MORO - Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg
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<strong>MORO</strong><br />
Kooperation und Vernetzung<br />
<strong>MORO</strong><br />
2008 - 2010<br />
Kooperation und Vernetzung im Nordosten<br />
Dreiländerkonferenz am 08. Dezember 2010<br />
Kurzdokumentation<br />
im Nordosten
Frank Segebade<br />
Referatsleiter in der <strong>Gemeinsame</strong>n <strong>Landesplanungsabteilung</strong> <strong>Berlin</strong>–<strong>Brandenburg</strong><br />
Petra Schmidt<br />
Referatsleiterin im Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg–Vorpommern<br />
Begrüßung<br />
Ausgehend von den neuen Leitbildern der Raumordnung,<br />
wie sie im Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung<br />
(MKRO) am 30. Juni 2006 formuliert wurden, ergeben<br />
sich für die regionale Zusammenarbeit Notwendigkeiten und<br />
Chancen, die sowohl räumlich als auch sachlich in einem weiter<br />
gefassten Kontext stehen. In insgesamt sieben „Modellvorhaben<br />
der Raumordnung“ (<strong>MORO</strong>) galt es, innovative Ansätze<br />
zu den Inhalten und zur Steuerung solch überregionaler<br />
Partnerschaften aufzuzeigen. Insbesondere ging es darum,<br />
die Praxistauglichkeit entsprechender Ansätze zu überprüfen.<br />
Im Modellvorhaben „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“,<br />
das zwischen Januar 2008 und Juni 2010 durchgeführt<br />
wurde, haben weit über 20 Partner aus Kommunen, Landkreisen,<br />
Regionen, Industrie und Handelskammern sowie<br />
den Häfen Rostock und Sassnitz unter Federführung der drei<br />
beteiligten Länder <strong>Berlin</strong>, <strong>Brandenburg</strong> und Mecklenburg–<br />
Vorpommern mitgearbeitet. Die Ergebnisse des <strong>MORO</strong>–Vorhabens<br />
sind in einer Broschüre zusammengefasst worden, die<br />
wesentliche Erkenntnisse präsentiert, aber auch Denkanstöße<br />
für die weitere Zusammenarbeit gibt, sowie auch noch offene<br />
Fragen thematisiert.<br />
Im Rahmen des Projektes wurden erste Anhaltspunkte für<br />
eine aussichtsreiche Zusammenarbeit ermittelt und erprobt.<br />
Das Modellvorhaben ist zwar abgeschlossen, die Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema der überregio nalen Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>Berlin</strong>, <strong>Brandenburg</strong> und Mecklenburg–Vorpommern<br />
steht jedoch erst am Anfang. Nun gilt es, Themen<br />
und Partner zusammen zu bringen. Insofern will diese Konferenz<br />
auf den Ergebnissen des <strong>MORO</strong>–Vorhabens aufbauen<br />
und sie fortführen.<br />
2<br />
Die Beschäftigung mit Initiativen zum Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor<br />
ist als ein wichtiges Logistik–Thema für<br />
die Region hervorzuheben. Hier wird aufgezeigt, wie sich<br />
auch kleinteilige regionale Partner in das Projekt einbinden<br />
können.<br />
Ein weiterer wichtiger Grundgedanke des gesamten Vorhabens<br />
war, die drei Länder nicht als Insel zu betrachten, sondern<br />
ihre Verflechtungen auch mit dem weiteren Umland zu<br />
berücksichtigen – ein gutes Beispiel einer in dem Fall grenzüberschreitenden<br />
Zusammenarbeit mit polnischen, mecklenburg–vorpommerschen<br />
und brandenburgischen Gemeinden<br />
ist der Aktionsplan Unteres Odertal.<br />
Im Rahmen des Vorhabens konnten nur ausgewählte Themen<br />
vertieft bearbeitet werden. Zukunftsthemen der überregionalen<br />
Zusammenarbeit stellen darüber hinaus Tourismus,<br />
Gesundheitswirtschaft und Erneuerbare Energien dar.<br />
So ist zum Beispiel für Akteure im Tourismusbereich die Frage,<br />
wie man sich in der Region gemeinsam aufstellen könnte,<br />
neu. Bislang geht es hier eher um Abgrenzung. Auch in vielen<br />
anderen Bereichen ist eine verstärkte Zusammenarbeit in<br />
diesen großräumigen Zusammenhängen ein neuer Gedanke.<br />
Insgesamt ging bzw. geht es im Rahmen des <strong>MORO</strong>, aber auch<br />
in der Weiterführung um die Fragen: Welche Stärken haben<br />
die unterschiedlichen Teilräume der drei Länder? Und wie<br />
können wir diese Stärken langfristig verknüpfen, um daraus<br />
weitere Entwicklungsschübe zum Nutzen der Region zu erreichen?<br />
Das <strong>MORO</strong>–Vorhaben hat einige sehr positive Erfahrungen<br />
erbracht. Nun geht es darum, den begonnenen Prozess mit<br />
Partnern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft sowie weiteren<br />
Akteuren fortzuführen.
Fachbeiträge<br />
Prof. Dr. Hans Heinrich Blotevogel<br />
Präsident der Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />
Die Bedeutung von Stadt–Land–Partnerschaften<br />
Der Begriff Stadt–Land–Partnerschaften hat sowohl in der<br />
nationalen Raumordnungspolitik als auch auf Ebene der EU<br />
seit etwa zehn Jahren Konjunktur. Großräumige Partnerschaften<br />
gehen dabei über die klassische Stadt–Land–Beziehung<br />
hinaus. Die Räume haben ein gemeinsames „territoriales<br />
Kapital“. Angestrebt ist ein Arbeiten auf gleicher Augen höhe.<br />
Wichtige Voraussetzungen für tragfähige Partnerschaften<br />
sind Prozessorientierung, Dynamik und Konsensprinzip.<br />
Die Prozesse der Zusammenarbeit müssen vom „Government“<br />
zur „Governance“ entwickelt werden – kurz: nicht „gut, dass<br />
wir darüber gesprochen haben“, sondern „wir verein baren,<br />
wie die Dinge umgesetzt werden“.<br />
Typische Koope rationsfelder sind horizontale Kooperationen<br />
in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft, Wissenschaft,<br />
Kultur, Tourismus, Energie, Verkehr, Umwelt u.a.m. Mit diesem<br />
Partnerschaftsansatz werden tradierte Sichtweisen angepasst.<br />
Eine Abkehr von der traditionellen Großstadtfeindlichkeit<br />
hin zur Vielfalt von Stadt, kleineren Zentren im Raum<br />
und einem Bewusstsein für „das Land als Stärke“. Damit ist<br />
kein Paradigmenwechsel im Sinne einer Abkehr vom Ausgleich<br />
zwischen Stadt und Land gemeint, sondern eine Neuorientierung<br />
auf notwendige Voraussetzungen tragfähiger Partnerschaften.<br />
Das Raumordnungs–Leitbild „Wachstum und Innovation“ der<br />
Ministerkonferenz für Raumordnung (2006), das den <strong>MORO</strong>–<br />
Vorhaben zugrunde liegt, ist im fachpolitischen wie wissenschaftlichen<br />
Bereich kontrovers diskutiert worden. Teilweise<br />
wurde eine Abkehr vom bisherigen Ausgleichsziel „Schaffung<br />
gleichwertiger Lebensverhältnisse“ zwischen Stadt und<br />
Land unterstellt. Tatsächlich wird endlich die Rolle der gro ßen<br />
Städte und Verdichtungsräume für die Raumentwicklung angemessen<br />
berücksichtigt. Das tradierte Ressourcentransferdenken<br />
wird überwunden.<br />
Heute stehen alle Gebietskategorien – Metropolregionen<br />
ebenso wie ländliche Räume – mit ihren spezifischen Heraus<br />
3<br />
forderungen, Problemen und Entwicklungschancen im Fokus<br />
(„place based approach“). Die territoriale Vielfalt wird dabei<br />
als Stärke gesehen. Komplementäre regionale Stärken können<br />
durch territoriale Kooperationen genutzt werden.<br />
Stadt–Land–Partnerschaften solch neuer Ausrichtung und<br />
neuen Zuschnitts haben Chancen und Grenzen. Wichtig ist,<br />
die Erwartungen auf ein realistisches Maß zu begrenzen – zu<br />
hoch gesteckte Erwartungen würden zwangsläufig zu Enttäuschungen<br />
führen.<br />
Aktuelle zivilgesellschaftliche Fragen wie „Stuttgart 21“,<br />
machen Anforderungen an die Weiterentwicklung der bisherigen,<br />
formalisierten Öffentlichkeitsbeteiligung deutlich.<br />
Diesen Aufgaben wird man sich in Zukunft stellen müssen.<br />
Ansätze, welche die Bürgerbeteiligung als „lästige Pflicht“<br />
begreifen, sind nicht zukunftsfähig. Der Prozess des Umdenkens<br />
hat aber bereits begonnen.
