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FÜR IMMER PUNK JIM JARMUSCH - Intro Magazin

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HEUTE 063KelelaHerkunft: Washington D.C.,derzeit ansässig in Los AngelesBandmitglieder: 1Genre: Modern R’n’BAktuelles Mix-Tape: »Cut 4 Me«(Fade To Mind / VÖ 01.10.13)Beim CMJ gesehen: Fader Fort,Brooklyn, 17.10.13Der Gentrification hat man es zuverdanken, in New York beständigmit neuen Gegenden konfrontiertzu werden. Während Williamsburg,das It-Viertel der Nullerjahre, mittlerweilezur Wochenend-Spielwiesevon überdrehter Landbevölkerungund Abenteuerlustigen aus Manhattanverkommen ist, lockt Bushwickderzeit mit den besten Off-Locations, und zum Wohnen ziehtes alle in die anliegenden BrooklynerViertel. Ratten, Schimmel unddunkle Typen in noch dunklerenSeitenstraßen inklusive, aber dasist eben Teil des Spiels.Manchmal erschließen sicheinem aber auch wunderschöneEcken, an denen man bis datovorbeigelebt hat. Der Manager vonKelela hat unser Zusammentreffenfreundlicherweise in seinem Appartementim Stadtteil Fort Greenearrangiert. Eingekesselt vonFlushing und Lafayette Avenue,erwarten wir, passend zum Bad-Boys-Image des Fade-To-Mind-Labels,zu dem Kelela gehört, ein authentischesStraßen-Milieu. DochPustekuchen, stattdessen findenwir eine kleinbürgerliche Oase austypischen New Yorker Brownstone-Häusern vor, gelegen an einem idyllischenPark. Angeboten wird unsdann auch kein früher Longdrink,sondern ein edler chinesischer Teeaus Singapur. Auf dem Tisch liegenFotobände von John Baldessari undWolfgang Tillmans, an der Wandhängen abstrakte Ölgemälde.So viel zum Thema vorgefertigteErwartungshaltung. Kommen wirzu den Vorschusslorbeeren. Dererbekommt Kelela derzeit viele.Kaum hat sie das US-amerikanischeMusikmagazin Fader zum Geheimtippfür 2014 gekürt, vergibtPitchfork 8,3 Punkte für ihr Mix-Tape. Jeder will eine Scheibe vondem abstrakten R’n’B abhaben, densie gemeinsam mit der Fade-To-Mind-Crew um Labelchef Kingdomund Produzenten wie Nguzunguzuund Total Freedom kreiert.Total Freedom war es auch, dersie im Februar 2012 quasi entdeckthatte: Kelela war im Studio derNew Yorker Band Ink., um ihreGesangsspur für einen Track derbefreundeten Band Teenage Fantasyeinzusingen. Total Freedomsollte eigentlich nur abmischen,nutzte aber, völlig verzaubert vonPräsenz und Stimme der ihm bisdato unbekannten Musikerin, dieGunst der Stunde und weckte ihrInteresse an eigenen Produktionen.»Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ichmich oft gefragt, was ich eigentlichmache, warum ich über dieTracks anderer Leute singe«, erinnertsich Kelela anderthalb Jahrespäter. »Plötzlich war da jemand,der genauso rumkichert wie ich,die gleiche Energie und Neugierdeausstrahlt. Das beflügelt.«Am Abend vor unserem Zusammentreffenhat Kelela im Rahmendes Fader Fort in Brooklyn performt,ein Auftritt, mit dem sienicht ganz so zufrieden ist: IhreStimme sei so flach rübergekommen.Selbstkritische Töne, andenen leider viel dran ist. Wasallerdings nicht ihr anzulastenist, sondern an den quasi nichtexistenten Monitorboxen undder scheppernden PA gelegen hat.»Danke, dass du das sagst. Die Backing-Trackswaren viel zu leise, derBass kaum da. Das nervt, denn dermuss laut sein!«Man hätte nicht mit ihr tauschenwollen. Zumal sie ganz alleine aufder Bühne stand, ohne Band, Tänzerinnen,Lichteffekte oder Nebel.Selbst ihr DJ Ashland Mines a.k.a.Total Freedom, der sonst hinterihr thront, war an der Seite positioniert.Da hilft es auch nicht, dasssie mit Ashin, wie sie ihn nennt,ein eingespieltes Team darstellt.Dieser ist intensiv in die Liveshowinvolviert, spielt eben nicht nur dieBacking-Tracks ab, sondern modifiziertdiese mit Dub-Effekten undebnet so ihrer Stimme den Weg inden Raum.»I love my delay«, kommentierteKelela während des Auftritts