Wiener Staatsoper 1933-1936 Operntagebuch eines ... - Oper in Wien
Wiener Staatsoper 1933-1936 Operntagebuch eines ... - Oper in Wien
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so lebendig präsentiert.“ Dr. Ernst Decsey<br />
sieht das Ganze ziemlich nüchtern: „Die <strong>Oper</strong><br />
verschwand und kam wieder, und wenn sie<br />
jetzt ausgegraben wurde, wird sie wieder<br />
verschw<strong>in</strong>den und wiederkommen. Weshalb?<br />
Weil sie e<strong>in</strong> Phänomen unter den <strong>Oper</strong>n ist:<br />
e<strong>in</strong>e, die eigentlich nur aus Rollen besteht.“<br />
Und etwas später heißt es lapidar über<br />
Ponchiellis Bedeutung <strong>in</strong> der <strong>Oper</strong>ngeschichte:<br />
„(...) er ist Verdis Untermieter.“ Betreffend der<br />
Aufführung me<strong>in</strong>t er, das Publikum habe sich<br />
für die Sänger begeistert und wäre trotzdem<br />
„ausgekühlt“ nach Hause gegangen. Piccaver<br />
und Nemeth hätten e<strong>in</strong>en „Erfolg“ gefeiert.<br />
„Piccaver schloß sie [die Arie „Himmel und<br />
Meer“] mit e<strong>in</strong>em hohen B und ausgebreiteten<br />
Armen ab, und es wäre e<strong>in</strong> Wunder gewesen,<br />
wenn der Beifall nicht stürmisch <strong>in</strong> die offenen<br />
Arme des Beliebten gestürzt wäre. Er kann<br />
s<strong>in</strong>gen wie er will, gepreßt und nasal, er kann<br />
e<strong>in</strong> hübsches f<strong>e<strong>in</strong>es</strong> Piano, er kann e<strong>in</strong>en<br />
gewaltsamen hohen Ton produzieren, er wird<br />
des Piccavers-Beifall gewiß se<strong>in</strong>.“ Und der<br />
Nemeth nehme man das Spiel nicht übel, die<br />
„Klangs<strong>in</strong>nlichkeit triumphiert“, sie sei sich<br />
ihres „Nemeth-Beifalls gewiß“. Regisseur<br />
Duhan habe die „sche<strong>in</strong>tote <strong>Oper</strong>“, so Decsey,<br />
„mit allem Geschmack und künstlerischem<br />
Pomp“ aufgebahrt, „und wenn sie nicht lange<br />
weiterleben sollte, ist es gewiß nicht se<strong>in</strong>e<br />
Schuld.“<br />
4.6.1934 „Pique Dame“<br />
Dirigent ist Clemens Krauß; die ganze <strong>Oper</strong><br />
gefällt mir sehr gut. Hr. Völker (Hermann)<br />
bietet e<strong>in</strong>e hervorragende Leistung. Hr. Jerger<br />
(Tomsky) s<strong>in</strong>gt gut und ist sehr fesch. Hr.<br />
Manowarda (Jeletzky) gut wie immer. Fr.<br />
Rünger (Gräf<strong>in</strong>) spielt und s<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>zigartig. Fr.<br />
Angerer (Lisa) ist ganz gut bei Stimme, e<strong>in</strong>ige<br />
Phrasen gel<strong>in</strong>gen ihr ganz schön. Sehr gut ist<br />
Frl. Szantho (Paul<strong>in</strong>e). Im Schäferspiel ist Frl.<br />
Michalsky (Chloe) und Hr, With (Daphnis)<br />
ebenso Hr. Jerger (Plutus) sehr gut.<br />
Wunderbar der Schlußchor, es wird e<strong>in</strong>em<br />
ganz kalt dabei.<br />
6.6.1934 „Rhe<strong>in</strong>gold“<br />
E<strong>in</strong>e herrliche Aufführung unter Clemens<br />
Krauß. Hr. Schorr a.G. sang den Wotan; er<br />
s<strong>in</strong>gt jedes Wort mit Bedacht; der Wotan dürfte<br />
se<strong>in</strong>e beste Rolle se<strong>in</strong>. Hr. Mad<strong>in</strong> (Donner) hat<br />
e<strong>in</strong>e sehr schöne Stimme, man läßt ihn immer<br />
kle<strong>in</strong>e Rollen s<strong>in</strong>gen. Hr. Kalenberg (Froh)<br />
