schrieben sie deshalb gemeinsam den Antrag<br />

für ein EXIST-Gründerstipendium, das Unternehmensgründer<br />

ein Jahr vor der Gründung<br />

mit monatlich 2000 Euro unterstützt. In das<br />

Ideenpapier zu diesem Antrag gehörte bereits<br />

eine Marktrecherche sowie eine erste Unternehmensplanung<br />

inklusive einer Kalkulation<br />

des Finanzbedarfs. Bei Fragen zur Antragstellung<br />

wurden die beiden Bewerber von SCI-<br />

DEA unterstützt. Wertvolle fachliche Hinweise<br />

lieferten die beiden betreuenden Professoren<br />

Markus Pietzsch und Joachim Ulrich.<br />

S ELBSTSTÄNDIG HEISST SELBST UND STÄNDIG<br />

Mit dem erfolgreichen Antrag für ein EXIST-<br />

Gründerstipendium, einem Förderprogramm<br />

des Bundesministeriums für Wirtschaft und<br />

Technologie, war ein erster Meilenstein geschafft<br />

und aus der Idee wurde ein Plan, dem<br />

die beiden Stipendiaten jetzt ihre volle Aufmerksamkeit<br />

und Energie widmen. Von Marketing<br />

und Messeauftritten über Rechts- und<br />

Steuerfragen, Investorenakquise und Mitarbeiterleitung<br />

bis hin zum Aufbau und der Pflege<br />

von Kundenkontakten – jeder neue Schritt<br />

erfordert Professionalität und Handlungssicherheit,<br />

denn jeder Fehler könnte den Traum<br />

vom eigenen Unternehmen zunichte machen.<br />

Gründer sollten alles können oder müssen<br />

zumindest den Willen haben, es in möglichst<br />

kurzer Zeit zu lernen.


SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Isabell Stolte und Patrick Frohberg präsentieren die ersten industriell hergestellten kompostierbaren Folien auf dem Julius-Kühn-Versuchsfeld der MLU.<br />

Deshalb besucht Isabell Stolte verschiedene<br />

UNIVATIONS-Seminare zu BWL-Themen, zu<br />

Buchführung und Zeitmanagement. Genauso<br />

wichtig wie Fachkenntnisse ist folglich auch<br />

die Bereitschaft, mehr als 40 Stunden die Woche<br />

in seine Arbeit zu investieren: „Im Moment<br />

arbeiten wir von früh bis spät und auch<br />

am Wochenende“, erzählt die 26-Jährige, die<br />

sich seit Jahresbeginn mit ihrem Gründungspartner<br />

ein eigenes Büro auf dem Weinberg<br />

Campus teilt.<br />

Zur Zeit ist sie allerdings häufiger in den beiden<br />

Laboren am Biozentrum anzutreffen. Dort<br />

arbeitet die junge Frau, die nach der Firmengründung<br />

den Forschungs- und Entwicklungsbereich<br />

leiten wird, an der Optimierung der<br />

Folien, während Frohberg sich immer häufiger<br />

mit potenziellen Kunden trifft. „So ergänzen<br />

wir uns ganz gut“, sind sich die beiden einig.<br />

Als Team können sie auch die schwierigen ersten<br />

Monate nach der Gründung meistern, sagen<br />

sie. „In meiner Familie habe ich gesehen,<br />

was für eine große finanzielle und auch mentale<br />

Belastung ein Unternehmen direkt nach<br />

der Gründung darstellt“, erzählt Stolte. „Aber<br />

wenn man einmal den Mut hat, diesen großen<br />

Schritt zu gehen, dann wird sich das letztlich<br />

auszahlen“, ist Patrick Frohberg überzeugt und<br />

seine Geschäftspartnerin stimmt zu: „Es ist<br />

einfach eine tolle Chance, diese Herausforderung<br />

anzugehen und nicht im Alter dasitzen zu<br />

müssen und zu bedauern, dass man so etwas<br />

nicht gemacht hat.“<br />

Bislang fühlen sich die beiden angehenden<br />

Gründer am Weinberg Campus optimal unterstützt,<br />

was nicht zuletzt auch an ihrem Personal<br />

Coach liegen dürfte, der ihnen von UNI-<br />

VATIONS zur Seite gestellt wurde:<br />

Dr. Ulf-Marten Schmieder, der seit über fünf<br />

Jahren Gründer begleitet, konnte den beiden<br />

viele wertvolle Kontakte und Tipps vermitteln.<br />

Zudem gibt es auch nach der Gründung noch<br />

Dipl.-Ing. Isabell Stolte<br />

Protein2Plastix<br />

Telefon: 0345 55 28 414<br />

E-Mail: Isabell.stolte@iw.uni-halle.de<br />

verschiedene Möglichkeiten der Förderung.<br />

Neben speziellen Finanzierungsangeboten für<br />

technologiebasierte Jungunternehmen etwa<br />

des High-Tech Gründerfonds, der Kreditanstalt<br />

für Wiederaufbau oder durch so genannte<br />

Business Angels gibt es auch die Möglichkeit,<br />

Diplomanden und Doktoranden zu beschäftigen,<br />

um in der Forschung weiterzuarbeiten.<br />

Wer das Risiko und den Arbeitsaufwand nicht<br />

scheut, dem kann Frohberg das Gründen nur<br />

empfehlen: „Diesen ganzen Prozess von Beginn<br />

an nicht nur zu begleiten, sondern ihn<br />

auch zu steuern, ist eine einmalige Gelegenheit<br />

und der spannendste Weg das Unternehmertum<br />

kennenzulernen.“<br />

■<br />

Dr.-Ing. Patrick Frohberg<br />

Protein2Plastix<br />

Telefon: 0345 55 28 414<br />

E-Mail: patrick.frohberg@iw.uni-halle.de<br />

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T ITELTHEMA


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SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

D R. USUS ZEITGEIST<br />

Lasst uns eine <strong>Uni</strong><br />

gründen<br />

Martin Luther hat ausgedient, auf welches<br />

ökonomische Modell beruft er sich überhaupt?<br />

Lassen wir Haushaltslöcher und Schuldenberge<br />

hinter uns und geben Gas für die<br />

Neugründung. Wir beginnen mit einem<br />

Kick-Off-Meeting an der MLU (der Name<br />

– die Marke – steht natürlich auch zur Diskussion).<br />

McKinsey zieht vorübergehend<br />

ins Rektorat und übernimmt das Consulting.<br />

Mit ein paar Workshops und ein bisschen<br />

Coaching zum Humanressourcenmanagement<br />

wird ein nachhaltiger Businessplan<br />

für die StartUp-<strong>Uni</strong> von morgen herbeigezaubert.<br />

Der Input stimmt schon mal: 18 100 motivierte,<br />

unverbrauchte junge Leistungsträger<br />

– der Traum eines jeden Personalers!<br />

Bachelor-geknebelt absolvieren sie ihr<br />

Studium im Schnelldurchlauf und steigern<br />

so ihren Marktwert ins Unermessliche.<br />

Wahre Goldstücke, die da produziert und<br />

anschließend einfach so dem Arbeitsmarkt<br />

geschenkt werden! Und das nur, weil ein<br />

paar Unbeirrbare noch immer von wahrer<br />

Bildung statt der Ware Bildung träumen?<br />

Sicher, Platon wäre stolz gewesen ob solch<br />

selbstloser Ausbildungswut. Ökonomisch<br />

durchdacht ist das mit dem Gemeinnutzen<br />

aber nicht. Hätten die Griechen neben der<br />

Pädagogik doch nur die Kosten-Nutzen-<br />

Maxime gleich mit erfunden!<br />

Aber auf dieses ökonomische Prinzip sind<br />

die Briten gestoßen, wie auch auf so viele<br />

Begriffe aus der Welt des Business.<br />

Wer sich trotzdem lieber an den alten<br />

Weisen orientieren will, der sei bitteschön<br />

auch konsequent: Gelehrt wird zukünftig<br />

kostengünstig auf den offenen Plätzen der<br />

Stadt und das nur noch vom Frühling bis in<br />

den Herbst – solange es grün ist. Damit die<br />

Corporate Identity der <strong>Uni</strong> gewahrt bleibt.<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

Gründer entwickeln Alters-TÜV für Betonbauten<br />

Das hallesche Gründerteam „Nonlin“ entwickelt eine neue Software, mit der die Statik von Betonbauten<br />

erheblich genauer berechnet und sogar deren Alterung simuliert werden kann. Mit ihrem Vorhaben<br />

gewannen die drei Diplomingenieure Stephan Mucha, Thomas Püschel und Gunter Schenck den mit 7500 Euro<br />

dotierten ersten Preis im Businessplanwettbewerb Sachsen-Anhalt 2009. Foto: Michael Deutsch<br />

IQ-Innovationspreis<br />

Halle 2010<br />

Der mit 5000 Euro dotierte IQ-Innovationspreis<br />

Halle wird in diesem Jahr durch die<br />

Stadt Halle und die MLU gemeinsam vergeben.<br />

IQ steht dabei für „InnovationsQuotient“.<br />

Neben dem Geldpreis erhält der beste Existenzgründer<br />

ein Gründercoaching durch das<br />

UNIVATIONS Institut sowie ein PR-Coaching<br />

durch die Agentur signum.<br />

Bis zum 7. März konnten sich Unternehmer,<br />

Gründer, Studenten und Forscher mit ihren<br />

Entwicklungen aus regional starken Innovationsbranchen<br />

wie Energie und Umwelt,<br />

Ernährungswirtschaft oder der Informationstechnologie<br />

für den Preis sowie gleichzeitig<br />

für den IQ Innovationspreis Mitteldeutschland<br />

bewerben. Insgesamt 126 Bewerbungen aus<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gingen<br />

in diesem Jahr ein.<br />

Die Preisträger werden am 17. Juni 2010 in<br />

Gera bekanntgegeben. Der IQ-Preis Mitteldeutschland<br />

ist die Dachmarke der lokalen IQ-<br />

Wettbewerbe und wird durch die Wirtschaftsinitiative<br />

für Mitteldeutschland umgesetzt.<br />

Weitere Informationen im Internet: www.iqmitteldeutschland.de.<br />

Corinna Bertz<br />

Wolfgang-Wirichs-<br />

Förderpreis 2010<br />

Für sein Forschungsprojekt<br />

„Integrierte Multichannel-Kommunikation<br />

im<br />

Einzelhandel“ wurde Dr.<br />

Ulf-Marten Schmieder (Foto:<br />

UNIVATIONS) mit dem<br />

Wolfgang-Wirichs-Förderpreis<br />

ausgezeichnet. Der Preis gehört zu den bedeutendsten<br />

wissenschaftlichen Auszeichnungen<br />

im Bereich des Handels. Die Ergebnisse der<br />

marketingtheoretisch, informationstechnisch<br />

und empirisch fundierten Untersuchung leisten<br />

einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung<br />

von Kommunikationsaktivitäten. In<br />

dem Projekt am Lehrstuhl für Marketing &<br />

Handel wurden Kommunikationskonzepte und<br />

Entscheidungshilfen für die Integration alternativer<br />

Kommunikationskanäle im Multichannel-Retailing<br />

erarbeitet. Dem Lehrstuhl von<br />

Prof. Dr. Dirk Möhlenbruch wird damit bereits<br />

zum zweiten Mal nach 2007 diese wichtige<br />

Auszeichnung in der Handelsforschung zuteil.<br />

Der „Wolfgang-Wirichs-Förderpreis Handel“<br />

zeichnet insbesondere Wissenschaftler aus, deren<br />

Arbeiten zu innovativen Problemlösungen<br />

für den Handel führen. Ute Olbertz<br />

Webcodes<br />

SH-857 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Mehr über Ulf-Marten Schmieder<br />

SH-858 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Mehr über das Gründerteam „Nonlin“


Rhetorik-Training von der<br />

Einzelkämpferin<br />

Claudia Gebauer vermittelt sprachliche Kompetenzen<br />

als Selbstständige<br />

J ANINE BORNEMANN<br />

Ob im Gespräch, in Sitzungen oder in Präsentationssituationen, rhetorische und kommunikative<br />

Fähigkeiten sind im beruflichen Alltag unverzichtbar. Um diese Kompetenzen zu schulen, bietet<br />

Claudia Gebauer Trainings, Coaching und Beratungen in den Bereichen Rhetorik, Kommunikation<br />

und Sprecherziehung an. Die Diplom-Sprechwissenschaftlerin arbeitet seit ihrem Studienabschluss<br />

vor fünf Jahren in der Selbstständigkeit.<br />

Je nach Zielgruppe geht Claudia Gebauer<br />

individuell auf die jeweilige Situation, Bedürfnisse<br />

und Ziele ihrer Kunden ein. Für<br />

ihre Auftraggeber steht dabei der berufliche<br />

Aspekt im Vordergrund, weshalb es sich<br />

hauptsächlich um Unternehmen und öffentliche<br />

Einrichtungen handelt. „Wichtig ist mir,<br />

Prozesse gemeinsam, wirksam und nachhal-<br />

Claudia Gebauer bietet Trainings, Coaching und Beratungen in den Bereichen<br />

Rhetorik, Kommunikation und Sprecherziehung an. Foto: Maike Glöckner<br />

tig zu gestalten“, sagt die 31-Jährige. Dazu<br />

arbeitet die Diplom-Sprechwissenschaftlerin<br />

mit vielfältigen Methoden und einem direkten<br />

Praxisbezug, um den Transfer in den Alltag<br />

zu erleichtern. Zur intensiven Reflexion und<br />

gezielten Weiterentwicklung des Kommunikations-<br />

und Sprechverhaltens nutzt Claudia<br />

Gebauer unter anderem auch Videokamera<br />

und Tonaufnahmegerät.<br />

Dadurch können<br />

sich ihre Kunden aus<br />

einer neuen Perspektive<br />

wahrnehmen<br />

und ihre Wirkung auf<br />

andere besser nachvollziehen.<br />

Außerdem arbeitet<br />

die Sprechwissenschaftlerin<br />

für verschiedene<br />

Hochschulen, unter<br />

anderem die MLU.<br />

Dort vermittelte sie<br />

beispielsweise AllgemeineSchlüsselqualifikationen<br />

in den<br />

Bereichen Argumentation<br />

und mündliche<br />

Kommunikation in<br />

der Wissenschaft.<br />

Auch an einem Projekt<br />

zur Erforschung<br />

und Optimierung der<br />

professionellen Telefonie<br />

am Seminar für<br />

Sprechwissenschaft<br />

an der MLU ist sie<br />

beteiligt. „Durch<br />

die Anbindung an<br />

die <strong>Uni</strong> bleibt der<br />

Kontakt zur Wissenschaft<br />

sowie zu<br />

aktuellen sprechwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen und<br />

Forschungsergebnis-<br />

sen erhalten“, sagt<br />

die Hallenserin, die<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Germanistik und Spanisch als Wahlnebenfächer<br />

studiert hat. Zusätzliche Kenntnisse und<br />

Erfahrungen, die sie während ihres Studiums<br />

sammelte, kann die 31-Jährige für ihre tägliche<br />

Arbeit nutzen. So lernte sie beispielsweise<br />

die Organisation eines Büros während ihrer<br />

studentischen Arbeit in einem Unternehmen<br />

und Selbstmanagement während ihrer Auslandsaufenthalte<br />

in Spanien und Argentinien.<br />

Auch die ersten Kontakte zu Auftraggebern<br />

knüpfte Claudia Gebauer schon während ihres<br />

Studiums. Bereits vor ihrem Abschluss arbeitete<br />

sie freiberuflich im Rhetorik- und Kommunikationsbereich.<br />

Das ermöglichte ihr einen<br />

fließenden Übergang in die Selbstständigkeit.<br />

Auf diesem Weg wurde sie durch eine Qualifizierungsmaßnahme<br />

unterstützt. Über einen<br />

Zeitraum von 40 Wochen nahm sie einmal<br />

wöchentlich an einem Kurs teil, in dem alles<br />

rund um Selbstständigkeit gelehrt wurde. „Das<br />

war sehr hilfreich, besonders für das Verständnis<br />

der Abläufe im Bereich Rechnungswesen<br />

und Steuern“, so die Sprechwissenschaftlerin.<br />

Mit ihrer Entscheidung, freiberuflich zu<br />

arbeiten, ist Claudia Gebauer sehr zufrieden.<br />

Im Anschluss an ihre Diplomarbeit bot sich<br />

für sie die Chance zu promovieren, doch die<br />

Hallenserin entschied sich erst einmal dagegen,<br />

um ihre gewonnenen Kontakte zu Firmen<br />

und Bildungsträgern für ihre Selbstständigkeit<br />

nutzen zu können. An ihrer Arbeit schätzt sie<br />

besonders die Vielfältigkeit und Flexibilität:<br />

„Ich arbeite mit verschiedenen Zielgruppen, in<br />

verschiedenen Projekten mit ganz unterschiedlichen<br />

Gegebenheiten. Dabei lerne ich interessante<br />

Menschen und Orte kennen.“<br />

Zu den breit gefächerten Aufgabenfeldern der<br />

Diplom-Sprechwissenschaftlerin gehört ein<br />

Projekt, das die sprachliche und soziale Kompetenz<br />

bei Kindern in der Grundschule fördert.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die<br />

Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten<br />

beziehungsweise deren Angehörigen.<br />

Dabei geht es beispielsweise um verständliche<br />

Formulierungen, aber auch um Einfühlungsvermögen<br />

seitens der Ärzte. In Halle wird<br />

das bereits in die Ausbildung der Mediziner<br />

integriert.<br />

Diese verschiedenen Aufgabenfelder und die<br />

damit verbundene Abwechslung sind es, die<br />

Claudia Gebauer besonders gefallen. Deshalb<br />

sieht sie ihre Arbeit nicht nur als Beruf, sondern<br />

auch als Berufung.<br />

■<br />

Claudia Gebauer<br />

Diplom-Sprechwissenschaftlerin<br />

Telefon: 0345 919 65 00<br />

E-Mail: gebauer@einfachsprechen.de<br />

Internet: www.einfachsprechen.de<br />

15<br />

T ITELTHEMA


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SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Farbige Schrift in Glas<br />

Zehn Jahre nach der Gründung:<br />

boraident punktet weiter mit innovativen Ideen<br />

U TE OLBERTZ<br />

„Für die Ewigkeit“ in Glas schreiben – über diese und weitere unverwechselbare Fähigkeiten<br />

verfügt boraident. Die GmbH bietet damit ihren Kunden weltweit einzigartige Leistungen an,<br />

die sich großer Nachfrage erfreuen. Zehn Jahre liegt nunmehr die Gründung des etablierten Unternehmens<br />

zurück und die Erfolgsgeschichte der Firma wird bis heute weiter fortgeschrieben.<br />

Die beiden Gründer Reinhard Borek und Dr. Thomas Rainer setzten in den 1990er Jahren als<br />

Studenten ihre ersten innovativen Ideen bei Experimenten mit Glas an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

um. Sie arbeiteten in Projekten der Fachgruppe Experimentelle Physik I unter der Betreuung<br />

von Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg und Dr. Klaus-Jürgen Berg.<br />

