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Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen

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oben dargestellten Störungen des Temperaturhaushaltes und den damit verbundenenRisiken von Gerinnungsstörungen, Elektrolytimbalancen, Störungen des Säure-Basen-Haushaltes etc., ist eine kontinuierliche Temperaturmessung unerlässlich. Postoperativmüssen die <strong>neuromuskulären</strong>, respiratorischen und kardialen Funktionen über eineausreichende Zeitdauer überwacht werden, die Indikation zur Bereitstellung einesIntensivtherapieplatzes ist daher großzügig zu stellen.Spezielle KrankheitsbilderMuskeldystrophie Typ DuchenneDie Muskeldystrophie (MD) Duchenne ist mit etwa 3 : 10.000 Lebendgeburten die häufigsteForm angeborener Muskeldystrophien und ist damit ca. 10-mal häufiger als dieMyotone Dystrophie. Die Erkrankung wird X-chromosomal rezessiv vererbt, der Genortder für die Erkrankung kodiert wurde auf dem kurzen Arm des Chromosoms an Position21 (Xp2 1-Region) lokalisiert. Das Genprodukt ist das Dystrophin, welches normalerweisein sehr geringen Mengen im quergestreiften Muskel vorkommt, aber auch in anderenGeweben wie z. B. dem Myokard und der glatten Muskulatur sowie im Hirngewebe. Innormalen Muskelzellmembranen bildet Dystrophin mit Glykoprotein einen Komplex, dereine wesentliche Rolle <strong>bei</strong> Calcium-Transportmechanismen spielt. Bei der MD Duchennefehlt das Dystrophin bzw. ist stark vermindert und es kommt dadurch zu einer Störung desCalcium-Einstroms in die Zelle mit nachfolgendem Zelluntergang [48].Da der Dystrophin-Glykoprotein-Komplex auch im Myokard, Gehirn und glatter Muskulatureine wichtige funktionelle Rolle spielt, können <strong>bei</strong> Patienten mit DystrophinopathienStörungen des zentralen Nervensystems und des Herz-Kreislaufsystems [16]auftreten. Die kardiale Beteiligung <strong>bei</strong> den Muskeldystrophien lässt sich pathoanatomischdurch die progressive Zerstörung von Kardiomyozyten und dem Purkinje-System mitnachfolgendem Ersatz durch Fettzellen sowie Bindegewebe erklären.Die angenommene Mutationsrate für die MD Duchenne ist eine der höchsten für genetische<strong>Erkrankungen</strong> <strong>bei</strong>m Menschen, für den Anästhesisten ist es daher wichtig zu wissen, daseine negative Familienanamnese diese Muskeldystrophie nicht ausschließt. Darüberhinaus liegt das Manifestationsalter zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr, betroffen sind fastausschließlich Knaben. Das bedeutet, dass die Kinder präsymptomatisch zur Operationüberwiesen werden können, und krankheitsbedingte Probleme erstmals während oder nachder <strong>Anästhesie</strong> auftreten [13, 18]. Aber auch die weiblichen Konduktorinnen,genotypisch heterozygot und phänotypisch überwiegend gesund, können klinischeSymptome ausbilden, hier<strong>bei</strong> aber im Besonderen kardiale Probleme.Die Krankheit verläuft progressiv, und ist charakterisiert durch eine Muskelschwäche unddie Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz infolge der Dystrophie derAtemwegsmuskulatur sowie einer kardialen Insuffizienz <strong>bei</strong> Kardiomyopathie. Ab ca.dem zehnten Lebensjahr sind die Kinder nicht mehr gehfähig und auf einen Rollstuhlangewiesen. Darüber hinaus weisen die Patienten in 30 % der Fälle eine mentaleRetardierung auf. Die mittlere Lebenserwartung beträgt 20 Lebensjahre.Das <strong>Anästhesie</strong>risiko ist <strong>bei</strong> Patienten mit MD Duchenne signifikant erhöht. Ursächlichhierfür sind einerseits die pulmonale und kardiale Manifestation der Erkrankung, andererseitsbestehen ein erhöhtes Aspirationsrisiko <strong>bei</strong> Motilitätsstörungen, häufigAdipositas und Makroglos sie sowie eine mögliche Disposition zu maligner Hyperthermie[37].Wollinsky et al. führten eine präoperative Risikoerfassung von 101 <strong>Anästhesie</strong>n <strong>bei</strong> 81Kindern mit MD Duchenne durch und erfassten deren Relevanz für den peri- und postoperativenVerlauf [49]. Die Autoren bildeten zwei Gruppen: die Kinder der erstenGruppe waren im Mittel 9,6 Jahre alt, <strong>bei</strong> ihnen wurden Weichteiloperationen durchgeführt.Die Jungen in der Gruppe 2 waren 12,3 Jahre und unterzogen sich einer Skoliose-67

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