Neumann, Heike Marie / Beyer, Manuela / von Scheve, Christian ...
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<strong>Neumann</strong>, <strong>Heike</strong> <strong>Marie</strong> / <strong>Beyer</strong>, <strong>Manuela</strong> / <strong>von</strong> <strong>Scheve</strong>, <strong>Christian</strong><br />
Eine mehrdimensionale Skala zur Erfassung der Identifikation mit Europa: Konzept und Gütekriterien<br />
<strong>Neumann</strong>, <strong>Heike</strong> <strong>Marie</strong>, Freie Universität Berlin, <strong>Heike</strong>.<strong>Marie</strong>.<strong>Neumann</strong>@fu-berlin.de / <strong>Beyer</strong>, <strong>Manuela</strong>, Freie Universität Berlin, <strong>Manuela</strong>.<strong>Beyer</strong>@fu-berlin.de /<br />
<strong>von</strong> <strong>Scheve</strong>, <strong>Christian</strong>, Freie Universität Berlin, <strong>Christian</strong>.<strong>von</strong>.<strong>Scheve</strong>@fu-berlin.de<br />
Sektion Europasoziologie: Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und Zusammenhalt in Europa<br />
Die „europäische Identität“ erfreut sich großer Popularität im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs. Dabei ist ein<br />
deutliches Ungleichgewicht zwischen den theoretischen Debatten zur europäischen Identität und Ansätzen ihrer<br />
Operationalisierung festzustellen. Einerseits wird europäische Identität als komplexes, mehrdimensionales Phänomen<br />
diskutiert, andererseits erfolgt ihre Operationalisierung in den einschlägigen Surveys, wie etwa dem Eurobarometer,<br />
überwiegend basierend auf Einzelitems. Diese Praxis wird in der Literatur zunehmend kritisiert. Vorschläge für alternative<br />
Skalen zur Erfassung des latenten Konstrukts bleiben jedoch gleichzeitig überschaubar.<br />
Dieser Beitrag stellt die Entwicklung einer mehrdimensionalen Skala zur Erfassung der Identifikation mit Europa dar,<br />
entstanden in einem Projekt an der Freien Universität Berlin zu den Zusammenhängen <strong>von</strong> kollektiven Emotionen und<br />
nationaler Identifikation während der Fußball-Europameisterschaft 2012. Europäische Identität wird dabei als eine Art <strong>von</strong><br />
kollektiver Identität verstanden. Aufgrund ihres prozesshaften Charakters wird sie auf individueller Ebene im Sinne einer<br />
Identifikation eines Individuums mit einem europäischen Kollektiv operationalisiert.<br />
Das latente Konstrukt soll nicht auf seine politische Dimension reduziert, sondern in seiner Vielschichtigkeit erfasst werden.<br />
Zudem zeigen theoretische und empirische Ergebnisse, dass europäische Identifikation auf zwei verknüpfte, jedoch nicht<br />
deckungsgleiche Identifikationsobjekte rekurriert: „Europa“ und die „Europäische Union“, beide Identifikationsobjekte<br />
werden daher in das vorgestellte Konzept integriert.<br />
Neben den konzeptuellen Vorannahmen stellt dieser Beitrag die rationale Skalenkonstruktion vor, bei der – anschließend<br />
an Richard Münchs europasoziologische Arbeiten – vor allem Elemente der Durkheimschen Theorie sozialer Arbeitsteilung<br />
und Überlegungen aus seinen Religionsstudien aufgenommen werden. Ergebnis sind drei Relationen zu den jeweiligen<br />
Identifikationsobjekten: eine symbolische, konzeptuelle, sowie solidarische Beziehung zu Europa und zur EU. Diese drei<br />
Dimensionen konvergieren mit theoretischen Annahmen Durkheims zur mechanischen und organischen Solidarität sowie<br />
zur Bedeutung <strong>von</strong> Symbolen in einer Gemeinschaft. Auf Grundlage einer Pilotbefragung in Form eines Online-Surveys<br />
stellen wir abschließend Item- und Reliabilitätsanalysen der Skala sowie Analysen zur Kriteriumsvalidität vor.