grinsendihr eigenes Set. Sie selbst ergänztdieses Dub-Feeling, indemsie immer wieder ruckartig vomMikrofon wegtritt und es mit derHand abdeckt.Das Clubgefühl, das bislang ihreSets prägt, will Kelela auch in Zukunftbeibehalten, wenn sie denSchritt hin zu Auftritten mit einerrichtigen Band wagen wird. Hierzumuss sie aber erst noch einen Wegfinden, die Tracks so stimmig auseinanderzubrechen,dass die Bandsich daran nicht verhebt, sie zu echtenSongs werden. Denn nur dannkann der Spagat aus »Clubtouchund Songgefühl gelingen«.Während es live also noch vielzu tun gibt, zeugt Kelelas erstesMix-Tape bereits von einer reifenStudiomusikerin, die sich undihre Tonalität gefunden hat. Wobeider Plural Tonalitäten angebrachterist, denn sie springt imMix von Spoken-Word-artigemRap à la Saul Williams zu klassischenR’n’B-Gesangslinien im Stilihres Vorbilds Brandy und weiterzu hochartifiziellen Cut-up-Raps,die einen an Jamie Lidell denkenlassen. An der Seite der Fade-To-Mind-Crew gelingt die Reise vontollkühnen Timbaland-Produktionender Aaliyah-Ära zu aktuellenbritischen Grime-Beats und zurückzum klassischen amerikanischenR’n’B verblüffend harmonisch.Die Texte von Kelela lassen sichkaum einreihen in die devote R’n’B-Welt. Für die Tochter äthiopischerEltern – die Mutter ist eine leidenschaftlicheFamilienfestsängerin,der Vater Jazzfanatiker – gibt es»nichts Schlimmeres als Erzählungen,die von hilfsbedürftigenMädchen in der Opferrolle handeln«.Die Protagonistinnen inihren Stücken sind stark, wissen,was sie wollen, und gehen, wennsie denn ins Strudeln geraten, dieProbleme selbst an.Das Mix-Tape stellt die idealeAusgangsbasis dar, um in denkommenden Monaten das offizielleAlbumdebüt aufzunehmen. »Diemeisten Tracks auf dem Mix-Tapebasieren im Kern auf Loops. Es gibtkeine Tonartwechsel innerhalb der»Plötzlich war dajemand, der genausorumkichert wie ich,die gleiche Energieund Neugierdeausstrahlt. Dasbeflügelt.«KelelaSongs, sie wurden also nicht biszum Ende ausgearbeitet«, berichtetKelela. »Mit dem Album willich jeden Song bis zum Maximumtreiben.«Entgegen anderen R’n’B-Prinzessinnen,die sich alles zurechtbastelnlassen und nur darübersingen, steckt Kelela knietief mit imProduktionsprozess. So schwärmtsie minutenlang vom TC-HeliconVoiceLive Touch 2, mit dem manAuto-Tune-Effekte über die Stimmegeben, Loops anlegen und bis zu300 Presets bearbeiten kann. »Ichproduziere zwar nicht selbst, legedie Tracks also nicht von Beginn anmit an, aber sobald mir der Produzentetwas schickt, schaue ich mirdie Teile des Tracks an und veränderedie Form, sodass er auch alsPopsong funktioniert«, erläutertsie die Herangehensweise an ihreMusik. »Die meisten Produzenteninstrumentaler Musik haben eineandere Vorstellung, was das Arrangementbetrifft, als ich, besonders,wenn sie es nicht gewohnt sind,mit Stimmen zu arbeiten. Ich musssie anleiten, in Strophe/Refrain-Abläufen zu denken.« Zumeist geschiehtdies per E-Mail. »Zunächstmuss immer alles raus, was sichmit meiner Stimme schneidet«,geht sie ins Detail. »Das betrifftvor allem die Hi-Hats, die Dance-Produzenten sehr wichtig sind,deren Höhen aber reduziert werdenmüssen, da die Stimme Platzbraucht. Nur wenn sie Raum hat,kann sie die Dinge atmosphärischzirkulieren lassen.«Die getrennte Arbeit sei auchinsofern sinnvoll, da sie den sozialenMechanismen des Genresentspreche, führt Kelela weiter aus.»Leute, die es gewohnt sind, alleinin ihrem Schlafzimmer zu arbeiten,lassen einen nicht einfach hereinin ihre Welt.« Aber auch andersherum macht es Sinn. Sie selbstmüsse sich erst einmal alleine inein Stück fallen lassen. »Es gehtdarum, meine kindlichen erstenIdeen festzuhalten. Ich würde michzu verletzlich machen, wenn ichdas vor einem anderen Menschentäte. Es würde alles negativ beeinflussen.«

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