Der Nescafé-PlaN: wer Profitiert? - Erklärung von Bern
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evB_Dokumentation_September 2011 kalter kaffee 11<br />
BetroffeNe KaffeeorgaNisatioNeN<br />
álVaro aguilar ayóN<br />
Berater der Kooperative tosepan, Puebla<br />
«In der <strong>Nescafé</strong>-Fabrik in Toluca kann jeder Kaffee<br />
verarbeitet <strong>wer</strong>den, auch wenn er noch so schlecht<br />
ist. Wir verkaufen unseren guten Kaffee an unsere<br />
Kunden aus dem fairen Handel, den Unbrauchbaren<br />
an Nestlé. Schlechter Kaffee oder solcher, der<br />
durch unsorgfältige Herstellung verunreinigt oder<br />
beschädigt ist und den die Bauern billig verkaufen<br />
müssen, wird <strong>von</strong> Nestlé durch technologische<br />
Raffinessen trinkbar gemacht und mit<br />
cleverem Marketing verkauft. Weil <strong>Nescafé</strong><br />
für viele Leute zu teuer ist, hat der Konzern<br />
angefangen, den Kaffee in kleinen Portionenbeuteln<br />
zu verkaufen. Statt in die Kaffeequalität<br />
zu investieren, fliesst das Geld also ins Marketing.<br />
Unser Ziel ist es, Qualitätskaffee auch hier<br />
in Mexiko verkaufen zu können, um nicht nur<br />
vom Exportmarkt abhängig zu sein und um<br />
endlich eine lokale Kaffeetrinkkultur zu etablieren.<br />
Früher gab es in unserer Region viele<br />
verschiedene Kaffee-Einkäufer, dann kamen<br />
die grossen, zahlten höhere Preise und eliminierten<br />
so die kleinen. Als Amsa mit Nestlé den<br />
Markt dominierte, wurden die Preise wieder ge-<br />
Nestlé Photostream Flickr<br />
senkt. Wir verlangen Transparenz und Mitspracherecht<br />
in der Gestaltung der politischen Regeln auf<br />
dem nationalen Kaffeemarkt. Doch die wegweisenden<br />
Entscheidungen <strong>wer</strong>den am WEF in Davos<br />
oder anderswo getroffen.»<br />
áNgeles Mariscal<br />
Journalistin bei «la Jornada» 1<br />
«Um die Armut in Mexiko zu bekämpfen, will die<br />
Provinz Chiapas die Bauern in die freie Marktwirtschaft<br />
zwingen. Das bedeutet, dass sie Unterstützungsgelder<br />
bekommen, wenn sie ihre kleinen<br />
Maisfelder aufgeben und stattdessen auf dafür vorgesehenen<br />
Grossflächen Exportprodukte anbauen.<br />
So wird beispielsweise der Anbau <strong>von</strong> Palmöl sehr<br />
gefördert. Hauptabnehmerin des Palmöls ist Nestlé,<br />
die es für ihre frisch renovierte Coffee-mate-Fabrik<br />
2 hier in Chiapas braucht. Denn dieses Pulver<br />
besteht hauptsächlich aus Maisextrakten, Palmöl,<br />
Milchproteinen und künstlichem Geschmack. Dieser<br />
rein kommerzielle Ansatz <strong>von</strong> Armutsbekämpfung<br />
birgt viele soziale Gefahren. Beispielsweise<br />
müssen dem Anbau <strong>von</strong> Exportgütern die Produkte<br />
für die Eigenversorgung weichen. Das verteuert<br />
die lokalen Lebensmittel und treibt die Menschen<br />
in noch grössere Armut.»<br />
eVB-KoMMeNtar<br />
Dass Nestlé innovative Massnahmen ergreift, um die negativen<br />
Umweltauswirkungen der Fabriken zu reduzieren, hat Vorbildcharakter<br />
für die Branche. Die besagte <strong>Nescafé</strong>-Fabrik verursacht<br />
allerdings hohe soziale Kosten, die nicht kommuniziert <strong>wer</strong>den.<br />
Denn deren erhöhte Produktivität erfordert einen massiven<br />
Mehr einkauf <strong>von</strong> Billigkaffee. Solange Nestlé seine Einkaufspreispolitik<br />
nicht fairer gestaltet, leiden entsprechend mehr Kaffeebauernfamilien<br />
unter den Konsequenzen. Zudem baut Nestlé<br />
mit dem Ausbau in Toluca seine dominante Marktstellung weiter<br />
aus (siehe Grafik S. 15). Während in den 1970er-Jahren noch über<br />
20 Prozent des Endpreises an die Produzenten gingen und über<br />
40 Prozent der totalen Wertschöpfung im Süden blieben,<br />
schrumpften diese Anteile in den 1990er-Jahren auf 13 beziehungsweise<br />
16 Prozent. Parallel dazu stieg die im Norden generierte<br />
Wertschöpfung <strong>von</strong> 45 auf fast 80 Prozent.<br />
1 «La Jornada» ist eine der wichtigsten Tageszeitungen Mexikos.<br />
2 Coffee-mate ist ein Milch- oder Rahmersatz in Pulverform, das dem <strong>Nescafé</strong><br />
hinzugefügt <strong>wer</strong>den kann.