Bluhm, Katharina /Trappmann, Vera<br />
Zwischen Kontinuität und Bruch. Kollektive Wahrnehmungsmuster unternehmerischer Verantwortung in Deutschland, Polen<br />
und Ungarn<br />
Katharina Bluhm, Institut für Soziologie & Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin, katharina.bluhm@fu-berlin.de / Vera Trappmann, Institut für<br />
Soziologie, Otto Von Guericke Universität Magdeburg, vera.trappmann@ovgu.de<br />
Sektionsveranstaltung der Sektion Europasoziologie: Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und Zusammenarbeit<br />
in Europa<br />
Die Transformation <strong>von</strong> der Plan- zur Marktwirtschaft hat die Funktion <strong>von</strong> Betrieben bzw. Unternehmen in der Gesellschaft<br />
radikal verändert. Mit der Externalisierung vieler gesellschaftlicher Funktionen erfolgte gleichsam eine nachholende<br />
“Verzweckung des Betriebes” (Briefs), die sich in Ostmitteleuropa im Zuge der Privatisierung besonders rasch vollzogen hat.<br />
Gleichzeitig lässt sich seit ungefähr einer Dekade eine Neuthematisierung <strong>von</strong> Unternehmensverantwortung als Corporate<br />
Social Responsibility (CSR) beobachten. Bisher gibt es indes keine vergleichenden Studien, die nach den subjektiven<br />
Vorstellungen <strong>von</strong> Topmanagern und Unternehmern in Ostmitteleuropa fragen und diese mit einer „reifen Marktwirtschaft“<br />
vergleichen. Häufig wird angenommen, dass in einem anti-kommunistischen Reflex ostmitteleuropäische Manager und<br />
Unternehmer neo-liberalen, Friedmanianischen Vorstellungen <strong>von</strong> Verantwortung folgen.<br />
In kritischer Auseinandersetzung mit der institutionalistischen CSR-Diskussion in (West-)Europa untersuchen wir die<br />
subjektiven Verantwortungskonzepte <strong>von</strong> Geschäftsführern und Vorständen in West- und Ostdeutschland, Polen und Ungarn.<br />
Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung, die im Rahmen des SFB 580 in den drei Ländern 2009/2010 durchgeführt<br />
wurde. Wir können zeigen, dass – trotz aller Liberalisierungsdebatten in Deutschland – die Westdeutschen häufiger ein<br />
Einstellungssyndrom aufweisen, das die Verantwortung <strong>von</strong> Unternehmen gegenüber der Gesellschaft über die Generierung<br />
<strong>von</strong> Arbeitsplätzen, Einkommen und Steuern hinaus definiert, nach wie vor zur Selbst-Bindung an kollektive Regulierung<br />
bereit ist, aber auch mit einer starken Ablehnung staatlicher Intervention einhergeht und <strong>von</strong> einem beachtlichen Optimismus<br />
im Hinblick auf die soziale Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft getragen wird. Demgegenüber werden vor allem in<br />
Ungarn und Polen häufiger minimalistische Positionen vertreten, überraschend groß ist zudem der Zuspruch zu staatlicher<br />
Intervention sowie die Skepsis über die sozialen Folgen der neuen Marktwirtschaft. Echte “Friedmanianer”, die einen<br />
minimalistischen Ansatz mit der Ablehnung staatlicher Intervention und Redistribution verbinden, sind ebenso selten wie<br />
“echte Liberale”, die dem angelsächsischen Konzept <strong>von</strong> CSR folgend freiwilliges Engagement für die Gesellschaft betonen<br />
und somit kollektive Regulierung durch Sozialpartner ablehnen.