Mario Lembke<br />
Projektleiter bei der Hafen–Entwicklungsgesellschaft Rostock<br />
Die Potenziale des Ostsee–Adria–Entwicklungskorridors<br />
Mit der Osterweiterung der Europäischen Union ist eine Entwicklung<br />
neuer Transportströme einhergegangen. Auch eine<br />
Verlagerung auf alternative Verkehrswege und träger hat<br />
stattgefunden. Die ursprünglich im Fokus liegenden westeuropäischen<br />
Destinationen, also die Häfen im westlichen<br />
Mittelmeer und die Nordseehäfen an der Rheinmündung,<br />
deren Routen mit einer Umfahrung der Iberischen Halbinsel<br />
und Frankreichs über den Atlantik verbunden sind, wurden<br />
ergänzt durch neue Destinationen: die Adriahäfen und die<br />
Ostseehäfen. Diese Verbindung hat einen Einzugsbereich von<br />
33 Millionen Menschen.<br />
Die Prognosen für die Entwicklung des Hafenumschlags zeigen<br />
diese Entwicklung deutlich: Im Schnitt werden bis 2025<br />
durchschnittlich 3,6 % Umsatzwachstum bei den Häfen erwartet.<br />
Bei den Ostseehäfen liegt die Wachstumserwartung allerdings<br />
bei 4,9 %, bei den Rheinmündungshäfen dagegen nur<br />
bei 2,8 %.<br />
Während die Verkehrswege in Westeuropa weitgehend aus<br />
und teilweise überlastet sind, sind die infrastrukturellen<br />
Gegebenheiten im Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor auch<br />
für künftige Anforderungen leistungsfähig genug. Eine Netzbelastungsprognose<br />
mit dem Zielhorizont 2015 zeigt für den<br />
Westen kritische Engpässe, für den Osten jedoch noch immer<br />
bestehende Spielräume.<br />
4<br />
Bestimmte, produktbezogene Transportketten können im<br />
Korri dor deutlich günstiger realisiert werden. Zum Beispiel<br />
kann „weiße Ware“ von Norditalien nach Skandinavien<br />
mit einem Kostenvorteil von 20 % transportiert werden, für<br />
Automobil zulieferer von Süddeutschland nach Skandinavien<br />
kann die Transportzeit auf insgesamt weniger als 30 Stunden<br />
reduziert werden und für Papier und Zellstofflieferungen<br />
aus Skandinavien zu den papierverarbeitenden Industrien<br />
in Österreich und Süddeutschland lässt sich die transportbedingte<br />
CO 2 –Emission um etwa 40 % reduzieren. Durch die<br />
vorgesehene Vertiefung des Seekanals Rostock auf 16,50 m<br />
Wassertiefe liegen Perspek tiven auch in der Akquisition von<br />
weiteren Massengutverkehren, insbesondere bei Öl, Eisenerz<br />
und Kohle.<br />
Derzeit befinden sich zahlreiche Maßnahmen in Vorbereitung<br />
und Umsetzung, um den Korridor entsprechend leistungs fähig<br />
zu machen. Dazu gehört der Einsatz von Schiffen zwischen<br />
Rostock und Gedser mit deutlich größerer Kapazität („Motorways<br />
of the Sea“–Projekt in Zusammenarbeit mit Scandlines)<br />
und der damit im Zusammenhang stehende Umbau der Häfen<br />
Rostock und Gedser, vor allem bezogen auf deutlich vergrößerte<br />
und leistungsfähigere LKW–Aufstell und Abfertigungskapazitäten.<br />
Bis 2015 sollen zudem die Achslasten auf<br />
wichtigen Zubringerstrecken der Deutschen Bahn auf 25 Tonnen<br />
erhöht werden.<br />
Die Erfolgsfaktoren des Ostsee–Adria–Entwicklungskorridors<br />
sind aus Sicht der Logistikwirtschaft:<br />
■ die Verbindung von Wirtschaftszentren und Wachstumskernen<br />
(Ladungsaufkommen),<br />
■ die Verknüpfung mehrerer Verkehrsträger,<br />
■ die Existenz leistungsfähiger Verkehrsinfrastrukturen,<br />
■ Aspekte der grünen Logistik,<br />
■ ein hoher Qualitätsstandard der Transportdienstleistungen<br />
sowie<br />
■ ein starkes Kooperationsnetzwerk.<br />
Kurz: Transportströme im Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor<br />
sind hochattraktiv, kostengünstig, umweltfreundlich und<br />
sehr, sehr schnell.
Arne Krohn<br />
Dezernent für Stadtentwicklung der Stadt Neuruppin<br />
Entwicklung einer länderübergreifenden Logistikregion<br />
Ziel der landkreis und länderübergreifenden kommunalen<br />
Initiative „HUB 53/12°“ ist die Bündelung von regionalen<br />
Stärken zur Entwicklung einer Region für Logistikdienstleistungen.<br />
Das <strong>MORO</strong>–Vorhaben war für das Entstehen dieser Projektidee<br />
und der logistischen Entwicklung des Raumes Prignitz–<br />
Ruppin–Güstrow ein wichtiger Geburtshelfer. Allerdings<br />
bestanden hier schon gute Voraussetzungen: Die interkommunale<br />
Kooperation wird bei uns seit Jahren gepflegt – eine<br />
ganz klare Stärke der Region. Entscheidend für die Beteiligten<br />
ist dabei der Bottom–Up–Ansatz, von der Region auf die europäische<br />
Ebene.<br />
Seit März 2009 sind die Partner formal als ARGE „HUB<br />
53/12°“ zusammengeschlossen. Beteiligt sind die Barlachstadt<br />
Güstrow, die Fontanestadt Neuruppin, die als Regionaler<br />
Wachstumskern eine Kooperation mit der Stadt Rheinsberg,<br />
dem Amt Lindow (Mark), dem Amt Temnitz und der Gemeinde<br />
Fehrbellin aufgebaut hat sowie die Stadt Pritzwalk, die ihrerseits<br />
mit dem Verein „Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock“<br />
und der Gemeinde Heiligengrabe, dem Amt Putlitz–<br />
Berge sowie den Städten Meyenburg und Wittstock kooperiert.<br />
Ausschlaggebend für die Initiative war zum einen die hervorragende<br />
räumliche Lage im europäischen Kontext –<br />
in 120 Minuten Fahrzeit sind etwa zehn Millionen Menschen<br />
erreich bar. Zum anderen die bereits bestehende Infrastruktur<br />
an Schienennetz, Rangierbahnhöfen, Binnenhäfen, regionalen<br />
Flugplätzen, Autobahnen und Güterverkehrszentren,<br />
die Anbindung an Nord und Ostseehäfen sowie die relative<br />
Nähe zu internationalen Verkehrsflughäfen in Hamburg und<br />
<strong>Berlin</strong>.<br />
Das dichte Schienennetz in der Region befindet sich überwiegend<br />
in der Hand privater, engagierter Eisenbahnunternehmen.<br />
Das Angebot an gut gelegenen und preisgünstigen<br />
Gewerbe und Industrieflächen ist ein weiterer regionaler<br />
Standortvorteil. Diese Aspekte erhöhen die Entwicklungspotenziale<br />
und die Triebkraft deutlich und geben den Projektpartnern<br />
Mut für das ehrgeizige Projekt abseits eingefahrener<br />
Transportstrecken.<br />
5<br />
Die Chancen des HUB 53/12° liegen<br />
■ in der Nutzung des Übergangs von Güterverkehren vom<br />
Schiff auf die Straße bzw. auf die Schiene und umgekehrt,<br />
■ in der Veredelung von Waren (Teilmontage, Auf arbeitung,<br />
Konfektionierung) und<br />
■ im Angebot von Lagerkapazitäten zur Realisierung<br />
kurzer Reaktions und Lieferzeiten.<br />
Mit diesen Chancen und deren Verknüpfung mit der guten<br />
geografischen Lage wollen wir auch das Interesse von Produzenten<br />
und Logistikern auf der Achse Skandinavien (einschließlich<br />
des baltischen Raumes) — Südeuropa wecken.<br />
Auch Umweltgesichtspunkte befördern das Projekt: Zum Beispiel<br />
legt das schwedische Unternehmen IKEA, das mit einer<br />
großen Produktionsstätte in der Region vertreten ist, großen<br />
Wert auf CO 2 –Reduktion in Herstellung und Transport. Dafür<br />
ist die Logistikinfrastruktur der kurzen Wege in der Region<br />
optimal.<br />
Die Akteure sind sich darüber im Klaren, dass sie sich noch<br />
auf dem ersten Drittel des Weges zur leistungs und wettbewerbsfähigen<br />
Logistikregion befinden. Die nächsten notwendigen<br />
Schritte sollen jedoch in den nächsten zwei bis drei<br />
Jahren gegangen werden. Aufgrund seiner europäischen<br />
Orientierung ist es nur folgerichtig, dass HUB 53/12° Projektpartner<br />
im INTERREG IV B–Projekt „Scandria – The Scandinavian–Adriatic<br />
Corridor for Innovation and Growth“ wurde.
