Maßnahmen des Erzbischofs Hermann von Wied übten sicherlich auch über den Rheinhinüber ihren Einfluß <strong>aus</strong>. Nicht selten kam es vor, daß ein Priester zwar äußerlich noch in<strong>der</strong> katholischen Kirche verblieb, aber schon evangelischen Gottes<strong>die</strong>nst hielt. Schonlängere Zeit hindurch hatten <strong>aus</strong>wärtige Prediger Mülheim besucht und hier eineheimliche evangelische Gemeinde zusammengebracht, <strong>die</strong> darin z6io ihre öffentlichrechtlicheAnerkennung fand. H.Quellennachweis:Rektor Johann Bendel: .Die Stadt Mülheim am RheinPfarrer Gustav Halke: ..<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Evangelischen Gemeinde VolbergPfarrer Lic. Dr. Walter Bienen: .Ursprung und Frühgeschichte <strong>der</strong> evangelischenKirchen, Gemeinde FrechenWas ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben?Antwort:Daß ich mit Leib und Seele, beides im Leben und imSterben, nicht mein, son<strong>der</strong>n meines getreuen HeilandesJesu Christi eigen bin, <strong>der</strong> mit seinem teuren Blut füralle meine Sünden vollkömmlich bezahlt und mich <strong>aus</strong>aller Gewalt des Teufels erlöst hat und also bewahrt,daß ohne den Willen meines Vaters im Himmel keinHaar von meinem Haupt kann fallen, ja auch mir alleszu meiner Seligkeit <strong>die</strong>nen muß. Darum er mich auchdurch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichertund ihm forthin zu leben von Herzen willig undbereit macht.Aus <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong>Evangelischen Gemeinde zu Mülheim am Rhein, von 1610 bis 1910Als <strong>der</strong> letzte Sproß des jülich-clevisch-bergischen Herrscherh<strong>aus</strong>es, Herzog JohannWilhelm, 1609 kin<strong>der</strong>los verstorben war, ergriffen als nächste Erben zwei evangelischlutherischeFürsten, Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg, und Wilhelm vonPfalz-Neuburg, <strong>die</strong> Zügel <strong>der</strong> Regierung. Sie versprachen am 11. Juli 1609 den zuDüsseldorf versammelten Landständen von Jülich und Berg handschriftlich unter Eidund Siegel, „<strong>die</strong> römisch-katholische wie auch an<strong>der</strong>e christliche Religion, wie solche imDeutschen Reich und in <strong>die</strong>sen Fürstentümern in Übung sei, ... zuzulassen und darüberniemanden in sein Gewissen noch Exercitio zu beschweren“.Wie von schwerer Last befreit, atmeten <strong>die</strong> Protestanten <strong>der</strong> vier vereinigten Län<strong>der</strong> auf!An zahlreichen Orten schlossen sich jetzt <strong>die</strong> Evangelischen zu Gemeinden zusammen.So auch hier zu Mülheim. Damit war im <strong>Jahre</strong> 1610 <strong>die</strong> Evangelische GemeindeMülheim gegründet. Bis ins 19. Jahrhun<strong>der</strong>t bestanden zwei evangelische Gemeindennebeneinan<strong>der</strong>, <strong>die</strong> lutherische und <strong>die</strong> reformierte. Die einzelnen Gemeinden wurden inKreissynoden und <strong>die</strong>se in <strong>der</strong> bergischen Provinzialsynode zusammengefaßt. Neben <strong>der</strong>Elberfel<strong>der</strong>, Solinger und Düsseldorfer wurde 1611 noch eine vierte Synode eingerichtet:<strong>die</strong> Mülheimer, <strong>die</strong> außer den Gemeinden um Mülheim (Bensberg, Refrath, Gladbach)noch <strong>die</strong> Sieg-Gemeinden von Mondorf bis Uckerath, Oberkassel und Honnef umfassensollte. Gegen <strong>die</strong>se richtete sich nunmehr <strong>der</strong> Stoß <strong>der</strong> Gegenreformation: ein Jahrzehntgenügte, um <strong>die</strong> jungen Gebilde - abgesehen von Mülheim und Oberkassel - sämtlich zuzerstören. Um sicher zu gehen, ließen sowohl <strong>die</strong> Reformierten wie <strong>die</strong> Lutheraner sichim <strong>Jahre</strong> 1610 von den genannten Fürsten ein beson<strong>der</strong>es Privilegium erteilen zurErbauung einer Kirche, Berufung von Pfarrern und Lehrern usw. Gleich im Anfang ihresBestehens schien beiden Gemeinden, <strong>der</strong> lutherischen sowohl wie <strong>der</strong> reformierten, eingroßartiges Wachstum beschieden zu sein. Die Possi<strong>die</strong>renden Fürsten beschlossen, daskleine Mülheim zu einer befestigten Stadt von großem Umfang <strong>aus</strong>zubauen. Alleunbescholtenen Bürger, einerlei von welcher Konfession, wurden zur An<strong>sie</strong>dlungeingeladen. Freie Religionsübung wurde allen zugesagt und für den Handel und Verkehrnamhafte Vorteile zugesichert. Herrliche Kirchen erhoben sich bald auf <strong>dem</strong> weitenBaugelände. Beson<strong>der</strong>s <strong>aus</strong> Köln zogen viele Protestanten als Bauherren herbei. Größernoch war <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong> Protestanten, <strong>die</strong> allsonntäglich von Köln, wo ihnen <strong>die</strong> Übung desGottes<strong>die</strong>nstes untersagt war, nach Mülheim zur Beiwohnung <strong>der</strong> Predigt her<strong>aus</strong>zogen.Aber nicht lange dauerte <strong>die</strong> Freude.Auf Anstiften <strong>der</strong> um ihre Handelsvorherrschaft ebenso wie um <strong>die</strong> Alleinherrschaft deskatholischen Glaubens besorgte Reichsstadt Köln erließ <strong>der</strong> Kaiser Matthias, gestützt aufalte Verträge, mehrere Abmahnungsschreiben, ja er bedrohte <strong>die</strong> betreffenden Fürstenmit <strong>der</strong> Reichsacht, falls <strong>sie</strong> nicht den begonnenen Festungsbau unterlassen würden. Als<strong>die</strong>se Mahnungen fruchtlos verhallten, an<strong>der</strong>seits <strong>der</strong> Kaiser noch immer zögerte, <strong>die</strong>Reichsacht wirklich <strong>aus</strong>zusprechen, wendete sich <strong>die</strong> Stadt Köln an den spanischenGeneral Spinola, <strong>der</strong> Aachen sowie <strong>die</strong> festen Plätze im Jülichschen eroberte, mit <strong>dem</strong>
Ansinnen, er möge durch einen Teil seiner Armee <strong>die</strong> Festungswerke von Mülheimschleifen lassen. Mitte September 1614 ließ sich Spinola endlich dazu bewegen. Die seitdrei <strong>Jahre</strong>n mühsam hergestellte Arbeit wurde ebenso mühsam wie<strong>der</strong> vernichtet. AberKölns Eifersucht und Herrschsucht war noch nicht gesättigt. Auch <strong>die</strong> zur VergrößerungMülheims errichteten Gebäude, ein fürstliches Schloß, Mühlen, Kaufmannsbörse,Schulen, Kirchen und was sonst im Laufe <strong>der</strong> drei <strong>Jahre</strong> entstanden war, sollte mit Stumpfund Stiel vertilgt werden. Als Köln niemand fand, <strong>der</strong> für Geld und gute Worte <strong>die</strong>Mordbrennerarbeit <strong>aus</strong>führte, schrit es selber zur Tat. „Ohne feuer und flamm“ ging manans Werk, das in vier Tagen vollendet wurde, und das Baumaterial, Holz, Steine und<strong>der</strong>gleichen, welches wie alles bewegliche Eigentum in Mülheim verbleiben sollte, wurdegegen den ergangenen Befehl von dort verschleppt. Zum Teil geschah <strong>die</strong>s durch <strong>die</strong>Kölner Barfüßermönche, denen <strong>der</strong> Erzherzog Albert <strong>die</strong> Baumaterialien <strong>der</strong> neuerbautenKirchen zur Erbauung eines Klosters in Köln geschenkt hatte. So war <strong>die</strong> Stadt