Anton Sterbling<br />
Einführung<br />
Prof. Dr. Anton Sterbling, Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), Rothenburg /OL, sterbling@t-online.de<br />
Sektionsveranstaltung der Sektion Europasoziologie: Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und<br />
Zusammenhalt in Europa<br />
Wiewohl vielfach verwendet, ist „kollektive Identität“ kein theoretisch einschlägig ausgearbeiteter Grundbegriff<br />
irgendeiner Sozial-, Kultur- oder Geisteswissenschaft. Vielmehr handelt es sich um eine übergreifende, abstrakt<br />
gefasste Kategorie, deren analytische Reichweite sich einerseits auf enger definierbare Konzepte wie<br />
„Gruppenidentität“ oder „kulturelle Identität“ und andererseits auf historisch spezifische Typen der<br />
Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung wie Völker, Nationen oder ethnische Minderheiten wie auch auf<br />
sozialstrukturelle Begriffe wie Stände oder Klassen und nicht zuletzt auch auf religiöse Gemeinschaften erstreckt.<br />
Darin liegen die Vorteile wie auch die Nachteile dieser Analysekategorie.<br />
Das Konzept der „kollektiven Identität“ steht vielfach im Spannungsfeld „essentialistischer“ und<br />
„konstruktivistischer“ Auffassungen. Damit einhergehende Missverständnisse ergeben sich häufig daraus, dass oft<br />
keine hinreichende Beachtung findet, um welche Beobachtungsebene es sich handelt: a) die „lebensweltliche“<br />
Ebene der subjektiven Sichtweisen und der spezifischen Selbstverständnisse der Menschen im Hinblick auf Fragen<br />
und Bezüge ihrer „kollektiven Identität“, b) die Ebene der intellektuellen und politischen Reflexionen und<br />
intentionalen Einwirkungen auf bestimmte Aspekte der „kollektiven Identität“, c) die der wissenschaftlichen<br />
Betrachtung, theoretischen Verarbeitung und Konzeptualisierung der Sachverhalte auf der ersten und zweiten<br />
Ebene oder schließlich d) die metatheoretische Ebene der kritischen Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen<br />
wissenschaftlichen Auffassungen und theoretischen Konzepten der „kollektiven Identität“.<br />
Die exemplarische Diskussion der Fragen, welche Ausprägungsformen „kollektiver Identität“ gegenwärtig relevant<br />
erscheinen oder in einzelnen Gesellschaften oder Regionen Europas „strukturdominant“ sind, soll ermöglichen, die<br />
Anwendbarkeit des Konzepts der „kollektiven Identität“ in der Betrachtung und Analyse der „Vielfalt“ und des<br />
„Zusammenhalts“ in Europa näher zu prüfen. Vorteile des eher abstrakt gefassten Konzepts der „kollektiven<br />
Identität“ dürften darin liegen, herkömmliche, auf die nationalstaatlich verfasste Gesellschaft justierte<br />
Analysekategorien mit anderen relevanten subjektiven Bezugsgrößen und sozialen Zurechnungseinheiten in einen<br />
hypothetisch formulierbaren und empirisch prüfbaren Gesamtzusammenhang zu stellen, der der sozialen Realität<br />
im gegenwärtigen Europa möglicherweise angemessener erscheint.