Jürgen Polzehl<br />
Bürgermeister der Stadt Schwedt/Oder<br />
Deutsch–polnische Zusammenarbeit von Kommunen<br />
Die wirtschaftlichen und demographischen Herausforderungen<br />
am Unterlauf der Oder sind groß. Schwedt/Oder, mit<br />
einer Stadtgeschichte von 745 Jahren und einer jüngeren<br />
Geschichte als „lokaler Aufbauschwerpunkt“ der DDR leistet<br />
heute als Stadt mit etwa 34.500 Einwohnern einen Beitrag von<br />
15 % am Gesamtumsatz und 5 % am Auslandsumsatz des verarbeitenden<br />
Gewerbes im Land <strong>Brandenburg</strong>.<br />
Die Stadt liegt zu weit weg von <strong>Berlin</strong> und dem <strong>Berlin</strong>er Speckgürtel,<br />
um noch von der Hauptstadt maßgeblich tangiert zu<br />
werden. Wohl aber ist Schwedt/Oder dem (künftigen) Speckgürtel<br />
von Stettin zuzurechnen.<br />
Schwedt/Oder liegt in unmittelbarer Nähe der polnischen<br />
Grenze und pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den<br />
polnischen Kommunen Gryfino und Chojna. Mit der Stadt<br />
Koszalin an der Ostsee besteht seit 2003 eine Städtepartnerschaft.<br />
Stadt und Mittelbereich haben im Vorfeld des <strong>MORO</strong>–<br />
Vorhabens bereits Erfahrungen mit LEADER–Projekten sammeln<br />
können. Diese haben sich so verdichtet, dass daraus das<br />
gemeinsame Projekt des deutsch–polnischen Aktionsplans<br />
„Zukunft unteres Odertal“ entstanden ist – ein strategischer<br />
Ansatz zur Vorbereitung grenzüberschreitender Projekte im<br />
6<br />
ländlichen Raum zwischen Regionen des Landes <strong>Brandenburg</strong>,<br />
des Landes Mecklenburg–Vorpommern und Regionen<br />
der Woiwodschaft Zachodniopomorskie (Westpommern).<br />
Prioritäre Projekte sind die Entwicklung touristischer Potenziale<br />
als verbindende Infrastruktur, die Förderung deutsch–<br />
polnischer Begegnungen, ein Benchmarkingprozess, die<br />
Durchführung einer Regionalmesse, die Harmonisierung und<br />
Optimierung des Managements von NATURA–2000–Gebieten<br />
im grenzüberschreitenden Naturraum Unteres Odertal sowie<br />
die stadträumliche und wassertouristische Aufwertung<br />
der Wasserfront der Stadt Schwedt/Oder und der Kommune<br />
Gryfino.<br />
Die Fragestellung, wie ein gemeinsamer, grenzüberschreitender<br />
Wirtschaftsraum unter Einbeziehung der Metropole Stettin<br />
etabliert werden kann, steht im Fokus der Überlegungen. Die<br />
Erstellung eines Strategie und Handlungskonzeptes sowie<br />
die Entwicklung von Vorschlägen einer strategisch ausgerichteten,<br />
auf Effektivität bedachten, Stabilität gewährleistenden<br />
und Zukunft sichernden Organisationsform der Zusammenarbeit<br />
sind wichtige Ergebnisse des Prozesses.<br />
Chancen liegen für die Region auch in der Nutzung der<br />
Ressourcen Landwirtschaft und chemische Industrie, etwa<br />
im Bereich Bio–Fuel sowie in der Entwicklung der überregionalen<br />
Verkehrsinfrastruktur in der Oderpartnerschaft.<br />
Zukünftige Projekte der Region sind<br />
■ die Teilnahme am <strong>MORO</strong>–Projekt „Notwendige Infrastruktur<br />
zur Absicherung der Daseinsvorsorge<br />
Mittelbereich Schwedt/Oder“,<br />
■ die Teilnahme am ILE/LEADER–Projekt „Perspektiven<br />
der kommunalen Entwicklung im Wirtschaftsraum<br />
Unteres Odertal – Entwicklung eines Handlungskonzeptes<br />
auf kommunaler Ebene“,<br />
■ die Kooperation mit der angrenzenden polnischen<br />
LEADER–Region über die Lokale Arbeitsgemeinschaft<br />
(LAG) Dirow,<br />
■ die Vorbereitung auf die neue Förderperiode (EVTZ) sowie<br />
■ die Beratung mit ehrenamtlichen Bürgermeistern und<br />
Fraktionsvorsitzenden zur weiteren Strategie.
Martin Weiße<br />
Wind–projekt GmbH (Börgerende, Mecklenburg-Vorpommern)<br />
Aufbau einer Wind–Wasserstoff–Infrastruktur in den<br />
drei Ländern<br />
Der Nordosten bietet gute Voraussetzungen sowohl, was die<br />
Energieerzeugung aus regenerativen Energien, als auch was<br />
deren Einsatz betrifft. Chancen für eine verbesserte Nutzung<br />
der Ressource Windkraft bietet die Weiterentwicklung der<br />
Wind–Wasserstoff–Technologie.<br />
Am Beispiel eines Modellvorhabens der Wind–projekt GmbH<br />
aus Börgerende bei Rostock lassen sich die Bedingungen und<br />
Möglichkeiten dieser Technologie gut erläutern. Die „RH 2 ®–<br />
WKA“ (RH 2 ®– Regenerativer Wasserstoff) dient der CO 2 freien<br />
Speicherung und bedarfsgerechten Bereitstellung von<br />
Windenergie. Es handelt sich um ein System, bei dem der<br />
durch Windkraft erzeugte Strom alternativ zur Einspeisung<br />
ins Strommetz in den Energieträger Wasserstoff umgewandelt<br />
wird. Das Pilotprojekt liegt direkt an der Autobahn A 20<br />
und an der Hochspannungs leitung Lubmin<strong>Berlin</strong> – über diese<br />
Leitung soll künftig auch der Strom von OffshoreAnlagen<br />
geleitet werden. Gefördert wurde die Speicherung als Pilotvorhaben<br />
im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff und<br />
Brennstoffzellentechnologie (NIP) des BMVBS.<br />
Es ist das bislang größte Wind–Wasserstoff–Energiespeichervorhaben<br />
in Deutschland und stellt damit eine wichtige<br />
Grundlage für die Wasserstoffinfrastruktur in Mecklenburg–Vorpommern<br />
dar. Neben einem Arbeitsplatzpotenzial<br />
von mindestens 50 neuen Arbeitsplätzen vor Ort sichert die<br />
Anlage den Strombedarf für bis zu 100.000 Haushalte (das<br />
entspricht etwa 20 % der Haushalte in Mecklenburg–Vorpommern).<br />
Realisiert werden soll die Anlage ab Frühjahr<br />
2011.<br />
Mecklenburg–Vorpommern und <strong>Brandenburg</strong> haben im<br />
Grundsatz ähnliche Perspektiven: Sie könnten mittel bis<br />
langfristig den eigenen Energiebedarf zu 100 % aus regenerativen<br />
Quellen decken und darüber hinaus zum Exporteur regenerativ<br />
erzeugter Energie werden. <strong>Berlin</strong> bleibt dagegen auf<br />
Energieimporte angewiesen. Dadurch ergibt sich insgesamt<br />
ein steigender Bedarf an verbesserten Netzstrukturen, einer<br />
optimierten Regionalplanung und der Entwicklung und Errichtung<br />
von regenerativen Speichertechnologien. Eine wasserstoffbasierte<br />
Technologie bietet hier entscheidende Vorteile:<br />
aufgrund der Energiedichte und seiner vielseitigen Einsetzbarkeit,<br />
als Treibstoff, zur Strom und Wärme produktion<br />
(über BHKWs) kann Wasserstoff dezentral genutzt werden.<br />
Der Wandel von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung<br />
wird dadurch unterstützt. Aktuell ist diese Tech<br />
7<br />
nologie jedoch noch nicht marktfähig. Um dies mittelfristig<br />
zu erreichen sollte<br />
■ eine Vergütungsregelung für gespeicherten Strom (etwa<br />
über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) eingeführt<br />
werden,<br />
■ die Forschung und Entwicklung im Energiespeicherbereich<br />
weiterhin gefördert werden (mit einem Schwerpunkt<br />
auf kleinen und mittleren Unternehmen),<br />
■ die Frage einer ggf. notwendigen „unterirdischen Raumordnung“<br />
geklärt werden,<br />
■ auf die Speicheranforderungen verschiedener Energieträger<br />
abgestellt werden,<br />
■ Wasserstoff in die Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen<br />
(GasNZV) integriert sowie<br />
■ die Speichertechnologien stärker in die Ausbildung technischer<br />
Berufe integriert werden.<br />
Der zwingende Handlungsbedarf wird auch daran ersichtlich,<br />
dass die ehrgeizigen Klimaschutzziele des Bundes und der<br />
einzelnen Bundesländer ohne den Aufbau nachhaltiger Energiespeicherkapazitäten<br />
wohl nicht zu ereichen sind.<br />
Die politische Dimension einer länderübergreifenden Zusammenarbeit<br />
liegt dabei auf der Hand und kann die notwendige<br />
Planungssicherheit für Akteure in diesem Forschungs und<br />
Entwicklungsfeld stärken.