Die von Borek und Rainer entwickelte Technologie<br />

ließ bereits in den Anfängen immenses<br />

Potenzial vermuten. Mit per Laserstrahl erzeugten<br />

winzigen Silberpartikeln schrieben sie<br />

farbige Markierungen in und auf Glas. Nicht<br />

nur in der Automobilzulieferindustrie stieß das<br />

patentgeschützte Verfahren sehr schnell auf<br />

größtes Interesse.<br />

Im Zuge einer Initiative des Landes Sachsen-<br />

Anhalt, die Existenzgründungen aus Hochschul-<br />

und Forschungseinrichtungen förderte,<br />

wurde im Juni 2000 die boraglas GmbH als<br />

Ausgründung aus der MLU ins Leben gerufen.<br />

„Zunächst nutzten wir noch Räume des damaligen<br />

Fachbereichs Physik, der uns bei der Unternehmensgründung<br />

sehr stark unterstützte“,<br />

sagt Dr. Rainer. „Im Gegenzug erhielt die <strong>Uni</strong>versität<br />

unser Know-how.“<br />

Heute hat die boraident GmbH ihren Sitz in<br />

der Köthener Straße 33a in Halle und beschäftigt<br />

am dortigen Standort 15 Mitarbeiter<br />

in den Bereichen Produktion, Service sowie<br />

Forschung und Entwicklung. Sie stellt Markierungs-<br />

und Identifizierungssysteme für die<br />

Branchen Photovoltaik (Solarglas), Architektur<br />

(Einscheibensicherheitsglas, Verbundsicherheitsglas),<br />

Automobilindustrie (ESG, VSG)<br />

sowie Pharmazie und Medizin (Hohl- und<br />

Containerglas) her.<br />

Auf der Grundlage langjähriger Forschungs-<br />

und Entwicklungsarbeit in Kooperation mit<br />

Instituten, Hochschulen und <strong>Uni</strong>versitäten hat<br />

das Team aus physikalischen Effekten immer<br />

weitere Technologien und Produkte für<br />

die industrielle Anwendung entwickelt – vor<br />

allem in dem Geschäftsfeld Lasermarkierung<br />

von Glasprodukten und Identifizierung. Eine<br />

dauerhafte, schonende und zugleich fälschungssichere<br />

Beschriftung ist dank spezieller<br />

Verfahren möglich, die das Glassubstrat mittels<br />

Ionentransfer zerstörungsfrei mit einem<br />

maschinenlesbaren Code (Data Matrix Code)<br />

markieren. Dieser kann je nach Vorstellung der<br />

Kunden neben Herstellerinformationen (Logo)<br />

und Normangaben auch dynamische Daten<br />

(Produkt-ID, Chargennummer) enthalten.<br />

„Unser Potenzial für Innovation und Kreativität<br />

wird durch eine strategische Kooperation<br />

Glasmarkierung in der industriellen<br />

Fertigung: Kennzeichnung von<br />

Floatglasprodukten im ersten Fertigungsschritt,<br />

Foto: boraident<br />

Eine Erfolgsgeschichte<br />

Bereits 2001 ging das Unternehmen boraglas als<br />

Sieger des „start-up“-Wettbewerbs in Sachsen-<br />

Anhalt hervor. Es folgte 2004 die Auszeichnung<br />

mit dem „Hugo Junkers Innovationspreis“ von<br />

Sachsen-Anhalt. Anschließend stand die Entwicklung<br />

von Markierungstechnologien für Architekturglas<br />

(glassmarkings) auf dem Programm.<br />

Die neuen Produkte gelangten bereits 2006<br />

zur Markteinführung und damit zu ihrem ersten<br />

industriellen Einsatz, darunter patentierte und<br />

weltweit einzigartige Technologien für die<br />

Markierung in und auf Glas sowie Sensoren zur<br />

Bestimmung der Anzahl und Dicke von Gläsern ■<br />

in einem Paket bzw. der Luft- und Badseite von<br />

Floatglas. Schließlich wurde 2008 die boraident<br />

GmbH als Mitglied der ACI group gegründet und<br />

das boraglas-Kerngeschäft übernommen. In das<br />

gleiche Jahr fiel auch die Etablierung einer Repräsentanz<br />

in Japan. Standorte und Servicestützpunkte<br />

gibt es außerdem noch im Schwarzwald<br />

und in Taiwan.<br />

innerhalb der ACI group unterstützt, das ist ein<br />

Firmenverbund, der im Bereich Maschinenbau<br />

Konstruktions-, Oberflächenreinigungs- und<br />

Softwarelösungen anbietet“, sagt Rainer. In<br />

Kooperation entwickeln die Partner aufeinander<br />

abgestimmte Lösungen zu kundenindividuellen<br />

Aufgabenstellungen. „Die Zusammenarbeit<br />

im Netzwerk stärkt die Wettbewerbsfähigkeit<br />

jedes einzelnen Unternehmens“, so Rainer.<br />

Nicht zuletzt liegt in dem starken Netzwerk ein<br />

weiterer Schlüssel zum Erfolg.<br />

■<br />

boraident GmbH<br />

Tel.: 0345 4782350<br />

E-Mail: info@boraident.de<br />

Internet: www.boraident.de


Die Eishockey-Scouts<br />

Sportstudenten erproben Beobachtungssystem im<br />

finnischen Vierumäki<br />

U TE OLBERTZ<br />

Wer schafft es in die finnische U16-Eishockeynationalmannschaft? Das war die große Frage, die<br />

vier Tage lang im finnischen Vierumäki nicht nur rund 160 junge Spieler beschäftigte. Auch für<br />

fünf Studierende des Masterstudiengangs Angewandte Sportpsychologie der halleschen <strong>Uni</strong>versität,<br />

die unter Leitung von Professor Oliver Stoll und PD Dr. Andreas Lau vom 2. bis 10. März<br />

nach Finnland gereist waren, stellte diese Auswahl eine Herausforderung dar, deren Ergebnis<br />

nicht vorhersehbar war. Von den angetretenen Sportlern, unter 16 Jahre jung, erhielten nur 40<br />

das „Ticket“, für den Nachwuchs der Nationalmannschaft geeignet zu sein.<br />

Spannung herrschte also von Anfang an bei<br />

allen am Scouting-Projekt des finnischen Eishockeyverbandes<br />

(FIHA) Beteiligten. Professor<br />

Stoll hatte bereits im vergangenen Jahr mit<br />

Unterstützung durch das Sokrates-Programm<br />

die finnischen Kollegen besucht. „Eine Partnerschaft<br />

besteht seit 2005 mit der Haaga-<br />

Helia-<strong>Uni</strong>versität“, sagt der Sportpsychologe.<br />

Zur <strong>Uni</strong>versität gehört auch das Sportinstitut<br />

in Vierumäki, dessen sehr kleiner Campus in<br />

ruhiger Lage inmitten finnischer Wälder zu<br />

finden ist. Das dortige Institut hat ein Talentbeobachtungssystem<br />

im Eishockey nach der<br />

Grundidee eines Studenten aus Vierumäki entwickelt,<br />

bei dem vor allem Verhaltensweisen<br />

der Spieler und weniger technische Elemente<br />

eine Rolle spielen. Später erfolgte die wissenschaftliche<br />

Prüfung der Gütekriterien an<br />

der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Das System<br />

verfügt über hohe prognostische Validität und<br />

Studierende füllen beim „Mental Scouting“ die Beobachtungsblätter aus. Foto: Prof. Dr. Oliver Stoll<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

wurde nun in Finnland auf die U16-Nationalmannschaft<br />

angewandt.<br />

Nach welchen Kriterien richtet sich das System<br />

bei der Beurteilung, ob ein Eishockeyspieler<br />

für die Nationalmannschaft geeignet ist<br />

oder nicht? „Zunächst führten wir vier Tage<br />

lang motorische und sportmedizinische Tests<br />

durch, die parallel weiterliefen, während bereits<br />

die Mannschaften zum Turnier gegeneinander<br />

antraten“, so Stoll.<br />

Die fünf Sport-Studierenden aus Halle, unter<br />

ihnen Philipp Auerswald, der bei der ZDF-<br />

Show „Wetten dass …?“ herausragende sportliche<br />

Fähigkeiten bewiesen hat (siehe Seite<br />

19), beobachteten gemeinsam mit finnischen<br />

Studenten die 15-jährigen Sportler. „Unsere<br />

Master-Studenten konnten das, was sie gelernt<br />

haben, jetzt vor Ort praktisch anwenden“, erklärt<br />

Stoll.<br />

Jeder der Studenten beobachtete das Verhalten<br />

von drei Spielern auch außerhalb des Eises<br />

und trug die Ergebnisse im Rahmen eines<br />

„Mental Scoutings“ auf einem Beobachtungsblatt<br />

– einem Fragebogen ähnlich – ein. „Zu<br />

den Kriterien, die ausschlaggebend sind, ob<br />

ein Spieler geeignet ist, gehören zum Beispiel<br />

Willensstärke, Durchsetzungsvermögen sowie<br />

Teamfähigkeit und ob der Sportler in der<br />

17<br />

S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN


18<br />

S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

15-jährige finnische Eishockeyspieler stellen sich dem Scouting. Fotos: Prof. Dr. Oliver Stoll<br />

Mannschaft in der Lage ist, Verantwortung zu<br />

übernehmen. Nicht zuletzt spielt nonverbales<br />

Kommunizieren auf dem Eis, unter anderem<br />

die Körpersprache, eine Rolle“, führt der<br />

Sportpsychologe weiter aus.<br />

Bei dem Scouting wurden ein finnischer und<br />

ein deutscher Student jeweils unabhängig voneinander<br />

auf drei gleiche Spieler angesetzt.<br />

Anschließend ging es an die Auswertung der<br />

Ergebnisse, die tatsächlich beim Vergleich erstaunlich<br />

gut übereinstimmten. Das ist auch<br />

ein Beweis dafür, dass sich das Sichtungssystem<br />

bewährt und auf einer soliden wissenschaftlichen<br />

Basis steht. Hier erlebten die<br />

Studenten die Verknüpfung von Forschungsund<br />

Anwendungspraxis. Nicht zuletzt konnten<br />

auch die Ergebnisse des vergangenen<br />

Jahres bestätigt werden. „Das Besondere ist,<br />

dass Eishockeytrainer jetzt auf einem akademischen<br />

Level ausgebildet werden können“,<br />

sagt Stoll.<br />

Die 40 ausgewählten Spieler sollen zu den<br />

U 16 entwickelt werden und bilden künftig<br />

die erweiterte finnische Nationalmannschaft.<br />

Sie werden in den nächsten zwei Jahren regelmäßig<br />

eingeladen und erhalten ein spezielles<br />

Training. Zugleich erfolgt in diesem Zeitraum<br />

neben der Ausbildung eine weitere Auswahl,<br />

nach der schließlich noch 25 Spieler im Alter<br />

von 18 Jahren übrig bleiben. Die besten<br />

Spieler traten am Ende des Vierumäki-Aufenthalts<br />

in einem Turnier gegeneinander an<br />

und bewiesen ihr Können bei einem Spiel auf<br />

höchstem Niveau. Das finnische Partnerinstitut<br />

kam für Verpflegung und Übernachtung<br />

der MLU-Gäste auf, während die Reisekosten<br />

der Studenten der finnische Eishockeyverband<br />

bezahlte und die Hochschullehrer über<br />

das Sokrates-Programm reisten. „Fürs nächste<br />

Jahr sind wir bereits wieder eingeladen“, freut<br />

sich Stoll. „Einige der Studenten stellen schon<br />

Überlegungen an, wie man die grundlegende<br />

Idee der Auswahl auch auf den Fußballbereich<br />

übertragen kann.“<br />

■<br />

Webcode<br />

SH-859 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Die beiden Studenten Marc Oliver Löw und Christian<br />

Reinhardt berichten über ihre Erfahrungen und<br />

Erlebnisse während der Reise nach Vierumäki im<br />

Onlinemagazin der <strong>Uni</strong>versität. Hier zeigt auch eine<br />

Bildergalerie, dass eine Studenten-Exkursion nicht<br />

nur lehrreich ist, sondern jede Menge Spaß mit sich<br />

bringen kann.<br />

Prof. Dr. Oliver Stoll<br />

Institut für Medien, Kommunikation und Sport<br />

Dept. Sportwissenschaft<br />

Telefon: 0345 55 24440<br />

E-Mail: oliver.stoll@sport.uni-halle.de


Im Eiskanal zum Wettkönig<br />

Student aus Halle wird zum Star in ZDF-Show<br />

U TE OLBERTZ<br />

Fast elf Millionen Fernsehzuschauer fieberten Ende Januar mit dem halleschen Sportstudenten<br />

Philipp Auerswald, als er bei der ZDF-Show „Wetten dass...?“ mit Tempo 70 den Eiskanal in<br />

Altenberg auf Schlittschuhen herunter raste. Nicht genug: Er setzte gleichzeitig in 87 Sekunden<br />

die Figur aus einem Überraschungsei zusammen – ein Männlein in einem grünen Käfer Cabrio.<br />

Dass es tatsächlich klappen könnte und dass das Publikum ihn dann auch noch zum Wettkönig<br />

küren würde, hätte Auerswald noch kurz zuvor selbst nicht zu denken gewagt.<br />

„Wow respekt“, „coole wette“ oder „geile<br />

idee“ – so lauten bewundernde Kommentare<br />

der Fans auf YouTube, wo man den sensationellen<br />

Lauf per Video verfolgen kann. Der<br />

aus Geising (Osterzgebirge) stammende ausgebildete<br />

Diplomsportlehrer und gegenwärtige<br />

Student des Masterstudiengangs Angewandte<br />

Sportpsychologie in Halle ist fit in verschiedenen<br />

Wintersportarten, darunter Eishockey,<br />

Snowboard und Ski Cross. Die alpinen Diziplinen<br />

haben es ihm angetan. Kein Wunder,<br />

liegt doch sein Heimatort ganz in der Nähe der<br />

Altenberger Bobbahn, außerdem gibt es dort<br />

gute Ski- und Rodelmöglichkeiten.<br />

Wie und wann kam Philipp Auerswald auf<br />

die Idee, sich einer so ungewöhnlichen Wette<br />

zu stellen? „Es begann vor elf Jahren – ebenfalls<br />

mit einer Wette“, sagt der Sportstudent<br />

im Gespräch mit dem <strong>Uni</strong>versitätsmagazin.<br />

„Ein Freund verlor damals 50 DM an mich,<br />

weil er glaubte, dass ich es nicht wage, die<br />

Altenberger Bobbahn herunter zu fahren. Sie<br />

gilt als eine der gefährlichsten Angstbahnen<br />

Deutschlands, weil hier die Verletzungsgefahr<br />

sehr groß ist.“ Selbst die zweimalige Rodel-<br />

Olympiasiegerin Sylke Otto, die bei der Show<br />

aus einer Trommel mit 30 Eiern das entsprechende<br />

Ei zog, räumte ein, dass dies nie ihre<br />

Lieblingsbahn gewesen sei.<br />

Da Auerswald schon seit Jahren gern die<br />

Sendung „Wetten dass...?“ verfolgte, lag die<br />

Idee einer Bewerbung nicht fern. Zur Steigerung<br />

des Schwierigkeitsgrades kam noch das<br />

gleichzeitige Zusammenbasteln einer Überraschungsei-Figur<br />

hinzu. Nach der zweiten Bewerbung<br />

gab es 2003 die erste Interessenbe-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Glücklich und stolz nach der gewonnenen Wette: Philipp Auerswald an der Altenberger Bobbahn. Foto: picture alliance/ZB, Peter Stringer<br />

Mehr im Netz: Im YouTube-Channel der<br />

MLU steht das Video mit Philipp Auerswalds<br />

rasanter Wettfahrt durch den Bobkanal:<br />

www.youtube.com/<strong>Uni</strong>HalleMLU<br />

kundung des Senders und Vorbesichtigungen<br />

mit Kamerateams. „Nun dauerte es noch sieben<br />

Jahre, in denen ich mein Wettangebot am<br />

Köcheln hielt, dazu gehörte neben sportlichem<br />

Training auch das ständige Üben der Fingerfertigkeit<br />

beim Zusammenbau dieser 30 Figuren<br />

der Serie ...“, so Auerswald. Im Oktober<br />

2009 war es dann soweit: Das ZDF bestätigte<br />

seine Mitwirkung bei der Außenwette in der<br />

Januar-Sendung 2010. Der inzwischen 29-jährige<br />

Sportstudent, der die gesamte Zeit aktiv<br />

Leistungssport betrieb, sagt: „Die Bobbahn<br />

kenne ich mittlerweile so gut, das ich dort<br />

keine Probleme sah. Aber noch einen Tag vor<br />

der Sendung hatte ich bei der Probefahrt zwei<br />

winzige Teile einer Figur verloren ...“ Nicht<br />

zuletzt hatte Auerswald vier Wochen vor dem<br />

Start den kleinen Finger gebrochen. „Nur ein<br />

kleiner Fehler hätte fatale Folgen haben können“,<br />

ist sein Professor Oliver Stoll überzeugt.<br />

„Dennoch haben wir die ganze Zeit gewusst,<br />

dass er es schaffen kann.“<br />

Die technische Vorbereitung der Außenwette<br />

gestaltete sich übrigens auch für den Sender<br />

zu einer immensen Herausforderung: Am<br />

Eiskanal mussten 4000 bis 5000 Meter Kabel<br />

verlegt werden, 17 Kameras waren im Einsatz<br />

und ein 30-Tonnen-LKW schaffte das Lichtmaterial<br />

heran. Dass sich der Aufwand gelohnt<br />

hat, zeigten der bravouröse Sieg und die unglaubliche<br />

Begeisterung des Publikums. ■<br />

Philipp Auerswald<br />

E-Mail: philipp.auerswald@gmx.de<br />

Internet: www.auerswald-xrace.de<br />

19


20<br />

S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Kontaktmesse für<br />

Geisteswissenschaftler<br />

Am 23. April 2010<br />

findet im Löwengebäude<br />

der MLU<br />

eine Messe speziell<br />

für Geistes- und<br />

Kulturwissenschaftler<br />

statt. Auf<br />

der Firmen- und<br />

Kontaktmesse<br />

können sich Studierende<br />

von 10<br />

Abb.: CultureConAction<br />

bis 17 Uhr über<br />

Berufseinstieg, Praktika, Nebenjobs und<br />

Möglichkeiten des außeruniversitären Engagements<br />

informieren. Geboten werden<br />

Vorträge von Vertretern der EU-Kommission,<br />

des Goethe-Instituts und von BMW<br />

sowie Bewerbungsmappenchecks, Karriereberatungen,<br />

Rhetoriktraining und eine<br />

Podiumsdiskussion. Die Messe wurde im<br />

vergangenen Jahr zum ersten Mal von<br />

dem studentischen Verein CultureConAction<br />

organisiert und von über 500 Studierenden<br />

besucht. Weitere Informationen<br />

gibt es unter www.cultureconaction.de.<br />

Corinna Bertz<br />

12. Auflage von ıCampus meets Companies„<br />

Am 19. Mai 2010 können Studierende von<br />

9.30 bis 16 Uhr auf der Karrieremesse „Campus<br />

meets Companies“ Kontakte zu potentiellen<br />

Arbeitgebern knüpfen und sich Einblick<br />

in verschiedene Berufsfelder und Branchen<br />

verschaffen.<br />

In Einzelgesprächen und ausgewählten Fachvorträgen<br />

besteht die Möglichkeit, mittelständische<br />

Firmen und Konzerne wie Allianz,<br />

DELL, Deutsche Telekom und DOW ken-<br />

Proteste in Wien<br />

Über 10.000 Studierende protestierten am<br />

11. und 12. März gegen die Feierlichkeiten<br />

zum zehnjährigen Jubiläum der Bologna-Beschlüsse<br />

in Wien. Auch Studierende der MLU<br />

beteiligten sich an den Protesten gegen die<br />

Mängel des vereinheitlichten Studiensystems<br />

und fuhren mit einem vom Studierendenrat<br />

finanzierten Bus nach Österreich.<br />

Aus ganz Europa waren Demonstranten angereist<br />

und forderten freie Bildung ohne Zugangsbeschränkungen,<br />

ohne Studiengebühren<br />

und ohne Diskriminierung. Unter dem Motto<br />

„Reclaim your future“ diskutierten sie auf<br />

einem Gegengipfel Alternativen zur Bologna-<br />

Reform und Perspektiven in der europäischen<br />

Hochschulpolitik. Corinna Bertz<br />

nenzulernen. Der Schwerpunkt der Messe<br />

für Studierende, Hochschulabsolventen und<br />

Promovierende liegt bei den Wirtschaftswissenschaften.<br />

Organisator ist die studentische<br />

Unternehmensberatung Campus Contact e. V.<br />

Informationen zu den einzelnen Ausstellern<br />

gibt es unter<br />

www.campusmeetscompanies.de.<br />

Corinna Bertz<br />

Utopien in Halle<br />

Weltverbesserung im Allgemeinen ist seit dem<br />

12. Februar Thema der „ufo-<strong>Uni</strong>versität“ in<br />

Halle. Ein halbes Jahr lang suchen zwei Burg-<br />

Studenten gemeinsam mit allen Interessierten<br />

nach Utopien und kreativen Lösungen für die<br />

Probleme des Alltags.<br />

Eine erste Präsentation der Zwischenergebnisse<br />

wird ab dem 31. März für elf Tage in der<br />

Adam-Kuckhoff-Straße 30 gezeigt.<br />

Corinna Bertz<br />

Webcode<br />

SH-854 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Bericht über die „ufo-<strong>Uni</strong>versität“


