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Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen

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Differentialdiagnostisch ist von den Myotonien die Muskelkontraktur zu unterscheiden, dieeine typische Reaktion im Rahmen einer MH-Krise darstellt. Aufgrund der ähnlichenklinischen Symptomatik sowie der Assoziation der MH-Disposition mit bestimmtenNME kann dieses in der klinischen Praxis jedoch problematisch sein.Eine besondere Form der Muskelrigidität stellt der Masseterspasmus dar. Klinisch ist dieMundöffnung eingeschränkt, in Extremfällen sogar unmöglich. Ursächlich scheint eineerhöhte Reaktivität des Massetermuskels auf die Gabe von volatilen Inhalationsanästhetikain Kombination mit Succinylcholin zu sein [28]. Die Inzidenz des Masseterspasmus wurdein einer retrospektiven Studie mit 0,3 % der untersuchten Kinder beziffert [29]. In einemViertel der Fälle zeigte sich zudem eine generalisierte Muskelrigidität. Daher solltedifferentialdiagnostisch immer an eine MH-Krise gedacht und unverzüglich eine entsprechendeTherapie eingeleitet werden (Tabelle 6 [30]).Primärmaßnahmen1. Zufuhr von Triggersubstanzen beenden und Entfernung des Vapors vom Narkosegerät.2. Hyperventilation (ca. 3 - 4-fache des Atemminutenvolumens) mit einem FiO2 von 1,0.Kein Wechsel des Narkosegerätes.3. Vertiefung der Narkose mit Opioiden und Sedativa; Relaxierung mit nicht-depolarisierendenMuskelrelaxantien.4. Zubereitung der Dantroleninfusion; Blutkontrollen (Blutgasanalyse, Elektrolyte, CK,Transaminasen, Laktat und Myoglobin).5. Bolusgabe von Dantrolen: 2,5 mg/kg bzw. bis zum Sistieren der MH-Symptomatik.Anschließend Fortführung der Dantrolentherapie mit 10 mg/kg für 24 h.6. Azidosekorrektur mit Natriumhydrogenkarbonat (1 - 2 mval/l). Therapie einer möglichenHyperkaliämie mit z. B. Glukose-Insulin-Infusionen.7. Bei Bedarf antiarrhythmische Therapie mit ß-Rezeptorenblockern oder Lidocain.Kalziumantagonisten und Digitalis sind kontraindiziert!8. Abbruch bzw. rasche Beendigung des operativen Eingriffs.Sekundärmaßnahmen1. Erweiterung des Monitorings: arterielle Kanülierung, ZVK, Blasenkatheter etc.2. Kühlung des Patienten: Oberflächenkühlung mit Eis, eisgekühlte Infusionen, evtl.Eiswasserspülungen.3. Forcierte Diurese mit Schleifendiuretika. Urinproduktion > 2 ml/kg/h. Cave: akutesNierenversagen!4. Nach Stabilisierung des Patienten Fortführung der Therapie und des Monitorings(Blutanalysen!) auf einer anästhesiologischen Intensivstation.5. Low-dose-Heparinisierung.6. Aufklärung des Patienten und der Familienangehörigen. Ausstellung eines Attestes.Zuweisung an ein MH-Testzentrum zur weiteren Beratung und Diagnostik.Tabelle 6: Therapie der malignen Hyperthermie (mod. n. F. Wappler [30]).ThermoregulationPatienten mit <strong>neuromuskulären</strong> <strong>Erkrankungen</strong> weisen gehäuft Störungen der Temperaturregulationauf. Hypertherme Reaktionen werden <strong>bei</strong> der MH sowie <strong>bei</strong> myotonenMuskelkontraktionen beobachtet [31]. Ursache hierfür ist zumeist eine Imbalance zwischenWärmeproduktion und -abgabe. Auslöser der Hyperthermie kann einerseits eineverstärkte muskuläre Aktivität (maligne Hyperthermie, myotone Reaktionen etc.) sein.Andererseits sind zentrale Ursachen, wie das maligne neuroleptische Syndrom, epileptischeReaktionen, Muskelrigor oder eine iatrogene Erwärmung während der <strong>Anästhesie</strong>,möglich.64

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