26arbeit mit jungpferdenStarting Colts – Teil 8Die Umstellung auf das Snaffle Bit underste Übungen zur Kontrolle der SchulterNachdem ich das Pferd nun einige Tage mit dem Sidepullgeritten habe, kommt nun die Zeit, es mit der Trense zuarbeiten.Von Stefan OstiadalEs ist sinnvoll, vor dem ersten Einsatz des Snaffle Bits das Pferd an diesen„Fremdkörper“ zu gewöhnen. Deshalb ziehe ich ihm schon Tage vorherin seiner Box die Trense für ein bis zwei Stunden an. Das Pferd hat dabeiGelegenheit, sich an die neue Situation mit der Trense zu gewöhnen.■ Die ersten Ritte mit Snaffle BitWenn ich das Pferd das erste Mal mit Trense reite, benutze ich keineMaulsperre. Es soll und darf mit dem Gebiss „rumspielen“ und es ist normal,dass es dabei auch gelegentlich sein Maul öffnet.Da ich die ersten Wochen noch nicht an der Nachgiebigkeit durch dasGenick arbeite, reite ich in dieser Zeit mit relativ viel Slack, also mit kaumanstehendem Zügel.Ich bin der festen Überzeugung, dass Pferde, die schonbei den ersten Übungen mit Trense ausgebundenwerden, sich meistens sehr „maulig“ entwickeln.Deshalb gebe ich den Pferden anfangs Zeit, sich an die Trense zu gewöhnenund habe gute Erfahrungen damit gemacht. Wie schon in einer früherenFolge dieser Serie beschrieben, benutze ich während dieser Phasekeinerlei Hilfszügel, auch wenn diese unter Umständen für „mehr Form“sorgen würden.■ Geduld ist gefragt: Schritt für Schrittzu Balance und KörperkontrolleIch glaube daran, dass Pferde ihren Halsanfangs brauchen, um sich auszubalancieren.Ein Ziel der ersten Wochen ist das „fallen lassen“ des Halses, die Kontrolledes Takts und die ersten Anfänge des Geraderichtens. Um ein Pferdgerade zu richten, muss ich Kontrolle über den gesamten Pferdekörpererzielen.Ich sehe immer wieder Reiter, die einjunges Pferd in der Anreitphase mit zahlreichenHilfen überfordern und glauben, das Pferd könnte alldiese Hilfen gleichzeitig erlernen und verstehen.Können wir uns nicht alle an unsere ersten Fahrstunden im Auto erinnern?Verlangte der Fahrlehrer auch gleich das Lenken, Kuppeln, Schalten,Gas geben, usw.? Mein Fahrlehrer tat dies nicht. Er ließ mich erst lenkenund Woche für Woche kamen weitere, neue Aufgaben auf mich zu.Genauso gehe ich bei einem jungen Pferd vor. Ich versuche zuerst, dieeinzelnen Körperteile (Kopf, Schulter, Mittelhand und Hüfte) separat zukontrollieren. Wenn ich diese Kontrolle erzielt habe, kann ich versuchen,mehrere Hilfen gleichzeitig einzusetzen. Denn erst, wenn das möglich ist,können wir das „Geraderichten“ üben.■ Das Nachgeben auf den direkten ZügelIm Sidepull habe ich mir erarbeitet, dass das Pferd dem direkten Zügelnachgibt. Das versuche ich nun mit der Trense – sowohl wenn das PferdWESTERNREITER – Mai 2013
arbeit mit jungpferden 27steht, als auch in der Vorwärtsbewegung. Es kann sein, dass das Pferdanfangs beim Aufnehmen des Zügels das Maul etwas öffnet. Ich ignorieredas und gebe – wie immer – dann mit dem Zügel nach, wenn das Pferdmich ansatzweise versteht. Warum muss das Pferd dem direkten Zügelweich nachgeben? – Dies erleichtert uns ungemein die erste grundlegendeGymnastik, und irgendwann später wollen wir bestimmte Lektionenreiten, bei denen wir immer mal wieder das Pferd mit dem direkten Zügel(auch wenn später das innere Bein