Podcast auf Schienen<br />

Fördervereinigung der MLU unterstützt deutsch-russisches<br />

Medienprojekt<br />

J ANINE BORNEMANN<br />

Klischees über Russland gibt es viele – von Armut bis Trinkfestigkeit. Das interkulturelle Medienprojekt<br />

MediA=H will mit den Vorurteilen aufräumen und zeigen, welche Unterschiede<br />

es zwischen der Stadt Archangelsk und Halle wirklich gibt – oder eben nicht. Dafür reisten im<br />

vergangenen Oktober elf hallesche Studierende in die nordrussische Hafenstadt. Gemeinsam mit<br />

Projektteilnehmenden aus Archangelsk besuchten sie unter anderem Sozial- und Jugendeinrichtungen,<br />

um deren Arbeitsweise zu dokumentieren. Ergebnis des Workshops ist ein knapp 23 Minuten<br />

langer Film, der einige Einrichtungen vorstellt. Hinzu kommen mehrere Podcasts, Audio-<br />

Aufnahmen in deutscher und russischer Sprache, sowie Weblogbeiträge über die gesamte Reise.<br />

Ziel von MediA=H ist es, einen kulturellen<br />

und sprachlichen Austausch zu vollziehen<br />

und dabei Medienkompetenzen zu schulen.<br />

Unter anderem lernen die Projektmitglieder<br />

beider Nationalitäten, wie man kritisch mit<br />

Medien umgeht, aber auch wie man Kritik<br />

in den Medien formuliert. So profitieren alle<br />

Studierenden von den jeweiligen Erfahrungen.<br />

„Wir haben alle unterschiedliche Sichtweisen<br />

auf unterschiedliche Dinge. Aber indem wir<br />

mit der jeweils anderen konfrontiert werden,<br />

lernen wir auch unsere eigene Sichtweise kritisch<br />

zu hinterfragen“, sagt Projektkoordinator<br />

André Horn.<br />

Dass das Ergebnis der Workshops öffentlich<br />

präsentiert werden konnte, ermöglichte die<br />

Vereinigung der Freunde und Förderer (VFF)<br />

der MLU. Sie finanzierte die Raummiete und<br />

die nötigen Materialien, um den Film, die Podcast-Aufnahmen,<br />

Fotos und Blog-Auszüge<br />

in der Studentenwerkstatt Triftpunkt e.V. zu<br />

zeigen. Dabei sollten die Besucher zugleich<br />

die russische Kultur kennenlernen können.<br />

So stellten zwei russische Studentinnen ihre<br />

Heimatstadt Archangelsk in einem Vortrag<br />

vor und die deutsch-russische Theatergruppe<br />

dadaZ erfreute mit kurzen Szenen. Russische<br />

Speisen wie Piroggen und Wodka rundeten<br />

den Abend kulinarisch ab.<br />

Dabei wurde auch die Gastfreundschaft demonstriert,<br />

die André Horn in Russland besonderes<br />

schätzt. Die Studierenden wohnten<br />

während des Aufenthalts in Archangelsk bei<br />

Gastfamilien und wurden in den universitären<br />

Alltag eingebunden. Außerdem organisierten<br />

die Gastgeber Ausflüge, damit die halleschen<br />

Besucher Land und Leute kennen lernen konnten.<br />

Diese hatten zum Teil mit Medien zu tun,<br />

beispielsweise der Besuch einer Fernsehanstalt<br />

oder ein Treffen mit jungen Journalisten, mit<br />

denen über Arbeitsweise, Einstellungen, aber<br />

auch Repressionen des Staates gegenüber freier<br />

Berichterstattung und Reportern gesprochen<br />

wurde. Auch über solche Ereignisse und ande-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

re Erlebnisse am Rande wurde meist tagesaktuell<br />

im Weblog von MediA=H berichtet.<br />

Bis zur Entstehung der Medienprodukte war<br />

es allerdings ein langer Weg: Nach dem Flug<br />

nach Moskau wurden die weiteren 1000 Kilometer<br />

bis nach Archangelsk während einer 24stündigen<br />

Zugfahrt zurückgelegt. Bereits diese<br />

Zeit wurde für Podcast-Aufzeichnungen genutzt.<br />

So entstanden Interviews mit deutschen<br />

und russischen Reisenden über den Mythos<br />

Zugfahrt in Russland.<br />

Seitdem das interkulturelle Medienprojekt<br />

im November 2004 gegründet wurde, gibt<br />

es regelmäßig wechselseitige Besuche in Archangelsk<br />

und Halle. So waren die russischen<br />

Teilnehmenden bereits zweimal in Halle, zuletzt<br />

im Jahr 2008. Für dieses Jahr ist wieder<br />

Moderne Technik im Einsatz: die Russinnen Alja Iwanina und Natasha Gladsowa (r.) lernen Halle beim Filmdreh auf dem <strong>Uni</strong>versitätsplatz kennen. Foto: MediA=H<br />

ein Workshop in der Saalestadt geplant. Im<br />

Vordergrund steht der Umgang mit Medien,<br />

aber auch das Kennenlernen der Sprache,<br />

Städte und Gesellschaft ist ein wichtiges Ziel,<br />

das von MediA=H verfolgt wird. Finanzielle<br />

Unterstützung erhält die studentische Gruppe<br />

nicht nur von der VFF, sondern auch vom<br />

Deutschen Akademischen Austausch Dienst<br />

(DAAD), der MLU, dem Studierendenrat und<br />

den Fachschaftsräten der Philosophischen<br />

Fakultäten I und II. Auf russischer Seite wird<br />

die Vernetzung der Studierenden durch die<br />

Staatliche Pomoren-<strong>Uni</strong>versität Archangelsk<br />

gefördert.<br />

■<br />

André Horn<br />

Telefon: 0176 89 229 426<br />

E-Mail: medienprojekt.ah@googlegroups.com<br />

Internet (Blog mit Podcast):<br />

www.medienprojekt.wordpress.com<br />

21<br />

S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN


S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

22<br />

Mit Aktien- und Ethik-Rüstzeug<br />

ins Finanzleben starten<br />

Studierende engagieren sich im Akademischem Börsenkreis<br />

und bei SNEEP Halle<br />

C ORINNA BERTZ<br />

Die Finanz- und Wirtschaftkrise hat auch das Studium der Wirtschaftswissenschaften verändert:<br />

Verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften werden immer häufiger zum Lehr- und<br />

Forschungsthema. Diese Entwicklung will das studentische Netzwerk für Wirtschaftsethik<br />

SNEEP noch ein wenig beschleunigen. Der Akademische Börsenkreis Halle e. V. (ABH) widmet<br />

sich dagegen „der Förderung der Aktienkultur“, wie es in der Vereinssatzung heißt. Denn für<br />

viele BWL-Studierende hat die Börse trotz finanzieller Verluste nicht an Reiz verloren.<br />

Von sinkenden Mitgliederzahlen kann Oliver<br />

Patzsch nicht berichten. „Gerade in der letzten<br />

Zeit gibt es wieder viele Zutritte“, sagt<br />

der Vorstandsvorsitzende des Akademischen<br />

Börsenkreises. Seit seiner Gründung im Jahr<br />

1993 ist der Verein von neun Mitgliedern auf<br />

mittlerweile über 100 Mitglieder gewachsen,<br />

von denen rund 30 zurzeit aktiv sind. Wie<br />

viele von ihnen auch an der Börse aktiv investieren,<br />

ist nicht genau bekannt, denn der<br />

Aktienhandel bleibt Privatsache. „Als Verein<br />

besitzen wir Gemeinnützigkeitsstatus, uns geht<br />

es also wirklich nicht darum, gemeinsam Geld<br />

zu verdienen“, widerspricht Vorstandsmitglied<br />

Claudia Lautschke einem Vorurteil, das hin<br />

und wieder auftaucht, wenn sich der ABH an<br />

der <strong>Uni</strong> präsentiert.<br />

„Wir wollen vor allem börsenrelevantes Wissen<br />

vermitteln und selbst auf diesem Gebiet<br />

dazulernen“, betont die Studentin des Personalmanagements.<br />

Zu diesem Zweck organisiert<br />

der Verein zum Beispiel Vorlesungsreihen<br />

und Börsenfahrten nach Prag oder London.<br />

Außerdem vergibt er den sogenannten „Börsenführerschein“,<br />

den man nach dem Besuch<br />

von vier Veranstaltungen über die wichtigsten<br />

Börsengrundlagen erwerben kann. Dass auch<br />

ein solcher Führerschein nicht vor finanziellen<br />

Verlusten schützt, wissen einige Vereinsmitglieder<br />

aus eigener Erfahrung. Aber auf die<br />

Praxis wollen sie nicht verzichten. „Gerade<br />

diese Mischung aus Theorie und Praxis, bei<br />

der eben auch mal Fehler gemacht werden,<br />

macht den Aktienhandel ja so spannend“,<br />

findet Oliver Patzsch.<br />

Selbst die größten Börsenfans<br />

im ABH sind jedoch<br />

der Meinung, dass in den<br />

letzten Jahren am Aktien-<br />

und Finanzmarkt viel schief<br />

gelaufen ist. „Die Verantwortung<br />

von Banken<br />

und Börsenhändlern ist<br />

natürlich ein Thema bei<br />

uns, genauso wie Nachhaltigkeit“,<br />

versichert Tobias<br />

Schulze. Die meisten<br />

Mitglieder studieren<br />

BWL und sitzen<br />

auch in den Vorlesungen<br />

zur Wirtschaftsethik<br />

von Prof.<br />

Dr. Ingo Pies. Gemeinsam<br />

mit SNEEP Halle hat<br />

der Börsenkreis im Sommersemester 2011<br />

nun einen Vertreter der Deutschen Bank eingeladen,<br />

der über die Nachhaltigkeit von Banken<br />

referieren wird.<br />

Die Abkürzung SNEEP steht für „student<br />

network for ethics in economic education<br />

and practice“. Das bundesweite studentische<br />

Netzwerk will Themen der Wirtschafts- und<br />

Unternehmensethik an die Hochschulen bringen<br />

und stärker im Studium verankern. „Mit<br />

den Angeboten am Lehrstuhl für Wirtschaftse-


thik ist man in Halle<br />

schon auf einem guten<br />

Weg“, meint Annette Illy,<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Lehrstuhl<br />

für Ökonometrie. Vor zwei<br />

Jahren gründete sie nach<br />

einem Wirtschaftsethik-<br />

Seminar gemeinsam mit<br />

einigen Kommilitonen die lokale<br />

SNEEP-Gruppe, die mittlerweile aus<br />

zehn Mitgliedern besteht. Mit Flyern und<br />

Infoständen machen sie zur Zeit auf sich<br />

aufmerksam, denn für ihre Vorhaben im<br />

Sommersemester können sie Verstärkung<br />

gut gebrauchen: „Gemeinsam mit der Jugenduni<br />

Halle wollen wir zum ersten Mal<br />

auch Schülern ein wirtschaftethisches<br />

Modul anbieten“, kündigt Doktorandin<br />

Annette Illy an.<br />

W IRTSCHAFT UND MORAL � LÄSST SICH<br />

DAS ÜBERHAUPT VERBINDEN?<br />

Im vergangenen Dezember hatte<br />

SNEEP gemeinsam mit der Studentenwerkstatt<br />

Triftpunkt e. V. bereits einen<br />

zweitägigen Workshop organisiert. Die<br />

Frage, die von den Teilnehmern intensiv<br />

diskutiert wurde, lautete: Lassen sich<br />

Wirtschaft und Moral überhaupt verbinden<br />

- und wenn ja wie? „Das ist ein ständiger<br />

Balanceakt“, sagt Matthias Will, einer der<br />

Workshop-Organisatoren. „Man kann zwar<br />

das klassische Modell moralischer Pflichten<br />

aus der Philosophie auf die Wirtschaft übertragen<br />

und Sollensvorschriften formulieren, aber<br />

bei negativen Entwicklungen des Wirtschaftssystems<br />

müssen auch die Rahmenbedingungen<br />

angepasst werden“, erklärt er. Diskussionen<br />

darüber, wie das gelingen kann, werden<br />

auch auf höchster Unternehmensebene geführt,<br />

stellten die SNEEPler bei ihrem letzten<br />

Ausflug fest. In Berlin sprachen die MLU-<br />

Studenten mit Vertretern des Mineralölunternehmens<br />

TOTAL über Nachhaltigkeit und<br />

erfuhren, dass auch so manche hochrangige<br />

Manager ihrem Unternehmen nicht unkritisch<br />

gegenüberstehen. In Halle will die Gruppe<br />

mit kleinen Schritten das Bewusstsein für die<br />

ethischen Fragen des Wirtschaftens stärken<br />

– zum Beispiel mit einem Stand im Audimax<br />

am Tag des Studentischen Engagements. Dort<br />

trafen SNEEP und der Akademische Börsenkreis<br />

zum ersten und sicher nicht zum letzten<br />

Mal aufeinander, denn gemeinsame Projekte<br />

schließen beide Gruppen nicht aus.<br />

Ein ABH- und SNEEP-Mitglied in Personalunion<br />

gibt es allerdings bislang noch nicht.<br />

„Das ist ein Selbstselektionsprozess“, sagt<br />

der Master-Student Matthias Will. „Zu uns<br />

kommen Studenten, die sich auch im späteren<br />

Berufsleben speziell mit Nachhaltigkeit und<br />

Wirtschaftsethik auseinandersetzen wollen und<br />

zu dem Thema oft auch promovieren.“ Der<br />

Gründungschef des Börsenkreises Halle arbeitet<br />

heute hingegen als Hedgefonds-Manager<br />

in New York, andere Mitglieder des Vereins<br />

sind an der Frankfurter Börse oder im Bankgeschäft<br />

tätig. Für Studenten, die sich über<br />

ihre Prioritäten und Zukunftspläne noch nicht<br />

so ganz im Klaren sind, könnten also beide<br />

Gruppen eine wertvolle Entscheidungshilfe<br />

bieten. Und terminlich ließe sich das ganz gut<br />

kombinieren: Der Akademische Börsenkreis<br />

SNEEP Halle<br />

(Studentisches Netzwerk für<br />

Wirtschafts- und Unternehmensethik)<br />

E-Mail: halle@sneep.info<br />

Internet: www.sneep.info<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Bulle und Bär, wie sie vor der Frankfurter<br />

Börse zu sehen sind. Der Begriff<br />

Bullenmarkt steht für anhaltend steigende<br />

Kurse. Vom Bärenmarkt spricht<br />

man bei anhaltend sinkenden Kursen.<br />

Foto: Heino Pattschull - Fotolia<br />

trifft sich jeden zweiten Dienstag im Monat<br />

im The One am <strong>Uni</strong>ring 9, das Semester-Anfangs-Treffen<br />

findet dort am 13. April um<br />

20 Uhr statt. SNEEP trifft sich jeden zweiten<br />

Donnerstag im nt-Café, Große Ulrichstraße<br />

50, im neuen Semester zum ersten Mal am 15.<br />

April um 20 Uhr.<br />

■<br />

Akademischer Börsenkreis - <strong>Uni</strong>versität Halle e. V.<br />

Telefon: 0345 55 22925<br />

E-Mail: info@boersenkreis-halle.de<br />

Internet: www.boersenkreis-halle.de<br />

23<br />

S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN


24<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

50 Hektar voller Vielfalt<br />

Internationales Forschungsteam erkundet Biodiversität in<br />

subtropischen Wäldern Chinas<br />

M ELANIE ZIMMERMANN<br />

Für den Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide vom Institut für Biologie an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

(MLU) begann der Frühling mit einer neuen Herausforderung: Es galt, in Xingangshan<br />

in der Provinz Jianxi im subtropischen China die nächsten 100 000 Bäume anzupflanzen.<br />

Denn an diesem bedeutenden Hotspot biologischer Vielfalt mit Wäldern, in denen hunderte<br />

Arten von Bäumen zusammen vorkommen, findet das weltweit größte Experiment zur Rolle<br />

von Biodiversität für Ökosystemfunktionen statt. In diesem Rahmen haben nun 18 Forscher aus<br />

Deutschland und der Schweiz gemeinsam mit einer Gruppe chinesischer Wissenschaftler Wälder<br />

verschiedener Komplexität und Vielfalt auf einer Fläche von 50 Hektar neu angelegt.<br />

Die Indische Azalee (Rhododendron simsii), die bei Europäern als kultivierte Zimmerpflanze hoch im Kurs<br />

steht, stammt ebenfalls aus China. Foto: Helge Bruelheide<br />

Die Riemenblume (Loropetalum chinense), ein Hamamelis- bzw. Zaubernussgewächs, ist heimisch in den subtropischen<br />

Wäldern Chinas. Foto: Helge Bruelheide<br />

Ziel dieses 2008 begonnenen Projektes, das<br />

die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />

mit fast drei Millionen Euro fördert, ist „die<br />

Erforschung des Effekts der Diversität von<br />

Bäumen und Sträuchern auf biologische Funktionen<br />

und Dienstleistungen dieses Waldökosystems“,<br />

erklärt Helge Bruelheide, Sprecher<br />

der DFG-Forschungsgruppe 891 „BEF China“.<br />

„Dabei ist das Verständnis der Funktionen<br />

von Biodiversität einerseits klare Grundlagenforschung<br />

– andererseits geht es darum, Wege<br />

aufzuzeigen, wie sich Biodiversität fördern<br />

und nutzen lässt.“<br />

Die Region der Provinzen Zhejiang und Jiangxi<br />

eignet sich dafür hervorragend: Bäume und<br />

Sträucher entwickeln hier einen Artenreichtum<br />

wie nirgendwo sonst auf der nördlichen Hemisphäre<br />

– das Gutianshan Naturreservat in<br />

der Provinz Zhejiang weist etwa fünf Mal so<br />

viele Gehölzarten auf wie ganz Deutschland.<br />

Ein Schwerpunkt in der ersten Phase des Forschungsprojektes<br />

waren daher vergleichende<br />

Untersuchungen der Vielfalt in natürlichen<br />

und sekundären Wäldern, wozu nicht nur alle<br />

Pflanzenarten identifiziert, sondern auch Produktivität,<br />

Kohlenstoffspeicherung, Nährstoffkreisläufe,<br />

Bodenerosion, Bodenbeschaffenheit<br />

und abhängige Lebensgemeinschaften an<br />

Tieren und Pilzen analysiert wurden.<br />

Verschiedene Fragen, z. B. wie die Produktivität<br />

eines Waldes durch die Biodiversität beeinflusst<br />

wird, lassen sich anhand der natürlichen<br />

Wälder jedoch nicht klären, da hier einzelne<br />

Prozesse nicht unabhängig von anderen untersucht<br />

werden können. Das internationale<br />

Forschungsteam hat daher unter der Annahme,<br />

dass Artenvielfalt wichtig für das Funktionieren<br />

eines Ökosystems ist, ein Experiment<br />

ausgeklügelt, das im Wesentlichen auf der Nischentheorie<br />

basiert: Wenn mehrere Arten unter<br />

den gleichen Bedingungen wachsen, dann<br />

ist es wahrscheinlich, dass sie gemeinsam den<br />

Umweltgradienten, also beispielsweise den<br />

Lichteinfall oder das Bodenwasser, besser ausnutzen.<br />

L OGISTISCHE HERAUSFORDERUNG<br />

Für das Experiment wurde eine Vielzahl von<br />

Bäumen und Sträuchern in Baumschulen herangezogen.<br />

Auf einer gigantischen Fläche<br />

von etwa 50 Hektar, eingeteilt in Reihen und<br />

Spalten, sollen insgesamt Setzlinge von 100<br />

Gehölzen, je 50 Bäumen und 50 Sträuchern, je<br />

50 immergrünen und 50 sommergrünen Arten<br />

von Hand gepflanzt werden. Der Versuch folgt<br />

einem Design, bei dem die Pflanzen in unterschiedlichen<br />

Diversitätsstufen – mit 1, 2, 4, 8,<br />

16 oder 24 Arten pro Versuchsfeld – angeordnet<br />

werden. Dazu wurde das gesamte Arteninventar<br />

in drei Teile von jeweils 16 Baumarten<br />

eingeteilt, aus denen die sechs Stufen der Artenvielfalt<br />

gebildet wurden.


SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Natürlicher Waldbestand (Vergleichsflächen)<br />

in China. Foto: Sabine Both<br />

25


26<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Eines der fünf Gewächshäuser in der Provinz Jiangxi, die zur Aufzucht von 500.000 Setzlingen für die zweite Phase des Projektes genutzt wurden.<br />

Foto: Helge Bruelheide<br />

Am 19. März 2009 pflanzte Prof. Dr. Helge Bruelheide<br />

den ersten Baum für das weltweit größte Biodiversitätsexperiment.<br />

Foto: Sylvie Herrmann<br />

Das Anpflanzen von etwa 100.000 Bäumen<br />

und Sträuchern auf den ersten 25 Hektar<br />

fand im März und April 2009 statt, weitere<br />

100.000 Pflanzen werden in diesen Wochen<br />

ausgebracht. „Das Ganze ist eine logistische<br />

Herausforderung, weil jeder Baum und jeder<br />

Strauch in dem Experiment einen ganz bestimmten,<br />

vorher für ihn festgelegten Platz<br />

hat. So wird gewährleistet, dass sich die Entwicklung<br />

jedes Individuums über die kommenden<br />

Jahre und Jahrzehnte genau verfolgen<br />

lässt“, erläutert Professor Bruelheide.<br />

A RBEIT FÜR VIELE GENERATIONEN<br />

Zudem finden parallel zum Experiment in<br />

China Untersuchungen und Auswertungen an<br />

den Instituten der beteiligten <strong>Uni</strong>versitäten<br />

statt. So sind beispielsweise die hallesche<br />

Geobotanikerin Dr. Alexandra Erfmeier und<br />

die Doktorandin Sabine Both im Gewächshaus<br />

der MLU der Frage nachgegangen, ob eine<br />

hohe Diversität an heimischen Pflanzen in<br />

diesen subtropischen Wäldern vor exotischen<br />

Eindringlichen, also gebietsfremden Arten,<br />

schützt, da diese die einheimischen Arten verdrängen<br />

und Funktionen im Ökosystem verändern<br />

können.<br />

Der Umfang des Projektes lässt sich lediglich<br />

andeuten. Mit ihm ist die Grundlage für die<br />

Arbeit vieler Generationen von Forschern gelegt.<br />

Obwohl die Wissenschaftler erwarten,<br />

dass die Auswirkungen der Artenvielfalt auf<br />

Ökosystemprozesse schon in den frühen Stadien<br />

des Experiments sichtbar werden, werden<br />

die Auswertungsmöglichkeiten exponentiell<br />

mit der Dauer des Experiments ansteigen.<br />

Geobotaniker Bruelheide weiß: „Es werden<br />

die kommenden Generationen sein, die ernten,<br />

was heute gesät wurde.“ ■<br />

Mehr im Netz: DFG Science TV berichtet in<br />

Videobeiträgen detailliert über das Experiment:<br />

www.dfg-science-tv.de/de/projekte/funktion-durch-vielfalt<br />

Prof. Dr. Helge Bruelheide<br />

Institut für Biologie / Lehrstuhl für Geobotanik<br />

Telefon: 0345 55 26222<br />

E-Mail: helge.bruelheide@botanik.uni-halle.de<br />

Internet: www.botanik.uni-halle.de


Mit Magnetkraft gegen Osteoporose<br />

Spannende Molekül-Forschung im Kernresonanz-Zentrum<br />

M ICHAEL DEUTSCH<br />

Halles Wissenschaftler machen Osteoporose-Patienten Hoffnung: Im Kernresonanz-Zentrum des<br />

Institutes für Physik der <strong>Uni</strong> Halle untersuchen derzeit Biophysiker die Struktur eines Proteins,<br />

das im menschlichen Blut den Kalziumspiegel reguliert und so für den Knochenaufbau wichtig<br />

ist. Damit glauben die Physiker den entscheidenden Puzzlestein zu finden, mit dem es möglich<br />

ist, ein Medikament gegen die Knochenkrankheit zu entwickeln. Professor Jochen Balbach und<br />

Professor Kay Saalwächter, beide Fachgruppenleiter im Kernresonanz-Zentrum, dringen dazu<br />

in die dreidimensionalen Welten der Moleküle vor, die kein herkömmliches Mikroskop sichtbar<br />

machen könnte.<br />

Als Superlupen benutzen sie magnetische<br />

Kernresonanz-Spektrometer (NMR), die mit<br />

einer sage und schreibe 500-millionenfachen<br />

Vergrößerung arbeiten. Zum Vergleich: „Ein<br />

Linsen-Mikroskop schafft nur etwa eine mehrhundertfache<br />

Vergrößerung“, veranschaulicht<br />

Kay Saalwächter den enormen Unterschied.<br />

Allerdings sei das Mikroskop in anderen Bereichen<br />

dennoch im Vorteil, denn eine computergestützte,<br />

detaillierte Auswertung der<br />

NMR-Spektroskopie könne viele Wochen<br />

betragen.<br />

Obwohl beide Experimentalphysiker in den<br />

Mikrokosmos der Moleküle eintauchen, sind<br />

die Forschungsfelder klar aufgeteilt. Kay Saalwächter<br />

untersucht hauptsächlich die Bewegungen<br />

von Atomen. Damit will er etwa die<br />

wissenschaftliche Erklärung liefern, worauf<br />

genau die Elastizität von Gummi beruht. Dank<br />

des NMR-Spektrometers sei es möglich, die<br />

Bewegungen der Polymer-Ketten vom Sekunden-<br />

bis in den Piko-Sekundenbereich zu erfassen,<br />

erklärt der 39-Jährige.<br />

Indes interessiert sich sein Kollege Jochen<br />

Balbach für die atomaren Strukturen, speziell<br />

der von Proteinen. Mit diesem Wissen könnten<br />

neue Medikamente entwickelt werden. Viele<br />

Krankheiten, auch die Osteoporose, sagt er,<br />

würden durch Proteine ausgelöst. „Sofern man<br />

die Struktur dieser Eiweißketten entschlüsseln<br />

kann, lässt sich auch ein Wirkstoff entwerfen,<br />

der das schädliche Protein blockieren kann“,<br />

erklärt Balbach, der vergangenes Jahr mit<br />

seiner Arbeitsgruppe schon für Schlagzeilen<br />

sorgte. Mithilfe der NMR-Spektroskopie<br />

konnte die atomare Struktur eines bestimmten<br />

Proteins aufgeklärt werden. Dadurch gelang<br />

es, einen Test zum Nachweis von HIV-Viren<br />

im Blutserum zu entwickeln.<br />

Bereits sechs NMR-Spektrometer besitzt das<br />

Kernresonanz-Zentrum, das sich damit zu den<br />

größten universitären Experimentier-Werkstätten<br />

dieser Art an Physikfachbereichen in<br />

Deutschland zählen darf. Drei Geräte, darunter<br />

auch das leistungsstärkste 800-Megahertz-<br />

NMR-Spektrometer, wurden mit dem Umzug<br />

der Physiker nach Heide-Süd für 3,7 Millionen<br />

Euro angeschafft. Alle Geräte eint eine<br />

unsichtbare Kraft namens Magnetismus. Die<br />

ist nicht nur im Spektrometer, sondern auch<br />

im Raum so groß, dass einem sprichwörtlich<br />

das Geld aus der Tasche gezogen wird. Jochen<br />

Balbach und Kay Saalwächter zeigen<br />

das an kleinen Geldmünzen. Die werden vom<br />

Magnetfeld unweit vom NMR-Spektrometer<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

entfernt schwerelos im Raum gehalten. „Kein<br />

Permanent- und kein konventioneller Elektromagnet<br />

vermag annähernd die gleiche Kraft<br />

zu erzeugen“, sagt Professor Balbach. Im Zentrum<br />

herrsche ein Magnetfeld, das 500 000fach<br />

stärker sei als das der Erde.<br />

Auf magnetische Gegenstände müssen die<br />

Wissenschaftler bei ihrer Arbeit verzichten.<br />

Alles Metallische unterliege der Anziehungskraft,<br />

die wohl 1000-mal stärker als ein<br />

Wandtafelmagnet sei, vergleicht Balbach. Das<br />

Geheimnis des Supermagneten liege in der<br />

Spule, die aus Supraleiter gefertigt ist und mit<br />

Flüssigstickstoff und Helium auf Minus 271<br />

Grad Celsius gekühlt werde. Das Phänomenale<br />

daran: Strom für die Magnetspule werde<br />

nur einmal beim Anlaufen gebraucht. Dann<br />

kann quasi der Stecker aus der Steckdose gezogen<br />

werden. Dank des Nullwiderstandes des<br />

Supraleiters gibt es keine Leistungsverluste, so<br />

dass die elektrische Energie im System dauerhaft<br />

erhalten bleibt.<br />

■<br />

Auch rund um das leistungsstarke 800-Megahertz-NMR-Spektrometer ist der Magnetismus verblüffend groß<br />

– wie Kay Saalwächter (l.) und Jochen Balbach mithilfe von 5-Cent-Münzen demonstrieren.<br />

Prof. Dr. Kay Saalwächter<br />

Leiter der Fachgruppe NMR<br />

Tel.: 0345 55 28560<br />

E-Mail: kay.saalwaechter@physik.uni-halle.de<br />

Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/nmr<br />

Prof. Dr. Jochen Balbach<br />

Leiter der Fachgruppe Biophysik<br />

Tel.: 0345 55 28550<br />

E-Mail: jochen.balbach@physik.uni-halle.de<br />

Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/biophysik<br />

27<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN


28<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

50 Jahre Elektronenmikroskopie in Halle<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich<br />

an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität eine international<br />

anerkannte Schule für angewandte Elektronenmikroskopie<br />

und Festkörperphysik.<br />

Der 2001 verstorbene hallesche Forscher<br />

Heinz Bethge gründete vor 50 Jahren an der<br />

MLU die entsprechende Arbeitsstelle. Daraus<br />

wurde später das Institut für Festkörperphysik<br />

und Elektronenmikroskopie der Akademie der<br />

Wissenschaften der DDR.<br />

Die aus Bethges Arbeit entstandene Anwendungsbreite<br />

der abbildenden Technik sowie<br />

Parasitologen, Strukturbiologen und Wirkstoffforscher<br />

aus drei europäischen Staaten<br />

und Brasilien arbeiten gemeinsam an der<br />

Entwicklung von neuen Arzneistoffen für die<br />

die Verzahnung von Grundlagenforschung<br />

und Industriekooperation sind in Deutschland<br />

einmalig. Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates<br />

gingen nach der Wende 1990 aus dem<br />

Akademie-Institut das Max-Planck-Institut<br />

für Mikrostrukturphysik MPI und das heutige<br />

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />

IWM hervor. Die elektronen- und ionenbasierte<br />

Mikrostrukturdiagnostik und Materialforschung<br />

ist heute ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt<br />

in Halle. So werden am Fraunhofer<br />

IWM für Bauteile der Mikroelektronik und<br />

Pharmazeuten entwickeln Medikament gegen Tropenkrankheit<br />

Beispiele für Molekülstrukturen, an die Arzneistoffe<br />

binden können. Abbildung: Abteilung Medizinische<br />

Chemie<br />

Therapie der Tropenkrankheit Bilharziose, die<br />

durch den Pärchenegel (Schistosoma) hervorgerufen<br />

wird. Weltweit sind mehr als 200 Millionen<br />

Menschen mit dem Parasiten infiziert,<br />

was jährlich zu 280 000 Todesfällen führt. Die<br />

Europäische <strong>Uni</strong>on fördert das Forschungsprojekt<br />

„SEtTReND – Schistosoma Epigenetics<br />

– Targets, Regulation, New Drugs“ mit insgesamt<br />

3,3 Millionen Euro. Beteiligt ist auch das<br />

Institut für Pharmazie der MLU.<br />

Sieben universitäre und außeruniversitäre<br />

Forschungseinrichtungen sowie Industrieunternehmen<br />

arbeiten in dem Projekt zusammen,<br />

das vom Institut Louis-Pasteur in Lille<br />

(Frankreich) koordiniert wird. „Die Idee ist,<br />

auf der Basis von epigenetischen Regulations-<br />

®<br />

Große Steinstraße 10 · 06108 Halle<br />

Telefon (03 45) 2<strong>02</strong>9241<br />

Steinweg 27 · 06110 Halle<br />

Telefon (03 45) 5126560<br />

www.trothe.de<br />

Rathenauplatz 12 · 06114 Halle<br />

Telefon (0345) 5238000<br />

www.trothe-sehzentrum.de<br />

Mikrosystemtechnik die Struktur-, Material-<br />

und Bauteileigenschaften charakterisiert, die<br />

Zuverlässigkeit von Mikrobauteilen bewertet<br />

und Prüfverfahren für Mikrodimensionen entwickelt.<br />

Auch an der MLU gehen zahlreiche<br />

Wissenschaftler grundlagen- und anwendungsrelevanten<br />

materialwissenschaftlichen<br />

Fragestellungen auf den Grund. Hierzu ist an<br />

der halleschen <strong>Uni</strong>versität das Landesexzellenznetzwerk<br />

„Nanostrukturierte Materialien“<br />

angesiedelt.<br />

Jasmine Ait-Djoudi<br />

mechanismen des Pärchenegels biologisch<br />

wirksame Verbindungen zu entwickeln, die<br />

gezielt den Parasiten abtöten können“, erklärt<br />

MLU-Professor Wolfgang Sippl vom<br />

Institutsbereich Pharmazeutische Chemie und<br />

Klinische Pharmazie. Über die nächsten drei<br />

Jahre wird Sippls Arbeitsgruppe Medizinische<br />

Chemie aus Mitteln des EU-FP-7 Rahmenprogramms<br />

mit 245 000 Euro unterstützt. Ziel<br />

der beteiligten Wissenschaftler aus den Biowissenschaften<br />

und der Wirkstoffforschung ist<br />

es, neuartige Angriffskonzepte im parasitären<br />

Lebenszyklus zu analysieren und gezielt Arzneistoffkandidaten<br />

zu entwickeln.<br />

Carsten Heckmann<br />

sehen erleben<br />

TROTHE OPTIK<br />

TROTHE sehzentrum<br />

Kontaktlinsen-Institut<br />

vergrößernde Sehhilfen


Förderung für Forschung zu synthetischen Molekülen<br />

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />

fördert eine neue Forschergruppe (FOR 1145)<br />

zur „Strukturbildung von synthetischen polyphilen<br />

Molekülen mit Lipidmembranen“ über<br />

einen Zeitraum von drei Jahren mit rund 1,6<br />

Millionen Euro. Sprecher der Forschergruppe<br />

ist Prof. Dr. Alfred Blume vom Institut für<br />

Chemie der MLU. Sämtliche Arbeitsgruppen<br />

sind an der MLU angesiedelt. Vier Arbeitsgruppen<br />

stammen dabei aus dem Institut für<br />

Chemie und eine aus dem Institut für Physik<br />

der Naturwissenschaftlichen Fakultät II. Die<br />

DFG finanziert neben den Forschungsarbeiten<br />

auch Doktoranden- und Post-Doc-Stellen.<br />

„Die Einwerbung der Mittel für die Finanzierung<br />

der Forschergruppe stellt für die Naturwissenschaftliche<br />

Fakultät II einen weiteren<br />

großen Erfolg dar“, erklärt Professor Blume.<br />

„Sie zeigt auch, dass der eingeschlagene Weg<br />

mit einer konsequent auf bestimmte Forschungsschwerpunkte<br />

ausgerichteten Berufungsstrategie<br />

erfolgreich ist.“<br />

Das Thema der Forschergruppe ist ein sehr<br />

aktuelles. Es beschäftigt sich mit der Struk-<br />

Sachsen-Anhalts<br />

Landesexzellenznetzwerk<br />

„Strukturen und<br />

Mechanismen<br />

der biologischen<br />

Informationsverarbeitung“<br />

soll<br />

einen würdigen<br />

Nachfolger mit<br />

neuer Schwerpunktsetzung<br />

bekommen. Ein<br />

entsprechender<br />

Antrag werde<br />

vorbereitet,<br />

sagten die Netz-<br />

werk-Sprecher im Vorfeld einer Tagung, die<br />

die Kooperationspartner am 4. und 5. März<br />

2010 in Halle veranstalteten. Das an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />

