24 F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN SCIENTIA HALENSIS 2/10 50 Hektar voller Vielfalt Internationales Forschungsteam erkundet Biodiversität in subtropischen Wäldern Chinas M ELANIE ZIMMERMANN Für den Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide vom Institut für Biologie an der Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität (MLU) begann der Frühling mit einer neuen Herausforderung: Es galt, in Xingangshan in der Provinz Jianxi im subtropischen China die nächsten 100 000 Bäume anzupflanzen. Denn an diesem bedeutenden Hotspot biologischer Vielfalt mit Wäldern, in denen hunderte Arten von Bäumen zusammen vorkommen, findet das weltweit größte Experiment zur Rolle von Biodiversität für Ökosystemfunktionen statt. In diesem Rahmen haben nun 18 Forscher aus Deutschland und der Schweiz gemeinsam mit einer Gruppe chinesischer Wissenschaftler Wälder verschiedener Komplexität und Vielfalt auf einer Fläche von 50 Hektar neu angelegt. Die Indische Azalee (Rhododendron simsii), die bei Europäern als kultivierte Zimmerpflanze hoch im Kurs steht, stammt ebenfalls aus China. Foto: Helge Bruelheide Die Riemenblume (Loropetalum chinense), ein Hamamelis- bzw. Zaubernussgewächs, ist heimisch in den subtropischen Wäldern Chinas. Foto: Helge Bruelheide Ziel dieses 2008 begonnenen Projektes, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit fast drei Millionen Euro fördert, ist „die Erforschung des Effekts der Diversität von Bäumen und Sträuchern auf biologische Funktionen und Dienstleistungen dieses Waldökosystems“, erklärt Helge Bruelheide, Sprecher der DFG-Forschungsgruppe 891 „BEF China“. „Dabei ist das Verständnis der Funktionen von Biodiversität einerseits klare Grundlagenforschung – andererseits geht es darum, Wege aufzuzeigen, wie sich Biodiversität fördern und nutzen lässt.“ Die Region der Provinzen Zhejiang und Jiangxi eignet sich dafür hervorragend: Bäume und Sträucher entwickeln hier einen Artenreichtum wie nirgendwo sonst auf der nördlichen Hemisphäre – das Gutianshan Naturreservat in der Provinz Zhejiang weist etwa fünf Mal so viele Gehölzarten auf wie ganz Deutschland. Ein Schwerpunkt in der ersten Phase des Forschungsprojektes waren daher vergleichende Untersuchungen der Vielfalt in natürlichen und sekundären Wäldern, wozu nicht nur alle Pflanzenarten identifiziert, sondern auch Produktivität, Kohlenstoffspeicherung, Nährstoffkreisläufe, Bodenerosion, Bodenbeschaffenheit und abhängige Lebensgemeinschaften an Tieren und Pilzen analysiert wurden. Verschiedene Fragen, z. B. wie die Produktivität eines Waldes durch die Biodiversität beeinflusst wird, lassen sich anhand der natürlichen Wälder jedoch nicht klären, da hier einzelne Prozesse nicht unabhängig von anderen untersucht werden können. Das internationale Forschungsteam hat daher unter der Annahme, dass Artenvielfalt wichtig für das Funktionieren eines Ökosystems ist, ein Experiment ausgeklügelt, das im Wesentlichen auf der Nischentheorie basiert: Wenn mehrere Arten unter den gleichen Bedingungen wachsen, dann ist es wahrscheinlich, dass sie gemeinsam den Umweltgradienten, also beispielsweise den Lichteinfall oder das Bodenwasser, besser ausnutzen. L OGISTISCHE HERAUSFORDERUNG Für das Experiment wurde eine Vielzahl von Bäumen und Sträuchern in Baumschulen herangezogen. Auf einer gigantischen Fläche von etwa 50 Hektar, eingeteilt in Reihen und Spalten, sollen insgesamt Setzlinge von 100 Gehölzen, je 50 Bäumen und 50 Sträuchern, je 50 immergrünen und 50 sommergrünen Arten von Hand gepflanzt werden. Der Versuch folgt einem Design, bei dem die Pflanzen in unterschiedlichen Diversitätsstufen – mit 1, 2, 4, 8, 16 oder 24 Arten pro Versuchsfeld – angeordnet werden. Dazu wurde das gesamte Arteninventar in drei Teile von jeweils 16 Baumarten eingeteilt, aus denen die sechs Stufen der Artenvielfalt gebildet wurden.
SCIENTIA HALENSIS 2/10 Natürlicher Waldbestand (Vergleichsflächen) in China. Foto: Sabine Both 25