42 P ERSONALIA SCIENTIA HALENSIS 2/10 20 Fragen an Ingrid Stude Verbales Porträt einer Zeitgenossin Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu finden. scientia halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unser Match-Partnerin Ingrid Stude, Leiterin der Mediathek des Sprachenzentrums der MLU. Foto: Janine Bornemann 1. Warum leben Sie in Halle und nicht anderswo? Das Studium hat mich hierher verschlagen. „Verschlagen“, weil Halle 1971 ja tatsächlich noch die „Diva in Grau“ war und nicht unbedingt den Charme einer attraktiven <strong>Uni</strong>versitätsstadt hatte. Allerdings kam man damals als Absolvent relativ leicht an eine befristete Assistentenstelle, die sich nach Bewährung in eine unbefristete Stelle als Lehrer im Hochschuldienst „verwandelte“. Und die Gelegenheit, an einer wissenschaftlichen Einrichtung auch ohne wissenschaftliche Karriereabsicht sozusagen Wissenschaftdienstleistung als Beruf zu betreiben, war und ist eine Versuchung, der man nicht widerstehen kann. 2. Wenn nicht Fremdsprachenlehrerin, was wären Sie dann geworden? Irgendwas mit Schaltkreisen und Strom – wäre es nach meinem Physiklehrer gegangen. Fast aber Biologin, denn für die Biowissenschaften hatte ich mich bei der Wahl meines Studienfaches anfangs entschieden. Dass ich letztlich Diplomlehrerin für Französisch und Russisch wurde, hatte mehr mit interkultureller Neugier zu tun. 3. Was war an Ihrer Studienzeit am besten? Lehrveranstaltungen in überschaubarer Runde und bei bemerkenswerten Persönlichkeiten. Und es blieb Zeit für Singeklubs und Studentenbaubrigaden. 4. Welchen Rat fürs Überleben würden Sie Studenten geben? Das Studium will nicht überlebt, sondern erlebt werden! Und ich darf Friedrich Schiller zitieren, der in Jena vor reichlich 200 Jahren in seiner Vorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man <strong>Uni</strong>versalgeschichte“ sagte: „Eine ‚Sklavenseele‘, wer bloß an sein Einkommen denkt!“ 5. Wenn Sie Rektor einer <strong>Uni</strong>versität wären, was würden Sie als erstes tun? Einen Schutzschirm aufspannen – gegen Reformen, die eigentlich Kürzung und Streichung heißen müssten und vom Sparzwang diktiert sind, gegen Strukturmaßnahmen, die einzig der Finanzminister begrüßt. 6. Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft? Das Leben leichter zu machen und die Lebensarbeitszeit zu verkürzen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und zu verhindern, dass sein Verstand sich gegen den Menschen selbst richtet. Kurz, sie soll dem Wohle der Gesellschaft dienen. 7. Was haben Intelligenz und Menschlichkeit miteinander zu tun? Sie gehen leider nicht immer Hand in Hand, brauchen sozusagen eigentlich eine Regelungsinstanz. 8. Worüber ärgern Sie sich am meisten? Über unproduktiven Streit und Ignoranz, die Arbeits- und Lernprozesse behindern. 9. Was bringt Sie zum Lachen? Beispielsweise gute Film-Abwandlungen (Rambo, der Meisterkoch!) von „Elsterglanz“. 10. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden? Geduld und Zuverlässigkeit, und dass sie Prioritäten zu setzen in der Lage sind. 11. Wo sehen Sie Ihre Stärken? Das sagt sich nicht leicht und bleibt doch bescheiden. Vielleicht Geradlinigkeit und der Ehrgeiz, für kritische und kluge junge Menschen ein angemessener Lernpartner zu sein. 12. Was erwarten Sie von der Zukunft? Ich hoffe, dass weder Geld noch Menschenleben in Kriegen verbrannt werden, dass weder meine noch anderer Leute Kinder in Staatsraison als Kanonenfutter dienen müssen. 13. Woran glauben Sie? An die genialen Steuermechanismen der Natur und den Selbsterhaltungstrieb der Menschheit. 14. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit hätten Sie gern als Gesprächspartner? Vielleicht Heiner Fink und Heiner Geißler, für kluges Nachdenken über wichtige Themen. 15. Wer war oder ist (bisher) für Sie der wichtigste Mensch in Ihrem Leben? Das kann ich nicht auf den Singular reduzieren. Das sind meine Familie, meine Eltern, meine drei Kinder, das war mein Mann, meine Kommilitonen, meine Kollegen… 16. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt kennen lernen? Da vermisse ich eigentlich nichts Wichtiges. Den Ararat wollte ich nur sehen und nicht besteigen, desgleichen den Eiffelturm. Und kennen lernen beziehe ich gern auf Menschen. 17. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten? Mit Gartenarbeit und am Kochtopf – da sind einem Zuneigung und Bewunderung sicher. Und man kann sich seine Freunde warmhalten! 18. Was wären Ihre drei Bücher für die Insel? Ich gebe es zu – das französische Volkskochbuch „Tante Marie“ (für alle Fälle…), ein Strittmatter und „Roissy Express“ von François Maspero. 19. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...? Ich glaube nicht an Wünsche – es passiert nichts von selbst. Es wird das, was man will und sich erarbeitet. 20. Ihr Motto? Kopf hoch und nicht die Hände! Aus der Vita: Geboren 1953 in Neustadt/Sachsen, Diplom-Lehrerstudium in der Fachkombination Französisch/ Russisch an der Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität. Danach Arbeit im Wissenschaftsbereich Fachsprachen der Sektion Sprach- und Literaturwissenschaften. Nach der Wende Lehre im Sprachenzentrum und Schwerpunktverlagerung von Russisch auf Französisch. ■
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