Halle-Wittenberg angesiedelte<br />

Netzwerk besteht seit 2006 und wird<br />

bis Ende dieses Jahres gefördert.<br />

„Das Land Sachsen-Anhalt hat vor fünf Jahren<br />

mit der Exzellenzförderung eine Vorreiterrolle<br />

übernommen“, konstatiert MLU-Biologe Prof.<br />

Dr. Gunter Reuter, Nachfolger des 2009 verstorbenen<br />

Prof. Dr. Rainer Rudolph im Sprecher-Trio<br />

des Netzwerks. „Diese Entscheidung<br />

war goldrichtig. Und jetzt deuten die Signale,<br />

die wir von der Landesregierung erhalten haben,<br />

darauf hin, dass ein biowissenschaftlicher<br />

Schwerpunkt auch weiterhin erwünscht ist.<br />

Damit wird es langfristig möglich, das international<br />

anerkannte Potenzial der beteiligten<br />

Forschungseinrichtungen Sachsen-Anhalts<br />

turbildung von synthetischen Molekülen, die<br />

aufgrund ihrer besonderen, sogenannten polyphilen<br />

Eigenschaften zur Strukturbildung und<br />

Selbstassoziation befähigt sind, mit Modellmembranen<br />

aus Lipiden (wasserunlöslichen<br />

Stoffen). In der Forschergruppe sollen neue<br />

polyphile Moleküle sowohl im niedermolekularen<br />

Bereich als auch auf dem Gebiet der<br />

Polymere hergestellt werden.<br />

„Ziel der Forschergruppe ist es, die Wechselwirkung<br />

und die damit verbundene Strukturbildung<br />

von neu synthetisierten polyphilen<br />

Molekülen per se und mit unterschiedlich<br />

hergestellten Phospholipidmembranen zu untersuchen“,<br />

sagt Prof. Dr. Alfred Blume. Es<br />

sei geplant, polyphile Moleküle zu finden, die<br />

biologische Relevanz besitzen und die damit<br />

potenzielle Anwendungen in der Medizin,<br />

Pharmazie, Biologie und den Materialwissenschaften<br />

haben. Beispielsweise könnte die<br />

Funktionsweise dieser Moleküle für die Suche<br />

nach neuen Antibiotika eine Rolle spielen.<br />

Carsten Heckmann<br />

Biowissenschaftler wollen weiteres Exzellenznetzwerk<br />

Prof. Dr. Gunter Reuter, Leiter<br />

der Arbeitsgruppe Entwicklungsgenetik<br />

an der MLU,<br />

Foto: Maike Glöckner<br />

weiter zu stärken.“ Über die thematische Neuausrichtung<br />

berate derzeit eine Arbeitsgruppe,<br />

danach werde eine Antragsskizze erstellt.<br />

„Die Erforschung von Proteinfunktionen und<br />

-strukturen dürfte stärker in den Fokus rücken.“<br />

Das bestehende Exzellenznetzwerk umfasst<br />

106 Forscher aus vier Fakultäten der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität,<br />

der Max-Planck-Forschungsstelle<br />

für Enzymologie der Proteinfaltung<br />

Halle, dem Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie<br />

Halle und dem Leibniz-Institut für<br />

Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung<br />

Gatersleben. Ihre gemeinsamen Ziele: wissenschaftliche<br />

Spitzenleistungen vollbringen,<br />

die Nachwuchsqualifizierung stärken und die<br />

Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Halle/<br />

Gatersleben erhöhen, national wie international.<br />

Das Netzwerk gab die Initialzündung für weitere,<br />

in Wettbewerbsverfahren auf den Weg<br />

gebrachte Großprojekte, darunter das Zentrum<br />

für Innovationskompetenz „HALOmem“ und<br />

das Protein-Kompetenznetzwerk Halle (Pro-<br />

Net-T³). Letzteres bekam im vergangenen Jahr<br />

die Förderzusage vom Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung – als einziges Projekt<br />

aus Sachsen-Anhalt in der zweiten Runde des<br />

Programms „Spitzenforschung und Innovation<br />

in den Neuen Ländern“. Die eingeworbenen<br />

Drittmittel summieren sich auf 26 Millionen<br />

Euro. Die durch das Land Sachsen-Anhalt<br />

getragene Grundförderung für das Exzellenznetzwerk<br />

betrug jährlich bis zu 2,5 Millionen<br />

Euro.<br />

Carsten Heckmann<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Rudolph-Stiftung<br />

vergibt künftig<br />

Forschungspreis<br />

Der im Dezember vergangenen Jahres verstorbene<br />

Rainer Rudolph. Foto: Maike Glöckner<br />

Die Ideen und Visionen des im Dezember<br />

2009 verstorbenen Proteinforschers<br />

der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität, Prof. Dr.<br />

Rainer Rudolph, werden weiter lebendig<br />

gehalten. Seine ehemaligen Mitarbeiter,<br />

Kollegen und Weggefährten haben gemeinsam<br />

eine Rainer-Rudolph-Stiftung<br />

ins Leben gerufen, die sich jetzt in Gründung<br />

befindet. Aller ein bis zwei Jahre<br />

wird die Stiftung einen Forschungspreis<br />

auf dem Gebiet der Proteinforschung<br />

ausloben. Vor allem an Nachwuchswissenschaftler<br />

soll sich diese Ausschreibung<br />

richten. Rainer Rudolphs Anliegen,<br />

jungen vielversprechenden Forschern in<br />

Halle Perspektiven zu eröffnen, wird damit<br />

weiter verfolgt. Der Preis stellt eine<br />

Chance für Nachwuchsforscher dar und<br />

bietet leistungsstarken Studierenden vor<br />

Ort einen zusätzlichen Anreiz für ihre<br />

Arbeit. Der national und international anerkannte<br />

Wissenschaftler hat den Standort<br />

Weinberg-Campus, der heute der zweitgrößte<br />

Technologiepark Ostdeutschlands<br />

ist, zum Exzellenzcluster entwickelt.<br />

Halle als Exzellenzcluster für Proteinbiotechnologie<br />

mit vernetzter Grundlagenforschung,<br />

angewandter Forschung und<br />

Produktion war seine Vision.<br />

Im Herbst findet eine internationale Konferenz<br />

statt, die noch von Rainer Rudolph<br />

initiiert wurde: Anfang September 2010<br />

treffen sich Fachleute aus Wirtschaft und<br />

Wissenschaft, um neue Ergebnisse und<br />

rekombinante Proteine zu diskutieren.<br />

Diese Veranstaltung der Proteinforschung<br />

wird künftig aller zwei Jahre in Halle<br />

stattfinden, organisiert von der MLU und<br />

der Scil Proteins GmbH.<br />

Ute Olbertz<br />

29<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN


30<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

(Fach-)Literaturfabrik <strong>Uni</strong>versität<br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

N EUES VOM HASSELPOGG<br />

Alle Jahre wieder quaken sie. Im April. Ganz<br />

gleich, ob der Laie (regional bedingt) Baum-,<br />

Hecken- oder Laubfrosch, Laubkleber, Wetterfrosch<br />

oder -prophet oder hoch im deutschen<br />

Norden Haselpogg sagt – der Wissenschaftler<br />

nennt die sympathischen Tiere Hyla arborea.<br />

Wer diese Spezies mit ihren zahlreichen Gattungen<br />

und Hunderten von Arten erforschen<br />

will, kann fast weltweit unterwegs sein; nur in<br />

Zentral- und Südafrika sowie in Teilen Südostasiens<br />

kommen sie nicht vor.<br />

PD Dr. Wolf-Rüdiger Große vom Institut<br />

für Biologie der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität,<br />

Leiter der Arbeitsgruppe Spezielle Zoologie<br />

und der Zoologischen Sammlungen, zählt zu<br />

den international renommierten Experten der<br />

Hylidenforschung. Jüngst erschienen erneut<br />

zwei Bücher von ihm, die sowohl in der einschlägigen<br />

Fachliteratur ihren Platz finden, für<br />

Biologiestudenten auf der Lektüreliste stehen<br />

als auch manchem Naturfreund zur besseren<br />

Orientierung dienen werden.<br />

Die Monografie „Der Laubfrosch“ kam schon<br />

zum zweiten Mal (zuerst 1994) in der Reihe<br />

„Die Neue Brehm-Bücherei“ heraus; als Band<br />

27 der Frankfurter Beiträge zur Naturkunde<br />

erschien, mit wunderschönen Fotos ausgestattet,<br />

die umfassende Darstellung „Laubfrösche.<br />

Europa – Mittelmeerregion – Kleinasien“.<br />

Große beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit<br />

seinen Lieblingsamphibien.<br />

Schon in der Jugend begeisterter Terrarianer,<br />

betreibt er Freilandforschungen vor allem in<br />

den Auwaldgebieten zwischen Halle und Leipzig<br />

im Sinne des Biotop- und Artenschutzes.<br />

In den zurückliegenden 40 Jahren publizierte<br />

er über 300 wissenschaftliche Beiträge in<br />

Büchern und Zeitschriften. Seine Studenten<br />

motiviert er in den Fachpraktika zur Amphibienkunde<br />

jedes Frühjahr neu für die weit über<br />

Halle hinaus bekannten Krötenschutzaktionen<br />

an den Kreuzerteichen und im Amselgrund.<br />

Denn vom steten Rückgang der Laubfroschbestände<br />

ist er wie alle Herpetologen alarmiert<br />

und engagiert sich deshalb intensiv im Natur-<br />

und Umweltschutz.<br />

Margarete Wein<br />

� Wolf-Rüdiger Große<br />

Laubfrösche. Europa � Mittelmeerregion � Kleinasien, Edition<br />

Chimaira, Frankfurt am Main 2009, 288 Seiten, mit über<br />

200 Farbfotos, Karten, Grafiken, Tabellen und einer ausführlichen<br />

Bibliografie,<br />

39,80 Euro, ISBN: 978-3-930612-81-9<br />

� Wolf-Rüdiger Grosse<br />

Der Laubfrosch. Hyla arborea, 2. überarbeitete und erweiterte<br />

Auflage, Die Neue Brehm-Bücherei, Band 615, Westarp<br />

Wissenschaften, Hohenwarsleben 2009, 236 Seiten, mit 1<strong>02</strong><br />

Abbildungen, 16 Tabellen, 1 S/W- und 4 Farbtafeln,<br />

29,95 Euro, ISBN: 978-3-89432-407-0<br />

Webcode<br />

SH-868 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Langfassung der Rezension


C AROLINEN, DOROTHEEN, LUISEN ⁄<br />

… auch Annen und Julianen en masse – so<br />

hieß man eben als Frau im 18. Jahrhundert<br />

und war’s zufrieden. Protest jedoch forderten<br />

die damals vielen aufgezwungenen Lebensumstände<br />

heraus. Der (100.!) internationale Frau-<br />

S O ROMANTISCH � UND DOCH KRIMINELL!<br />

„TatortOst“ kennt kein Tabu; nicht einmal vor<br />

Reformation und Romantik macht die Reihe<br />

halt. So avancieren selbst Luther und Eichendorff<br />

in historischen Krimis zu Hauptakteuren.<br />

Wie der mitteldeutsche Reformator taucht<br />

entag ist gerade vorbei, der Muttertag steht<br />

vor der Tür, und man staunt, wie modern manche<br />

Ideale von Frauen vor zwei oder drei Jahrhunderten<br />

schon waren. Und darüber, dass ein<br />

Kompendium wie dieses erst jetzt zusammengestellt<br />

worden ist. Doch besser spät als nie!<br />

Das Resultat – Band 4 der vom Kultusministerium<br />

des Landes geförderten Reihe „Sachsen-Anhalt<br />

im 18. Jahrhundert“ und zugleich<br />

offizieller Katalog zum Themenjahr 2008 – ist<br />

ein wunderbares Buch, mit dem interessierte<br />

Leser niemals fertig werden. Leserinnen erst<br />

recht nicht.<br />

Sowohl die Aufzählung der hier porträtierten<br />

Frauen wie die der Autoren – das Inhaltsverzeichnis<br />

mit seinen in der Mehrzahl der Fälle<br />

Neugier weckenden Titeln und Untertiteln<br />

– verspricht eine spannende und interessante<br />

Lektüre, die an historischen Details und kritischen<br />

Betrachtungen (deren einige man<br />

durchaus auf die Gegenwart übertragen darf<br />

oder gar muss) wenig zu wünschen übrig lässt.<br />

„Wo ist das glückliche Land, in dem ein<br />

milder Genius die Blüten des weiblichen<br />

Geistes pflegt?“ fragte Louise von Anhalt-<br />

Dessau 1801 ihr Tagebuch. Ob ihr heutige<br />

Blogger eine Antwort geben könnten? Als<br />

Teil der seit 2003 wirkenden Landesinitiative<br />

„Sachsen-Anhalt im 18. Jahrhundert“ war das<br />

Jahr 2008 den „Frauen im 18. Jahrhundert“<br />

gewidmet. Museen und andere kulturelle Ein-<br />

auch der schlesische Adelsspross nicht zum<br />

ersten Mal im neuen Mitteldeutschen Verlag<br />

auf. Nach der gediegenen, autobiografisch<br />

orientierten Edition 2007 – „Joseph von Eichendorff.<br />

Halle, Harz und Heidelberg“, herausgegeben<br />

von Heidi Ritter und Eva Scherf<br />

(s. scientia halensis 1/08, S. 33) – nunmehr die<br />

„Folgen einer Landpartie“. Andere aber als der<br />

fast anzüglich anmutende Titel suggeriert.<br />

Hier schreibt ein hallescher Student über das<br />

hallesche Studentenleben. Allerdings liegen<br />

über zweihundert Jahre zwischen Beschreibung<br />

und Beschriebenem!<br />

Der gegenwärtige Autor (27) studiert Literatur<br />

und Geschichte in Halle und Leipzig; der<br />

unvergangene Freiherr und Held des Romans<br />

(damals 17) widmete sich an der Alma mater<br />

halensis neben der Jurisprudenz einem halben<br />

Dutzend anderer Fächer und – den üblichen<br />

studentischen Vergnügungen. Dazu zählten<br />

Theaterbesuche in Goethes Theater im nahen<br />

Bad Lauchstädt oder im Merseburger Schlossgartensalon.<br />

Bei einer solchen Gelegenheit begegnet<br />

er einer rätselhaften Rothaarigen zum<br />

ersten Mal. Näherer Bekanntschaft scheint<br />

nichts im Weg zu stehen, sie stammt gleich<br />

ihm aus gutem Haus. Zudem ist Undine von<br />

Botfelds Bruder Heinrich, Gutsherr in Geusau,<br />

sein Kommilitone an der halleschen <strong>Uni</strong>versität.<br />

Dann jedoch kommt es dick. Begleitet von<br />

seinem treuen Diener und Freund Jakob<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

richtungen brachten sich mit über 300 Veranstaltungen<br />

ein: Ausstellungen, Führungen, Lesungen,<br />

Konzerte, wissenschaftliche Tagungen<br />

etc. pp. Auch die <strong>Uni</strong>versitäten des Landes<br />

waren mit verschiedenen Projekten dabei. In<br />

Halle beteiligten sich außerdem die Franckeschen<br />

Stiftungen, das Händelhaus und das<br />

Stadtmuseum mit großem Engagement. Seitens<br />

der <strong>Uni</strong> sind – neben der Zentralen Kustodie<br />

– mehrere Institute und interdisziplinäre<br />

Zentren vertreten.<br />

Die faktenreichen Texte sind von vielen Faksimiles,<br />

Fotos, Gemälden und Kupferstichen<br />

illustriert, so dass die Vergangenheit auf eindrucksvolle<br />

Weise lebendig wird und wir die<br />

vorgestellten „Weibsbilder“ an ihren diversen<br />

„FrauenOrten“ leibhaftig vor uns sehen.<br />

Margarete Wein<br />

� Thomas Weiss (Hg.)<br />

Frauen im 18. Jahrhundert. Entdeckungen zu Lebensbildern<br />

in Museen und Archiven in Sachsen-Anhalt, unter Mitarbeit<br />

von Katrin Dziekan und Ingo Pfeifer, Halle 2009,<br />

368 Seiten, viele Abbildungen,<br />

25,00 Euro, ISBN 978-3-89812-648-9<br />

Webcode<br />

SH-867<br />

Langfassung der Rezension<br />

Schöpp, folgt Eichendorff einer Einladung<br />

zur Entenjagd in Geusau. Bei der Rückkehr<br />

erwartet die Jagdgesellschaft die Nachricht,<br />

Botfelds Kammerdiener habe sich aufgehängt.<br />

Das mag der Gast nicht glauben. Vor<br />

allem nicht, weil Michael Thiel verliebt war<br />

(wie er selbst). So setzt es sich Eichendorff in<br />

den Kopf, ein Verbrechen aufzuklären. Umso<br />

mehr, nachdem es einen zweiten Toten – womöglich<br />

den Mörder des ersten? – auf Gut<br />

Geusau gibt …<br />

Nicht nur die spannende Handlung (Restzweifel<br />

bleiben bis zum Schluss) lohnt die Lektüre.<br />

Mindestens ebenso interessant sind die Einblicke<br />

in den städtischen und studentischen<br />

Alltag jener Zeit, inklusive anschaulicher Lokalinformationen<br />

und stimmiger Personenporträts.<br />

Alles Ergebnisse genauer Recherchen des<br />

Autors, der überdies bereits eine Fortsetzung<br />

zu seinem Debüt geschrieben hat.<br />

Margarete Wein<br />

� Bernhard Spring<br />

Folgen einer Landpartie. Ein historischer Halle-Krimi, Halle<br />

2010, 166 Seiten,<br />

9,90 Euro, ISBN 978-3-89812-681-6<br />

Webcode<br />

SH-869 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Langfassung der Rezension<br />

31<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN


32<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Pädagogen in der Peerwelt<br />

Wissenschaftler erforschen in zwei Projekten<br />

junge Gleichaltrigen-Gruppen<br />

C ORINNA BERTZ<br />

Nicht nur Eltern fühlen sich ab und zu ausgeschlossen, wenn ihre Kinder mit Freunden unterwegs<br />

sind – auch Erziehungswissenschaftler hatten lange Zeit keinen Einblick in die Gruppen<br />

gleichaltriger Kinder oder Jugendlicher. Dabei spielt sich in diesen „peer groups“, wie sie in der<br />

Forschung genannt werden, ein ganz entscheidender Teil der Persönlichkeitsentwicklung ab. Die<br />

Philosophische Fakultät III der MLU zählt zu den Vorreitern der deutschen Peerforschung. An<br />

zwei Lehrstühlen nähert man sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Prof.<br />

Dr. Heinz-Hermann Krüger leitet eine der ersten und größten qualitativen Längsschnittstudien,<br />

die den Zusammenhang zwischen Peers und Bildungsbiographie untersucht. Sein Kollege Prof.<br />

Dr. Günther Opp setzt dagegen auf pädagogische Intervention, um an Schulen eine Positive<br />

