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Dienstleistung oder Menschenrechtsprofession? - ZPSA

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3.3 <strong>Dienstleistung</strong> als eine von Frauen erbrachte Fürsorgeleistung - das Care-Paradigma<br />

der Sozialen Arbeit (Margrit Brückner)<br />

Die Care-Debatte hat im angloamerikanischen und skandinavischen Raum ihren Ausgangspunkt<br />

genommen. 41 Sie geht von der Frage aus, wie eine Gesellschaft „soziale Abhängigkeit organisiert“und<br />

setzt dadurch einen kritischen Kontrapunkt zu den dominierenden Autonomie- und<br />

Selbststeuerungsvorstellungen. Care „umfasst den gesamten Bereich der Fürsorge und Pflege,<br />

d.h. familialer und institutionalisierter Aufgaben der Gesundheitsversorgung, der Erziehung und<br />

der Betreuung im Lebenszyklus.“ 42 Fürsorge wird in diesem Zusammenhang zum Gegenstand<br />

soziologischer, moralphilosophischer und demokratietheoretischer Diskurse.<br />

Das Care-Paradigma beginnt mit einer Kritik an der „Art der Trennung von öffentlicher und privater<br />

Sphäre, die Care weitgehend der privaten Sphäre und damit den Frauen zuweist sowie an<br />

der negativ besetzten Definition von Abhängigkeit, die eine fiktive Autonomie anvisiert – fiktiv<br />

deshalb, weil sie die Befreiung von Sorgetätigkeiten als Voraussetzung hat. Diese Kritik war<br />

schon immer ein Thema vor allem der zweiten Frauenbewegung ab den 70er Jahren. Was sich<br />

nun aber unter neoliberaler Vorherrschaft zeige, sei nicht nur die ungebrochene Weiterführung,<br />

sondern das auf die Spitze getriebene fiktive Bild von Autonomie und zusätzlich seine Verengung<br />

auf Marktautonomie.<br />

3.3.1 Menschen- und Gesellschaftsbild<br />

Ausgangspunkt ist die Schutz- und Fürsorgebedürftigkeit aufgrund der Verletzbarkeit (vulnerability)<br />

von Menschen, ferner als Mitglieder Gruppen und sozialen Kategorien. Dabei werden Sorgen<br />

und Helfen als unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung zu einem teilweise autonomen<br />

Menschen, d.h. einem autonomen Menschen mit qualitativ unterschiedlichen Bindungen<br />

betrachtet. Entsprechend darf Autonomie nicht einseitig idealisiert und normativ als prioritär gesetzt<br />

werden, dieweil Abhängigkeit und Bindung in diesem atomistisch-individualistischen Men-<br />

schenbild nicht nur nachrangig sind, sondern als minderwertig betrachtet werden.<br />

Helfen und Sorgen sind in westlichen Gesellschaften einerseits in der Religion und – nicht unabhängig<br />

davon – andererseits im traditionellen Frauenbild verankert. Bis zur Französischen<br />

Revolution galt die gesellschaftliche Ordnung als gottgegeben. In die Kluft zwischen Reichen<br />

und Armen traten selbstlose Hilfe - „barmherziges Samaritertum“ -, wodurch sich nichts am<br />

41 Margit Brückner: Care – Der gesellschaftliche Umgang mit zwischenmenschlicher Abhängigkeit und Sorgetätigkeiten.<br />

In: Neue Praxis, H. 2, 2003: S.162-172.; dies.: On social work and what gender has to do with it. In: European<br />

Journal of Social Work, No. 3, 2002 S. 269-276; dies.: Der gesellschaftliche Umgang mit menschlicher Hilfsbedürftigkeit.<br />

Fürsorge und Pflege in westlichen Wohlfahrtsregimen. In: Österreichische Z.f. Soziologie, H. 2, 2004, S.7-23.<br />

42 Brückner, a.a.O. 2004, S.9<br />

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