Prof. Dr. Dr. h. c. Günter Stock<br />
<strong>Berlin</strong>–<strong>Brandenburg</strong>ische Akademie der Wissenschaften<br />
Gesundheit (auch) als Wirtschaftsfaktor<br />
Wichtige gesellschaftliche und wissenschaftliche Zukunftsfragen<br />
haben zunehmend mit Gesundheitsthemen zu tun.<br />
Chronische, degenerative Krankheiten, also Krankheiten,<br />
die langfristig behandelt werden müssen, sind auf dem Vormarsch.<br />
Die demographische Entwicklung ist hier entscheidend,<br />
wobei es jedoch nicht darum geht, dass wir noch älter<br />
werden (dafür gibt es natürliche Grenzen), sondern darum,<br />
den Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem wir pflegebedürftig<br />
werden.<br />
Häufig wird das Thema Gesundheit bislang nur als Faktor des<br />
Sozialsystems gesehen. Gesundheit ist in unserer Region jedoch<br />
auch ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Betrachtet man die<br />
Gesundheitswirtschaft einmal in einem weiteren Fokus, wie<br />
es z. B. in der Automobilindustrie mit ihren Zulieferern längst<br />
üblich ist, gehören zur Gesundheitswirtschaft die präventive<br />
Medizin, z. B. Sport, gesundheitsorientierte Freizeitaktivitäten<br />
und Wellness dazu. Heute werden im Bereich Wellness mit 55<br />
Mrd. Euro bereits deutlich höhere Umsätze und Wachstumsraten<br />
erzielt als für verschreibungspflichtige Medikamente<br />
mit derzeit 40 Mrd. Euro. Die Gesundheitswirtschaft hat einen<br />
Anteil an der Gesamtbruttowertschöpfung von aktuell über<br />
11 % und ist gleichzeitig der einzige Wirtschaftsbereich, der<br />
nicht stagniert, sondern wächst. 70 % der Angebote sind staatlich<br />
oder halbstaatlich. Es gilt, diese Angebote im staatlichen/<br />
halbstaatlichen Bereich zu halten, die Wachstumspotenziale<br />
liegen jedoch v. a. im nichtstaatlichen Bereich.<br />
8<br />
Der Nordosten ist im Bereich der Gesundheitswirtschaft bereits<br />
gut aufgestellt. Er weist eine große Dichte hochqualifizierter<br />
Forschungs und Entwicklungseinrichtungen auf. In<br />
<strong>Berlin</strong> und <strong>Brandenburg</strong> erzielten im Jahr 2008 über 350.000<br />
Erwerbstätige in der Gesundheitswirtschaft eine Bruttowertschöpfung<br />
von 14,25 Mrd. Euro. Es gibt in der Region 15.000<br />
Studierende in 88 Gesundheitsstudiengängen sowie 30.000<br />
Auszubildende in 60 Gesundheitsberufen. Zudem sind hier<br />
180 Unternehmen der Bereiche Biotechnologie und ebenso<br />
viele in der Medizintechnik tätig. Auf dieser Grundlage können<br />
wir bei wissensbasierten Innovationen mit anderen Regionen<br />
Schritt halten, vor allem in der Biotechnologie.<br />
Der Anteil biotechnologisch hergestellter Medikamente steigt,<br />
was nicht nur finanziell, sondern auch unter ethischen Gesichtspunkten<br />
hochinteressant ist. Nur eines der weltweiten<br />
Top Ten Biotech–Unternehmen kommt aus Deutschland, kein<br />
einziges aus der Region. Hier besteht noch großes Potenzial,<br />
zumindest für die Ansiedlung von Unternehmensteilen, wie<br />
Deutschland oder Europazentralen in der Region.<br />
Ein interessantes Forschungsfeld biotechnologischer Entwicklung<br />
sind z. B. „Orphan Drugs“, also Medikamente für<br />
eine sehr kleine Zahl von Erkrankten. Ein Problem hierbei<br />
ist jedoch, dass für die Forschung in Deutschland zwar Fördermöglichkeiten<br />
vorhanden sind, aber nur bis die Entwicklung<br />
in die Nähe der Anwendung kommt. Hier muss es uns<br />
gelingen, fehlendes Venture Capital in die Region zu holen<br />
oder weitergehende staatliche Forschungsfördermittel zu generieren.<br />
Die Zukunft der Medizin liegt nicht im Krankheitsmanagement,<br />
sondern im Gesundheitsmanagement. Ein Beispiel hierfür<br />
ist die Genomforschung zur Analyse von Risikofaktoren,<br />
auf die man frühzeitig reagieren kann. Im Bundesvergleich<br />
sind <strong>Berlin</strong>/<strong>Brandenburg</strong> und Mecklenburg–Vorpommern<br />
hier bereits sogar besser als andere Bundesländer. Bei der<br />
regenerativen Medizin gibt es Chancen, ganz vorn mit dabei<br />
zu sein.<br />
Die gute Ausgangssituation und die weitere Entwicklung des<br />
vielfältigen gesundheitswirtschaftlichen Potenzials erfordert<br />
ein verstärktes Augenmerk auf die Ausbildung. Wichtig für<br />
die Region ist, dass in diesem Bereich Berufschancen für alle<br />
Qualifikationsstufen von niedrig bis sehr hoch qualifiziert bestehen.<br />
Auch die weitere Entwicklung <strong>Berlin</strong>s zur Gesundheitsmessestadt<br />
wäre wünschenswert und möglich.
