10.09.2012 Aufrufe

Effektpigmente Effektpigmente

Effektpigmente Effektpigmente

Effektpigmente Effektpigmente

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

10/11<br />

Gast<br />

Differenzierung – und wie man «es» macht<br />

Im Zeitalter von iPad, Google, Facebook und Co. hat Print seine<br />

Rolle als Leitmedium verloren. Zwar reden nur die wenigsten von<br />

einer Agonie der «Holzmedien», doch allen ist klar: Print muss<br />

sich neu erfinden, auf Wertigkeit, also auf Klasse statt Masse setzen.<br />

// Da spielt die Drucksachenveredelung<br />

eine wichtige Rolle. Mit ihr können sich<br />

grafische Unternehmen profilieren und in<br />

der Einzigartigkeit bewegen. Besteht die<br />

Zukunft der grafischen Branche also nur<br />

noch aus hochwertigen und veredelten<br />

Drucksachen? Kaum, denn Wertigkeit<br />

drückt sich in mehr aus als durch ein edles<br />

Druckprodukt.<br />

Klaus J. Stöhlker gilt als Doyen der Schweizer<br />

PR­Szene. Wenn so ein Mann zur Zukunft des<br />

Printmediums spricht, auch polarisierend,<br />

hört man ihm zu. So geschehen an einem<br />

wichtigen Branchenanlass im Sommer 2010.<br />

Dort ortete er sich als grosser Fan des Printprodukts,<br />

das auch in Zukunft einen wichtigen<br />

Stellenwert habe. Doch man werde sich<br />

den technologischen und wirtschaftlichen<br />

Veränderungen anpassen müssen. Die printmedienverarbeitende<br />

Industrie sollte sich in<br />

eine Edelbranche verwandeln, um die Zukunft<br />

zu packen, sagte Stöhlker. Das hörte<br />

sich gut an. Also nichts wie weg vom margenschwachen<br />

Massengeschäft, hin zum einfach<br />

verdienten Geld, leicht verdient mit edlen<br />

Druckerzeugnissen?<br />

Papier wie Tigerfell<br />

Reden nicht auch die diversen Anbieter von<br />

Druck­ und Produktions­Systemen dem veredelten<br />

Weg das Wort? Wer jetzt in die richtige<br />

Technologie investiert, kann so richtig edel<br />

werden: Glanzlack, Geruchslack, Glitter, Kaschieren,<br />

wundersame Stanzungen, tolle Prägungen,<br />

Goldstaub und was es sonst noch<br />

alles gibt. Dazu kommen noch die Anbieter<br />

von Papier und Bedruckstoffen. Wie wäre es<br />

zum Beispiel mit dem Verwenden eines voluminösen<br />

Offsetpapiers mit schon fast erotisierender<br />

Haptik? Oder mit einem teuren Spezialpapier,<br />

das sich beim Streicheln wie ein<br />

Tigerfell anfühlt? Und mit ein bisschen Beflockung<br />

zaubert man den grünen Golfplatz auf<br />

die Einladungskarte! Solche Beispiele lassen<br />

die Drucker­Herzen und diejenigen ihrer<br />

Kunden höher schlagen.<br />

Warum also bewegt sich die printmedienverarbeitende<br />

Industrie nicht klar in Richtung<br />

Spezialisierung, in Richtung edles Gut und<br />

setzt auf das Einzigartige? Warum spricht<br />

man immer nur über Preiszerfall, brutalen<br />

Konkurrenzdruck, hohen Eurokurs, Abwanderung<br />

der Aufträge nach Südosteuropa und<br />

China? Ganz einfach: In ihrer Ausrichtung ist<br />

die grafische Branche vom Ideal des edlen<br />

Spezialisten, der einzigartige Dinge herstellt,<br />

so weit entfernt wie ein Migros­Klubschüler<br />

von Pablo Picasso. Das mittlerweile durchindustrialisierte<br />

Drucken ist eben nicht Kunst,<br />

sondern Massengeschäft.<br />

Markt-Strategien<br />

In der grafischen Branche und auch in ihrer<br />