Bálint Balla<br />
Kollektive Identität, Europa und Knappheit<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Bálint Balla, Winklerstr. 18a, 14193 Berlin<br />
Sektionsveranstaltung der Sektion Europasoziologie: Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und<br />
Zusammenhalt in Europa<br />
Als erstes lässt sich feststellen, dass der Begriff der kollektiven Identität in der Soziologie weder einschlägig bekannt,<br />
noch verbindlich ausgearbeitet ist. Er findet sich kaum in soziologischen Lexika oder Lehrbüchern. Ein<br />
wahrscheinlicher Grund für dieses Fehlen ist, dass selbst das Substantiv ,Identität‘, dem das Attribut ,kollektiv‘<br />
zugeordnet ist, nur indirekt und damit gleichsam verdeckt ein Grundproblem des soziologischen Denkens anspricht.<br />
Nur insgesamt in wenigen Lexikonartikeln finden wir ein Stichwort ,Identität‘, zumeist mit Bezug auf Individuelles,<br />
Sozialpsychologie und Psychoanalyse. Die Gemeinsamkeit dieser Identitätsbegriffe ist dabei das ,Sich selbst sein‘,<br />
die Übereinstimmung des Ichs mit sich selbst.<br />
Diese sozialpsychologische, individuelle Bestimmung des Identitätsbegriffs soll in die soziologische Dimension<br />
übergeleitet und als kollektive Identität getestet werden. Statt einer Ich-Identität handelt es sich nun zwar ebenfalls<br />
um eine auf Identität abzielende Beziehung, jedoch zwischen einer Pluralität <strong>von</strong> Personen. Kollektive Identität<br />
bezogen auf eine Mehrzahl oder Vielzahl <strong>von</strong> Personen und Gruppierungen erfordert ein kompliziertes Gleichsein<br />
<strong>von</strong> vielen und geht damit über die Identität einer Einzelperson weit hinaus. Streng genommen verlangt kollektive<br />
Identität, dass sämtliche Mitglieder des Kollektivs mit allen anderen in wichtigen Beziehungen identische Bezüge<br />
aufweisen. Realistischer Weise lässt sich bereits <strong>von</strong> kollektiver Identität sprechen, wenn die Mitglieder eines<br />
Kollektivs eine Identitätsbestimmung im Hinblick auf einen Kernbereich an gemeinsamen Werten aufweisen.<br />
Die Europäische Union hat eine kollektive Identität, selbst wenn dieser Begriff nicht benutzt wird. Die<br />
Gesellschaften der Union verfügen über wesentliche gemeinsame Grundwerte und Zielvorstellungen<br />
(Menschenrechte, Demokratie, Wirtschaftswachstum zwecks allgemeinem Wohlstands usw.). Diese Wertgrundlage<br />
sichert die kollektive Identität im Sinne eines engen Zusammenhalts. Mit der Aufnahme neuer Mitglieder in die EU<br />
wächst allerdings auch die Vielfalt, wobei das Gleichgewicht zwischen Zusammenhalt und Vielfalt, wie die jüngste<br />
Euro-Krise erkennen ließ, recht unbeständig erscheint. Diese, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Knappheit<br />
zu betrachtende Herausforderung der kollektiven Identität der Europäischen Gemeinschaft kann deren Grundlagen<br />
erschüttern und bei fortgesetzten krisenhaften Entwicklungen auch zu einer Auflösung des kollektiven europäischen<br />
Gesamtgefüges führen.
Immerfall, Stefan<br />
Über die Fiskalunion zur finalité Europas? Paradoxe Effekte<br />
der Krisenbewältigung<br />
Stefan Immerfall, Pädagogische Hochschule Schwäbisch<br />
Gmünd, Stefan.Immerfall@ph-gmuend.de<br />
Sektionsveranstaltung der Sektion Europasoziologie:<br />
„Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und<br />
Zusammenhalt in Europa“<br />
Die Europäische Union befindet sich an einer critical juncture<br />
(Rokkan). Ein Geheimnis des Erfolgs der Europäischen Union<br />
war, dass sie ein Projekt ist, mit dem sich gegensätzliche<br />
Agenden verbinden ließen. Diese Offenheit wird durch die<br />
Krise der Währungsunion in Frage gestellt. Ihre Bewältigung<br />
erfordert laufend Entscheidungen. Ein Verharren im Status<br />
quo, wie in früheren Krisenphasen, ist daher unmöglich. Die<br />
getroffenen Maßnahmen mögen für sich rational sein; in der<br />
Summe aber untergraben sie kontraintentional den<br />
Zusammenhalt in der Union.<br />
Die Krise der Eurozone hat das dünne gesellschaftliche<br />
Fundament der Europäischen Union offenbart. Der Euro sollte<br />
helfen, Europa zu einen. Dass nun eher das Gegenteil der Fall<br />
ist, liege - so eine verbreitete Einschätzung - an seinen<br />
Konstruktionsfehlern und an den Produktivitätsunterschieden<br />
zwischen den nördlichen und südlichen Ländern. Eine andere<br />
Position macht eine mutlose Politik der Entscheidungsträger<br />
verantwortlich und fordert eine vereinte Eurozone.
