14Richard Strauss: „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ersten Anhören zu wissen glaubte, an welchenStellen die Partitur verbesserungsbedürftig undwo das Fehlen Schumann’scher Stil- und Formidealebesonders auffällig, besonders schmerzlichzu bemerken sei. Er verglich Strauss’ orchestraleKomik mit dem Einbruch der Engländerin Transvaal bzw. mit Italiens Kriegsführungin Massanah und schreckte nicht davor zurück,Strauss einen „glänzenden Virtuosen der Mache“,sein „verrücktes Scherzo“ ein Produkt der„raffiniertesten Décadence“ zu nennen.Musikalische Sturzflüge fürVerrückteDer schon von Pauline gebrauchte Begriff der„Verrücktheit“ taucht auch in Claude Debussysspektakulärer Pariser Konzertkritik auf, in der justdiejenigen Kennzeichen der Partitur, die einenHanslick um den Verstand brachten, zu Merkmalenvon Genialität erklärt wurden. Der Autordes „Pelléas“ hatte am 19. Mai 1901 eine Aufführungder Berliner <strong>Philharmoniker</strong> unter LeitungArthur Nikischs gehört, auf die er in derPariser Zeitschrift „Revue blanche“ mit einerhöchst witzigen Glosse reagierte: „Dieses Stückgleicht ‚einer Stunde neuer Musik bei den Verrückten‘.Die Klarinetten vollführen wahnsinnigeSturzflüge, die Trompeten sind immer verstopft,und die Hörner, ihrem ständigen Niesreizzuvorkommend, beeilen sich, ihnen artig ‚Wohlbekomm’s !‘ zuzurufen; eine große Trommelscheint mit ihrem Bum-Bum den Auftritt vonClowns zu unterstreichen. Man hat gute Lust,lauthals herauszulachen oder todtraurig loszuheulen,und man wundert sich, dass noch allesan seinem gewohnten Platz ist; denn es wäregar nicht so verwunderlich, wenn die Kontrabässeauf ihren Bögen bliesen, die Posaunenihre Schalltrichter mit imaginären Bögen strichenund Herr Nikisch sich auf den Knien einerPlatzanweiserin niederließe.“Im Gegensatz zu Debussy betonte KomponistenkollegeFerruccio Busoni weniger die expressionistischenoder gar dadaistischen Elementedes „Till“, sondern deutete ihn als Schlüsselwerkdes sich anbahnenden Neoklassizismus:„Strauss’ ‚Eulenspiegel‘ klang“ – schrieb er 1910an seine Frau Gerda – „wie ein modernerer PapaHaydn, der in seiner naivsten Laune ist und diealten Wiener Aristokraten, die selbst mitspielen,zum Lachen bringt.“Scherz, Satire, Ironie und tiefereBedeutungZeitlebens liebte es Strauss, sich als „Till“ oder„Eulenspiegel“ zu bezeichnen. Nur zu gern schlüpfteer in die Rolle des Schalksnarren, um seineAnsichten ironisch zu verschleiern. Als er 1918den kabarettistischen Liederzyklus „Krämerspiegel“schrieb, in dem er die skrupellosen Geschäftemacherunter den Musikverlegern satirischbloßstellte, vertonte er Texte des berühmtberüchtigtenBerliner Theaterkritikers Alfred Kerr,in denen Till Strauss alias Richard Eulenspiegelals Urheber aktuellster Schelmenweisen auftritt:„O Schröpferschwarm, o Händlerkreis, /wer schiebt dir einen Riegel ? / Das tat mit neuerSchelmenweis’ / Till Eulenspiegel...!“
Richard Strauss: „Rosenkavalier“-Suite15Zwischen Rokoko und WalzerseligkeitStephan KohlerRichard Strauss(1864–1949)Orchestersuite aus der Komödie für Musik„Der Rosenkavalier“ op. 59Zusammengestellt und arrangiert vonArtur Rodzinski (1944)Lebensdaten des KomponistenGeboren am 11. Juni 1864 in München; ge -storben am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen.Entstehung der OperDas Libretto zur Oper „Der Rosenkavalier“ vonRichard Strauss verfasste Hugo von Hofmannsthal(1874-1929) unter Mitarbeit seines Freundes,des Diplomaten und Kunstmäzens HarryGraf Kessler (1868-1937), nach französischenKomödien- und Romanvorlagen von Molière(„Monsieur de Pourceaugnac“, 1670) und Louvetde Couvray („Les amours du Chevalier deFaublas“, 1790). Strauss arbeitete in den Jahren1908 bis 1910 an der Komposition seiner„Komödie für Musik in drei Aufzügen op. 59“,die er am 26. September 1910 in Garmisch beendete.Entstehung der SuiteEine erste, 6-sätzige Orchestersuite aus der erfolgreichstenOper von Richard Strauss war bereits1911 unter dem Pseudonym N. Nambuat(= N. Taubmann) erschienen. Weitere Suitenentstanden bis hin zu einer von Antal Dorati imJanuar 1949 in Wien uraufgeführten Fassung.Durchgesetzt hat sich indessen die 1945 beiBoosey & Hawkes verlegte 1-sätzige „Rosenkavalier-Suite“o. Op. AV 145, die der polnischeDirigent und damalige Music Director der NewYorker <strong>Philharmoniker</strong> Artur Rodzinski 1944,also noch während des 2. Weltkriegs, ohne Wissenund Zustimmung des Komponisten kompiliertund mit eigenen, nicht immer geglückten Übergängenversehen hatte. Strauss, der nach Kriegsendein erheblichen Geldnöten war, stimmte1945 nolens volens ihrer Veröffentlichung zu,obwohl er zeitgleich zu Rodzinskis Potpourri-Bearbeitung im November 1944 eine eigeneund damit wesentlich authentischere Konzertfassungder „Rosenkavalier“-Musik erstellthatte; sie trägt den Titel „Einleitung und Walzeraus ‚Der Rosenkavalier‘, für den Konzertge-