Zulieferindustrie wird immer sehr viel über<br />

Technologie geredet. Die ganz hellen Köpfe<br />

kritisieren das und machen sich oftmals über<br />

diese Technologiegläubigkeit lustig – nur um<br />

im nächsten Moment für die noch intelligentere<br />

Technologielösung zu plädieren…<br />

Nur sehr selten spricht man über die Grundlagen<br />

des Marktumfeldes und über Marktstrategien.<br />

Nun, es ist auch ein komplexes und<br />

sehr weites Feld. Nicht umsonst gibt es hierzu<br />

unzählige Fachliteratur und die Aussagen vieler<br />

Experten. So etwas schreckt den Praktiker<br />

in der Branche ab.<br />

Auf die grafische Industrie bezogen, erkennt<br />

man Folgendes: Die meisten Unternehmen,<br />

die heute in neue und schnelle Produktions­<br />

Foto: «Starbugs».<br />

technik investieren, bewegen sich eindeutig<br />

im Bereich der Kostenführerschafts­Strategie<br />

mit all ihren Konsequenzen. Das Thema<br />

Drucksachenveredelung ist hingegen klar etwas,<br />

was im Bereich der Differenzierungsbzw.<br />

der Nischenstrategie angesiedelt ist. Nur<br />

schon dies zu wissen, ist eine ganz wichtige<br />

Grundlage, um darauf bauend seine Entscheidungen<br />

zu treffen.<br />

Differenzierungs- oder<br />

Nischenstrategie<br />

Kommen wir wieder auf die Anfangsfrage, die<br />

der Drucksachenveredelung, zurück. Wer<br />

dieses Geschäft betreibt, entscheidet sich bewusst<br />

für eine Differenzierungs­ oder auch<br />

Nischenstrategie. Das ist mit finanziellem,<br />

technologischem und personellem Aufwand<br />

verbunden. Wer anders sein will als die anderen,<br />

muss aktiv etwas dafür tun und investieren.<br />

Ein schönes Beispiel ist die Papierfabrik<br />

Gmund: Man hat eine uralte Papiermaschine,<br />

die gemäss den Kriterien der industriellen Papier­Massenproduktion<br />

nicht konkurrenzfähig<br />

ist. Man macht aber aus dieser Not eine<br />

Tugend, richtet die Maschine auf Sonderlose<br />

aus und kann so die verschiedensten Spezialitäten<br />

herstellen. Möglich macht dies das<br />

Know­how der Mitarbeiter. Der Marketingaufwand,<br />

sei es in finanzieller oder personeller<br />

Hinsicht, ist deutlich grösser als der<br />

von einer Fabrik, die Standardsorten herstellt.<br />

In diesem Falle ist es der Know­how­Vorsprung,<br />

der die Differenzierung und die Einzigartigkeit<br />

von Gmund ausmacht.<br />

Ein anderes Beispiel: Kunden gehen heute zu<br />

Rüesch Druck, ursprünglich ein klassischer<br />

Akzidenzanbieter, weil diese Druckerei anders<br />

ist als die anderen und nicht, weil sie die billigste<br />

ist. Am Beispiel von Rüesch wird aber<br />

auch deutlich, dass eine leistungsfähige Druckerei<br />

eben nicht nur von ihren Veredelungs­<br />

aufträgen leben kann, sondern zwingend<br />

auch auf «08/15»­Aufträge angewiesen ist.<br />

// Damit ist klar: Die Drucksachenverede-<br />

lung ist ein interessantes und chancenreiches<br />

Instrument, um sich im Markt zu<br />

differenzieren. Nicht mehr und nicht weniger.<br />

Differenzieren kann man sich, wie<br />

erwähnt, jedoch auch noch über andere<br />

Dinge: Datenbanken, Redaktions-Systeme,<br />

Agenturdienstleistungen, Logistik-Konzepte<br />

und, ja, über den billigsten Preis (sofern<br />

man die Strukturen hat, um da auch genügend<br />

Gewinnmargen zu erzielen).<br />

Wertigkeit für den Kunden<br />

