0.22 __ //// INTERVIEWS/FRAGEBOGEN„Rostock, Deine Dichter“ - Rostocks Literaturszene ist bunter und größerals vermutet. Wir setzen die Vorstellung einiger ihrer Vertreter anhandeines Fragebogens, der sich auch aber nicht nur um Literarischesdreht, fort.Mehr als 7 Fragen anLiselot HuchthausenRegionalesWas ist Rostock für Sie - Geburtsort, Heimat, Nest, Vaterstadt,Mutterort?Rostock ist mein Geburtsort – meine Heimat ist Norddeutschland,ich sehe das nicht so eng. Meine Eltern haben zwar beidelange in Rostock gelebt, aber meine Mutter kam aus Vorpommern,also Preußen. Mein Vater war Hannoveraner, und inHinblick auf Rostock stand meine Kindheit unter <strong>dem</strong> Motto„Wenn ein Fohlen im Kuhstall zur Welt kommt, ist es deshalbnoch lange kein Kalb!“, denn besonders meine Mutter empfanddie Unterschiede zwischen Pommern und Mecklenburgernbis ins Alter sehr stark. Mein Vater, der acht Jahre in Fiume(heute Triest) und eine Weile in Wien gelebt hatte, sah dieinnerdeutsche „Staaterei“ <strong>mit</strong> gelassenerem Abstand. Beide hattenallerdings hier ihre berufliche Tätigkeit, waren kontaktbereitund beliebt in ihrer Umgebung. Wir waren nur nicht so aufRostock konzentriert wie manche anderen. Obwohl ich ein Lebenlang in Rostock gewohnt habe, fühlte ich mich der Universitätbesonders verbunden – zumal ich direkte Fachkollegennur und Freunde hauptsächlich in anderen Universitätsstädtenhatte.Welche Architektur bzw. welches Rostocker Bauwerk hierzustadt1945 bis heute beeindruckt oder irritiert Sie?Beeindruckend: Marienkirche, Neubaugebiet Toitenwinkel. Irritierend:Brunnen auf <strong>dem</strong> Neuen Markt: Keine Meergöttin,und die männlichen Gottheiten allesamt potthässlich – so etwaspasst doch nicht in eine Seestadt! Ich glaube fast der Bildhauerkommt aus Nürnberg – da darf man wohl Angst vormWasser haben…Sprechen/verstehen Sie Plattdeutsch? Schon mal versuchtso zu schreiben?Ich verstehe (hörend) zumindest das Platt in Hamburg und inRostock und Umgebung. Weiter nach Osten und Westen gibtes andere Lautungen und ganz andere Wörter (Bett: hier Bä´,Westen: Puuch). Wenn ich aus Büchern vorlese, muss ich siedafür oft erst ans hiesige Platt angleichen. - Ich schreibe jedeWoche eine plattdeutsche Kolumne „Berta Footh meent“, dasgibt besondere Probleme, sobald die Thematik vom ursprünglichenBereich des Platts zu Kunst, Politik und anderen speziellmodernen Problemen überschwenkt, da fehlen „Originalvokabeln“.Mit welchem Rostocker Phänomen möchten Sie sich gernauseinandersetzen?Ich schreibe über das, was ich gerade beobachte oder auf andereWeise erfahre, lange Planung ist bei <strong>einer</strong> Wochenkolumnekaum möglich.Woran denken Sie bei Rostock in der Nacht und am Tage?Spezielle Rostock-Dauerthemen wüsste ich nicht. Ich interessieremich mehr für Menschen als für Orte und habe guteFreunde auch außerhalb Rostocks (gehabt – jetzt sind vieleschon tot), und an die dachte und denke ich.Welche Rostocker Persönlichkeit vermissen Sie manchmal?Eine Lehrerin und spätere Freundin, die ich sehr vermisst habe,als sie starb, lebte zwar schon lange in R., war aber aus Güstrow.Die Menschen, um die ich sonst noch tief getrauert habe, wa-
en nur selten einmal hier, ich habe sie durch meinen Beruf anderswokennen gelernt. Wenn <strong>mit</strong> „Persönlichkeiten“ Menschendes öffentlichen Lebens, Künstler, Politiker, etc. gemeintsind, so waren diese, soweit ich sie nach ihrem Fortgang vermissthabe, z.B. SängerInnen und SchauspielerInnen am Theater,Wissenschaftler an der Universität – auch alle nur für einpaar Jahre hier.Wann haben Sie zuletzt am Ufer der Teufelskuhle sinniert?Bis ans Ufer der Teufelskuhle hinab bin ich nie gekommen.Sinnieren tue ich allenfalls auf <strong>dem</strong> Friedhof (Alter oder Neuer,nicht West-).LiterarischesWann oder nie gelesen: Theodor Jacobs „Zwischen 7 Toren“;„Kasper Ohm und ick“; „Jürnjakob der Amerikafahrer“?Theodor Jacobs: Nie, oder vergessen. Kasper Ohm: Schon alsKind und danach noch öfter – von ihm ist mein eigenes Plattsicher auch beeinflusst, weil in der Familie niemand plattdeutschsprach. Jürnjakob: Soweit ich weiß, erst nach der„Wende“ – in der Schule haben wir Auszüge gelesen.Gibt es in Rostock eine Kneipe so richtig zum Schreiben?