Gerhard Buchholz<br />
<strong>Berlin</strong> Tourismus Marketing GmbH (BTM)<br />
Destination Nordostdeutschland?<br />
Mit immer noch 255.000 fest beschäftigten Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern im <strong>Berlin</strong>er Tourismusbereich hat <strong>Berlin</strong><br />
auch die jüngste Wirtschaftskrise besser überstanden<br />
als viele vergleichbare Reiseziele. Mit dem Claim „Value for<br />
money“ gelang es, <strong>Berlin</strong> als sehr attraktives, aber im Vergleich<br />
mit anderen Destinationen günstiges Reiseziel erfolgreich<br />
am Markt zu platzieren. Das zeigt die erstmalige Überschreitung<br />
der Zahl von 20 Millionen Übernachtungen im<br />
Jahr, die im Dezember 2010 erreicht wurde – ein Wert, der<br />
erst für 2015 anvisiert war. Zur Stabilität und guten Entwicklung<br />
haben nicht zuletzt die intensivere Zusammenarbeit zwischen<br />
der BTM und den <strong>Berlin</strong>er Bezirken sowie eine Entwicklung<br />
von Angeboten für die <strong>Berlin</strong>er selbst als Zielgruppe<br />
touristischer Angebote beigetragen.<br />
Auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) 2011 wird es<br />
erstmals einen gemeinsamen (und zusammen konzipierten)<br />
Auftritt des <strong>Berlin</strong>er und <strong>Brandenburg</strong>er Tourismusmarketing<br />
geben. Ein Modell, das auch im gemeinsamen Flagshipstore<br />
am Flughafen BBI realisiert werden wird. Die beiden Gesellschaften<br />
sind bei der Zusammenarbeit schon auf einem guten<br />
Weg. Die wichtigsten Themen für eine länderübergreifende<br />
Zusammenarbeit im Tourismus sind Familie, Natur/Wasser,<br />
Radtourismus, Gesundheit, Wissenschaft, Medien, Jugendtourismus,<br />
Klassenreisen sowie Sportthemen.<br />
Weitere Zuwächse erhofft sich die Branche aus Kombi–Angeboten,<br />
die die historischen Qualitäten – zum Beispiel der Potsdamer<br />
Kulturlandschaft – mit eher Lifestyleorientierten Qualitäten<br />
des „hippen“ <strong>Berlin</strong> kombinieren. Potsdam und <strong>Berlin</strong><br />
sind in diesem Sinne bereits heute Vorreiter länderübergreifender<br />
touristischer Angebote. Solche Kombinationen<br />
lassen sich für ein internationales Publikum auch in einer<br />
strategischen Allianz Prag–<strong>Berlin</strong>–Potsdam weiterdenken.<br />
Länderübergreifend können auch Angebote wie z.B. „Pfade<br />
in Kunst, Geschichte und Natur“ erfolgreich sein.<br />
Hinsichtlich einer weiter gefassten Tourismusregion Nordostdeutschland<br />
besteht eher Skepsis. Zwar sind mit der<br />
Küste, den Wassersport–Revieren <strong>Brandenburg</strong>s und Mecklenburg–Vorpommerns<br />
sowie den naturnahen Landschaften<br />
klare Potenziale gegeben, die Hemmnisse liegen aber in<br />
unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Gewohnheiten<br />
9<br />
von <strong>Berlin</strong>–Besuchern und längerfristigen Besuchern für die<br />
Region. Die Aufenthaltsdauer eines durchschnittlichen <strong>Berlin</strong>–Besuchers<br />
beträgt nur 2,1 bis 2,4 Tage. Die Wege in bestimmte<br />
Regionen <strong>Brandenburg</strong>s, aber vor allem nach MecklenburgVorpommern<br />
sind in diesem kurzen Zeitraum einfach<br />
zu weit. Chancen liegen möglicherweise in einem Trend zur<br />
Entschleunigung mit längeren, ruhigeren Aufenthalten.<br />
Nach wie vor interessant sind Kreuzfahrer von der Ostseeküste<br />
als <strong>Berlin</strong>Besucher vor oder nach der Kreuzfahrt. Chancen<br />
für eine regionale Zusammenarbeit kann eine Kombination<br />
von anderen Urlaubsaufenthalten an der Küste oder auf dem<br />
Land mit Besuchen in der Hauptstadt bieten.<br />
Die Entwicklung des Flughafens BBI ist das letzte fehlende<br />
Glied für die touristische Entwicklung der Region und darüber<br />
hinaus. Der Flughafen kann touristisch auch eine weiträumigere<br />
Bedeutung erlangen, etwa als Europameisterschaftsflughafen<br />
für Polen 2012. Wenn der BBI ans Netz geht,<br />
ist die letzte wichtige Infrastrukturmaßnahme in der Verkehrsanbindung<br />
vollzogen und die gesamte Region erfährt<br />
einen deutlichen Schub.
Christian Wiesenhütter<br />
Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK <strong>Berlin</strong><br />
Die wirtschaftliche Bedeutung der<br />
Kooperation und Vernetzung im Nordosten<br />
Trotz seiner Lage in der Mitte Europas sind die strukturellen<br />
Defizite der Region unverkennbar: ein schwaches Bruttoinlandsprodukt<br />
und ein relativ schwaches verarbeitendes<br />
Gewerbe in den Flächenländern. <strong>Berlin</strong> weist eine rückläufige<br />
Wertschöpfung auf, bei steigenden, aber immer noch vergleichsweise<br />
schwachen Exportquoten. Die Bevölkerungsprognose<br />
der Region bis 2025 zeigt lediglich für <strong>Berlin</strong> und<br />
Rostock ein schwaches Wachstum. Die Arbeitslosenquote ist<br />
in allen drei Ländern hoch. Hoch sind aber auch die Erwerbstätigenquoten,<br />
zum Teil sogar höher als in den westlichen<br />
Bundesländern. Das hat seinen Ursprung in einer höheren<br />
Berufsbeteiligung der weiblichen Bevölkerung, als dies in den<br />
alten Bundesländern traditionell der Fall war.<br />
Eine vielfältige regionale Zusammenarbeit existiert vor allem<br />
zwischen den „Nordländern“, also den Küstenländern MecklenburgVorpommern,<br />
SchleswigHolstein, Niedersachsen und<br />
den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Dies wird deutlich in<br />
gemeinsamen Verkehrsprojekten, einem teils gemeinsamen<br />
Tourismusmarketing, dem Einwerben von EUMitteln, Abstimmungen<br />
der Raumordnung und gemeinsamen Auslandsvertretungen.<br />
Für eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen<br />
MecklenburgVorpommern und <strong>Berlin</strong>/<strong>Brandenburg</strong> sind die<br />
einander ergänzenden Stärken der Gesundheitswirtschaft ein<br />
wichtiger Ansatzpunkt. Die Gesundheitsregion <strong>Berlin</strong>/<strong>Brandenburg</strong><br />
hat mit 344.000 Beschäftigten ihre Schwerpunkte in<br />
den Bereichen Biotechnologie, Biomedizin, Medizintechnik,<br />
Telemedizin. Das Gesundheitsland MecklenburgVorpommern<br />
hat mit 87.000 saisonal bis 110.000 Beschäftigten seinen<br />
10<br />
Schwerpunkt in den Bereichen Gesundheitstourismus, Rehabilitation,<br />
Ernährungswirtschaft. 2011 wird sich die AOK <strong>Berlin</strong>,<br />
<strong>Brandenburg</strong> und Mecklenburg–Vorpommern zusammenschließen.<br />
Damit ergeben sich verbesserte Chancen für eine<br />
Versorgung im ländlichen Raum.<br />
Das Wasser als verbindendes Element in der Region ist ein<br />
weiterer wichtiger Ansatzpunkt. Es gilt, in der Region an den<br />
wirtschaftlichen Erfolg der Seehäfen – hier vor allem Rostock<br />
– anzuknüpfen. Das gilt nicht nur für den Güterverkehr, sondern<br />
auch im Hinblick auf die touristische Verknüpfung zwischen<br />
Hauptstadtregion und Küste. 177.000 Kreuzfahrtpassagiere<br />
im Jahr stellen ein erhebliches Potenzial auch für die<br />
Region dar. Es sollte gemeinsam dafür gesorgt werden, dass<br />
mehr Passagiere in Rostock die Kreuzfahrt starten – gekoppelt<br />
mit einem zweitägigen Aufenthalt in <strong>Berlin</strong> vor der Abfahrt.<br />
Im Wassertourismus bilden die Reviere im Nordosten<br />
gemeinsam mit dem Stettiner Haff das größte Wassersportrevier<br />
Europas. Auch Flusskreuzfahrten haben eine Perspektive.<br />
Die Übernachtungszahlen lagen in der Region 2009 bei<br />
insgesamt 50 Mio. Übernachtungen. Damit ist der Nordosten<br />
eine der attraktivsten Tourismusregionen in Europa.<br />
Hinsichtlich der Flughäfen orientiert sich MecklenburgVorpommern<br />
derzeit noch stärker nach Hamburg als zu den <strong>Berlin</strong>er<br />
Flughäfen. Die Reisezeit dorthin ist aus den meisten Landesteilen<br />
deutlich kürzer, sowohl mit dem PKW als mit der<br />
Bahn. Nicht nur der Bau des Flughafens selbst, auch die Verbesserung<br />
der Nordanbindung des Flughafens BBI ist daher<br />
ein wichtiger Baustein für die regionale Entwicklung. Ebenso<br />
sind Verbesserungen im Personenverkehr der Bahn notwendig.<br />
Hier ist eine noch stärkere Abstimmung der Länder gefordert<br />
– und zwar vor Gesprächen mit der Deutschen Bahn AG.<br />
Zu geringe Bahnsteiglängen für ICEs und mangelhafte Möglichkeiten<br />
für den Fahrradtransport sind nur zwei Beispiele.<br />
Der Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor ist eine wichtige<br />
Basis der Zusammenarbeit. Chancen liegen darüber hinaus<br />
in der Ausweitung der bereits bestehenden länderübergreifenden<br />
Zusammenarbeit, der Verknüpfung von Branchennetzwerken,<br />
der Definition von gemeinsamen Clustern (z. B.<br />
Energie) und der Definition von konkreten und branchenbezogenen<br />
Projekten, z. B. in den Bereichen Regionalverkehr/<br />
Schienengüterverkehr und Flughafenpolitik.