Beide Diagnosen übersehen, dass jede Europapolitik sich mit<br />
der Tatsache des Fehlens einer europäischen Gesellschaft<br />
auseinandersetzen muss. Das Fehlen einer europäischen<br />
Gesellschaft äußert sich in erster Linie in den dünnen<br />
Vertrauensbeziehungen der Mitgliedsgesellschaften<br />
untereinander und in der (nur) bedingten Loyalität zur<br />
supranationalen Einheit. Deswegen ist die Hoffnung<br />
trügerisch, dass auch diesmal über die aktuelle Krise der Weg<br />
zur Integrationsvertiefung führt und dass ein Mehr an Europa<br />
eine Krisenlösung darstellt.
Sektionsveranstaltung der Sektion Europasoziologie:<br />
„Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und Zusammenhalt<br />
in Europa“<br />
14.15-14.25 Anton Sterbling (Görlitz): Einführung<br />
14.25-14.55 Bálint Balla (Berlin): Identität, Knappheit – und Europa<br />
14.55-15.25 Stefan Immerfall (Schwäbisch Gmünd): Über die Fiskalunion zur<br />
finalité Europas? Paradoxe Effekte der Krisenbewältigung<br />
15.25-15.55 <strong>Heike</strong> <strong>Neumann</strong> / <strong>Manuela</strong> <strong>Beyer</strong> / <strong>Christian</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheve</strong> (Berlin):<br />
Eine mehrdimensionale Skala zur Erfassung der Identifikation mit<br />
Europa: Konzept und Gütekriterien<br />
15.55-16.00 Kurze Pause<br />
16.00-16.30 Michael Nollert / Amir Sheikhzadegan (Fribourg / Schweiz):<br />
Zwischen kollektiver und multipler Identität: Identitätsprofile <strong>von</strong><br />
Mitgliedern muslimischer Organisationen in der Schweiz<br />
16.30-17.00 Katharina Bluhm/Vera Trappmann (Berlin / Magdeburg): Zwischen<br />
Kontinuität und Bruch. Kollektive Wahrnehmungsmuster unternehmerischer<br />
Verantwortung in Deutschland, Polen und Ungarn<br />
Kontaktadressen der Organisatoren und Referenten:<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Bálint Balla (ehem.) TU Berlin, Winklerstraße 18a, 14193 Berlin<br />
<strong>Manuela</strong> <strong>Beyer</strong>, M.A., FU Berlin, Email: manuela.beyer@fu-berlin.de<br />
Prof. Dr. Katharina Bluhm, FU Berlin, Email: katharina.bluhm@fu-berlin.de<br />
Prof. Dr. Stefan Immerfall, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, Email:<br />
Stefan.Immerfall@ph-gmuend.de<br />
<strong>Heike</strong> <strong>Marie</strong> <strong>Neumann</strong>, heike.m.n@gmx.de<br />
Prof. Dr. Michael Nollert, Universität Fribourg/Schweiz, Email: michael.nollert@unifr.ch<br />
Prof. Dr. <strong>Christian</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheve</strong>, FU Berlin, Email: christian.<strong>von</strong>.scheve@fu-berlin.de<br />
Dr. Amir Sheikhzadegan, Universität Fribourg/Schweiz, Email: amir.sheikhzadegan@unifr.ch<br />
Prof. Dr. Anton Sterbling, Hochschule der Sächsischen Polizei Rothenburg/OL, Email:<br />
sterbling@t-online.de<br />
Prof. Dr. Vera Trappmann, Otto Von Guericke Universität Magdeburg, Email:<br />
vera.trappmann@ovgu.de)
Nollert, Michael / Sheikhzadegan, Amir<br />
Zwischen kollektiver und multipler Identität: Identitätsprofile <strong>von</strong> Mitgliedern muslimischer Organisationen in der Schweiz<br />
