Abstract herunterladen
Abstract herunterladen
Abstract herunterladen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sektionsveranstaltung Medien- und Kommunikationssoziologie<br />
The World is not Enough: Vielfalt und Zusammenhalt in<br />
der Filmsoziologie<br />
Leitung: Rainer Winter (Klagenfurt), Anja Peltzer (Mannheim), Carsten<br />
Heinze (Hamburg), Angela Keppler (Mannheim) und Tina Weber (Berlin)<br />
Dimbath, Oliver / Klaes, Matthias Sebastian<br />
Die Vielfalt nutzen. Überlegungen zu einer methodologischen Profilierung<br />
der soziologischen Filmanalyse<br />
Dimbath, Oliver, Universität Augsburg, Soziologie, oliver.dimbath@phil.uni-augsburg.de / Klaes,<br />
Matthias Sebastian, Universität Augsburg, Soziologie, matthias.klaes@googlemail.com<br />
Sektionsveranstaltung Medien- und Kommunikationssoziologie: The World<br />
is not Enough: Vielfalt und Zusammenhalt in der Filmsoziologie<br />
Angesichts der fast 100jährigen Tradition des sozialwissenschaftlichen<br />
Nachdenkens über Film und Kino muss heute noch immer die Frage gestellt<br />
werden, wozu Filmsoziologie gut sein soll. Weder der<br />
Forschungsgegenstand noch eine legitimationsmächtige<br />
Verwendungsperspektive im Hinblick auf die Befunde scheinen geeignet zu<br />
sein, eine Subdisziplinbildung voranzutreiben. Mit Blick auf das vorliegende<br />
Schrifttum gibt es mehrere Gründe für den geringen Stellenwert der<br />
Filmsoziologie im Konzert soziologischer Forschung:<br />
1. Der Status des Themengebiets ist weitgehend unklar, seine Konturierung<br />
diffus geblieben: Zugleich geht es um den Film als Spiegel der Gesellschaft,<br />
um seine kulturindustriellen Produktionsbedingungen, seine Schönheit, die<br />
nur im Auge des Betrachters entsteht, um die soziologisch-philosophische<br />
Rekonstruktion filmischer Ästhetik vor dem Hintergrund technischer<br />
Reproduzierbarkeit usw.<br />
2. Die innerdisziplinäre Relevanz von Filmanalysen ist aufgrund fehlender<br />
theoriebezogener und methodischer Innovationen gering und wo<br />
filmanalytische Befunde angeboten werden, dienen sie eher der illustrativen<br />
Garnierung als der ‚ernstzunehmenden‘ Forschung.<br />
3. Dies findet seine Entsprechung in der praktischen Verwendung der<br />
Filmanalyse. So wird der ‚Markt‘ von einer großen Menge an
Qualifikationsarbeiten überflutet, die sich an der soziologischen Deutung<br />
von Filmen abarbeiten. Solche Untersuchungen dokumentieren häufig kaum<br />
mehr als akribische Einzelfallstudien, denen – vielleicht zu Unrecht – jede<br />
Relevanz hinsichtlich einer soziologischen Strukturanalytik oder<br />
Zeitdiagnostik abgesprochen wird.<br />
Der Film- und Kinosoziologie fehlt ein methodologisches Profil, das sie als<br />
geeignet erscheinen lässt, auch größere Forschungen in allen Spezialgebieten<br />
der Soziologie bedienen und bereichern zu können. Der vorgeschlagene<br />
Vortrag möchte, anknüpfend an die Spiegelthese Kracauers, eine an sozialen<br />
Interaktionsproblemen orientierte Forschungsperspektive unter expliziter<br />
Verwendung filmischen Materials aufmachen. Im Blick steht ein<br />
interaktionszentrierter Zugang, der nicht nach Hauptnarrationen oder Plots<br />
fragt, sondern die Momente filmischer Darstellung zu erfassen sucht, in<br />
denen Filme auf authentische Abbildung sozialer Vorgänge angewiesen<br />
sind. Es geht also um den Film als quasi-authentische Datenquelle für die<br />
Analyse alltäglicher Interaktionen. Die Frage, was die Filmsoziologie bei all<br />
ihrer Vielfalt zusammenhält, wird mit der Empfehlung einer zunächst zu<br />
leistenden Perspektivendifferenzierung und damit -erweiterung beantwortet.<br />
Dazu bedarf es nicht einer thematischen Integration filmsoziologischer<br />
Vielfalt als vielmehr der Entwicklung geeigneter Verfahren und der<br />
Erschließung filmsoziologischen Analysepotenzials für alle Gebiete<br />
soziologischer Forschung. Der Zusammenhalt mag sich dann praktisch von<br />
selbst ergeben.<br />
Geimer, Alexander<br />
Subjektivierung im Modus der Dissoziation: Zur Rezeption<br />
gesellschaftskritischer Irritationen im postmodernen Film<br />
Geimer, Alexander, Universität Hamburg, Soziologie, alexander.geimer@wiso.uni-hamburg.de<br />