„Kneipen“ kenne ich in Rostock nicht; Lokale, wo man gutMittag essen, aber nicht längere Zeit sitzen und schreibenkann, könnte ich aber empfehlen.Welche Rolle spielen für sie das Literatur-Haus, das Peter-Weiß-Haus, die Journale RISSE, Prolog (Leipzig) undWeisz auf Schwarz oder sogar die STADTGESPRÄCHE?Literaturhaus: Solange Annette Handke es betrieb, die ich alsStudentin kannte, war ich oft dort und wurde auch häufig eingeladen,interessante Diskussionen! Jetzt komme ich viel seltenerhin, im letzten Jahr wohl gar nicht – aber ich war auch langekrank. Peter-Weiss-Haus: In den 50er Jahren waren meineMutter und ich oft dort, weil es dort Einführungen zu allenOpern gab – <strong>mit</strong> den Sängern. Jetzt komme ich nur noch ganzselten hin, wenn ich direkt eingeladen werde.Von den genannten Journalen habe ich früher gelegentlich eineNummer „RISSE“ im Kuhtor <strong>mit</strong>genommen, „Prolog“ und„Weisz auf Schwarz“ kenne ich gar nicht, STADTGESPRÄ-CHE erst seit kurzem – aber den TEMPERAMENTEn, dienach <strong>dem</strong> Ende der DDR sofort eingingen („Zeitschrift fürjunge Kunst“) trauere ich immer noch nach. Ich habe sie überJahre gesammelt und viele auch mehrmals gelesen.Waren Sie am 20.1. beim Stammtisch der Rostocker Autorenim Ursprung?Beim Stammtisch der Rostocker Autoren war ich nicht.Wie heißt Ihre bevorzugte Rostocker Geschichte - eine eigeneoder fremde?Ich suche nicht gezielt nach Geschichten über Rostock undgreife nicht automatisch danach, wenn ich eine sehe, ich geheeher nach <strong>dem</strong> Titel eines Buches oder nach <strong>einer</strong> Rezensionim Radio. Wenn ich etwas von einem Rostocker Autor kennenund schätzen sollte, so habe ich ihn nicht als „Rostocker“ innerlichgespeichert. Ich selbst bin gar nicht begeistert, wenn icheins m<strong>einer</strong> Bücher unter „Mecklenburgica“ aufgestellt finde,und sehe mich nicht als „Heimatschriftstellerin.“Politische ErfahrungenNoch Erinnerungen an die Ihrerzeit gar nicht ehemaligeDDR? Was ist bei Ihnen, persönlich und literarisch, aus derZeit 1989 bis 1991 haften geblieben?Meine Erinnerungen habe ich in <strong>mit</strong>tlerweile sechs Erinnerungsbänden,die bis an die Gegenwart (2008) heranreichen(die letzten drei Bände Tagebücher), aufgeschrieben.Wichtige politische Impulse und von wem gab es in dieserZeit für Sie?Ich habe Daniela Dahn, Christa Wolf (die Nach-Wende-Sachen)und Interviews von Herrn Gauss gelesen, unter den Politikerinnenschätze ich besonders Frau Hamm–Brücher, undvon der PDS/LINKEN, Lothar Bisky , der kein glänzenderRedner ist, wie Gysi oder Lafontaine, aber überzeugend undklar spricht - man kann <strong>mit</strong> Notizen folgen, auch wenn mankein Debattenstenograph ist. In diesem Sinne schätze ich auchProfessor Methling (eine bedeutende Rostocker Persönlichkeit,wenn es nicht auf den Geburtsort und die dauernde Wirkungsstätteankommt!) Und ich höre viel Radio und lese Zeitung(en)…Übrigens bin ich als Journalistin Mitglied von ver-di (als ich1991 eintrat, hieß es noch anders), während ich vorher zur GewerkschaftWissenschaft gehörte.Was hat der Heiligendammer G8-Gipfel bei Ihnen bewirkt?Heiligendamm hat meine Befürchtungen hinsichtlich der negativenAspekte der Globalisierung unter kapitalistischen Vorzeichenverstärkt. Aber „das ist ein weites Feld“ – das Themamöchte ich in diesem Rahmen nicht genauer ausführen.