den direkten Zügel ersetzen soll) aufnehmenmüssen. Und wer will dabei schon eine schwere Einkaufstüte inder Hand haben?Das Nachgeben auf den direkten Zügel erleichtert also unsere Kontrolle.Jedoch sehe ich gelegentlich auch Reiter, die das „Flexing“, wie mancheTrainer das Nachgeben auf den direkten Zügel nennen, aus meinerSicht übertreiben. Es wird dabei Kontrolle gewünscht und das Pferd wirdununterbrochen fast 90 Grad nach links und rechts gestellt. Das Pferd bekommtkeine Ruhe mehr im Maul und beantwortet dies nicht selten z.B.mit permanentem Schweifschlagen. Ich möchte, dass mir das Pferd willigund gern nachgibt. Aber ich möchte das Pferd nicht dauernd damit belästigen,sonst geht irgendwann die mentale Zufriedenheit verloren und wirbekommen einen „Wrangler“.Außerdem glaube ich, dass Pferde zufriedener sind und sich besser bewegenkönnen, wenn sie „gerade“ bleiben.Oft sehe ich Pferde, die auf einem 20-Meter-Zirkelpermanent nach innen gestellt werden. Sielaufen den großen Zirkel und sollen IMMER nachinnen schauen. Das ergibt für mich keinen Sinn.Wenn ich ein Pferd auf einem 20 Meter Zirkel vorstelle, schaut es bei mirnach vorne auf die Schiene, in der es sich bewegen sollte, und nicht nachinnen. Erst wenn Kreise deutlich kleiner werden, haben auch bei mir diePferde die Nase sichtbar innen.Bitte nicht falsch verstehen: Ein Pferd sollte sich natürlich auf einem großenZirkel bewusst nach innen und außen stellen lassen, um es gymnastizierenzu können und Kontrolle über die Schulter zu erzielen. Nur permanentverlange ich diese Stellung nicht!Der weich aufgenommene, begrenzende äußere Zügel inVerbindung mit gleichseitigem Schenkeldruck soll dieSchulter zur Seite weichen lassen.Bild links: In der Wassertrense lasse ich das Pferdam Anfang der Einheit Volten gehen, bis es sich entspannt.■ Das Lenkrad liegt in der Schulter!Wenn ich das Pferd nun stellen kann, habe ich noch lange keine Kontrolleder Lenkung, da diese sich in der Schulter abspielt. Erst wenn ich dieSchulter des Pferdes kontrollieren kann, habe ich Lenkung! Und besondersWesternpferde sollten eine sehr gute Schulterkontrolle bekommen.Es gibt viele Beispiele von Schulterkontrolle innerhalb der bekannten Lektionen.Wenn das Pferd aus dem Stand die Schulter langsam seitwärts bewegt,ergibt sich in der Regel daraus eine Hinterhandwendung. Die Schulter180 Grad in die andere Richtung „springen“ zu lassen ergibt den Rollback.Aber auch ein guter Springreiter braucht die totale Schulterkontrolle,wenn sein Pferd den Sprung gemeistert hat und der Reiter eine enge,zeitsparende Abkürzung nehmen will.Aber wir kennen auch das Gegenteil: Der Reiter möchte auf dem Zirkelbleiben und das Pferd läuft „über die Schulter“ nach außen. Hier gingdie Kontrolle der Schulter und die Akzeptanz des begrenzenden äußerenZügels verloren.Habe ich Kontrolle über die Schulter, habe ich auch Kontrolleüber die Richtung – hier sitzt die „Lenkung“ des Pferdes!Deshalb arbeite ich nach wenigen Tagen sehr bewusst an der Kontrolleder Schulter.■ Übung für die Schulterkontrolle:Das „Stoppschild“Ich möchte den äußeren begrenzenden Zügel installieren. Dazu verwendeich folgende Übung: Ich reite bewusst ein Sechs- oder Achteck und zwischenden Ecken gerade Verbindungslinien.WESTERNREITER – Mai 2013