Nollert, Michael, , Universität Freiburg (CH), Michael.Nollert@unifr.ch<br />
Sheikhzadegan, Amir, Universität Freiburg (CH), amir.sheikhzadeganr@unifr.ch<br />
Sektion Europasoziologie: „Kollektive Identitäten in der Analyse <strong>von</strong> Vielfalt und Zusammenhalt in Europa“<br />
Nur bei wenigen Gruppen in westlichen Gesellschaften wird die „kollektive Identität“ nicht als wertvoll und erhaltenswürdig, sondern als<br />
kohäsionsgefährdend eingeschätzt. Menschen mit muslimischem Hintergrund gehören zweifellos dazu.<br />
Dass kollektive Identitäten in der Tat zur Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen können, wird <strong>von</strong> A. Sen (2006) betont.<br />
So illustriert er am Beispiel des Konflikts zwischen hinduistischen und muslimischen InderInnen, dass kollektive Identitäten in kriegerische<br />
Auseinandersetzungen münden, wenn die Konstrukteure solcher Identitäten ähnlich wie etwa die Faschisten in den 1930er-Jahren damit<br />
Intoleranz und Ausgrenzung gegenüber Gruppen mit anderen kollektiven Identitäten intendieren. Spätestens seit der iranischen Revolution <strong>von</strong><br />
1979 sind auch islamisch artikulierte kollektive Identitäten zu sozialen Konstrukten mit globaler Ausstrahlung und erheblichem<br />
Konfliktkpotential evolviert (Sheikhzadegan 2007).<br />
Unser Beitrag analysiert am Beispiel <strong>von</strong> Mitgliedern muslimischer Organisationen in der Schweiz, inwiefern multiple Mitgliedschaften in<br />
verschiedenen freiwilligen Organisationen die <strong>von</strong> Sen postulierte destruktive Kraft <strong>von</strong> kollektiven Identitäten begrenzen. Theoretischer<br />
Referenzpunkt ist dabei G. Simmels Metapher <strong>von</strong> der Kreuzung sozialer Kreise (Simmel 1908, vgl. Nollert 2010), derzufolge die soziale<br />
Stabilität moderner Gesellschaften darauf beruht, dass Menschen durch den sozialen Kontakt zu einer Vielzahl <strong>von</strong> sich kreuzenden Gruppen<br />
„multiple“ Gruppenzugehörigkeiten entwickeln. Somit verschwinden zwar Gruppenloyalitäten nicht; sie werden jedoch ihrer desintegrativen<br />
Kraft beraubt (vgl. auch Münch 2010). Was die Toleranz der Outgroups anbelangt, trifft sich Simmels Vorstellung mit den Postulaten aus der<br />
auf G. H. Mead (1934) zurückgehende Identitätsforschung: Roccas/Brewer (2002) etwa haben aufgezeigt, dass die Kreuzung <strong>von</strong><br />
Gruppenzugehörigkeiten den Individuen ein komplexeres Identitätsprofil (Social Identity Complexity) und folglich eine grössere Toleranz den<br />
Outgroups gegenüber verleiht als konzentrische bzw. sich überlappende Gruppenmitgliedschaften.<br />
Datengrundlage für die Beantwortung unserer Forschungsfrage besteht einerseits aus teilnehmender Beobachtung in einer Auswahl <strong>von</strong><br />
muslimischen freiwilligen Assoziationen in der Schweiz, andererseits aus Tiefeninterviews mit aktiven Mitgliedern derselben Assoziationen<br />
nach dem <strong>von</strong> Lucius-Hohne/Deppermann (2002) vorgeschlagenen Verfahren der Rekonstruktion narrativer Identitäten.