10<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> <strong>12</strong>/19<strong>84</strong>NORBERTSTRESAUDer Wüstenplanet(Dune, USA/Mexiko 1983/<strong>84</strong>)Regie und Buch: David Lynch (nacheinem Roman von Frank Herbert)Kamera: Freddie FrancisMusik: Toto, Brian EnoVisuelle Spezialeffekte: Van der VeerPhoto Effects, Barry Nolan, Albert J.WhitlockFantasiefiguren: Carlo Rambaldimit Kyle MacLachlan, Kenneth Mc-Millan , Francesca Annis, JürgenProchnow, Everett McGill, Sting (=Gordon Sumner)Laufzeit: ca. <strong>12</strong>0 MinutenUm etwas gleich von vornherein klarzu stellen: Dies ist keine Besprechungder deutsch synchronisierten Todd-AO/Dolbystereo-Kopie von DUNE, sonderndie Besprechung einer vollständigen,englischsprachigen Mono-Arbeitskopie,in der zwei Akte (ca. 25 Minuten) nur alsvöllig verwaschener, zudem asynchronerSchwarzweiß-Klatsch der zweiten Generationvorlagen.Nicht nur deshalb ist es freilich etwasunfair, DUNE in Bausch und Bogen alsgescheiterte Romanverfilmung zu verdammen.Wie weiland Ralph Bakshibefand sich auch David Lynch in derwenig beneidenswerten Lage, einen700-Seiten-Wälzer, noch dazu eines derberühmtesten Kultbücher der SF, für dieDerWüstenPlanetLeinwand aufzuarbeiten. (Vom exorbitanten40-Mio-Dollar-Budget des Filmssollte man sich dabei nicht täuschen lassen,auch ein Film wie 2001 würde heutesoviel kosten.)So ist es ganz unvermeidlich, daßder Romankenner eine Myriarde verschiedenerDinge an DUNE auszusetzenhaben wird, darunter durchaus auch aneinigen Punkten, die über bloße Detailshinausgehen: Um überhaupt einen filmischbrauchbaren Spannungsbogen zustandezubringen, ist Lynch des öfterengezwungen, sich einige gewaltige Freiheitenherauszunehmen. WesentlichsteÄnderung ist dabei wohl die Einführungdes weirding module, eines Stimmverzerrersund -verstärkers, von dessenNeuentwicklung das ganze Intrigenplotüberhaupt seinen Ausgang nimmt.(Schade, daß Drehbuchautor Lynch hierkein besserer Aufhänger eingefallen istals die nun wirklich schon asbach-uralte„neue Superwaffe“ .) Ansonsten hält sichDUNE freilich im Großen und Ganzenan die Abfolge der Ereignisse. Oft genugwirkt der Film deshalb auch wie einejener zweistündigen TV-Miniserien-Kondensationen a la SHOGUN oder PA-LAST DER WINDE, wie sie in letzterZeit hierzulande öfter auftauchen. Gutdie Hälfte des Films besteht aus Exposition,erklärenden Passagen, in denendie Handlung zum völligen Stillstand
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> <strong>12</strong>/19<strong>84</strong> 11kommt, während ein voice-over über nötigeDetails informiert. Ein anderes dramaturgischesManko ist die Plazierungdes Showdowns zwischen Paul und FeydRautha, der zu einem Zeitpunkt im Filmerscheint, als alles im Grunde schon gelaufenist. Immerhin hatte Lynch jedoch– und das muß man ihm hoch anrechnen– die Courage, die Details einzubringen,anstatt sie einfach wegzulassen.Daß es in dieser Steno-Fassung desRomans für etliche Charaktere geradezu einem cameo-Auftritt reicht, istein weiterer Punkt, Paul Atreides, vonKyle MacLachlan durchaus passabel gespielt,steht allein im Zentrum, die restlichenCharaktere kommen und gehenso schnell, daß sie gar keine Chance haben,sich als solche zu etablieren, wennsie nicht gerade wie Kenneth McMillan(Baron Harkonnen) oder Paul Smith(Beast Rabban) durch unpassend parodistischeAnflüge oder wie Sting (FeydRautha) durch das trainierte Charismades