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Mit Magnetkraft gegen Osteoporose<br />

Spannende Molekül-Forschung im Kernresonanz-Zentrum<br />

M ICHAEL DEUTSCH<br />

Halles Wissenschaftler machen Osteoporose-Patienten Hoffnung: Im Kernresonanz-Zentrum des<br />

Institutes für Physik der <strong>Uni</strong> Halle untersuchen derzeit Biophysiker die Struktur eines Proteins,<br />

das im menschlichen Blut den Kalziumspiegel reguliert und so für den Knochenaufbau wichtig<br />

ist. Damit glauben die Physiker den entscheidenden Puzzlestein zu finden, mit dem es möglich<br />

ist, ein Medikament gegen die Knochenkrankheit zu entwickeln. Professor Jochen Balbach und<br />

Professor Kay Saalwächter, beide Fachgruppenleiter im Kernresonanz-Zentrum, dringen dazu<br />

in die dreidimensionalen Welten der Moleküle vor, die kein herkömmliches Mikroskop sichtbar<br />

machen könnte.<br />

Als Superlupen benutzen sie magnetische<br />

Kernresonanz-Spektrometer (NMR), die mit<br />

einer sage und schreibe 500-millionenfachen<br />

Vergrößerung arbeiten. Zum Vergleich: „Ein<br />

Linsen-Mikroskop schafft nur etwa eine mehrhundertfache<br />

Vergrößerung“, veranschaulicht<br />

Kay Saalwächter den enormen Unterschied.<br />

Allerdings sei das Mikroskop in anderen Bereichen<br />

dennoch im Vorteil, denn eine computergestützte,<br />

detaillierte Auswertung der<br />

NMR-Spektroskopie könne viele Wochen<br />

betragen.<br />

Obwohl beide Experimentalphysiker in den<br />

Mikrokosmos der Moleküle eintauchen, sind<br />

die Forschungsfelder klar aufgeteilt. Kay Saalwächter<br />

untersucht hauptsächlich die Bewegungen<br />

von Atomen. Damit will er etwa die<br />

wissenschaftliche Erklärung liefern, worauf<br />

genau die Elastizität von Gummi beruht. Dank<br />

des NMR-Spektrometers sei es möglich, die<br />

Bewegungen der Polymer-Ketten vom Sekunden-<br />

bis in den Piko-Sekundenbereich zu erfassen,<br />

erklärt der 39-Jährige.<br />

Indes interessiert sich sein Kollege Jochen<br />

Balbach für die atomaren Strukturen, speziell<br />

der von Proteinen. Mit diesem Wissen könnten<br />

neue Medikamente entwickelt werden. Viele<br />

Krankheiten, auch die Osteoporose, sagt er,<br />

würden durch Proteine ausgelöst. „Sofern man<br />

die Struktur dieser Eiweißketten entschlüsseln<br />

kann, lässt sich auch ein Wirkstoff entwerfen,<br />

der das schädliche Protein blockieren kann“,<br />

erklärt Balbach, der vergangenes Jahr mit<br />

seiner Arbeitsgruppe schon für Schlagzeilen<br />

sorgte. Mithilfe der NMR-Spektroskopie<br />

konnte die atomare Struktur eines bestimmten<br />

Proteins aufgeklärt werden. Dadurch gelang<br />

es, einen Test zum Nachweis von HIV-Viren<br />

im Blutserum zu entwickeln.<br />

Bereits sechs NMR-Spektrometer besitzt das<br />

Kernresonanz-Zentrum, das sich damit zu den<br />

größten universitären Experimentier-Werkstätten<br />

dieser Art an Physikfachbereichen in<br />

Deutschland zählen darf. Drei Geräte, darunter<br />

auch das leistungsstärkste 800-Megahertz-<br />

NMR-Spektrometer, wurden mit dem Umzug<br />

der Physiker nach Heide-Süd für 3,7 Millionen<br />

Euro angeschafft. Alle Geräte eint eine<br />

unsichtbare Kraft namens Magnetismus. Die<br />

ist nicht nur im Spektrometer, sondern auch<br />

im Raum so groß, dass einem sprichwörtlich<br />

das Geld aus der Tasche gezogen wird. Jochen<br />

Balbach und Kay Saalwächter zeigen<br />

das an kleinen Geldmünzen. Die werden vom<br />

Magnetfeld unweit vom NMR-Spektrometer<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/10<br />

entfernt schwerelos im Raum gehalten. „Kein<br />

Permanent- und kein konventioneller Elektromagnet<br />

vermag annähernd die gleiche Kraft<br />

zu erzeugen“, sagt Professor Balbach. Im Zentrum<br />

herrsche ein Magnetfeld, das 500 000fach<br />

stärker sei als das der Erde.<br />

Auf magnetische Gegenstände müssen die<br />

Wissenschaftler bei ihrer Arbeit verzichten.<br />

Alles Metallische unterliege der Anziehungskraft,<br />

die wohl 1000-mal stärker als ein<br />

Wandtafelmagnet sei, vergleicht Balbach. Das<br />

Geheimnis des Supermagneten liege in der<br />

Spule, die aus Supraleiter gefertigt ist und mit<br />

Flüssigstickstoff und Helium auf Minus 271<br />

Grad Celsius gekühlt werde. Das Phänomenale<br />

daran: Strom für die Magnetspule werde<br />

nur einmal beim Anlaufen gebraucht. Dann<br />

kann quasi der Stecker aus der Steckdose gezogen<br />

werden. Dank des Nullwiderstandes des<br />

Supraleiters gibt es keine Leistungsverluste, so<br />

dass die elektrische Energie im System dauerhaft<br />

erhalten bleibt.<br />

■<br />

Auch rund um das leistungsstarke 800-Megahertz-NMR-Spektrometer ist der Magnetismus verblüffend groß<br />

– wie Kay Saalwächter (l.) und Jochen Balbach mithilfe von 5-Cent-Münzen demonstrieren.<br />

Prof. Dr. Kay Saalwächter<br />

Leiter der Fachgruppe NMR<br />

Tel.: 0345 55 28560<br />

E-Mail: kay.saalwaechter@physik.uni-halle.de<br />

Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/nmr<br />

Prof. Dr. Jochen Balbach<br />

Leiter der Fachgruppe Biophysik<br />

Tel.: 0345 55 28550<br />

E-Mail: jochen.balbach@physik.uni-halle.de<br />

Internet: www.physik.uni-halle.de/fachgruppen/biophysik<br />

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