Ausgabe Mai/Juni 2012 - auf der Startseite der Kreuzkirche Lingen
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Liebe Leserinnen und Leser<br />
dieses Gemeindebriefes,<br />
das hat tiefe symbolische Bedeutung,<br />
dass Thomas Zwilling ist,<br />
<strong>der</strong> doppelte, <strong>der</strong> mit den zwei<br />
Möglichkeiten, <strong>der</strong> in sich zweierlei<br />
verwirklicht, Zweifler eben.<br />
Gerade darin ist er österlicher<br />
Mensch. Und Bild dessen, was<br />
wir selber sind.<br />
Der ganz Diesseitige will sich<br />
nichts weismachen lassen. Das<br />
Zeugnis <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en reicht ihm<br />
nicht. Der ganz Jenseitige bekennt<br />
ohne Einschränkung und voller<br />
Hingabe und Hoffnung: Mein<br />
Herr und mein Gott!<br />
Wir ganz Diesseitigen gehen<br />
durch die Zeit und hören das<br />
Zeugnis <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die den Auferstandenen<br />
bezeugen, als fremdes<br />
Wort. Fragen türmen sich <strong>auf</strong>. Ist<br />
das vorstellbar? Gibt es Analogien?<br />
Welches Bild ist am sinn-<br />
GEISTLICHES WORT 3<br />
vollsten, um eine Vorstellung zu<br />
bekommen?<br />
Wir ganz Jenseitigen wollen nicht<br />
mehr dem Ende unserer Zeit entgegengehen<br />
ohne die offene Tür,<br />
die <strong>auf</strong>gestoßen ist und an <strong>der</strong> wir<br />
erwartet werden. Sogar ohne Bild<br />
und Vorstellung erscheint es unsinnig,<br />
diese Hoffnung loszulassen,<br />
nachdem sie einmal in <strong>der</strong><br />
Welt ist: Ich werde erwartet und<br />
soll bleiben und einmal ohne alle<br />
Einschränkung durch Tod und<br />
Sünde sagen: Mein Herr und mein<br />
Gott!<br />
Bleiben wir noch eine Weile Zwilling<br />
– es bliebt uns keine Wahl.<br />
Österliche Gewissheit hält aber an<br />
dieser Wahl auch fest: Wenn das<br />
eine in sich zusammenfällt, wird<br />
das an<strong>der</strong>e fest bestehen. Der<br />
Auferstandene hält fest, was sich<br />
aus <strong>der</strong> Welt in seine Hände gibt<br />
und was in <strong>der</strong> Zeit durch den<br />
Christi Himmelfahrt: Das Fest hat längst begonnen<br />
Dieter Grimmsmann, Pastor<br />
Glauben sein ist. Selig sind, die<br />
nicht sehen und doch glauben<br />
(Joh. 20, 29b).<br />
Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes<br />
Osterfest und grüßen Sie mit<br />
dem Osterruf <strong>der</strong> weltweiten<br />
Christenheit, <strong>der</strong> auch unsere Gottesdienste<br />
füllen wird: Der Herr ist<br />
<strong>auf</strong>erstanden! Er ist wahrhaftig<br />
<strong>auf</strong>erstanden.<br />
Ihr Dieter Grimmsmann<br />
Vor siebzig Jahren lebte in Warschau die kleine Janina David in einem engen dunklen Zimmer, das sie niemals verlassen<br />
durfte. Denn die jüdische Familie David musste sich vor den Nazis verstecken. In dem Buch, das sie später über ihre Erlebnisse<br />
schrieb, erinnert sich Janina David an ein winziges Fenster, durch das sie ein Stück vom blauen Himmel sehen konnte.<br />
Dieser Blick <strong>auf</strong> den Himmel war es, was ihr Mut gab und sie die lange böse Zeit am Leben hielt.<br />
Der Himmel - ein Bild für Freiheit, Hoffnung, Zukunft, für die „Fülle des Lebens“, wie es in alten gottesdienstlichen Texten<br />
heißt. Solange die Welt sich dreht, werden Geschichten vom Himmel erzählt. Hoffnungsgeschichten, die sagen, dass es<br />
weitergeht. Kann man ohne den Himmel überhaupt leben?<br />
Weil aus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt noch keiner zurückgekommen ist, gibt es unter den Menschen keine einheitliche Vorstellung.<br />
Sie sagen „Himmel“ o<strong>der</strong> „Paradies“, „Jenseits“ o<strong>der</strong> „die ewigen Jagdgründe“ - und meinen doch alle etwas Ähnliches. Die<br />
Bibel schil<strong>der</strong>t den Himmel keineswegs als langweiliges Paradies mit luftigen Geistern, die vornehm umherschweben und<br />
<strong>auf</strong> weichen Wolkenpolstern rasten. Sie erzählt lieber von einem großen Fest, einer Hochzeitsfeier, wo fröhlich gegessen<br />
und getrunken wird, wo sich alle rundum freuen. Und das Schönste: Dieses Fest hat längst begonnen!<br />
Jesus verknüpft das mit seiner Person: „Wo zwei o<strong>der</strong> drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter<br />
ihnen.“ Das heißt, sein Himmel beginnt überall dort, wo Menschen wie er ganz Menschen sind, sich aneinan<strong>der</strong> freuen,<br />
richtige Freunde werden, miteinan<strong>der</strong> teilen und sich als Partner fühlen, nicht als Rivalen. Schon in <strong>der</strong> hebräischen Bibel<br />
bricht <strong>der</strong> Glaube Israels die enge Vorstellung eines über den Wolken lokalisierbaren Himmels <strong>auf</strong>: Der Himmel ist kein Ort<br />
<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Landkarte des Universums, son<strong>der</strong>n eine Beziehung. Der Himmel ist die Erfahrung <strong>der</strong> glücklich machenden - aber<br />
auch herausfor<strong>der</strong>nden - Nähe Gottes.<br />
Dann leuchten schon jetzt viele kleine Stückchen Himmel wie Mosaiksteine <strong>auf</strong>, noch unverbunden nebeneinan<strong>der</strong>liegend<br />
wie bei einem unfertigen Puzzle. Die Bibel ist davon überzeugt: Gott wird am Ende <strong>der</strong> Tage diese vielen Mosaiksteinchen<br />
Himmel zu einem vollendeten Bild zusammenfügen und zu seiner neuen Erde und seinem neuen Himmel machen, wie es<br />
am Schluss <strong>der</strong> Heiligen Schrift heißt. Vielleicht lohnt es sich ja, bei dem Fest schon jetzt dabei zu sein.<br />
Christian Feldmann<br />
Foto: Horst Irmer