Die Zusammenarbeit der drei Länder<br />
Staatssekretärin Maria Krautzberger<br />
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, <strong>Berlin</strong><br />
Das <strong>MORO</strong>–Vorhaben „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“<br />
hat eine große Bedeutung für die Entwicklung der<br />
Zusammenarbeit der drei Bundesländer. Es ist im <strong>MORO</strong>–<br />
Vorhaben gelungen, gemeinsame Identitäten und Verflechtungen<br />
herauszuarbeiten, und zu zeigen, wo Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aber auch Probleme liegen. Interessant sind<br />
hier neue „Mental Maps“, über die vor 10 Jahren noch gar<br />
nicht nachgedacht wurde. Der Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor<br />
ist ein gutes Beispiel hierfür. Wichtig ist immer das<br />
Ganze zu sehen, so wie es INTERREG–Projekte vormachen.<br />
Der Nordosten ist geprägt durch die Monozentralität der<br />
großen Stadt <strong>Berlin</strong>. <strong>Berlin</strong> ist in dieser Situation im bundesdeutschen<br />
Vergleich sicher einzigartig. Auch der Hinweis,<br />
dass weniger das Modell der Lokomotive mit den mitgezogenen<br />
Wagen als das Modell der sich ergänzenden Stärken<br />
zutreffend sein könnte, ist interessant. Denn gerade die relative<br />
Schwäche <strong>Berlin</strong>s und die relativen Stärken anderer<br />
Teile der Region ermöglichen es, diese spezifischen Teilräume<br />
auf ganz besondere Art und Weise zu vernetzen, was dazu<br />
führt, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Der Nordosten<br />
ist nicht gekennzeichnet durch die Dominanz der Metropole,<br />
son dern durch eine Kooperation, die trotz der strukturellen<br />
Unter schiede der Partner eine Kooperation „unter Gleichen“<br />
ermöglicht. Das ist ein wichtiges Ergebnis, das sich alle klar<br />
machen sollten.<br />
Die Stellung <strong>Berlin</strong>s ist durch Besonderheiten geprägt: Die<br />
wirtschaftliche Entwicklung ist zwar positiv, aber noch deutlich<br />
hinter vergleichbaren Metropolen zurück, und mit weniger<br />
Ausstrahlung in die Fläche als zum Beispiel im Hamburger<br />
Fall. Ein klares Plus für <strong>Berlin</strong> ist jedoch der Zuzug<br />
junger Menschen – hier ist <strong>Berlin</strong> Gewinner. Eine große<br />
Zahl dieser Zuzüge erfolgen dabei von außerhalb der Region.<br />
Für eine enge Kooperation mit <strong>Brandenburg</strong>, aber auch mit<br />
MecklenburgVorpommern gibt es eine Vielzahl konkreter<br />
Ansatzpunkte wie z.B. die Gesundheitswirtschaft, Verkehr<br />
und Mobilität, Optik und Mikrosysteme, um nur einige<br />
Beispiele zu nennen.<br />
In Zukunft wird auch das Thema regenerativer Energien immer<br />
bedeutsamer werden. Hier können wir auf eine besondere<br />
Art und Weise Teil einer neuen Energiepartnerschaft werden:<br />
11<br />
<strong>Berlin</strong> als großer Abnehmer und die Flächenländer mit ganz<br />
anderen Möglichkeiten der Erzeugung regenerati ver Energien.<br />
Der Bau transkontinentaler Hochspannungsleitungen<br />
wird immer schwieriger. Daher macht es viel Sinn, überschüssigen<br />
Strom auf kürzestem Weg nach <strong>Berlin</strong> zu bringen<br />
und dort zu verbrauchen. <strong>Brandenburg</strong> ist 2010 im Bereich<br />
regenerativer Energien ausgezeichnet worden, Mecklen burg–<br />
Vorpommern ist dicht dran. Die hervorragenden Forschungseinrichtungen<br />
in <strong>Berlin</strong> und den Flächenländern bieten hier<br />
gute Chancen zur Entwicklung von Kooperationen.<br />
Im Bereich der Logistik haben wir mit dem Engagement für<br />
den Ostsee–Adria–Entwicklungskorridor in der Zusammenarbeit<br />
der drei Länder viel erreicht – die gemeinsame <strong>Berlin</strong>er<br />
Erklärung 2007 war ein wichtiger Meilenstein des Projektes.<br />
Und natürlich sind Rostock und Sassnitz „unsere“ Häfen. Hier<br />
ist unter anderem der Sektor der Kreuzfahrten gemeinsam<br />
ausbaufähig.<br />
Eine Metropolregion hat viel mehr zu bieten als eine Metropole<br />
allein. Das ist für uns im Land <strong>Berlin</strong> sehr gut. Gerade<br />
die Unterschiedlichkeit von <strong>Berlin</strong> und den Flächenländern<br />
stellt einen Ansatzpunkt für eine qualitätvolle Entwicklung<br />
dar. Setzen wir diesen gemeinsam eingeschlagenen Weg in<br />
Zukunft fort.
Jörg Vogelsänger<br />
Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft, <strong>Brandenburg</strong><br />
Das <strong>MORO</strong>–Projekt ist ein guter Rahmen für die Erforschung<br />
und Erprobung der länderübergreifenden Zusammenarbeit<br />
im Nordosten. Hierbei haben wir auf die sehr enge Zusammenarbeit<br />
von <strong>Brandenburg</strong> und <strong>Berlin</strong> und auf erste An sätze<br />
der Zusammenarbeit zwischen <strong>Brandenburg</strong> und MecklenburgVorpommern<br />
aufgebaut.<br />
Ein wichtiges Infrastrukturprojekt für alle beteiligten Länder<br />
ist der Flughafen BBI. Dabei handelt es sich um ein Projekt,<br />
das die ganze Region voranbringen soll.<br />
Die Politik kann bei der Zusammenarbeit im Nordosten nur<br />
den Rahmen setzen. Die Landesregierungen <strong>Brandenburg</strong>s<br />
und Mecklenburg–Vorpommerns haben 2008 eine gemeinsame<br />
Kabinettssitzung in Prenzlau durchgeführt. Treffen an<br />
diesem Ort waren historisch nicht immer von Gemeinsamkeiten<br />
geprägt: Im Mittelalter wurde in Prenzlau einem Bürgermeister<br />
die Hand abgehackt, weil er sich mit Vorpommern<br />
verbündet hatte. So schlimm ist es heute nicht mehr. Wir<br />
arbeiten gut zusammen. Die Landesgartenschau in Prenzlau<br />
ist eine Riesenchance, die auch nach Mecklenburg–Vorpommern<br />
ausstrahlt.<br />
12<br />
Die regionale Zusammenarbeit macht nicht an Grenzen halt –<br />
auch die polnische Seite müssen wir in unsere Überlegungen<br />
mit einbeziehen – man sollte den Korridor daher ein Stück<br />
weiter fassen.<br />
Ein Aspekt ist mir besonders wichtig: Nicht immer wechseln<br />
und ändern – sondern Begonnenes beharrlich weiter führen!<br />
Die Zusammenarbeit wächst mit den Menschen und Personen.<br />
Also: Gemeinsam weitermachen und dabei über Wahltermine<br />
hinaus denken.<br />
Bezogen auf länderübergreifende Infrastrukturprojekte ist<br />
der Erfolg Teil des Problems: Der Regionalexpress wurde gemeinsam<br />
entwickelt, ist sehr erfolgreich geworden und die<br />
Deutsche Bahn hat daraufhin den Fernverkehr abgestellt. Es<br />
gibt eine gemeinsame Linie im Schienenverkehr zwischen<br />
Sachsen–Anhalt, Mecklenburg–Vorpommern, <strong>Berlin</strong> und<br />
<strong>Brandenburg</strong>. Etwas schwieriger wird es beim Schienenausbau.<br />
Der Ausbau <strong>Berlin</strong>–Cottbus ging nur unter Vollsperrung.<br />
Der Ausbau <strong>Berlin</strong>–Rostock wird auch nur unter<br />
Vollsperrung realisierbar sein. Für eine leistungsfähige<br />
Anbindung <strong>Berlin</strong>s an Rostock 20 Jahre zu benötigen, ist traurig<br />
– aber Beharrlichkeit zahlt sich aus.<br />
Die Politik ist dafür verantwortlich, die Menschen „mitzunehmen“.<br />
Mecklenburg–Vorpommern und <strong>Brandenburg</strong> sind<br />
bei der Infrastrukturentwicklung auf gutem Weg. Wir müssen<br />
den Menschen Mut machen, über Ländergrenzen hinweg zu<br />
arbeiten. Den Rahmen dazu muss die Politik setzen. Deshalb<br />
freue ich mich auf viele Anregungen von Ihnen. Man kann<br />
alles noch besser machen. Auch eine <strong>Brandenburg</strong>er Landesregierung<br />
kann vieles noch besser machen.<br />
MecklenburgVorpommern sieht sich als das schönste Bundesland.<br />
Sehen Sie mir nach, dass ich selbst <strong>Brandenburg</strong> noch<br />
schöner finde. Wesentlich ist aber, dass wir das schöne Mecklenburg–Vorpommern<br />
gemeinsam mit <strong>Berlin</strong> voran bringen.