nachkurzem Aufblühen wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong> alten Grenzen zwischen Rhein und Wallstraßezurückgeworfen und fristete seit<strong>dem</strong> als Ackerstädtchen über ein Jahrhun<strong>der</strong>t lang einbescheidenes Dasein. Die beiden evangelischen Gemeinden verloren ihre zahlreichstenund besten Mitglie<strong>der</strong>. Erst als durch den Westfälischen Frieden den Evangelischenallenthalben <strong>die</strong> Religionsübung gestattet wurde, <strong>der</strong>gestalt, daß <strong>sie</strong> wenigstens anbenachbarten „<strong>aus</strong>ländischen“ Orten den Gotes<strong>die</strong>nsten beiwohnen durften, wenn er anihrem eigenen Wohnsitz noch verboten blieb, erst da (1648) wurde wie<strong>der</strong> regelmäßiglutherischer Gottes<strong>die</strong>nst eingerichtet, denn nun durfte den Kölner Lutheranern nichtlänger <strong>die</strong> Teilnahme an denselben verweigert werden! Auch nicht, daß <strong>sie</strong> zum Unterhaltdes Gottes<strong>die</strong>nstes in Mülheim, Besoldung des Pfarrers usw., Beiträge leisteten, was dennauch bis 1802 treulich geschehen ist. Es ist im Rahmen <strong>die</strong>ses Berichtes nicht möglich,das Wirken <strong>der</strong> einzelnen Pfarrer in <strong>der</strong> Mülheimer Gemeinde anzuführen. Wir müssenuns damit begnügen, <strong>die</strong> ver<strong>die</strong>nstvollsten her<strong>aus</strong>zustellen.Das wechselvolle Schicksal eines Mannes namens Andreas Holz mag zunächst erwähntwerden, <strong>der</strong> in den ersten <strong>Jahre</strong>n des Jahrhun<strong>der</strong>ts Prediger<strong>die</strong>nst an <strong>der</strong> heimlichenKölner Gemeinde tat, 1616 sich <strong>der</strong> „betrübten Kirche zu Mülheim“ annahm, dannzwischen Bensberg und Frechen hin- und herwan<strong>der</strong>te, um überall <strong>die</strong> bedrängtenGlaubensgenossen fest beim Evangelium zu halten, bis er verhaftet und <strong>aus</strong>gewiesenwurde, dann aber noch zehn <strong>Jahre</strong> bis zu seinem Tode heimlich wirkte.Johann Platz <strong>aus</strong> Frankfurt am Main (1661-1681) hat sich durch <strong>die</strong> Erweiterung des vonseinem Vorgänger begonnenen Kirchenb<strong>aus</strong> ver<strong>die</strong>nt gemacht. Seinem Nachfolger,Johann Adolf Rhein (1682-1687), war es möglich, durch seine Fürsprache beim GroßenKurfürsten, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, als auch beim König Karl XI. vonSchweden <strong>der</strong> Gemeinde Unterstützungen <strong>aus</strong>zuwirken. Auch nach seiner Ernennung zumHofprediger <strong>der</strong> verwitweten Kurfürstin von <strong>der</strong> Pfalz blieb er seiner MülheimerGemeinde als Freund und Ratgeber treu. Während <strong>der</strong> Amtsführung des Arnold Wüsthof(1691-1737) geschah es, daß eine Reihe von Kölner Fabrikanten und Kaufleutenevangelischer Konfession ihren Wohnsitz nach Mülheim verlegten und durch ihrenGewerbefleiß bald den ganzen Ort und beson<strong>der</strong>s <strong>die</strong> evangelischen Gemeinden darin inAufschwung und Blüte brachte. An ihrer Spitze stand <strong>der</strong> intelligente und tatkräftigeSeidenfabrikant Christoph Andreae. Die Bergische Regierung legte <strong>der</strong> An<strong>sie</strong>dlung aufMülheimer Gebiet nicht nur keine Hin<strong>der</strong>nisse in den Weg, son<strong>der</strong>n kam denEinwan<strong>der</strong>ern durch wichtige Privilegien, wie Steuerbefreiung u. a., entgegen. Für <strong>die</strong>lutherische Gemeinde ist <strong>die</strong> Über<strong>sie</strong>dlung <strong>der</strong> Kölner