Sektionsveranstaltung Medien- und Kommunikationssoziologie: The World<br />
is not Enough: Vielfalt und Zusammenhalt in der Filmsoziologie<br />
Auf der Ebene der Narration vieler, aktueller (Hollywood-)Filme findet sich<br />
eine neue Form des Erzählens, die ich für eine postmoderne Genre-<br />
Erscheinung halte und die ein beachtliches Irritationspotenzial für Zuschauer<br />
hat, das in dem Umgang mit Täuschungen und Ent-Täuschungen gründet:<br />
Gegebene Cues stellen sich als falsche Fährten heraus, berechtigte<br />
Hypothesen als Holzwege und wahrgenommene Identität als kontingente<br />
Schließung offener Horizonte (z.B. in Carnival of Souls (USA, 1962),
Jacob’s Ladder (USA, 1990), Fight Club (USA/D, 1999), Memento (USA,<br />
2000), Jerichow (D, 2009), Shutter Island (USA, 2010)). Zumeist geht mit<br />
diesen Irritationen eine Infragestellung der Identität der Hauptfiguren einher,<br />
die in deren radikaler Verblendung hinsichtlich der eigenen Existenzweise<br />
gründet. Diese Verblendung geht gemäß der Narration zurück auf<br />
gesellschaftliche Diskurse, welche den Protagonisten ihre (dem Zuschauer<br />
bis zum Filmende vorenthaltene) falsche Selbstwahrnehmung auferlegen.<br />
Insofern ist diesen Filmen ein gesellschaftskritisches Potenzial eigen, indem<br />
sie unterschiedliche Formen der Entfremdung problematisieren.<br />
Das Irritationspotenzial dieser mindfucks/mindgames im Spielfilm wird in<br />
meinem Beitrag kurz genreanalytisch anhand von Fight Club illustriert.<br />
Dabei wird ein (sozialkritisches) „preferred reading“ (Hall) des Films<br />
vorgestellt und – anhand einer Gruppendiskussion – die Rezeptionspraxis<br />
Berliner Jugendlicher dieser Vorzugslesart gegenüber gestellt. Hier lässt sich<br />
zeigen, dass jenes gesellschaftskritische Potenzial des Films<br />
identitätsbezogen zwar enorm bedeutsam ist, aber handlungspraktisch<br />
ziemlich irrelevant. Insofern wird von einer dissoziativen Aneignung<br />
gesprochen, in welcher die kritische „preferred reading“ mitvollzogen, aber<br />
zugleich neutralisiert wird. Im Unterschied zu Arbeiten der Cultural Studies,<br />
die nachweisen, dass auch unkritische Unterhaltungsangebote sozialkritische<br />
Rezeptionshaltungen evozieren können (oppositionelle Lesarten, vgl. Hall,<br />
Radway, Fiske, Ang, u.a.), wird gezeigt, dass auch gesellschaftskritische<br />
Rezeptionsangebote vor allem der Unterhaltung und einer Distinktion zur<br />
Identitätskonstruktion dienen, während die Ebene der alltäglichen<br />
Handlungspraxis bzw. der diese strukturierenden Orientierungen (im Sinne<br />
eines Habitus) kaum irritiert wird. Vor dem Hintergrund der Pluralisierung<br />
gesellschaftlicher Semantiken und der ubiquitären, medialen Repräsentation<br />
sozialer Differenz (Hall 1997: 214) erscheint die Form der dissoziativen<br />
Aneignung eher als Normal- denn als Sonderfall.<br />
Hudelist, Andreas / Wieser, Matthias<br />
Kulturelle Vielfalt und sozialer Zusammenhalt im Kino Wong Kar-Wais<br />
Hudelist, Andreas, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Medien- und<br />
Kommunikationswissenschaft, Andreas.Hudelist@aau.at / Wieser, Matthias, Alpen-Adria-<br />
Universität Klagenfurt, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Matthias.Wieser@aau.at<br />
Sektionsveranstaltung Medien- und Kommunikationssoziologie: The World<br />
is not Enough: Vielfalt und Zusammenhalt in der Filmsoziologie
In unserem Vortrag möchten wir das Theorem vom Film als Seismograph<br />
von Gesellschaft anhand des Werks des chinesischen Filmemachers Wong<br />
Kar-Wai, der besonders durch seine Filme Chungking Express (HK, 1994),<br />
Happy Together (HK/J/SK, 1997), In the Mood for Love (HK/F, 2000) und<br />
2046 (HK/C/F/I/D, 2004) internationale Erfolge feiern konnte,<br />
verdeutlichen. Seine Filme thematisieren in einer besonderen Weise die<br />
gesellschaftlichen Herausforderungen von soziokultureller Vielfalt und<br />
Zusammenhalt in der Gegenwart und ihrer jüngeren Vergangenheit. An<br />
seinen Filmen lassen sich sehr gut soziologische Thesen der<br />
Gegenwartsdiagnose und der Diskussionen um Postmoderne, reflexive<br />
Modernisierung und Globalisierung ablesen. Es sind vornehmlich<br />