Peerkultur zu entwickeln.<br />

Der Erziehungswissenschaftler Heinz-Hermann<br />

Krüger hat eine besonders schwer<br />

zugängliche Peergruppe gewählt: „Wir erforschen<br />

die natürlichen Freundeskreise, weil<br />

sie die Kinder und ihre Wertorientierungen<br />

besser repräsentieren als willkürlich zusammengesetzte<br />

Schulklassen“, erklärt der Leiter<br />

des Projekts „Peergroups und schulische Selektion<br />

– Interdependenzen und Bearbeitungsformen“.<br />

150 Fünftklässler aus vier verschiedenen<br />

Schultypen befragte sein Team im Jahr 2005.<br />

„Nach Interviews und Gruppendiskussionen<br />

wählten wir in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen<br />

zehn Kinder aus, die wir in<br />

ihre Peerwelt begleiten wollten“, erläutert<br />

die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maren<br />

Zschach das Verfahren. Diese zehn Elfjährigen<br />

nannten den Pädagogen ihre ganz unterschiedlich<br />

großen Freundesgruppen, die sie<br />

im Fußballverein, beim Shoppen, Tanzen oder<br />

zum heimlichen Rauchen hinterm Stadtklo<br />

treffen.<br />

In drei Erhebungswellen beobachten, beschreiben<br />

und analysieren die Wissenschaftler im<br />

Abstand von je zwei Jahren den Alltag und<br />

das Verhalten der Kinder und ihrer Peers. Anhand<br />

von Beobachtungen, Fragebögen, Gruppendiskussionen,<br />

Interviews und Videoaufnahmen<br />

können sie Rückschlüsse auf die individuellen<br />

und kollektiven Wertorientierungen<br />

ziehen. „Wir greifen aber nie aktiv in die<br />

Gruppe ein, eher laufen wir den Peers auch<br />

mal durch den Wald hinterher oder sitzen ein<br />

paar Stunden mit ihnen im Kinderzimmer“, erzählt<br />

Aline Deinert, die jetzt mit der Auswertung<br />

der letzten, dritten Welle beschäftigt ist.<br />

Abbildung: Kirsty Pargeter, Fotolia<br />

Um das Verhältnis von Peergruppe und individueller<br />

schulischer Bildungsbiographie darzustellen,<br />

entwickelten die Wissenschaftler fünf<br />

verschiedene Muster. Bei vieren von ihnen<br />

stimmen die Einstellungen der Peers und der<br />

Kinder zur Schule weitgehend überein. Ein<br />

positiver Schulbezug besteht etwa, wenn sich<br />

ein strebsamer Schüler in einer ebenfalls leistungsorientierten<br />

Peerwelt bewegt. Negative<br />

Passungen ergeben sich dagegen, wenn Kinder<br />

mit bildungsfernen schulischen Orientierungen<br />

auch risikobehafteten Peergruppen angehören.<br />

Nach der Verknüpfung der ersten beiden<br />

Erhebungen ließen sich acht von zehn Fällen<br />

diesen vier Mustern zuordnen.<br />

Die bisherige Botschaft könnte also lauten:<br />

Gleich und gleich gesellt sich gern. Doch<br />

nicht alle Fälle bestätigen diese These. Pro-


jektleiter Krüger schildert den Fall einer Schülerin,<br />

deren Peergruppe eine Gegenwelt zu<br />

ihrer hohen schulischen Bildungsorientierung<br />

darstellt: „Sie ist in der 9. Klasse mit verbesserten<br />

Leistungen von der Hauptschule in die<br />

Realschule aufgestiegen, obwohl sich ihre<br />

ganzen Freizeitaktivitäten um Parties, Jungs<br />

und Alkohol drehen.“ Ihre Entwicklung interessiert<br />

die Pädagogen ganz besonders, denn<br />

eine Erklärung für dieses Muster haben sie<br />

noch nicht.<br />

Generell spielen Schulthemen in der Peerwelt<br />

offenbar eine untergeordnete Rolle. „Zugespitzt<br />

könnte man Peergruppe häufig als Parallelwelt<br />

zur Schule bezeichnen. Natürliche<br />

Peers stellen zwar selten bildungsfördernde<br />

Lernpotenziale bereit, sie fungieren jedoch<br />

als ‚emotionaler Tröster’“, fasst Heinz-Her-<br />

mann Krüger einige Zwischenergebnisse der<br />

Langzeitstudie zusammen. Trotzdem vermutet<br />

der Erziehungswissenschaftler, dass Kinder<br />

und Jugendliche zu starke Gegensätze zwischen<br />

der individuellen und der kollektiven<br />

Bildungsorientierung auf Dauer nicht aufrecht<br />

erhalten können. Ob sich diese These im Fall<br />

der Schülerin bestätigt, wird die Auswertung<br />

der dritten Erhebung zeigen, die 2011 abgeschlossen<br />

werden soll.<br />

ıGEMEINSAM STATT EINSAM„ � DAS BEISPIEL<br />

P OSITIVER PEERKULTUR<br />

Dass Peers unter pädagogischer Anleitung<br />

mehr können als trösten, beschreibt Prof. Dr.<br />

Günther Opp vom Institut für Rehabilitati-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

onspädagogik der MLU. Das Projekt Positive<br />

Peerkultur konzentriert sich überwiegend auf<br />

die Arbeit mit Kindern, die in ihrem Lebensalltag<br />

mit erheblichen Belastungen konfrontiert<br />

sind. „Diese Kinder wachsen mit Gewalt,<br />

Arbeitslosigkeit, Armut oder überforderten Eltern<br />

auf. Wir wissen relativ viel über sie, aber<br />

was tun wir bei all diesen Befunden? Das ist<br />

die Frage, die uns umtreibt“, begründet Günther<br />

Opp den pädagogischen Ansatz Positiver<br />

Peerkultur.<br />

Von 20<strong>02</strong> bis 2007 wurde das Projekt „Gemeinsam<br />

statt einsam“, in dem das Konzept<br />

der Positiven Peerkultur umgesetzt wird, an<br />

halleschen Schulen erprobt. Die Erfahrungen<br />

aus verschiedenen Gruppen bestärkten Günther<br />

Opp in seinem Vorhaben, Erziehungseinrichtungen<br />

und professionellen Pädagogen<br />

den Arbeitsansatz näher zu bringen. „Denn<br />

wir können es uns einfach nicht leisten, diese<br />

positive Kraft der Peergruppe zu verschenken.<br />

Gerade Kinder, die wenig Unterstützung von<br />

Erwachsenen erhalten, brauchen Peers, die sie<br />

halten und stützen“, unterstreicht der Sonderpädagoge.<br />

Die Gesprächsrunden der Peergruppen werden<br />

von Pädagogen geleitet, die aufgefordert<br />

sind, sich mit jedem Treffen ein wenig mehr<br />

zurückzunehmen. Ihre Aufgabe ist es, durch<br />

einen festen Ablauf und bestimmte Diskussionsregeln<br />

lediglich den Rahmen herzustellen,<br />

der es den Kindern ermöglicht, ihre coole,<br />

reservierte Haltung abzulegen und Schwache<br />

vor Stigmatisierungen zu schützen. Steht dann<br />

ein Problem erstmal im Raum, öffnet sich die<br />

Gruppe allein durch die Frage „Habt ihr so<br />

was schon mal erlebt?“ meist ganz schnell,<br />

denn loszuwerden haben die Kinder viel: Ärger<br />

mit den Eltern oder Freunden, Zukunftsängste,<br />

Drogenprobleme oder unsichere Familienverhältnisse<br />

sind immer wiederkehrende<br />

Themen.<br />

Wichtiger als das Problemlösen ist für Günther<br />

Opp, dass die Kinder die Solidarität der<br />

Gruppe erfahren, indem sich andere für ihre<br />

Probleme interessieren und mit ihnen nachdenken.<br />

Auf diese Weise lernen sie auch, dass<br />

sie für andere Verantwortung übernehmen<br />

und anderen helfen können. „Das ist die Erfahrung,<br />

die sie am meisten stärkt, denn wer<br />

anderen hilft, hat selbst einen Wert“, bringt es<br />

der Pädagoge auf den Punkt. Das Kernprinzip<br />

der Positiven Peerkultur ist simpel und<br />

nicht neu. Es beruht auf der gemeinsamen<br />

Wertebasis der Kinder, auf ihrer Fähigkeit,<br />

mit anderen zu empfinden, und vor allem auf<br />

33<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN


34<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

dem Vertrauen der engagierten Erwachsenen<br />

darauf, dass Kinder und Jugendliche Verantwortung<br />

übernehmen und Probleme selbst<br />

lösen können.<br />

D ER ı MAGIC TURN„ IN DER GRUPPE<br />

„Wenn es uns zum Beispiel gelingt, den Kindern<br />

deutlich zu machen, dass der, der den<br />

meisten Ärger macht, derjenige ist, der ihre<br />

Hilfe auch am dringendsten benötigt, dann<br />

vollzieht sich eine Art ‚magic turn’“, erklärt<br />

Günther Opp und beschreibt einen konkreten<br />

Fall: „Wir verlagern die Aufmerksamkeit der<br />

Kinder von Kevin dem Troublemaker hin zu<br />

Kevin, dem Kind, dem wir helfen können.“<br />

Kommen die Kinder dann selbst auf die Idee,<br />

dass sie Kevin in den Pausen stärker mit<br />

einbeziehen müssten, kann es gelingen, die<br />

Peerkultur und damit im Idealfall auch die<br />

Schulkultur und den Lebensalltag der Kinder<br />

allmählich zu verändern - im Idealfall, denn<br />

nicht immer kann sich das Konzept durchsetzen.<br />

Auch im deutschen Schulsystem ist die Positive<br />

Peerkultur noch nicht angekommen.<br />

„Genau da gehört sie aber hin, denn im Stundenplan<br />

muss auch Platz für den Alltag sein“,<br />

fordert Günther Opp nachdrücklich. Entscheidende<br />

Anschubhilfe leistete dabei vor allem<br />

die Körber-Stiftung, die das Peerkultur-Projekt<br />

im Jahr 2004 mit dem USable-Preis auszeichnete<br />

und dem Projekt zu einem qualitativen<br />

Sprung verhalf. Ein nächster großer Schritt<br />

ist die Kooperation mit dem weltweit tätigen<br />

SOS-Kinderdorf e. V. Aber auch die engagierten<br />

Lehrer und Schulleiter, die sich inzwischen<br />

bundesweit für den pädagogischen Arbeitsansatz<br />

interessieren, beweisen, dass an vielen<br />

deutschen Schulen Handlungsbedarf erkannt<br />

wurde.<br />

■<br />

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Einen umfassenden Überblick über theoretische<br />

Ansätze und die Diskussionen in der Kindheits- und Jugendforschung<br />

bietet das 1049 Seiten dicke „Handbuch<br />

Kindheits- und Jugendforschung“ von Heinz-Hermann<br />

Krüger und Cathleen Grunert. In vierzig Einzelbeiträgen<br />

schreiben Pädagogen, Soziologen und Psychologen über<br />

Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen aus historischer<br />

und internationaler Perspektive. Interdisziplinär<br />

wird der aktuelle Stand erziehungswissenschaftlicher<br />

Forschung zu den Lebensbedingungen von Kindern und<br />

Jugendlichen in Familie, Kindergarten, Schule, Beruf,<br />

Freizeit, Politik, Religion und in sozialpädagogischen<br />

Institutionen dargestellt.<br />

Das Standardwerk ist im VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />

erschienen und jetzt in zweiter Auflage<br />

erhältlich.<br />

Prof. Dr. Heinz-Hermann Krüger<br />

Institut für Pädagogik<br />

Telefon: 0345 55 23850<br />

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Prof. Dr. Günther Opp<br />

Institut für Rehabilitationspädagogik<br />

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Halles größter Medizin-Mann<br />

Zum 350. Geburtstag von Friedrich Hoffmann<br />

J ÜRGEN HELM<br />

Am 19. Februar 2010 jährte sich der Geburtstag von Professor Friedrich Hoffmann zum 350.<br />

Mal. Hoffmann war einer der bekanntesten europäischen Mediziner in der ersten Hälfte des 18.<br />

Jahrhunderts. Gemeinsam mit Georg Ernst Stahl gründete er die hallesche Medizinische Fakultät.<br />

Bis heute bleibt Hoffmanns akademische Karriere an der MLU unerreicht. 48 Mal war er<br />

Dekan der Medizinischen Fakultät, fünfmal Dekan der Philosophischen Fakultät und ebenso oft<br />

Prorektor. Unter anderem Hoffmanns Denken bereitete den Weg für die technische Sicht auf den<br />

menschlichen Organismus, welche die moderne Medizin heute prägt.<br />

Links der berühmte Mediziner, rechts seine berühmte Medizin. Das Hoffmann-Porträt stammt aus der Vitrinenausstellung<br />

der <strong>Uni</strong>versitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid<br />

nach einem Gemälde von Antoine Pesne). Foto rechts: Maike Glöckner<br />

Hoffmann wurde in Halle geboren und ist auf<br />

dem Stadtgottesacker beerdigt. Er studierte an<br />

der <strong>Uni</strong>versität Jena, wo er 1681 zum Dr. med.<br />

promoviert wurde. Nach kurzer Lehrtätigkeit<br />

praktizierte er als Arzt in Minden und Halberstadt.<br />

Im Jahr 1693 wurde der Mediziner<br />

vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich<br />

III. auf die erste Professur für Medizin an der<br />

neu gegründeten <strong>Uni</strong>versität Halle berufen.<br />

Hier las er über Anatomie, Chirurgie, Therapie,<br />

Physik sowie Chemie und erwies sich als<br />

sehr erfolgreicher akademischer Lehrer, der<br />

zahlreiche Studenten nach Halle zog. Unter<br />

seiner und Professor Stahls Leitung wurde die<br />

hallesche Medizinische Fakultät an der Wende<br />

zum 18. Jahrhundert zur führenden deutschen<br />

Ausbildungsstätte für akademische Ärzte.<br />

In seinen Hauptwerken präsentierte sich der<br />

Hallenser als konsequenter Vertreter einer<br />

medizinischen Richtung, die im Anschluss<br />

an Descartes‘ mechanische Naturphilosophie<br />

die Funktionen des menschlichen Körpers<br />

ausschließlich mit Grundsätzen der Mechanik<br />

zu erklären versuchte. Der menschliche Körper<br />

galt als eine kunstvoll zusammengesetzte<br />

Maschine, deren einzelne Bestandteile sich so<br />

bewegten, wie es sich aus ihrer Form, Größe,<br />

Lage und ihrem Zusammenwirken ergab.<br />

Krankheiten fasste Hoffmann als Störungen<br />

in den normalen Bewegungen der festen und<br />

flüssigen Teile des Körpers auf. Aufgabe des<br />

Arztes war es demzufolge, dem Organismus<br />

zu einer Normalisierung der Bewegungsabläufe<br />

zu verhelfen. Hoffmanns Therapie war<br />

zurückhaltend und mild: Im Wesentlichen<br />

bestand sie in diätetischen Maßnahmen und<br />

in der Verschreibung einfacher Medikamente.<br />

Als „Hoffmannstropfen“ sehr bekannt geworden<br />

ist das von Hoffmann entwickelte und<br />

verkaufte Schmerzmittel, der so genannte Liquor<br />

anodynus mineralis.<br />

■<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Festkonzert<br />

Am 24. April veranstaltet das Orchester der<br />

Medizinischen Fakultät in der Museumsnacht<br />

zu Ehren Hoffmanns ein Festkonzert in der Aula<br />

der MLU. Noch bis zum Juni ist in der <strong>Uni</strong>versitäts-<br />

und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt<br />

(ULB) zudem eine Vitrinenausstellung zu sehen,<br />

die das Wirken des Arztes, Wissenschaftlers<br />

und Gelehrten skizziert. Voraussichtlich im Juni<br />

wandert die Schau dann in das <strong>Uni</strong>versitätsklinikum<br />

Halle.<br />

Symposium<br />

Friedrich Hoffmann steht neben weiteren<br />

berühmten halleschen Gelehrten der Heilkunst<br />

auch im Mittelpunkt eines wissenschaftlichkünstlerischen<br />

Symposiums auf dem Templerhof<br />

Gut Mücheln (bei Wettin). Der Verein<br />

Freunde Templerhof Gut Mücheln veranstaltet<br />

das Symposium, das durch das Engagement und<br />

die Mitwirkung einiger Professoren der MLU,<br />

vorwiegend aus der Medizinischen Fakultät,<br />

getragen wird. Das Programm widmet sich auch<br />

so herausragenden Medizinerpersönlichkeiten<br />

wie Johann Christian Reil, Meckel dem Jüngeren,<br />

Richard von Volkmann und Ernst Kromayer.<br />

Interessenten sind dazu am 19. Juni 2010,<br />

um 14 Uhr, herzlich eingeladen. Anmeldung<br />

erforderlich bei Achim Lipp, unter achim.lipp@<br />

gmx.de.<br />

Akademische Ehrung<br />

Mit einer Dosis Hoffmannstropfen und einem<br />

Festvortrag gedachte die MLU einem ihrer<br />

größten Mediziner Ende Februar im Historischen<br />

Sessionssaal der <strong>Uni</strong>versität. Zwischen großformatigem<br />

Hoffmann-Porträt zur Linken und<br />

Hoffmann-Gipsbüste zur Rechten hob Rektor<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Wulf Diepenbrock in seinem<br />

Grußwort die überragende Bedeutung des<br />

Gelehrten für die hallesche <strong>Uni</strong>versität und die<br />

Medizin hervor.<br />

Im Festvortrag schlug Dr. Jürgen Helm den<br />

Bogen von Hoffmans Zeiten zur modernen<br />

Medizin. Er sprach über ein Problem, welches<br />

Mediziner bis heute umtreibt: Wie lässt sich<br />

medizinische Gewissheit gewinnen? Für eine<br />

gelungene Geburtstagsüberraschung sorgte im<br />

Anschluss Prof. Dr. Hans-Herbert Haase. Der<br />

Inhaber der Mohren-Apotheke schenkte allen<br />

Gästen Hoffmanns-Tropfen. Die Arznei aus zwei<br />

Dritteln Alkohol und einem Drittel aus Äther<br />

kann bei Schwächeanfällen, Ohnmachten oder<br />

Krämpfen helfen.<br />

Webcode<br />

SH-866 unter www.uni-halle.de/webcode<br />

Mehr zum Symposium<br />

35<br />

P ERSONALIA


36<br />

P ERSONALIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Heiner Lück in<br />

Fachbeirat gewählt<br />

Prof. Dr. Heiner Lück, Inhaber des Lehrstuhls<br />

für Bürgerliches Recht, Europäische,<br />

Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte<br />

an der MLU, ist für die nächsten sechs<br />

Jahre in den Fachbeirat des Max-Planck-<br />

Instituts für Europäische Rechtsgeschichte<br />

berufen worden. Dem fünfköpfigen Gremium<br />

gehören Wissenschaftler aus drei<br />

europäischen Ländern an. Lück ist außerdem<br />

Ordentliches Mitglied der Sächsischen<br />

Akademie der Wissenschaften zu Leipzig,<br />

Mitglied der daran angeschlossenen Historischen<br />

Kommission sowie der Wissenschaftlichen<br />

Vereinigung für Familienrecht.<br />

Regina Daenecke<br />

ausgezeichnet<br />

Die Gesellschaft für Informatik in der<br />

Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft<br />

(GIL) hat ihren Preis für die beste Dissertation<br />

auf dem Gebiet der Agrarinformatik<br />

in diesem Jahr an Dr. Regina Daenecke<br />

verliehen. Die 35-Jährige wurde an der<br />

Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg<br />

(MLU) bei Professor Joachim Spilke<br />

promoviert. Die ausgezeichnete Arbeit leistet<br />

einen bedeutsamen Beitrag zur Umsetzung<br />

von E-Learning-Konzepten und der<br />

Methodenentwicklung innerhalb der Agrarinformatik.<br />

Forschungsstipendium<br />

für Jürgen Stolzenberg<br />

Foto: Norbert Kaltwaßer<br />

Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg ist mit einem<br />

Fellowship der Carl Friedrich von Siemens<br />

Stiftung ausgezeichnet worden. Ab<br />

1. Oktober 2010 wird der Professor für<br />

Geschichte der Philosophie für ein Jahr<br />

von allen Lehrverpflichtungen an der MLU<br />

freigestellt, um als Fellow in München den<br />

Zusammenhang zwischen Musik und Subjektivität<br />

in der Moderne zu erforschen.<br />

Stolzenberg wurde zudem kürzlich zum<br />

Korrespondierenden Mitglied der Historisch-Philologischen<br />

Klasse der Akademie<br />

der Wissenschaften zu Göttingen gewählt.<br />

Corinna Bertz<br />

Der Forscher im Roggen<br />

Vor 100 Jahren starb Julius Kühn<br />

M ELANIE ZIMMERMANN UND OLAF CHRISTEN<br />

Der 14. April 2010 ist der 100. Todestag des wegbereitenden Wissenschaftlers Julius Kühn,<br />

mit dessen Berufung an die hallesche <strong>Uni</strong>versität im Jahre 1862 ein neuer Abschnitt in der Geschichte<br />

der universitären Ausbildung begann: Er errichtete die erste landwirtschaftliche Lehr-<br />

und Forschungsstätte Deutschlands an der Alma mater halensis und erntete nicht nur das Gesäte,<br />

