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Wiener Staatsoper 1933-1936 Operntagebuch eines ... - Oper in Wien

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Das Ballett tanzt sehr nett, auch die<br />

Inszenierung ist hübsch.<br />

13.10.1935 „Tannhäuser“<br />

Hr. Dr. Furtwängler dirigiert e<strong>in</strong>e ganz und gar<br />

mißglückte Aufführung, die trotz s<strong>e<strong>in</strong>es</strong><br />

Dirigierens nicht besser wurde. Die<br />

Neu<strong>in</strong>szenierung ist teilweise sehr gut. 15<br />

Rüden kommen bei der Jagdgesellschaft vor.<br />

Hr. Hofmann (Landgraf) war etwas<br />

<strong>in</strong>disponiert; <strong>in</strong> dieser Aufführung g<strong>in</strong>g halt Hr.<br />

Mayr sehr ab. Hr. Pistor a.G. (Tannhäuser) ist<br />

unmöglich, se<strong>in</strong> Spiel ist gut, aber se<strong>in</strong>e<br />

Stimme entsetzlich. Fr. Bathy (Elisabeth) ist zu<br />

derb und ist nicht gut bei Stimme, sie wirkt<br />

ganz farblos. Hr. Sved (Wolfram) ist<br />

unmöglich, er knödelt viel zu viel und se<strong>in</strong><br />

Deutsch stört ziemlich. Fr. Thorborg (Venus)<br />

schreit bei den hohen Tönen zu sehr. Hr.<br />

Maikls Stimme (Walther) hört man wohltuend<br />

heraus. Das Ballett tanzt wirklich e<strong>in</strong><br />

fabelhaftes Bacchanale, sonst war die<br />

Aufführung e<strong>in</strong>e Katastrophe.<br />

Mit diesem „Tannhäuser“ beg<strong>in</strong>g die<br />

<strong>Staatsoper</strong> den 90 Jahrestag der Uraufführung<br />

am 19.10.1845. Wie man <strong>in</strong> den beiden<br />

beigelegten Rezensionen nachlesen kann,<br />

hatte der Sänger des Tannhäuser ke<strong>in</strong>en sehr<br />

guten Tag erwischt. Gotthelf Pistor (vor dem<br />

dritten Aufzug ließ er sich entschuldigen und<br />

um Nachsicht bitten) soll se<strong>in</strong>e unzureichende<br />

Leistung nach der Vorstellung mit den Worten<br />

kommentiert haben, dass ihm aus „<strong>in</strong>nerer<br />

Ergriffenheit“ die Stimme versagt habe...<br />

Furtwängler gegenüber macht sich e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Distanz bemerkbar: Kralik me<strong>in</strong>t etwa<br />

s<strong>in</strong>nierend, Furtwänglers Interpretation sei<br />

„wagnerischer als Wagner selbst, sie ist auch<br />

dort noch bewußt und überlegend, wo Wagner<br />

die naive S<strong>in</strong>nlichkeit des Theaters gewähren<br />

läßt.“ Decsey stößt sich daran, dass<br />

Furtwängler „demonstrativ gefeiert“ worden<br />

sei, „obwohl sich e<strong>in</strong> Tannhäuser unter<br />

Knappertsbusch, Bruno Walter, Arturo<br />

Toscan<strong>in</strong>i nicht weniger gut hören läßt“. Er<br />

stellt dann die rhetorische Frage: „Liegt nicht<br />

im heutigen Dirigentenkult e<strong>in</strong>e<br />

Ueberschätzung? Und e<strong>in</strong>e Unterschätzung<br />

des Schöpfers, ohne den es ke<strong>in</strong>en<br />

Nachschöpfer gäbe?“ Die Inszenierung wird im<br />

wesentlichen gelobt. Die übrigen Mitwirkenden<br />

werden weniger kritisch beurteilt als von der/m<br />

unbekannten <strong>Oper</strong>nbesucherIn.<br />

17.10.1935 „Fidelio“<br />

Hr. We<strong>in</strong>gartner dirigiert wieder die III.<br />

Leonore, mir gefällt das nicht. Frl. Konetzny A.<br />

(Leonore) ist sehr gut, ebenso Fr. Schumann<br />

(Marzell<strong>in</strong>e), Hr. Kalenberg (Florestan)<br />

32<br />

meckert dieses Mal weniger. Hr. Jerger<br />

(Pizarro) gut wie immer.<br />

23.10.1935 „Don Juan“<br />

Die Aufführung ist nicht so übel.Fr. Nemeth<br />

(Donna Anna) s<strong>in</strong>gt am Schluß die Arie sehr<br />

schön; manchmal schreit sie zu viel. Fr. Achsel<br />

(Donna Elvira) hat oft e<strong>in</strong>e so schrille Stimme.<br />

Fr. Perras (Zerl<strong>in</strong>e) ist reizend, s<strong>in</strong>gt sehr lieb<br />

