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Fernando und Humberto Campana<br />
Die Design-Exoten<br />
ursrpüngliche natur und rastlose urbanität – zwischen diesen<br />
beiden polen finden die brasilianischen Campana-brüder seit<br />
über 20 Jahren Inspirationen für ihre möbel. mit südamerikanischem<br />
Lifestyle und europäischer präzision prägen sie das<br />
design der Gegenwart.<br />
Es gibt Möbel, die sind eher dezent und passen sich in<br />
jede Wohnumgebung ein, ganz so, als wären sie schon<br />
immer da gewesen – und es gibt Möbel, die wie Skulpturen<br />
im Raum wirken, an denen das Auge sofort haften<br />
bleibt. So wie bei den Entwürfen von Fernando und<br />
Humberto Campana. Was die beiden brasilianischen<br />
Brüder in ihrem Studio in São Paulo erschaffen, verdient<br />
mindestens die Umschreibung „Ganz schön gewagt“.<br />
Aber eigentlich ist es vor allem eins: die Abkehr von<br />
gewohnten Gestaltungsmustern.<br />
Die Campanas experimentieren mit Farben, Formen und<br />
Materialien und haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten<br />
zu einem unverwechselbaren Stil gefunden, der<br />
die Grenzen zwischen Design, Kunst und Handwerk<br />
aufbricht. Ihre Herangehensweise ist unbefangen und<br />
manchmal von geradezu kindlicher Naivität geprägt. So<br />
besteht ihr „Banquete Chair“ aus Kuscheltieren, die auf<br />
einem Metallrahmen befestigt werden. Mit diesem Prinzip,<br />
profanen Dingen neues Leben einzuhauchen und sie<br />
in einen neuen Kontext zu stellen, orientieren sich die<br />
Brüder an den Kunstwerken der Objets trouvés oder den<br />
Ready-mades eines Marcel Duchamps aus dem frühen<br />
20. Jahrhundert: „Wir geben einfachen Objekten und<br />
Alltagsgegenständen ein neues Leben und eine neue<br />
Spielart“, sagten die Brüder im Jahr 2009 anlässlich einer<br />
großen Campana-Werkschau im Vitra Design Museum.<br />
Die Ideen für ihre Arbeit finden die Campanas in ihrer<br />
Heimat: in der schillernden Natur und auf den Straßen<br />
der Metropole São Paulo, Brasiliens größter Stadt. Sie<br />
verbinden die Unberührtheit mit rastloser Urbanität und<br />
„Hand-made High-tech“<br />
finden dort Schönes und Hässliches ebenso wie Edles<br />
und scheinbar Unbrauchbares. Kennzeichnend für den<br />
typischen Campana-Stil ist die Verwendung einfacher<br />
Materialien: schlichte Baumwollseile, Plastikschläuche,<br />
Filzstücke oder zusammengesetzte Holzreste wie bei<br />
dem imposanten „Favela-Chair“. Er ist eine Hommage an<br />
die Bewohner der brasilianischen Armenviertel, die es<br />
verstehen, aus der Not eine kreative Tugend zu machen.<br />
Fernando und Humberto wollen vor allem die brasilianische<br />
Identität in all ihren Facetten und Widersprüchen<br />
darstellen: „Man muss die Schönheit dort entdecken, wo<br />
sie nicht existiert“, umschrieb Fernando Campana in<br />
einem Interview den Antrieb ihres Schaffens. Das hat viel<br />
mit Emotionen, Spontaneität und Assoziation zu tun,<br />
weniger mit ausgeklügelten Verfahrenstechniken. Trotzdem<br />
verschmelzen sie in ihrer Arbeit brasilianische Improvisationskunst<br />
und Lebendigkeit mit europäischer<br />
Perfektion. Anders hätten sie wohl auch kaum so erfolgreich<br />
werden können. Schließlich sollten die Möbel bei<br />
allem künstlerischen Anspruch auch einen Gebrauchswert<br />
haben. Unter der wild-chaotischen Oberfläche eines<br />
Campana-Möbels befindet sich ein sehr funktionaler Kern.<br />
Über den Nutzwert spricht das Design-Duo allerdings<br />
nur gelegentlich, was in dieser Branche doch eher selten<br />
ist. Das mag daran liegen, dass die Brüder Autodidakten<br />
ohne klassische Designausbildung sind. Fernando – Jahrgang<br />
1961 – studierte Architektur und tat sich am Ende<br />
03/11 – 29<br />
DAS MAGAZIN DER CREATIVEN INNENEINRICHTER