meckert, Gott sei Dank, nur selten. Sehr gut ist<br />
Hr G...[?] (Loge). Hr. Wiedmann (Alberich) und<br />
Hr. Wernigk (Mime) s<strong>in</strong>d glänzend.<br />
Eigentümlich wirkt Hr. Norbert (Fafner) als<br />
kle<strong>in</strong>er, dicker Riese zur Größe Hr. Markhoffs<br />
(Fasolt). Fr. Rünger (Fricka) war das erste Mal<br />
14<br />
nicht ganz auf der Höhe ihrer Leistungen; auch<br />
Fr. Hadrabova (Erda) gefiel mir nicht<br />
besonders. Reizend die Rhe<strong>in</strong>töchter Fr.<br />
Schumann (Wogl<strong>in</strong>de), Fr. With (Wellgunde),<br />
Frl. Szantho (Floßhilde). E<strong>in</strong>e schöne<br />
Aufführung.<br />
10.6.1934 „Carmen“<br />
Hr. Alw<strong>in</strong> nimmt sich sehr zusammen, es ist 10<br />
M<strong>in</strong>uten später aus. Fr. Dusol<strong>in</strong>a Giam<strong>in</strong>i sang<br />
die Carmen e<strong>in</strong>fach fabelhaft (deutsch); sie<br />
gab im 1. Akt e<strong>in</strong> echtes Fabriksmädel, man<br />
unterhielt sich ausgezeichnet; den Schluß<br />
spielte sie etwas steif. Ihre Stimme ist <strong>in</strong> der<br />
Höhe wie <strong>in</strong> der Tiefe sehr schön. Reizend und<br />
sehr gut disponiert Fr. Schumann (Micaela).<br />
Hr. Piccaver (José) spielte mit viel Schwung,<br />
sang aber nicht hervorragend; die Blumenarie<br />
war ziemlich schlecht. Hr. Schipper (Escamilli)<br />
grölte wieder schrecklich. Sehr hübsch nach<br />
sich die Stimme von Fr. Bokor (Frasquita) aus.<br />
Fr. With (Mercédes) Hr. Markhoff (Zuniga), Hr.<br />
Knapp (Morales), Hr. Gallos (Dancairo), Hr.<br />
Wernigk (Remendado) waren sehr gut.<br />
11.6.1934 „Frau ohne Schatten“ 70.<br />
Geburtstags Richard Strauß<br />
Mit dieser Vorstellung begann e<strong>in</strong> Richard<br />
Strauß-Zyklus unter der Leitung von Clemes<br />
Krauß. Der Inhalt dieser <strong>Oper</strong> ist ziemlich<br />
unklar. Die Musik nicht schlecht, aber sehr<br />
schwer. Die Inszenierung ist allerliebst. Hr.<br />
Völker (Kaiser) sang schön, sah aber<br />
unmöglich aus. Fr. Ursuleac (Kaiser<strong>in</strong>) ist dazu<br />
sehr geeignet; sie gefällt mir hauptsächlich <strong>in</strong><br />
Strauß-<strong>Oper</strong>n. Ausgezeichnet ist wieder Fr.<br />
Rünger (Amme). Hr. Manowarda (Barak) ist<br />
wunderbar. Hervorragend Fr. Pauli (Färber<strong>in</strong>).<br />
Kralik geht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Besprechung dieser<br />
Aufführung besonders auf Clemens Krauß e<strong>in</strong><br />
und se<strong>in</strong>e Art, Richard Strauß zu dirigieren. Er<br />
f<strong>in</strong>det, dass er hier e<strong>in</strong>en „besonderen Stil“<br />
entwickelt und schreibt – <strong>in</strong> dem er ihn mit<br />
dem Dirigenten Richard Strauss vergleicht:<br />
„Krauß ist bedächtiger, zurückhaltender, im<br />
Tempo wie <strong>in</strong> der Dynamik; er wirkt weniger<br />
elementar als artistisch und verzichtet<br />
bisweilen gern auf stürmische Impetuosität,<br />
wenn er dafür schwebende Zwischentönungen<br />
aufdecken, kammermusikalische Fe<strong>in</strong>heiten<br />
zum Erkl<strong>in</strong>gen br<strong>in</strong>gen kann.“ Dabei erfährt für<br />
Kralik „der symphonische Schwung des<br />
Orchesters e<strong>in</strong>e gewisse Abdämpfung“,<br />
während sich der Kontakt zu den Sängern auf<br />
der Bühne „um so <strong>in</strong>niger“ gestalten könne.