Hat also der eingangs zitierte Klaus J. Stöhlker<br />

unrecht, wenn er der Branche empfiehlt, auf<br />

das Edle und Werthaltige zu setzen? Wenn<br />

man darunter versteht: Ab jetzt sollen alle<br />

Druckereien nur noch personalisierte Falzschachteln<br />

mit beflocktem Deckel und Hammerprägung<br />

herstellen, dann sicher ja. Aber<br />

natürlich hat er trotzdem recht: Das rein auf<br />

Kostenmaximierung ausgerichtete Massengeschäft<br />

für die Informationsverbreitung ist im<br />

digitalen Bereich tendenziell besser aufgehoben.<br />

Preislich wird das Druckprodukt mit den<br />

Erstehungskosten der virtuellen Welt nie mithalten<br />

können. Kunden werden sich heute<br />

und in Zukunft vermehrt nur noch für die<br />

Mehrkosten eines Druckproduktes entscheiden,<br />

wenn es für sie wirklich etwas bringt,<br />

will heissen, mehr Wert hat als der Weg über<br />

den digitalen Kommunikationskanal!<br />

In solch einer Situation ist es aussichtslos,<br />

voll und ganz auf die Kostenführerstrategie<br />

zu setzen. Mit Ausnahme von spezialisierten<br />

Web­to­Print­Anbietern mit den entsprechenden<br />

Produktionsstrukturen, die ihren<br />

Marktanteil in den nächsten Jahren bei den<br />

«08/15»­Druckprodukten ausbauen werden.<br />

Gastautor<br />

Paul Fischer ist Chefredaktor<br />

der Fachzeitschrift<br />

«viscom print+<br />

communication» und<br />

befasst sich neben den<br />

technischen auch mit<br />

den markt- und betriebswirtschaftlichen<br />

Aspekten der Druckindustrie.<br />

Dies ganz klar auf Kosten aller anderen Anbieter<br />

im Markt. Was sollen also «all die anderen»<br />

tun? Ganz klar, sie müssen auf Wertigkeit,<br />

Differenzierung und Einzigartigkeit<br />

setzen. Dabei steht nicht die Wertigkeit eines<br />

Produktes oder einer Dienstleistung im Vordergrund,<br />

sondern die Wertigkeit gegenüber<br />

dem Kunden. Die zentrale Fragen sind für<br />

diese Kunden ganz einfach:<br />

1. Warum soll ich für meinen Kommunika­<br />

tionsmix in teurere Druckprodukte investieren<br />

(im Vergleich zum Internet)?<br />

2. Warum soll ich die teurere Dienstleis tung<br />

einer Druckerei aus der Schweiz, der Region<br />

oder der Nachbarschaft in Anspruch nehmen,<br />

wenn ich es via Web­to­Print­Anbieter<br />

billiger haben kann?<br />

Eine Differenzierungsstrategie<br />

hat viele Ausprägungen<br />

Es muss nicht unbedingt eine teure Spezialmaschine<br />

sein, um sich zu differenzieren.<br />

Aber man wird nicht umhin kommen zu investieren.<br />

Sei es in Zeit, in qualifizierte Mitarbeiter<br />

oder eben in neue Produktionsmittel.<br />

Vor diesem Hintergrund kann man feststellen:<br />

Drucksachenveredelung ist wertvoll, weil<br />

sie Drucksachenherstellern und ihren Kunden<br />

Mehrwert generiert. Und Druck sa chenveredelung<br />

ist wunderbar, weil sie den Drucksachenherstellern<br />

neue und interessante<br />

Perspektiven eröffnet. Nicht mehr und nicht<br />

weniger. Die zentralen Fragen, die es in diesem<br />

Zusammenhang zu stellen gilt, lauten:<br />

Was bin ich? Was will ich? Wohin will ich?<br />

Wer Antworten darauf weiss, kann sich entscheiden,<br />

wohin die Reise gehen soll. Und die<br />

Firmen­ und Investitions­Strategie entsprechend<br />

darauf ausrichten.<br />

Kommentare dazu an daniel.broglie@chromos.ch.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!