sondern auch den Titel „Exzellenz“.<br />

Julius Kühn, aufgenommen wahrscheinlich 1879.<br />

Foto: Archiv des Museums für Haustierkunde<br />

Der wissenschaftliche Werdegang des am<br />

23. Oktober 1825 in der Pfefferkuchenstadt<br />

Pulsnitz geborenen Julius Kühn scheint eher<br />

untypisch. Nach dem Besuch der Schule und<br />

anschließend des Polytechnikums in Dresden<br />

folgte kein Studium. Stattdessen begann Kühn<br />

1841 eine Lehre in der Landwirtschaft, der<br />

die Tätigkeit eines Verwalters in mehreren<br />

Betrieben und im Jahre 1848 die Leitung des<br />

gräflichen Guts Groß-Krausche bei Bunzlau<br />

als Amtmann folgte. In diesen Jahren konnte<br />

er sich weitreichende Kenntnisse auf dem<br />

Gebiet der landwirtschaftlichen Praxis aneignen<br />

und stellte schon wissenschaftliche<br />

Forschungen über Pflanzenkrankheiten und<br />

botanische Systematik an. Knapp dreißigjährig<br />

immatrikulierte Kühn sich an der Landwirtschaftlichen<br />

Lehranstalt Bonn-Poppelsdorf;<br />

finanzielle Gründe zwangen ihn jedoch, das<br />

Studium nach zwei Semestern wieder aufzugeben.<br />

Seine bis dahin bereits verfassten<br />

wissenschaftlichen Arbeiten ermöglichten ihm<br />

allerdings eine Promotion zum Dr. phil. an der<br />

Leipziger <strong>Uni</strong>versität. 1857 übernahm er als<br />

Wirtschaftsdirektor die Leitung über die Güter<br />

des Grafen von Egloffsheim in Schwusen. Er<br />

war ein Mann der Praxis, allerdings durchaus<br />

gelehrt. Für sein 1858 veröffentlichtes Buch<br />

über Pflanzenkrankheiten wurde ihm die Anerkennung<br />

berühmter Wissenschaftler zuteil.<br />

Eine Berufung an die Berliner <strong>Uni</strong>versität<br />

lehnte Kühn ab. Aus praktischen Gründen entschloss<br />

er sich dazu, der Berufung nach Halle<br />

im Jahre 1862 zu folgen, da Halle in einer Region<br />

intensiven Landwirtschaftsbetriebes lag,<br />

ihm für seine Forschungen also vielversprechend<br />

schien. So trat er seine Lehrtätigkeit an<br />

der halleschen <strong>Uni</strong>versität im Wintersemester<br />

1862/63 an und übte sie – beliebt bei den Studenten<br />

aufgrund seiner Praxisnähe – beinahe<br />

fünf Jahrzehnte lang aus.<br />

Zu seinen bedeutendsten Leistungen seit<br />

seiner Berufung zählt, allen voran, die Errichtung<br />

eines landwirtschaftlichen Instituts<br />

an der halleschen <strong>Uni</strong>versität nach eigenen<br />

Plänen. Gemäß seiner eigenen praxisorientierten<br />

Natur legte er eine 115 Hektar große<br />

Versuchsfläche an, das „Kühn-Feld“, auf dem<br />

seit 1878 der Dauerdüngungsversuch „Ewiger<br />

Roggen“ fortläuft. Außerdem errichtete Kühn<br />

einen botanischen Demonstrationsgarten, eine<br />

Versuchsstation und ein Laboratorium für<br />

landwirtschaftlich-physiologische Untersuchungen.<br />

Mit dem „Haustiergarten“, aus dem<br />

das Museum für Haustierkunde hervorgegangen<br />

ist, begründete er eine inzwischen weltberühmte<br />

Lehrsammlung. Das von ihm errichtete<br />

Institut, dem er, drei weitere Berufungen<br />

ablehnend, bis zu seiner Emeritierung im<br />

Jahre 1909 treu blieb, wurde das berühmteste<br />

Deutschlands. Für seine außerordentlichen<br />

Beiträge zur Landwirtschaftswissenschaft<br />

wurde er mit so vielen Orden ausgezeichnet<br />

wie kein anderer Agrarwissenschaftler; in<br />

seiner Funktion als Geheimer Rat errang er<br />

1903 den Titel „Exzellenz“. 1895 ernannte ihn<br />

die Stadt Halle zum Ehrenbürger, und noch<br />

zu seinen Lebzeiten erhielt eine Straße in der<br />

Saalestadt seinen Namen. Anlässlich seines<br />

100. Todestages am 14. April 2010 wird der<br />

Rektor auf dem Nordfriedhof in Halle einen<br />

Kranz niederlegen. Anschließend werden die<br />

Straßenschilder in der Julius-Kühn-Straße im<br />

Rahmen der Kooperation mit der städtischen<br />

Initiative „Bildung im Vorübergehen“ durch<br />

ein Zusatzschild ergänzt. Eine gemeinsame<br />

Gedenkveranstaltung des Julius-Kühn-Instituts<br />

und des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften<br />

der MLU findet um 13 Uhr in<br />

Quedlinburg statt.<br />

■<br />

Prof. Dr. Olaf Christen<br />

Prodekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät III<br />

Telefon: 0345 55 22627<br />

E-Mail: olaf.christen@landw.uni-halle.de


ıDoctor über alle Doctores„<br />

Philipp Melanchthon starb vor 450 Jahren<br />

M ELANIE ZIMMERMANN<br />

Am 19. April 2010 sind 450 Jahre seit dem Tode des Humanisten Philipp Melanchthons vergangen<br />

und es gibt gute Gründe dafür, dass auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit einem<br />

Festvortrag seiner gedenkt: Der schon zu Lebzeiten mit dem Titel „Praeceptor Germaniae“<br />

(Lehrer Deutschlands) geehrte Alt-Rektor der Wittenberger Lecorea reformierte die Schulen und<br />

<strong>Uni</strong>versitäten des Landes mit einer Nachhaltigkeit, die bis in die heutige Zeit reicht.<br />

Den am 16. Februar 1497 in Bretten geborenen<br />

Philipp Schwartzerdt hat das Schicksal<br />

früh gezeichnet: Bereits im elften Lebensjahr<br />

verlor er sowohl seinen Vater als auch seinen<br />

Großvater, der zeitig für die Bildung<br />

des jungen Melanchthon sorgte. Der<br />

Verlust brachte ihn nach Pforzheim<br />

ins Haus seiner Großmutter Elisabeth<br />

Reuter, einer Schwester des berühmten<br />

Humanisten Johannes Reuchlin. Dort<br />

besuchte er die Lateinschule, lernte<br />

außerdem Griechisch. Aufgrund seiner<br />

Begabung und seiner Fortschritte<br />

im Griechischen wurde zu dieser Zeit<br />

Johannes Reuchlin auf den Jungen<br />

aufmerksam, schenkte ihm eine griechische<br />

Grammatik und verlieh ihm<br />

in der Widmung durch die Gräzisierung<br />

von „Schwartzerdt“ den Humanistennamen<br />

Melanchthon.<br />

Bereits zwei Jahre nach seinem Einzug<br />

in die <strong>Uni</strong>versität Heidelberg im Jahre<br />

1509 erwarb er das Bakkalaureat, wechselte<br />

anschließend aus Altersgründen<br />

an die <strong>Uni</strong>versität Tübingen, wo er<br />

im Jahre 1514 nach Absolvieren<br />

des Quadriviums, also der mathematischen<br />

Fächer, die Magisterwürde<br />

erhielt. Sein besonderes<br />

Interesse galt den humanistischen<br />

Studien, fortdauernd<br />

beschäftigte er sich mit den<br />

Sprachen Griechisch, Hebräisch<br />

und Latein, aber auch<br />

mit Theologie, Rechtswissenschaft<br />

und Medizin.<br />

Durch die Vermittlung Reuchlins,<br />

seines größten Förderers,<br />

gelangte Melanchthon an den 1518<br />

vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen<br />

gestifteten Lehrstuhl für Griechisch an der<br />

Wittenberger <strong>Uni</strong>versität. Seine Antrittsrede<br />

„Sermo … de corrigendis adulescentiae studiis“,<br />

die er sogleich dazu nutzte, Konzeptionen<br />

zur Schul- und <strong>Uni</strong>versitätsreform anzubringen,<br />

stieß auf begeisterte Zuhörer und fand<br />

Eingang in die Geschichte. Dabei traf er nicht<br />

nur den Zeitgeist des Humanismus mit seinem<br />

Gedanken, das Studium der antiken Schriftsteller<br />

im Original könne zum Ursprung neuen<br />

Denkens werden; er traf auch Martin Luther.<br />

Mit diesem verband ihn zeitlebens eine enge<br />

Freundschaft, die sich in der Zusammenarbeit<br />

Die Melanchthon-Büste, die vor der Aula<br />

im Löwengebäude der MLU aufgestellt ist.<br />

Gestaltet hat sie Gerhard Marcks 1930/31.<br />

Foto: Zentrale Kustodie<br />

für die Reformation bewährte und verstärkte.<br />

Vor allem durch die Ausarbeitung der Augsburger<br />

Konfession von 1530 hat Melanchthon<br />

das Bekenntnis der evangelischen Kirchen<br />

weithin geprägt. Luther nannte seinen engsten<br />

Berater den „Doctor über alle Doctores“ und<br />

vertraute auf ihn bis zu seinem Tode. Die Mar-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

tin-Luther-<strong>Uni</strong>versität hütet das Dekanatsbuch<br />

der Theologischen Fakultät zu Wittenberg mit<br />

Melanchthons Nachruf auf den Freund.<br />

D EN PROTOTYP DES GYMNASIUMS GESCHAFFEN<br />

Als Rektor gestaltete Melanchthon die Wittenberger<br />

Leucorea nach seinem Bildungsideal<br />

neu, entwickelte Statuten für <strong>Uni</strong>versitäten<br />

und Fakultäten und beteiligte sich persönlich<br />

an der Reorganisation der <strong>Uni</strong>versitäten Tübingen,<br />

Frankfurt/Oder, Greifswald, Rostock<br />

und Leipzig. Als herausragender Pädagoge bewährte<br />

sich der leidenschaftliche und überaus<br />

geschätzte Lehrer vor allem durch die Erarbeitung<br />

von Lehrprogrammen für Gymnasien und<br />

die Herausgabe etlicher Lehrbücher, die im<br />

16. Jahrhundert an vielen Schulen zum vorgeschriebenen<br />

Unterrichtsmaterial zählten und<br />

ihm den Titel „Praeceptor Germaniae“<br />

einbrachten.<br />

Melanchthon schuf den Prototyp des<br />

Gymnasiums; seine Bildungsideale,<br />

beispielsweise die Betreuung von<br />

Studienanfängern, die Ausbildung<br />

rhetorischer Fähigkeiten und Qualität<br />

statt Quantität bei der Vermittlung<br />

des Lernstoffs, sind auch<br />

Jahrhunderte später von brennender<br />

Aktualität. Die Biographie des 1560<br />

verstorbenen Lehrers Deutschlands<br />

scheint ein Appell an jeden Einzelnen,<br />

Kraft zu schöpfen aus sich selbst, das<br />

eigene Potential zu nutzen und auf Vernunft<br />

zu bauen.<br />

Die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität wird diesem<br />

geistigen Vater in einer Tagung vom<br />

13. bis 17. Oktober dieses Jahres in der<br />

Leucorea zu Wittenberg die Ehre erweisen.<br />

Die Evangelische Kirche in<br />

Deutschland (EKD) veranstaltet<br />

vom 16. bis 19. April 2010 ein Melanchthon-Wochenende,<br />

das am<br />

19. April in einem Festakt in der<br />

Schloßkirche zu Wittenberg mit Gästen<br />

aus Politik, Kultur, Wirtschaft<br />

und Kirche gipfelt, darunter Bundeskanzlerin<br />

Dr. Angela Merkel. ■<br />

Weitere Informationen:<br />

www.melanchthon.com/Melanchthon-2010/Melanchthon2010_Veranstaltungen/Veranstaltungsuebersicht.php<br />

Prof. Dr. Heiner Lück<br />

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,<br />

Europäische, Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte<br />

Telefon: 0345 55 23200<br />

E-Mail: heiner.lueck@jura.uni-halle.de<br />

37<br />

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P ERSONALIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

ıDie Ausgangsposition stimmt„<br />

Der alte und neue Kanzler Dr. Martin Hecht im Interview<br />

Für Dr. Martin Hecht beginnt in diesen Tagen seine zweite achtjährige Amtszeit als Kanzler<br />

der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Seit April 20<strong>02</strong> leitet er die Geschicke der <strong>Uni</strong>-Verwaltung und<br />

ist Mitglied des Rektoratskollegiums. Im Interview mit scientia halensis spricht er über jene<br />

Bereiche, in denen er die Verwaltung gut aufgestellt sieht – und über aktuelle und künftige Aufgaben.<br />

Am 10. Februar sprach sich der MLU-Senat<br />

mit großer Mehrheit für Sie aus. Wie haben<br />

Sie sich gefühlt, als Sie vom Ergebnis erfuhren?<br />

Ich habe mich wirklich gefreut, dass der Senat<br />

sich für mich entschieden hat – und dass ich<br />

somit weitere acht Jahre lang in dieser Position<br />

für die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität tätig sein<br />

darf.<br />

Wodurch haben Sie sich dieses Vertrauen<br />

erarbeitet?<br />

Ich habe in den vergangenen Monaten versucht<br />

darzustellen, wie wichtig die Leistung<br />

der Verwaltung für die <strong>Uni</strong>versität ist. Dies zu<br />

vermitteln war und ist nicht einfach und muss<br />

im Bewusstsein der <strong>Uni</strong>versität verankert werden<br />

– das ist weiterhin eine wichtige Aufgabe<br />

für mich.<br />

Effektivität und Service sind Stichworte, die<br />

im Zusammenhang mit guter Verwaltungsarbeit<br />

gerne fallen. Auch Sie haben davon ge-<br />

sprochen, als Sie 20<strong>02</strong> an der MLU anfingen.<br />

Wo steht die <strong>Uni</strong>versität in dieser Hinsicht?<br />

Die Begriffe sind treffend, ergänzend möchte<br />

ich noch die Wirksamkeit nennen, die Wirksamkeit<br />

für Forschung und Lehre. Ich glaube,<br />

dass unsere Infrastruktur, mit der wir die<br />

universitären Prozesse unterstützen, besser ist<br />

als ihr Ruf. Das heißt nicht, dass wir in allen<br />

Bereichen gut sind, aber die Ausgangsposition<br />

stimmt.<br />

In welchen Bereichen ist die Verwaltung denn<br />

gut aufgestellt?<br />

Im Rahmen der Forschungsadministration<br />

leisten wir bereits einen anerkannten Service.<br />

Hier bekomme ich regelmäßig positive Rückmeldungen,<br />

gerade von Wissenschaftlern, die<br />

die <strong>Uni</strong>versität verlassen haben. Im Bereich<br />

Studium und Lehre gehen wir mit der Entwicklung<br />

des Studierenden Service Centers in<br />

Verbindung mit dem Hochschulmarketing einen<br />

wesentlichen Schritt nach vorn. Die Infrastruktur<br />

ist in den vergangenen Jahren deutlich<br />

entwickelt worden. Mit einer Mannschaft, die<br />

Service-Strukturen, Ressourcen-Fragen, Personalarbeit und vieles mehr: Vor Dr. Martin Hecht liegen weitere<br />

acht Jahre als Kanzler der MLU – eine zweite Amtszeit voller alter und neuer Aufgaben. „Natürlich geht es<br />

erst einmal darum, die Dinge voranzutreiben, die wir begonnen haben“, sagt er im Interview mit dem <strong>Uni</strong>magazin.<br />

Fotos: Maike Glöckner<br />

für derartige Großprojekte gar nicht ausgestattet<br />

ist, haben wir beachtliche Bauprojekte<br />

erfolgreich realisiert. Mit der IT-Unterstützung<br />

im Bereich Campus Management stehen wir<br />

im Vergleich zu anderen <strong>Uni</strong>versitäten gut da,<br />

bewegen uns bundesweit im oberen Drittel.<br />

Last but not least: Im Bereich der dezentralen<br />

Budgetierung haben wir einen sehr guten<br />

Stand erreicht, gekennzeichnet von Transparenz<br />

und Informationstiefe.<br />

Welche offenen Baustellen sehen Sie � oder<br />

werden sie eröffnen?<br />

Natürlich geht es erst einmal darum, die Dinge<br />

voranzutreiben, die wir begonnen haben.<br />

Wir wollen Service-Strukturen optimieren,<br />

noch mehr Transparenz in Ressourcen-Fragen<br />

schaffen und die Infrastruktur weiter ausbauen.<br />

Im Detail wollen wir zum Beispiel die Personalarbeit<br />

weiter verbessern. Die Personalabteilung<br />

funktioniert gut, aber aufgrund von<br />

vielen persönlichen Befindlichkeiten auf allen<br />

Seiten steht sie in einem schlechten Licht. Ich<br />

glaube, es ist für die <strong>Uni</strong>versitätsöffentlichkeit<br />

wichtig zu wissen, dass wir ein großes Projekt<br />

zur Optimierung der Personalarbeit aufgelegt<br />

haben. Da spielt nicht nur die Personalabteilung<br />

eine Rolle, sondern auch alle anderen<br />

Bereiche, die mit Personalarbeit in Berührung<br />

kommen. Neue Personalentwicklungsinstrumente<br />

sollen eingeführt und eine neue Organisationskultur<br />

etabliert werden.<br />

Welche Instrumente sind das?<br />

Im Sinne einer Potenzialanalyse ist es beispielsweise<br />

wichtig zu wissen: Wo steht ein<br />

Mitarbeiter? Gibt es Qualifikationsbedarf? Zudem<br />

müssen die Voraussetzungen geschaffen<br />

werden, damit die Kommunikation zwischen<br />

Vorgesetzten und Mitarbeitern gut funktionieren<br />

kann. Wir haben in der Verwaltung in den<br />

letzten Jahren das strukturierte Mitarbeitergespräch<br />

eingeführt. Mir schwebt vor, solche<br />

Instrumente in Abstimmung mit dem wissenschaftlichen<br />

Bereich der <strong>Uni</strong>versität auch universitätsübergreifend<br />

einzuführen.<br />

Im Bau-Bereich ist sicher das Geistes- und<br />

Sozialwissenschaftliche Zentrum zu nennen?<br />

Und darüber hinaus?<br />

Natürlich, das GSZ steht an erster Stelle. Im<br />

Mai werden voraussichtlich Entwürfe zu sehen<br />

sein. Im Sommer soll die Haushaltsunterlage<br />

Bau erstellt werden, die dann im Finanzausschuss<br />

des Landtags bestätigt werden<br />

muss. Neben dem GSZ gibt es aber weiterhin<br />

einen großen Bedarf an Neubauten und Sanierungen,<br />

beispielsweise in der Zoologie, der<br />

Biochemie, den Wirtschaftswissenschaften.


