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Praxisteil - Bundesverband Seniorentanz eV

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vielen Gebieten des europäischen<br />

gesellschaftlichen Lebens, auch die<br />

Erkenntnis der Gerontologie, dass<br />

Menschen jenseits der 50 in ihrem<br />

Leben durchaus auch andere Perspektiven<br />

offen standen als “nur“<br />

Großeltern zu sein, zu stricken, zu<br />

gärtnern und Enkel zu hüten.<br />

“Warum kannst du nicht auch für<br />

uns Möglichkeiten fi nden zu tanzen?“<br />

Diese Frage ihrer 80-jährigen<br />

Schwiegermutter beschäftigte die<br />

1971 in den Ruhestand getretene<br />

Ilse Tutt. Sie dachte nach und begann<br />

die Ideen in einer ihrer Tanzgruppen<br />

auszuprobieren. Es war<br />

klar, dass die Schritte einfacher<br />

als für jüngere Tänzer, die Figuren<br />

und Bewegungen dem Alter angepasst<br />

sein mussten. Diese Aufgabe<br />

wurde zur Herausforderung ihres<br />

dritten Lebensabschnittes, den sie<br />

ihren „Unruhestand“ nannte. “Im<br />

Unterschied zu Frauen zögern viele<br />

Männer über 50 zu tanzen. Und<br />

wenn sie doch tanzen wollen, dann<br />

Wange an Wange im gedämpften<br />

Licht einer Bar.“<br />

Vom Beginn der Versuche in ihrer<br />

Tanzgruppe an war das klar und<br />

die Experimentierenden waren sich<br />

der Schwierigkeiten bewusst. Auch<br />

war unbestreitbar: Als Folge des 2.<br />

Weltkrieges herrschte in der Kriegsgeneration<br />

ein großer Männermangel.<br />

Frauen mussten also auf dem<br />

traditionellen Platz der Männer<br />

tanzen. Dennoch war es wichtiger<br />

für die Gesundheit und zur Überwindung<br />

der sozialen Isolation im<br />

fortgeschrittenen Alter, überhaupt<br />

noch zu tanzen. “Aber es sollte keinen<br />

Wettbewerb der Frauen um die<br />

Männer geben, die bereit sind mitzumachen.“<br />

Eine Lösung auch für<br />

diese Bedenken waren die „Seniorentänze“<br />

mit einer begrenzten Zahl<br />

von Paartanzfi guren, ohne schnelle<br />

Drehungen, mit leichten Schritten<br />

und mit häufi gem Partnerwechsel<br />

innerhalb einer Gruppe, also mit<br />

oder auch ohne festen Tanzpartner.<br />

Ganz unmerklich wurde dabei<br />

nicht nur der Körper sondern auch<br />

die nachlassende Gehirnleistung<br />

und das soziale Verhalten trainiert,<br />

der Vereinsamung Alleinstehender<br />

vorgebeugt.<br />

So begann mit viel Enthusiasmus<br />

eine Bewegung, die über die Jahre<br />

hinweg viele tausend Anhänger im<br />

<strong>Seniorentanz</strong>verband zusammenführte.<br />

In ganz Europa und bis nach<br />

Neuseeland und Brasilien fanden<br />

sich ungezählte Senioren zu großen<br />

und kleinen Tanzveranstaltungen<br />

zusammen. Bei großen Polonaisen<br />

mit 800 bis 1000 Tänzern, die das<br />

Rund eines Stadions füllten, fanden<br />

die Senioren zu einem gemeinsamen<br />

Tanzerlebnis zusammen. Noch<br />

nach Jahren haben die Teilnehmer<br />

solche gemeinsamen Erfahrungen<br />

nicht vergessen. Ilse Tutt konnte in<br />

Anspruch nehmen, den <strong>Seniorentanz</strong><br />

als selbständige, große Tanzsparte<br />

entwickelt und etabliert zu<br />

haben.<br />

In Anerkennung ihrer Leistungen<br />

wurde Ilse Tutt als erste Tanzschaffende<br />

in der Bundesrepublik 1981<br />

mit dem Bundesverdienstkreuz<br />

ausgezeichnet. Im Juli 1997 ging ihr<br />

Leben für den Tanz zu Ende. Tanzen<br />

war neben ihrer Familie ihr wichtigster<br />

Lebensinhalt gewesen, besonders<br />

im „Silbernen Lebensalter“,<br />

wie sie die Zeit nach ihrer Pensionierung<br />

nannte.<br />

Wolfger Tutt<br />

Intern 5<br />

Wir danken Ilse Tutt für ihre<br />

wunderbare Idee, für ihren<br />

Weitblick und Mut.<br />

Was heute zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden ist, dass ältere und<br />

alte Menschen Freude und Lebensqualität<br />

durch Tanzen erleben können,<br />

geht auf ihre Initiative zurück.<br />

„Wir haben die begründete Hoffnung,<br />

dass der ältere Mensch, in<br />

seinen körperlichen und seelischen<br />

Kräften aktiviert, auch über das reine<br />

Tanzerlebnis hinaus tätig wird,<br />

sei es, dass er anderen hilft, sei es,<br />

dass er vermehrt Verständnis für<br />

junge Menschen gewinnt und ein<br />

offenes Ohr für ihre Sorgen hat, und<br />

dass er letztlich das vermehren hilft,<br />

was in unserer Zeit immer mehr<br />

schwindet: die Menschlichkeit.“<br />

Anita Brunberg<br />

Der Kreis<br />

von Ilse Tutt<br />

Schlichtes Symbol aus uralter<br />

Zeit, eine Form - ohne Anfang und<br />

ohne Ende. Ein Stein – ins Wasser<br />

geworfen. Seine Wellen breiten in<br />

Kreise sich aus. Die Gestirne – in<br />

den unendlichen Bahnen des Alls<br />

ziehen sie ihre Kreise. Unser Tanz<br />

– im Kreise fi ndet er seinen besonderen<br />

Ausdruck, eine Form – ohne<br />

Anfang und ohne Ende. Sinnbild<br />

des Zusammengehörens, der Verbundenheit<br />

aller. Wir schließen<br />

den Kreis. Gibt es eine stärkere<br />

Aussage?<br />

Senioren tanzen 02/2011

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