Volker Schlotmann<br />
Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, Mecklenburg–Vorpommern<br />
Am Ende eines langen Veranstaltungstags ist schon alles gesagt<br />
über Sinn und Zweck des Modellvorhabens, über die<br />
Ergebnisse, über die Möglichkeit der Weiterarbeit, über die<br />
Chancen und Potenziale für weitere Entwicklungen. Von daher<br />
möchte ich gerne mit einigen Vorstellungen, wohin die<br />
Reise im Nordosten denn gehen könnte, vielleicht etwas Stoff<br />
für die nachfolgende Diskussion geben.<br />
In der Anmoderation ist das Stichwort „Wolfserwartungsland“<br />
gefallen – in einer NDR–Sendung habe ich dazu mit Wissenschaftlern<br />
gestritten. Die wollten allen Ernstes um große<br />
Bereiche Mecklenburg–Vorpommerns sozusagen einen Zaun<br />
ziehen, die dort lebenden Menschen „absiedeln“ und keinen<br />
mehr zuziehen lassen. Das ist ein bisschen salopp dargestellt,<br />
aber dahinter steht ein wichtiges Thema: Demographischer<br />
Wandel. Wir alle wollen, dass die Menschen älter werden. Nun<br />
müssen wir, und ich denke, da sind wir im Nordosten Vorreiter,<br />
Konzepte entwickeln, wie wir innovativ mit den Auswirkungen<br />
des demographischen Wandels – auch in unseren<br />
einwohnerschwachen Regionen – umgehen.<br />
Wenn wir kooperieren, und unser Bestreben ist das, dann auf<br />
gleicher Augenhöhe. Letztendlich verstehe ich unsere drei<br />
Länder als gemeinsame Region. Wir reden immer von einem<br />
Europa der Regionen. Wenn wir keine gemeinsame Region<br />
darstellen, ja wer denn dann?<br />
Ein Zukunftsthema ist die Anpassung von Infrastrukturen an<br />
die Auswirkungen des demographischen Wandels. Die Zeit<br />
der riesigen Großprojekte ist vorbei. Die, die wir begonnen<br />
haben, werden wir zu Ende führen. Es geht aber künftig nicht<br />
darum, bei zurückgehenden Einwohnerzahlen z. B. Straßen<br />
zurückzubauen, sondern mit unseren Projekten einen Gleichklang<br />
zu erreichen zwischen Ökonomie, Ökologie und auch<br />
der sozialen Gerechtigkeit.<br />
Das müssen wir auch und gerade in der Verkehrspolitik deutlich<br />
machen, und zwar bei der Verlagerung von Verkehr von<br />
der Straße auf die Schiene. Hier will ich ausdrücklich ein Projekt<br />
nennen, das alle drei Bundesländer verbindet: Den Wiederaufbau<br />
der Eisenbahnanbindung von <strong>Berlin</strong> nach Usedom<br />
über die Karniner Brücke. Damit würde sich die Fahrzeit von<br />
<strong>Berlin</strong> nach Usedom fast halbieren. Hier sind Beharrlichkeit<br />
und Glaubwürdigkeit gefragt, denn die Brücke steht noch<br />
nicht im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans.<br />
Deshalb an dieser Stelle ein Apell an <strong>Berlin</strong> und <strong>Brandenburg</strong>:<br />
Unterstützen Sie uns! Wir werden alle profitieren.<br />
Und es lohnt sich, in den Nordosten zu reisen, denn der Nord<br />
13<br />
osten ist ganz eindeutig Gesundheitsland. In diesem Bereich<br />
sind wir in Kooperation mit unseren Nachbarn, insbesondere<br />
mit <strong>Berlin</strong>, fast unschlagbar – deutschlandweit. Entscheidend<br />
ist dabei die Betonung auf Gesundheitswirtschaft. Wir haben<br />
eine Menge Chancen für junge Leute, auch in anderen Branchen.<br />
Insgesamt werden in erklecklichem Maße Arbeitsplätze<br />
geboten, Fachkräftemangel als Allgemeinplatz ist hier kein<br />
Diskussionsthema, denn es geht um interessante, zukunftsorientierte<br />
Berufsfelder. Und auch Menschen mit einer gewissen<br />
Lebens– und Berufserfahrung können eingestellt werden.<br />
Das belegen die Zahlen in unserem Land.<br />
Die Folgen des Klimawandels werden den Nordosten nicht zu<br />
einer Sahelzone machen. Im Grundsatz sind wir begünstigt,<br />
z. B. im Tourismus. Andererseits im Vorhalten von bislang<br />
noch „freien Gütern“ wie Wasser und Luft. Man sollte über<br />
bestimmte Bezahlungswege der großen Ballungszentren an<br />
die Länder, die mit diesen Ressourcen den Metropolen dienen,<br />
nachdenken. Das Difu hat ein Gutachten erstellt, das entsprechende<br />
Vorschläge macht. Klimawandel hat auch massive<br />
Auswirkungen auf den Agrarbereich, wir haben da sehr gute<br />
Forschungskapazitäten in Mecklenburg–Vor pommern und in<br />
<strong>Brandenburg</strong>, auch das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern<br />
können.
Podiumsdiskussion<br />
Teilnehmer: Maria Krautzberger Jörg Vogelsänger Volker Schlotmann<br />
Moderation: Michael Seidel, Chefredakteur des NORDKURIER, Neubrandenburg<br />
Seidel: 2008 gab es eine erst gemeinsame Kabinettssitzung<br />
der Länder <strong>Brandenburg</strong> und MecklenburgVorpommern. Es<br />
ist der Eindruck entstanden, dass erst in dieser Runde etwas<br />
mehr Tiefe in die Infrastrukturentwicklung gekommen ist.<br />
Vogelsänger: Die Erwartungshaltung an gemeinsame Kabinettssitzungen<br />
muss man herunterschrauben. Viel wichtiger<br />
ist die koordinierte Zusammenarbeit. Mecklenburg–Vorpommern<br />
hat das gleiche Problem wie wir in <strong>Brandenburg</strong>:<br />
Zu wenig Bau und Planungsmittel. <strong>Gemeinsame</strong> Kabinettssitzungen<br />
sind trotzdem wichtig. Das sollte wiederholt werden.<br />
Seidel: Gibt es aufgrund der Erfahrungen der gemeinsamen<br />
Kabinettssitzung und im <strong>MORO</strong>–Vorhaben eine Verschiebung<br />
von Prioritäten in den Politiken der beteiligten Länder?<br />
Krautzberger: Ich denke schon. Aber es sind vor allem die<br />
konkreten Projekte und Kontakte wichtig. Auch Treffen von<br />
Staatssekretären und auf Arbeitsebene sind wichtig. Die<br />
Zusammenarbeit mit den Kammern in den Ländern hat ebenfalls<br />
deutlich zugenommen.<br />
Seide l: Die politische Vorgabe ist wichtig für die Arbeitsebene.<br />
Schlotmann: Das ist gar nicht das Entscheidende. Was zählt,<br />
ist, was praktisch umgesetzt wird. Das Thema „einen Beitrag<br />
zur Landesentwicklung zu leisten“ steckt immer dahinter,<br />
auch bei der Raumordnung. Wir brauchen Ergebnisse, die<br />
wir in der Praxis umsetzen können, die wir in eine Sprache<br />
übersetzen, die auch Lieschen Müller versteht. Erklären Sie<br />
heute mal in einer Gemeinde mit 200 Einwohnern, was <strong>MORO</strong><br />
gebracht hat.<br />
Seidel: Aus dem Publikum wurde das Thema länderübergreifender<br />
Straßenbauprojekte angesprochen.<br />
Vogelsänger: Es gibt zwei Prioritäten im Straßenbau: A14 – im<br />
größten autobahnfreien Raum Deutschlands – und B96. Bei<br />
dem Projekt, das genannt wurde (Verbindung Mirow – Wittstock),<br />
sind wir am Anfang. Wir werden uns zusammensetzen,<br />
aber an den Prioritäten kann ich nichts ändern.<br />
14<br />
Schlotmann: In Havelberg hat eine Abstimmung dazu stattgefunden.<br />
Gemeinsam mit den Kommunen Wittstock und<br />
Mirow. Wittstock will jedoch keine Umgehung, die für das<br />
Projekt Voraussetzung wäre.<br />
Vogelsänger: Bedenken Sie bitte, dass selbst der Ausbau der<br />
A 14 außerhalb der Region schon sehr kritisch gesehen wird.<br />
Schlotmann: Es geht um Innovation in der Landesentwicklung<br />
und Raumordnung. Im Bereich der Daseinsvorsorge hat<br />
z.B. der Lärm Priorität. Wir wollen 2011 eine Lärmkonferenz<br />
durchführen. Den LKW in <strong>Berlin</strong> oder im Ruhrgebiet nehmen<br />
Sie gar nicht wahr, weil der Umgebungslärm da ist. Ganz anders<br />
auf dem Lande: Da nehmen Sie LKW ganz anders wahr.<br />
Trotzdem gelten überall die gleichen Lärmgrenzwerte. Die<br />
Frage ist: Wie finden wir einen gemeinsamen Lösungsweg?<br />
Seidel: Das Thema „Unterirdische Raumordnung“ wurde<br />
ange sprochen, da konkurrieren Erdgas, CO 2 und Wasserstoff<br />
miteinander. Agiert hier der Bund nicht über die Köpfe der<br />
Landesregierungen hinweg?<br />
Schlotmann: Der Bund scheint hier an den Ländern vorbei<br />
agieren zu wollen. Wir sagen: Es gibt zwischen den verschiedenen<br />
Nutzungen potenzielle Konflikte. Wir wollen über eine<br />
„unterirdische Raumordnung“ der Länder mitreden.<br />
Vogelsänger: In <strong>Brandenburg</strong> haben wir den Energieträger<br />
Braunkohle. Ganz schwierig ist die Akzeptanz regenerativer<br />
Energien vor Ort. Speicherkapazitäten für CO 2<br />
sind auch für große Industrien wichtig (z.B. Zement).