und schön. Hr. Jerger (Don Juan) ist<br />

wunderbar. Hr. Maikl (Octavio) s<strong>in</strong>gt<br />

wunderschön, er ist unverwüstlich. Hr. Vogl ist<br />

e<strong>in</strong> guter Leporello.<br />

27.10.1935 „Aida“<br />

Fr. Nemeth (Aida) ist hervorragend; die Nilarie<br />

ist e<strong>in</strong> Genuss von ihr zu hören. Fr. Thorborg<br />

(Amneris) ist für diese Rolle sehr geeignet. Hat<br />

manchmal unmögliche Kleider. Hr. Ralf a.G.<br />

(Radames) hat e<strong>in</strong>e sehr schöne Stimme und<br />

s<strong>in</strong>gt gut. Hr. Schipper (Amonasro) gröhlt<br />

fürchterlich. Hr. Norbert (Ramphis) sieht etwas<br />

komisch aus. Dirigent Hr. Krips.<br />

30.10.1935 „Afrikaner<strong>in</strong>“ Neu e<strong>in</strong>studiert<br />

Hr. Alw<strong>in</strong> dirigierte recht gut. Frl. Konetzny<br />

(Selica) s<strong>in</strong>gt recht gut, nur ist sie furchtbar<br />

dick. Fr. Helletsgruber (Ines) ist wieder<br />

reizend, ihre Stimme hat so viel Wärme. Hr.<br />

Jerger (Pedro) ist e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>sterer Bösewicht. Hr.<br />

Schipper (Nelusco) ist sehr gut disponiert. Hr.<br />

Norbert (Oberpriester) ist für solche Rollen e<strong>in</strong><br />

bissel zu kle<strong>in</strong>. Die Inszenierung und auch das<br />

Ballett blieb dasselbe wie früher. Den Vasko<br />

sang Hr. Baum, e<strong>in</strong> großer Jud; nichts<br />

besonders, aber e<strong>in</strong>e gute<br />

Durchschnittsleistung.<br />

„Wie schön wär’s, wenn sich e<strong>in</strong>iges von<br />

Meyerbeers wohlbestallten <strong>Oper</strong>n für unsere<br />

sterile Gegenwart wieder nutzbar machen<br />

ließe!“ Mit diesem Wunsch beg<strong>in</strong>nt He<strong>in</strong>rich<br />

Kralik se<strong>in</strong>e Besprechung. Und me<strong>in</strong>t dann<br />

noch, man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben,<br />

müsse es immer wieder versuchen. Was<br />

würde Kralik heute schreiben? Er betont, dass<br />

diese <strong>Oper</strong>n, Produkte „berechnenden<br />

Raff<strong>in</strong>ements“ seien, aber er lobt ihre<br />

Meisterhaftigkeit und an der „Afrikaner<strong>in</strong>“ ganz<br />

besonders den „guten Geschmack“ selbst.<br />

Und – dann klagt er darüber, dass es offenbar<br />

ke<strong>in</strong>e SängerInnen mehr gibt, die diesen<br />

Rollen gerecht werden können: „Ohne e<strong>in</strong><br />

Ensemble, dem der brillante und elegante<br />

Gesangstil der ‚großen <strong>Oper</strong>‘ geläufig ist,<br />

bleibt die ‚große <strong>Oper</strong>‘ e<strong>in</strong>e große<br />

Verlegenheit.“ Und das schreibt Kralik 1935!<br />

Kurt Baum war für Piccaver e<strong>in</strong>gesprungen,<br />

Kralik lobt dieses E<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen, nennt se<strong>in</strong>en<br />

Gesangsstil aber „primitiv“. Dr. Ernst Decsey

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