melancholische Meditationen, die den Übergang von der traditionalen zur<br />
posttraditionalen Gesellschaft skizzieren. Filme, die die Herausforderungen<br />
und Probleme von Individualisierung und die Identitätssuche ‚dezentrierter’,<br />
meist marginalisierter Subjekte thematisieren. Filme, die mögliche<br />
Variationen gesellschaftlicher Modernisierung verdeutlichen. Denn Wong<br />
Kar-Wai zeigt die Vielfalt der Moderne(n), die verstrickten Wege von<br />
(Post)Kolonialismus, Globalisierung, Multikulturalisierung meist vor dem<br />
Hintergrund der pulsierenden Metropole Hong Kong auf. Darüber hinaus<br />
geht Wong Kar-Wai noch auf weitere zentrale Themen zeitgenössischer<br />
Sozial- und Kulturtheorie wie z.B. Zeit und Erinnerung ein.<br />
Wong Kar-Wais Kino der Affekte, Atmosphäre und Melancholie hat auch<br />
eine besondere unverkennbare Filmsprache entwickelt, die Inhalt und Form<br />
verschränkt, die z.B. mit Wiederholungen, Zeitlupensequenzen,<br />
intertextuellen Verweisen, Jump Cuts und Nahaufnahmen arbeitet. Dabei<br />
nimmt er Bezug auf die westliche Filmsprache (europ. ‚Autorenkino’,<br />
Nouvelle Vague), versieht diese mit etwas Exotik (Hong Kong, chinesische<br />
Musik und Ausstattung) und Popkultur (Hong-Kong-Kino-Reminiszenzen,<br />
US-amerikan. Halbstarken-Filme, westl. und chines. Popmusik). In diesem<br />
raffinierten Mix aus Fremden und Eigenen liegt womöglich auch ein Grund<br />
für den Erfolg Wong Kar-Wais im sogenannten Westen als einer der Stars<br />
des Arthouse-Kinos.<br />
Klung, Katharina<br />
Eine transkulturelle Ästhetik nationaler Grenzen? Die Bedeutung der<br />
Filmanalyse für filmsoziologische Fragestellungen<br />
Klung, Katharina, Universität Zürich, Seminar für Filmwissenschaft, katharina.klung@fiwi.uzh.ch
Sektionsveranstaltung Medien- und Kommunikationssoziologie: The World<br />
is not Enough: Vielfalt und Zusammenhalt in der Filmsoziologie<br />
Die Filmanalyse hat nicht nur in der Filmwissenschaft eine essentielle<br />
Bedeutung. Auch die Untersuchung filmsoziologischer Fragestellungen<br />
kommt oft nicht ohne eine fundierte Analyse des ästhetischen Materials aus.<br />
Anhand der Darstellung nationaler Grenzen als ein in filmwissenschaftlichen<br />
Diskursen kaum wahrgenommenes filmisches Motiv, soll diese<br />
Verknüpfung exemplarisch dargelegt werden.<br />
Die Marginalisierung dieser Thematik in der Filmwissenschaft steht<br />
diametral dem vermehrten Aufkommen der Filme gegenüber, in denen<br />
nationale Grenzen nicht nur auf narrativer Ebene, sondern vor allem auch<br />
auf der Ebene des Bildsujets eine wichtige Rolle spielen. In den letzten 20<br />
bis 30 Jahren hat sich vom asiatischen über das arabische, europäische bis<br />
hin zum südamerikanischen und US-amerikanischen Kino ein<br />
transkultureller, filmischer Zirkulations- und Diffusionsprozess der<br />
Grenzmotive etabliert, der nicht nur phänomenale Bildästhetiken<br />
hervorbringt, sondern darüber auch eine gemeinsame, grenzüberschreitende<br />
Konzeption nationaler Grenzen aushandelt.<br />
Erstaunlich ist dabei, dass sich aus der Vielfalt der Grenzbildideen heraus,<br />
ähnliche Visualisierungen in allen untersuchten Filmen wiederfinden lassen.<br />
Es ist davon auszugehen, dass die Bildformeln einem Netz aus Referenzen<br />
und Intertexten entspringen, die der Grenze als filmisches Motiv eine<br />
doppelte Bedeutung verleihen. Zum einen liegt diese in der Ästhetik und<br />
Diegese des Films, zum anderen im kulturellen, geopolitischen Kontext, der<br />
dem Film damit innerlich und äußerlich zugleich ist. Im Vortrag soll anhand<br />
von drei Filmen aus unterschiedlichen kulturellen Produktionskontexten,<br />
Takhté Siah (Blackboards, IR/I/JP 2000), Sin Nombre (MX/USA 2009) und<br />
Mia aioniotita kai mia mera (Die Ewigkeit und ein Tag GR/F/D/I 1998)<br />
exemplarisch eine solche ästhetische Auseinandersetzung über nationale<br />
Grenzen verdeutlicht werden. Die Frage, wie die Filme nationale Grenzen<br />
zur Erscheinung bringen, bildet die Grundlage für eine weiterführende<br />
(kultur-)soziologische Fragestellung nach einem transkulturellen<br />
Diffusionsprozess filmischer Bilder und Bildformeln.