Die Lagermöglichkeiten sind jedoch nicht dort, wo die Arbeitsplätze<br />
sind. Wir haben durchaus ein Interesse an diesem Gesetz.<br />
Krautzberger: <strong>Berlin</strong> ist in der Situation, keine regenerative<br />
Energie in nennenswertem Umfang erzeugen zu können. Was<br />
wir aber können, stärker als in der Vergangenheit zu schauen,<br />
wo liegen die Potenziale der Dämmung, wo die Potenziale<br />
dezentraler Lösungen, um Energie einzusparen. Das sind die<br />
Probleme, die wir zu lösen haben. Gemeinsam mit den Ländern<br />
als Modellregion aufzutreten, das ist eine Chance für die<br />
Zukunft, die man weiterentwickeln muss.<br />
Seidel: Zu unseren Nachbarn östlich der Oder – wie stellt sich<br />
hier die weitere Entwicklung dar?<br />
Krautzberger: Es gibt ganz viele Kontakte auf Arbeitsebene.<br />
Die Entwicklung benötigt jedoch lange Zeit und einen langen<br />
Atem. Es geht darum, das Erreichte zu erhalten und voranzutreiben.<br />
Die Oderpartnerschaft stellt einen informellen und<br />
einen formalen Rahmen bereit. Beide Seiten sind bemüht,<br />
aber auch hier ist ein langer Atem gefragt. Es gibt noch vielerlei<br />
Brücken zu bauen. Die Zusammenarbeit ist im Großen<br />
und Ganzen aber ganz gut.<br />
Vogelsänger: Ich will es praktisch machen: Wir brauchen bessere<br />
Verbindungen nach Polen. Nach Stettin fahren noch zu<br />
wenige. Polen bereitet auch eine Bahnregionalisierung vor<br />
und <strong>Brandenburg</strong> denkt über gemeinsame Bestellungen mit<br />
Polen im Regionalverkehr nach; Ein Zug von Frankfurt (Oder)<br />
nach Poznan ist gescheitert, aber wir versuchen es wieder.<br />
15<br />
Die Fußball–EM 2012 in Polen ist eine gute Gelegenheit, Infrastruktur<br />
zu bauen.<br />
Schlotmann: Ich plädiere für ein entkrampftes Verhältnis zu<br />
Polen. Machen wir uns klar, dass Polen unser Wettbewerber<br />
ist. Ein Problem müssen wir immer wieder konstatieren: Zwei<br />
unterschiedliche Staatsmodelle treffen aufeinander. Föderalistische<br />
regionale Ebene hier und regionale Ebene, weit weg<br />
von der zentralstaatlichen Ebene, auf der anderen Seite. Das<br />
funktioniert jetzt. Wir wissen, was wir voneinander zu halten<br />
haben, wo der andere Stärken und Schwächen hat. Wie an<br />
der Staatsgrenze zu Frankreich muss es uns gelingen, die Beziehung<br />
wachsen zu lassen: von unten. Wir werden in Kürze<br />
einen Austausch von Verwaltungsmitarbeitern zwischen polnischen<br />
und unseren Verwaltungen durchführen, denn wenn<br />
man voneinander weiß, erleichtert das die Zusammenarbeit.<br />
Seidel: Was würden Sie als lohnend für eine Zusammenarbeit<br />
ansehen?<br />
Krautzberger: Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Ich würde<br />
da keine Unterschiede machen, nicht gewichten. Auf die Gefahr<br />
hin, dass nicht alle Projekte gelingen. Es geht darum,<br />
das <strong>Gemeinsame</strong>, Verbindende herauszustellen. Das ist nicht<br />
immer leicht. Wir haben Vieles angeschoben, z.B. im Tourismus<br />
und Wissenschaftsbereich. Infrastrukturprojekte sind<br />
ohnehin gesetzt. Ich bin optimistisch, dass wir in zwei Jahren<br />
eine positive Bilanz ziehen können.<br />
Vogelsänger: Wir brauchen das Gefühl für eine gemeinsame<br />
Region. Das Gefühl, dass jeder mitgenommen wird, in Stadt<br />
und ländlicher Region. Auch bei Infrastrukturprojekten wird<br />
es nicht ohne Konflikte gehen.<br />
Schlotmann: Wir müssen auf dem Fundament weiter aufbauen<br />
und uns verständigen, wo vom Grundsatz her etwas anzugehen<br />
ist. Und wir müssen weg vom formalen Denken und mehr<br />
in Richtung Bürgerbeteiligung gehen. Kein normaler Bürger<br />
schaut sich 10 Aktenordner durch. Das tun vielleicht Juristen.
Herausgeber Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
Württembergische Straße 6 • D-10707 <strong>Berlin</strong><br />
www.stadtentwicklung.berlin.de<br />
Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft<br />
Henning-von-Tresckow-Straße 2-8 • D-14467 Potsdam<br />
www.mil.brandenburg.de<br />
Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung<br />
Schloßstraße 6-8 • D-19053 Schwerin<br />
www.vm.mv-regierung.de<br />
Ansprechpartner <strong>Gemeinsame</strong> <strong>Landesplanungsabteilung</strong> <strong>Berlin</strong>-<strong>Brandenburg</strong><br />
Frank Segebade +49 (0)331 866 8740<br />
frank.segebade@gl.berlin-brandenburg.de<br />
Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern<br />
Petra Schmidt +49 (0)385 588 8400<br />
petra.schmidt@vm.mv-regierung.de<br />
Bearbeitung complan Kommunalberatung GmbH • Voltaireweg 4 • D-14469 Potsdam<br />
www.complangmbh.de<br />
Alle Bilder Stefan Günter Fotografie, <strong>Berlin</strong><br />
Stand Februar 2011<br />
16<br />
<strong>Gemeinsame</strong> <strong>Landesplanungsabteilung</strong><br />
der Länder <strong>Berlin</strong> und <strong>Brandenburg</strong><br />
Lindenstraße 34a • D-14467 Potsdam<br />
www.gl.berlin-brandenburg.de<br />
Weitere Unterlagen zum <strong>MORO</strong>-Vorhaben und zur Dreiländerkonferenz finden Sie im Internet unter<br />
http://gl.berlin-brandenburg.de/regionalentwicklung/moro/