Popstars die Aufmerksamkeit aufsich lenken.Obwohl all das mehr als ausreichenwürde, den Film nicht zu mögen, würdeman freilich übersehen, wieviel der Film– im Gegensatz zur UNENDLICHENGESCHICHTE etwa, einem auch in filmischerHinsicht missglückten Streifen– im Grunde doch richtig macht. Detailreichgeschilderte Arrakis-Ökologiehin oder her, die interessanten Punktean Herberts Roman – und hier sprecheich nur aus eigener Leseerfahrung – warenwohl das Religiös-Visionäre und dasraffinierte, kosmische Intrigenspiel. Undbeide weiß auch Lynch einzufangen,wenn auch in unterschiedlicher Qualitätund auf verschiedenen Ebenen, die sichnicht vollständig zu einem Ganzen vereinigenwollen.Auf der visuellen Ebene, dem Tummelplatzder re1igiösen Bildmetaphorik,hängt DUNE zwischen Hollywood-Konfektionund Auteur-Kunst. Wie erwartet,ist der Film natürlich technisch irrehochgezüchtet: Ausstattung, Kostümeund Effekte – mit Ausnahme von CarloRambaldis Sandwürmern (selten gelangteein so mittelmäßiger Technikerzu einem solchen Ruf) – sind ansehbarbis bemerkenswert, auch wenn man sichwie immer über die Details solcher Konsens-Phantasienstreiten kann. Dennochist DUNE – im Rahmen des Möglichen,wenn ein begabter Regisseur einen Romanverfilmt, muß, siehe u.a. SHINING,entweder seine Handschrift oder die Vorlagebüßen – durchaus ein Lynch-Filmmit all seinen Vorzügen, nicht nur wegender mehr oder minder versteckten Zitate.(Schon die Bene Gesserit vor Weltraumhintergrund,die zu Anfang in die Handlungeinfuhrt und periodisch auftauchtund wieder verschwindet, weist daraufhin.) Nichtsdestotrotz gelingt Lynchund seinem außergewöhnlichen KameramannFreddie Francis nicht, was denELEFANTENMENSCH und insbesondereERASERHEAD so turmhoch überden normalen Genre-Film erhoben hatte.Die eigentümliche Sogwirkung derharten Schwarzweißkontraste vermögendie Bilder in DUNE nicht in jenem Ausmaßzu erzeugen. Farbe, so brilliant sieauch gehandhabt ist, beeinträchtigt denAufbau der hermetisch abgekapseltenTraumwelt: In Szenen wie dem Fremenangriffauf Arrakeen rutscht Lynchs Syntaxzu sehr in die Nähe konventionellenHollywood-Kinos, als daß sich seine Visionen– leitmotivisch das Bild fallenderWassertropfen und einer grünen Woge –noch einfügen könnten.Weitaus geschlossener dagegen dieTonspur, auf der sich vor allem Herbertskosmisches Super-Dallas mit all seinenIntrigen widerspiegelt. Obwohl ich nureine kastrierte Fassung gesehen habe,war doch bereits zu erkennen, daß sichdie Qualitäten von DUNE, das GenieLynchs, wider Erwarten vor allem imUmgang mit der Tonspur äußern, in deraußerordentlichen Vielschichtigkeit, inder sich hier Wort- und Gedankenfetzen,Toneffekte, reguläre und verzerrte Stimmen(ein Anzeichen der hypnotischenBene-Gesserit-Stimme) zu einem kompliziertenNetz verweben, das das Bildmal unterstützt, .mal konterkariert.Es ist müßig, darüber zu spekulieren,ob es Lynch mit einem Schwarzweißfilmgelungen wäre, die Real- undTraumbilder mit dem Intrigengewebeaus Ton zu einer Einheit zu verbinden,die Herbert dann wirklich vollkommengerecht geworden wäre. In einer Ära, woCASABLANCA demnächst zur Computerkolorierungansteht, wäre DUNEin Schwarzweiß ein zu großes kommerziellesRisiko gewesen. Folglich ist dasfarbige Endergebnis auch nur ein flawedmasterpiece, ganz sicher nicht das Gelbevom Ei, aber doch mehr, als man als Realistvon einer Frank Herbert-Verfilmungerwarten durfte. Deutlich mehr.