Glaubensgenossen noch dadurchwichtig geworden, daß Christoph Andreae sich sofort <strong>der</strong> kirchlichen Verwaltungtatkräftig annahm, es auch erwirkte, daß von <strong>dem</strong> Kapitalvermögen <strong>der</strong> KölnerGemeinde <strong>die</strong> Summe von 5500 Talern nach Mülheim überwiesen wurde, um von denZinsen <strong>die</strong> Mülheimer Kirchenbedürfnisse zu bestreiten. Die Folge ist gewesen, daß <strong>die</strong>Vermögensverwaltung <strong>der</strong> lutherischen Gemeinde stets in den Händen <strong>der</strong> FirmaAndreae blieb, ja daß auch <strong>die</strong> nachmals vereinigte evangelische Gemeinde in denTeilhabern <strong>der</strong> Firma ihre Kirchmeister gefunden hat, ein Verhältnis, das vielleichteinzig dasteht in ganz Deutschland, jedenfalls in <strong>der</strong> Rheinprovinz.Einer <strong>der</strong> markantesten Seelsorger und Prediger <strong>der</strong> lutherischen Gemeinde war <strong>der</strong>Pfarrer Johann Gustav Burgmann (1774-1795). „Er war ein gelehrter und frommer Mannund ein vorzüglicher Kanzelredner. Unter den von ihm her<strong>aus</strong>gegebenen Schriften sind‚<strong>die</strong> Predigt über den zweiten Glaubensartikel’ <strong>die</strong> vornehmsten", wie einer seinerBiographen sagt. In Mülheim erlebte Burgmann noch <strong>die</strong> ersten Stürme <strong>der</strong>französischen Revolutionskriege; vorher aber, am 27. und 28. Februar 1784, <strong>die</strong>schreckliche Eisflut, in welcher sein neuerbautes Pfarrh<strong>aus</strong> und <strong>die</strong> kürzlich erneuerteKirche, das Armenh<strong>aus</strong> und Schulh<strong>aus</strong> zerstört wurden. Die Kirchengeräte, auch alleKirchenbücher und Akten <strong>der</strong> Gemeinde, gingen dabei zugrunde. Ein Drittel des Orteslag in Trümmern, aber allenthalben regte sich <strong>die</strong> Teilnahme mit <strong>dem</strong> schwerheimgesuchten Ort. Burgmann ging auf Kollektenreise nach Holland, an<strong>der</strong>e an an<strong>der</strong>eOrte. In erster Linie widmete sich <strong>der</strong> Kirchmeister Christoph Andreae (Enkel desEingewan<strong>der</strong>ten), <strong>der</strong> selbst durch <strong>die</strong> Eisflut schwere eigene Verluste erlitten hatte, <strong>der</strong>Herstellung <strong>der</strong> neuen lutherischen Kirchengebäude mit Umsicht und beispielloserUneigennützigkeit. Die kostbaren Tauf- und Abendmahlsgeräte wurden von <strong>der</strong> FamilieAndreae bei <strong>der</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen lutherischen Kirche zum Geschenk gemacht.Zu Burgmanns Nachfolger wurde erwählt Johann Wilhelm Reche (1796-1830), ein sehrgelehrter, wissenschaftlich hochgebildeter und dichterisch begabter Mann. Er war Doktor<strong>der</strong> Theologie und Philosophie, nach <strong>der</strong> preußischen Besitzergreifung auch preußischerKonsistorialrat und Examinator <strong>der</strong> Kandidaten. Im Geist und Geschmack seiner Zeit gaber ein neues Gesangbuch her<strong>aus</strong>, das in manchen Gemeinden eingeführt wurde. Er selbstdichtete eine Anzahl Lie<strong>der</strong> dazu. Groß ist <strong>die</strong> Zahl seiner sonstigen Schriften.1817 traten <strong>die</strong> lutherische und <strong>die</strong> reformierte Gemeinde auf den Wunsch des KönigsFriedrich Wilhelm III. <strong>der</strong> Union bei. Zwar fand eine Verschmelzung zu einer einzigenGemeinde noch nicht statt, aber beide legten den konfessionellen Son<strong>der</strong>namen ab. Dielutherische Gemeinde nannte sich fortan Andreas-Gemeinde, <strong>die</strong> reformierte aber Petri-