Aus der Vita:<br />

Dr. Martin Hecht wurde am 21. Juli 1966 in Nienburg/Weser geboren. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen<br />

an den <strong>Uni</strong>versitäten Kaiserslautern und Hamburg. In Greifswald baute er später den wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Bereich mit auf und promovierte zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der <strong>Uni</strong>versität.<br />

Von 1998 bis 20<strong>02</strong> leitete Hecht das Grundsatzreferat Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />

Anschließend wurde er Kanzler der MLU. Martin Hecht ist verheiratet und Vater eines<br />

zweieinhalbjährigen Sohnes.<br />

Hinzu kommen das Naturkundliche <strong>Uni</strong>versitätsmuseum<br />

und die Sporthalle Heide-Süd.<br />

Die finanzielle Misere macht der <strong>Uni</strong>versität<br />

zu schaffen. Wie attraktiv ist denn das<br />

Kanzleramt an einer von Ihnen selbst und<br />

dem Rektor als ıchronisch unterfinanziert„<br />

eingestuften <strong>Uni</strong>versität?<br />

Für mich ist Geldmangel dann kein existentielles<br />

Problem, wenn ich die Möglichkeit habe,<br />

damit intelligent umzugehen. Wenn wir für<br />

1850 Stellen Mittel haben müssten, bekommen<br />

diese aber nicht, dann muss allen Beteiligten<br />

klar sein, dass wir die entsprechende<br />

Leistung nicht bringen können. Im politischen<br />

Raum ist zu diskutieren, was gewollt wird.<br />

Für mich ist der Standort Halle extrem attraktiv<br />

und ich formuliere gern „Halle-Leipzig bei<br />

Berlin“. Wir müssen uns nicht verstecken, sind<br />

als mittelgroße <strong>Uni</strong>versität mit der Stadt Halle<br />

und ihrem Umfeld absolut wettbewerbsfähig.<br />

Wie wird es der <strong>Uni</strong>versität denn nach Ihrer<br />

neuen Amtszeit, also in acht Jahren, gehen?<br />

Wie groß wird sie sein?<br />

Ich hoffe, dass sie dann noch ihre heutige<br />

Fakultätsvielfalt hat, selbst wenn sich die ein<br />

oder andere Struktureinheit anders darstellen<br />

wird. Ich gehe davon aus, dass das außeruniversitäre<br />

Umfeld weiterhin so stark sein wird<br />

wie heute, das ist eine wichtige Stütze der<br />

<strong>Uni</strong>versität und des gesamten Standortes. Und<br />

ich hoffe, dass wir den Erwartungen entspre-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

chen können, die an uns gestellt werden. Ziel<br />

muss es sein, dass wir nicht durch Spar- und<br />

Strukturdiskussionen Zeit verlieren. Wir müssen<br />

die Möglichkeit bekommen, unsere Ziele<br />

auf national und international anerkanntem<br />

Niveau zu erreichen.<br />

Acht weitere Jahre als Kanzler in Halle � was<br />

bedeutet das für Sie privat?<br />

Es bedeutet, zusammen mit meiner Familie<br />

weiterhin gut zu wohnen und in seinem sehr<br />

reichen kulturellen Umfeld zu leben. Und für<br />

kleine Kinder und deren Betreuung ist Halle<br />

bekanntlich auch ein guter Standort.<br />

Nicht erst seit Sie in der Mitteldeutschen Zeitung<br />

mit ihrem Cello zu sehen waren, wissen<br />

wir, dass Sie ein großes Interesse an klassischer<br />

Musik haben. Sie sind Mit-Begründer<br />

der Reihe ıaula konzerte halle„. Was war<br />

dafür Ihr Beweggrund � und inwiefern ist ein<br />

solches Engagement Teil Ihrer Aufgaben als<br />

Kanzler?<br />

Das Interesse für die Musik ist bei mir immer<br />

schon gegeben. Mit der Konzertreihe wollen<br />

wir weitere Potenziale unserer <strong>Uni</strong>versität nutzen.<br />

Wir wollten ein kulturelles Angebot an<br />

die <strong>Uni</strong>versität und die Stadt unterbreiten, das<br />

nicht ausschließlich auf <strong>Uni</strong>versitätsangehörige<br />

ausgerichtet ist. Ich glaube, das ist recht<br />

gut gelungen. Und es ist in der Tat auch die<br />

Aufgabe eines Kanzlers, eines Rektoratsmitglieds,<br />

die Verbindung zwischen <strong>Uni</strong>versität,<br />

Stadt und Region zu stärken. Generell müssen<br />

wir als MLU in diesem Umfeld auch mit Themen<br />

punkten, die neben Forschung und Lehre<br />

eine Rolle spielen.<br />

Wenn Sie frei wählen könnten, wer würde<br />

dann innerhalb der nächsten acht Jahre in<br />

jedem Fall in der Aula spielen?<br />

Gerne würde ich den Countertenor Andreas<br />

Scholz begrüßen, einen der großen Barock-<br />

Interpreten, verbunden natürlich mit einem<br />

entsprechenden Ensemble. Er hat eine tolle<br />

Stimme – und wird im Juli auch in Halle zu<br />

hören sein, denn er gastiert bei den Händel-<br />

Festspielen.<br />

Dr. Martin-Hecht<br />

Kanzler<br />

Telefon: 0345 55 21011<br />

E-Mail: kanzler@uni-halle.de<br />

Interview: Carsten Heckmann<br />

39<br />

P ERSONALIA


40<br />

P ERSONALIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Kai-Uwe Goss steht für moderne Formen der Lehre<br />

Foto: André Künzelmann<br />

Er leitet seit zwei Jahren das Department für<br />

Analytische Umweltchemie am Helmholtz-<br />

Zentrum für Umweltforschung (UFZ) – und er<br />

ist nun auch Professor für dieses Fachgebiet:<br />

Kai-Uwe-Goss. Zum 1. Februar wurde der 46-<br />

Jährige an die MLU (Naturwissenschaftliche<br />

Fakultät II) berufen. Goss kennt sich bestens<br />

aus in Sachen Transport und Anreicherung<br />

von organischen Chemikalien in der Umwelt.<br />

Darüber hinaus interessiert er sich auch für<br />

das Spezialgebiet seines UFZ-Kollegen Hans-<br />

Jörg Vogel, die Bodenphysik – inbesondere<br />

die Wasserbewegung in trockenen Böden (s. a.<br />

Kurzportrait auf Seite 41).<br />

Goss stammt aus Nordrhein-Westfalen (Büderich),<br />

ist im Saarland (Völklingen) zur Schule<br />

gegangen, hat an der <strong>Uni</strong>versität Bayreuth Geoökologie<br />

studiert und dort auch promoviert.<br />

Es folgte ein per Stipendium der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft realisierter PostDoc-<br />

Aufenthalt an der <strong>Uni</strong>versity of Minnesota<br />

(USA) und die Habilitation an der ETH Zürich,<br />

wo er von 20<strong>02</strong> bis 2006 als Privatdozent<br />

tätig war, bevor er zum UFZ wechselte.<br />

Was ihn nun an der neuen Aufgabe an der<br />

halleschen <strong>Uni</strong>versität reizt? Die Antwort<br />

fällt kurz und prägnant aus: „Die Lehre“. Die<br />

Studierenden dürfen wohl einiges von Goss<br />

erwarten. „Ich will aufzeigen, dass es interessante,<br />

moderne Formen der Lehre gibt“, sagt<br />

der Leipziger. In Zürich ist ihm das bereits gelungen:<br />

2006 heimste er an der ETH die von<br />

Studierenden vergebene „Goldene Eule“ ein,<br />

für die beste Lehre im Bereich Umweltwissenschaften.<br />

Die Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität sei für ihn auch<br />

deshalb attraktiv, weil „hier viele Fachrichtungen<br />

vertreten sind, die einen Umweltwissenschaftler<br />

interessieren – neben der Chemie<br />

und der Lebensmittelchemie eben auch die<br />

Bodenkunde und die Agrarwissenschaften“.<br />

Beste Voraussetzungen also für die UFZ/<br />

MLU-Doppeltätigkeit.<br />

In der Freizeit hält sich Kai-Uwe Goss übrigens<br />

auch gern in der Natur auf, am liebsten<br />

im Kanu. Weitere Hobbys, die er nennt: Reisen<br />

(bevorzugtes Ziel: Ukraine) – und die Familie.<br />

Der frisch gebackene MLU-Professor<br />

hat zwei Söhne im Alter von drei und fünfeinhalb<br />

Jahren.<br />

Carsten Heckmann<br />

Prof. Dr. Kai-Uwe Goss<br />

Telefon: 0341 23 51411<br />

E-Mail: kai-uwe.goss@ufz.de<br />

www.herrmann-tallig.de


Michael Bron forscht mit der Zukunft im Blick<br />

Foto: Norbert Kaltwaßer<br />

Am 1. Februar begann Michael Bron seine<br />

Arbeit als Professor für Technische Chemie<br />

an der MLU. Er verstärkt den Institutsbereich<br />

„Technische Chemie und Makromolekulare<br />

Chemie“ um eine dritte Arbeitsgruppe. In dieser<br />

wird anwendungsorientiert und mit Blick<br />

auf die Zukunft geforscht, denn der 42-Jährige<br />

ist Spezialist für Materialien und Prozesse für<br />

regenerative Energien.<br />

„Auf diesem Gebiet bestehen an der MLU<br />

attraktive Forschungs- und Kooperationsmöglichkeiten“,<br />

sagt der gebürtige Wilhelmshavener.<br />

Besonders gut gefällt ihm die Größe<br />

der Hochschule: „Sie ist für die Bildung<br />

exzellenter Schwerpunkte ausreichend groß,<br />

aber doch weit entfernt von einer Massenuniversität.“<br />

Denn am Professorenberuf reizt ihn<br />

insbesondere die Zusammenarbeit mit jungen<br />

Leuten und Studierenden sowie die Möglichkeit,<br />

die <strong>Uni</strong>versität mitzugestalten.<br />

Bron hat an der Carl von Ossietzky-<strong>Uni</strong>versität<br />

in Oldenburg Chemie studiert und wurde<br />

1998 an der TU Chemnitz mit Auszeichnung<br />

promoviert. Seine Dissertation zu einem<br />

Thema der Elektrochemie wurde mit einem<br />

Stipendium der sächsischen Graduiertenförderung<br />

unterstützt. Ein Forschungsaufenthalt<br />

führte ihn im Anschluss für einen Monat an<br />

die Hebrew <strong>Uni</strong>versity in Jerusalem, bevor er<br />

im 1998 als PostDoc am Hahn-Meitner-Institut<br />

in Berlin seine Arbeit im Bereich der Solaren<br />

Energetik fortsetzte.<br />

Hans-Jörg Vogel will Agrar- und Umweltforschung stärken<br />

Foto: Norbert Kaltwaßer<br />

Seit viereinhalb Jahren leitet Hans-Jörg Vogel<br />

die Abteilung für Bodenphysik am Helmholtz-<br />

Zentrum für Umweltforschung (UFZ), seit 1.<br />

März dieses Jahres ist er nun auch Professor<br />

für dieses Fachgebiet an der MLU (Naturwissenschaftliche<br />

Fakultät II). „Neben der Forschung<br />

engagiere ich mich gerne in der Lehre.<br />

Ich freue mich auf die Herausforderung, die<br />

halleschen Studierenden von meinem Fach zu<br />

begeistern – und hoffe natürlich auf engagierte<br />

Diplomanden und Doktoranden“, sagt der 49-<br />

Jährige.<br />

Aus der Einbindung der Bodenphysik in die<br />

Boden- und Pflanzenforschung der MLU erwartet<br />

Vogel wertvolle Synergien. Die Agrar-<br />

und Umweltforschung der <strong>Uni</strong>versität zu<br />

stärken, ist sein Ziel. „Außerdem habe ich als<br />

Professor der MLU erweiterte Möglichkeiten<br />

zur Einwerbung von Drittmitteln.“<br />

Vogels Spezialgebiet umfasst die Modellierung<br />

von Wasserfluss und Stofftransport sowie<br />

die Strukturbildung in Böden und deren Einfluss<br />

auf Stoffumsatz und -flüsse. Um diese<br />

Themen drehte sich auch seine Habilitation,<br />

die er 2001 an der ETH Zürich abschloss. Zuvor<br />

war der Wissenschaftler jeweils mehrere<br />

Jahre lang an den <strong>Uni</strong>versitäten in Heidelberg<br />

und Hohenheim tätig. In Hohenheim hatte der<br />

gebürtige Nürtinger (Baden-Württemberg) von<br />

1981 bis 1988 Agrarwissenschaften studiert<br />

und 1993 promoviert. 1994/95 führte ihn ein<br />

EU-geförderter Auslandsaufenthalt nach Avignon<br />

(Frankreich). 1995 war er auch erstmals<br />

in Halle, zu einer Tagung der Deutschen Bo-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand<br />

ging Bron 2001 an das Institut für Technische<br />

und Makromolekulare Chemie der TU<br />

Darmstadt, an der er sich 2009 auf dem Gebiet<br />

der heterogenen Katalyse habilitierte. Bereits<br />

2007 wechselte er an die Ruhr <strong>Uni</strong>versität<br />

Bochum, um dort eine Nachwuchsgruppe zu<br />

Niedertemperatur Brennstoffzellen zu leiten.<br />

Seine Freizeit verbringt der Vater zweier Söhne<br />

am liebsten mit Laufen oder Radfahren.<br />

Corinna Bertz<br />

Prof. Dr. Michael Bron<br />

Telefon: 0345 55 25900<br />

E-Mail: michael.bron@chemie.uni-halle.de<br />

denkundlichen Gesellschaft. „Seitdem hat sich<br />

die Stadt enorm entwickelt und ist heute ein<br />

attraktives kulturelles Zentrum.“<br />

Außerhalb seines Fachgebiets befasst sich<br />

Hans-Jörg Vogel mit der Bildanalyse, außerhalb<br />

der Arbeitswelt mit seiner Familie und<br />

seinen Hobbys. Er ist seit fast 23 Jahren verheiratet,<br />

Vater von gleich drei Mädchen (15,<br />

20 und 22 Jahre alt) – und ziemlich sportlich:<br />

Im Kajak kommt er im Wildwasser der Kategorie<br />

vier zurecht. Das ist die Kategorie „sehr<br />

schwierig“, gekennzeichnet unter anderem<br />

durch hohe, andauernde Wasserschwalle, kräftige<br />

Walzen, Wirbel und Presswasser sowie<br />

versetzte Blöcke im Stromzug des Flussbetts.<br />

Hobby Nummer zwei spielt sich in ruhigerem<br />

Fahrwasser ab: Vogel spielt gern und gut Gitarre,<br />

akustisch wie elektrisch.<br />

Carsten Heckmann<br />

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel<br />

Telefon: 0345 55 85403<br />

E-Mail: : hjvogel@ufz.de<br />

41<br />

P ERSONALIA


42<br />

P ERSONALIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

20 Fragen an Ingrid Stude<br />

Verbales Porträt einer Zeitgenossin<br />

Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt<br />

geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu finden. scientia<br />

halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unser Match-Partnerin Ingrid Stude, Leiterin der Mediathek<br />

des Sprachenzentrums der MLU.<br />

Foto: Janine Bornemann<br />

1. Warum leben Sie in Halle und nicht anderswo?<br />

Das Studium hat mich hierher verschlagen.<br />

„Verschlagen“, weil Halle 1971 ja tatsächlich<br />

noch die „Diva in Grau“ war und nicht unbedingt<br />

den Charme einer attraktiven <strong>Uni</strong>versitätsstadt<br />

hatte. Allerdings kam man damals<br />

als Absolvent relativ leicht an eine befristete<br />

Assistentenstelle, die sich nach Bewährung in<br />

eine unbefristete Stelle als Lehrer im Hochschuldienst<br />

„verwandelte“. Und die Gelegenheit,<br />

an einer wissenschaftlichen Einrichtung<br />

auch ohne wissenschaftliche Karriereabsicht<br />

sozusagen Wissenschaftdienstleistung als Beruf<br />

zu betreiben, war und ist eine Versuchung,<br />

der man nicht widerstehen kann.<br />

2. Wenn nicht Fremdsprachenlehrerin, was wären<br />

Sie dann geworden?<br />

Irgendwas mit Schaltkreisen und Strom – wäre<br />

es nach meinem Physiklehrer gegangen. Fast<br />

aber Biologin, denn für die Biowissenschaften<br />

hatte ich mich bei der Wahl meines Studienfaches<br />

anfangs entschieden. Dass ich letztlich<br />

Diplomlehrerin für Französisch und Russisch<br />

wurde, hatte mehr mit interkultureller Neugier<br />

zu tun.<br />

3. Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />

Lehrveranstaltungen in überschaubarer Runde<br />

und bei bemerkenswerten Persönlichkeiten.<br />

Und es blieb Zeit für Singeklubs und Studentenbaubrigaden.<br />

4. Welchen Rat fürs Überleben würden Sie<br />

Studenten geben?<br />

Das Studium will nicht überlebt, sondern erlebt<br />

werden! Und ich darf Friedrich Schiller<br />

zitieren, der in Jena vor reichlich 200 Jahren<br />

in seiner Vorlesung „Was heißt und zu welchem<br />

Ende studiert man <strong>Uni</strong>versalgeschichte“<br />

sagte: „Eine ‚Sklavenseele‘, wer bloß an sein<br />

Einkommen denkt!“<br />

5. Wenn Sie Rektor einer <strong>Uni</strong>versität wären, was<br />

würden Sie als erstes tun?<br />

Einen Schutzschirm aufspannen – gegen<br />

Reformen, die eigentlich Kürzung und Streichung<br />

heißen müssten und vom Sparzwang<br />

diktiert sind, gegen Strukturmaßnahmen, die<br />

einzig der Finanzminister begrüßt.<br />

6. Was ist für Sie die erste Aufgabe der<br />

Wissenschaft?<br />

Das Leben leichter zu machen und die Lebensarbeitszeit<br />

zu verkürzen, unsere Lebensgrundlagen<br />

zu erhalten und zu verhindern,<br />

dass sein Verstand sich gegen den Menschen<br />

selbst richtet. Kurz, sie soll dem Wohle der<br />

Gesellschaft dienen.<br />

7. Was haben Intelligenz und Menschlichkeit<br />

miteinander zu tun?<br />

Sie gehen leider nicht immer Hand in Hand,<br />

brauchen sozusagen eigentlich eine Regelungsinstanz.<br />

8. Worüber ärgern Sie sich am meisten?<br />

Über unproduktiven Streit und Ignoranz, die<br />

Arbeits- und Lernprozesse behindern.<br />

9. Was bringt Sie zum Lachen?<br />

Beispielsweise gute Film-Abwandlungen<br />

(Rambo, der Meisterkoch!) von „Elsterglanz“.<br />

10. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden?<br />

Geduld und Zuverlässigkeit, und dass sie Prioritäten<br />

zu setzen in der Lage sind.<br />

11. Wo sehen Sie Ihre Stärken?<br />

Das sagt sich nicht leicht und bleibt doch bescheiden.<br />

Vielleicht Geradlinigkeit und der<br />

Ehrgeiz, für kritische und kluge junge Menschen<br />

ein angemessener Lernpartner zu sein.<br />

12. Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />

Ich hoffe, dass weder Geld noch Menschenleben<br />

in Kriegen verbrannt werden, dass weder<br />

meine noch anderer Leute Kinder in Staatsraison<br />

als Kanonenfutter dienen müssen.<br />

13. Woran glauben Sie?<br />

An die genialen Steuermechanismen der Natur<br />

und den Selbsterhaltungstrieb der Menschheit.<br />

14. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit<br />

hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />

Vielleicht Heiner Fink und Heiner Geißler, für<br />

kluges Nachdenken über wichtige Themen.<br />

15. Wer war oder ist (bisher) für Sie der wichtigste<br />

Mensch in Ihrem Leben?<br />

Das kann ich nicht auf den Singular reduzieren.<br />

Das sind meine Familie, meine Eltern,<br />

meine drei Kinder, das war mein Mann, meine<br />

Kommilitonen, meine Kollegen…<br />

16. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />

kennen lernen?<br />

Da vermisse ich eigentlich nichts Wichtiges.<br />

Den Ararat wollte ich nur sehen und nicht besteigen,<br />

desgleichen den Eiffelturm. Und kennen<br />

lernen beziehe ich gern auf Menschen.<br />

17. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?<br />

Mit Gartenarbeit und am Kochtopf – da sind<br />

einem Zuneigung und Bewunderung sicher.<br />

Und man kann sich seine Freunde warmhalten!<br />

18. Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />

Ich gebe es zu – das französische Volkskochbuch<br />

„Tante Marie“ (für alle Fälle…), ein<br />

Strittmatter und „Roissy Express“ von François<br />

Maspero.<br />

19. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...?<br />

Ich glaube nicht an Wünsche – es passiert<br />

nichts von selbst. Es wird das, was man will<br />

und sich erarbeitet.<br />

20. Ihr Motto?<br />

Kopf hoch und nicht die Hände!<br />

Aus der Vita:<br />

Geboren 1953 in Neustadt/Sachsen, Diplom-Lehrerstudium<br />

in der Fachkombination Französisch/<br />

Russisch an der Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften<br />

der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Danach<br />

Arbeit im Wissenschaftsbereich Fachsprachen der<br />

Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften. Nach<br />

der Wende Lehre im Sprachenzentrum und Schwerpunktverlagerung<br />

von Russisch auf Französisch.<br />


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