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32<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />
Pädagogen in der Peerwelt<br />
Wissenschaftler erforschen in zwei Projekten<br />
junge Gleichaltrigen-Gruppen<br />
C ORINNA BERTZ<br />
Nicht nur Eltern fühlen sich ab und zu ausgeschlossen, wenn ihre Kinder mit Freunden unterwegs<br />
sind – auch Erziehungswissenschaftler hatten lange Zeit keinen Einblick in die Gruppen<br />
gleichaltriger Kinder oder Jugendlicher. Dabei spielt sich in diesen „peer groups“, wie sie in der<br />
Forschung genannt werden, ein ganz entscheidender Teil der Persönlichkeitsentwicklung ab. Die<br />
Philosophische Fakultät III der MLU zählt zu den Vorreitern der deutschen Peerforschung. An<br />
zwei Lehrstühlen nähert man sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Prof.<br />
Dr. Heinz-Hermann Krüger leitet eine der ersten und größten qualitativen Längsschnittstudien,<br />
die den Zusammenhang zwischen Peers und Bildungsbiographie untersucht. Sein Kollege Prof.<br />
Dr. Günther Opp setzt dagegen auf pädagogische Intervention, um an Schulen eine Positive<br />
Peerkultur zu entwickeln.<br />
Der Erziehungswissenschaftler Heinz-Hermann<br />
Krüger hat eine besonders schwer<br />
zugängliche Peergruppe gewählt: „Wir erforschen<br />
die natürlichen Freundeskreise, weil<br />
sie die Kinder und ihre Wertorientierungen<br />
besser repräsentieren als willkürlich zusammengesetzte<br />
Schulklassen“, erklärt der Leiter<br />
des Projekts „Peergroups und schulische Selektion<br />
– Interdependenzen und Bearbeitungsformen“.<br />
150 Fünftklässler aus vier verschiedenen<br />
Schultypen befragte sein Team im Jahr 2005.<br />
„Nach Interviews und Gruppendiskussionen<br />
wählten wir in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen<br />
zehn Kinder aus, die wir in<br />
ihre Peerwelt begleiten wollten“, erläutert<br />
die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maren<br />
Zschach das Verfahren. Diese zehn Elfjährigen<br />
nannten den Pädagogen ihre ganz unterschiedlich<br />
großen Freundesgruppen, die sie<br />
im Fußballverein, beim Shoppen, Tanzen oder<br />
zum heimlichen Rauchen hinterm Stadtklo<br />
treffen.<br />
In drei Erhebungswellen beobachten, beschreiben<br />
und analysieren die Wissenschaftler im<br />
Abstand von je zwei Jahren den Alltag und<br />
das Verhalten der Kinder und ihrer Peers. Anhand<br />
von Beobachtungen, Fragebögen, Gruppendiskussionen,<br />
Interviews und Videoaufnahmen<br />
können sie Rückschlüsse auf die individuellen<br />
und kollektiven Wertorientierungen<br />
ziehen. „Wir greifen aber nie aktiv in die<br />
Gruppe ein, eher laufen wir den Peers auch<br />
mal durch den Wald hinterher oder sitzen ein<br />
paar Stunden mit ihnen im Kinderzimmer“, erzählt<br />
Aline Deinert, die jetzt mit der Auswertung<br />
der letzten, dritten Welle beschäftigt ist.<br />
Abbildung: Kirsty Pargeter, Fotolia<br />
Um das Verhältnis von Peergruppe und individueller<br />
schulischer Bildungsbiographie darzustellen,<br />
entwickelten die Wissenschaftler fünf<br />
verschiedene Muster. Bei vieren von ihnen<br />
stimmen die Einstellungen der Peers und der<br />
Kinder zur Schule weitgehend überein. Ein<br />
positiver Schulbezug besteht etwa, wenn sich<br />
ein strebsamer Schüler in einer ebenfalls leistungsorientierten<br />
Peerwelt bewegt. Negative<br />
Passungen ergeben sich dagegen, wenn Kinder<br />
mit bildungsfernen schulischen Orientierungen<br />
auch risikobehafteten Peergruppen angehören.<br />
Nach der Verknüpfung der ersten beiden<br />
Erhebungen ließen sich acht von zehn Fällen<br />
diesen vier Mustern zuordnen.<br />
Die bisherige Botschaft könnte also lauten:<br />
Gleich und gleich gesellt sich gern. Doch<br />
nicht alle Fälle bestätigen diese These. Pro-