Titel 9/10 (Page 1) - Hessischer Rundfunk
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14<br />
familie<br />
Flitzende Kisten: Wann immer ein Gefährt vier Räder, Bremsen<br />
und ein Steuer hat, wird’s ernst. Deswegen dürfen die hr-Promis<br />
beim Jubiläums-Seifenkisten-Renn-Wochenende in Oberursel<br />
auch nur außerhalb der Wertung starten. Für die Profis ist mit<br />
17 Jahren Schluss.<br />
Angst hat Tracy Mettner nicht,<br />
wenn sie in ihrem vierrädrigen<br />
Holzflitzer mit 50 Stundenkilometern<br />
den Berg herunter rast. „Nur Papa<br />
ist bei Rennen etwas nervös“, sagt<br />
die neunjährige Schülerin aus dem<br />
nordhessischen Holzhausen ganz cool.<br />
Sie ist eine von 200 jungen Piloten, die<br />
sich für die 56. Deutsche Meisterschaft<br />
und 7. Europa-Meisterschaft im Seifenkisten-Derby<br />
vom <strong>10</strong>. bis 12. September<br />
in Oberursel qualifiziert haben.<br />
Dort startet auch das VIP-Rennen mit<br />
Intendant Helmut Reitze, hr3-Chef Jörg<br />
Bombach, „Late Lounge“-Moderator<br />
Roberto Cappelluti, Lottofee Franziska<br />
Reichenbacher und „Vipshow“-Moderator<br />
Holger Weinert.<br />
Seifenkisten-Mekka Oberursel<br />
Nicht ohne Grund findet das Jubiläums-Renn-Wochenende<br />
in Oberursel<br />
statt. Die Stadt im Taunus gilt als Wiege<br />
des Seifenkisten-Rennsports. Dort fand<br />
vor <strong>10</strong>0 Jahren das erste „Kinderautomobilrennen“<br />
Deutschlands statt. 16 Jungen<br />
standen 1904 am Start. Sie wollten<br />
ihren Rennfahrervorbildern, den Schumis<br />
von damals, nacheifern, die auf Wunsch<br />
des Kaisers zur gleichen Zeit im benachbarten<br />
Bad Homburg beim Gordon<br />
Bennett-Automobilrennen starteten.<br />
Mit dem Kinderautomobil aus Holz<br />
von 1904 haben die heutigen Renngefährte<br />
genauso wenig gemein wie mit<br />
der selbst gezimmerten Holzkiste auf<br />
Kinderwagenrädern. Hightech ist an-<br />
03 | SEPTEMBER/OKTOBER | 2004<br />
Die Formel 1 der Minis<br />
Ein „rasender Hirsch“:<br />
Tracy Mettner in ihrer<br />
Seifenkiste<br />
gesagt beim Rennsport. „Da kommt es<br />
auf Hundertstelsekunden an“, berichtet<br />
Tracys Vater Volker Mettner. „Das ist<br />
wie bei der Formel 1.“ Wie seine Tochter<br />
ist der Seifenkistenbauer Mitglied<br />
im Seifenkistenclub „Rasen-de Hirsche<br />
Holzhausen e. V.“, einem der bedeutendsten<br />
Seifenkistenvereine Deutschlands.<br />
In dem kleinen Ort in der Nähe von<br />
Kassel haben sich gut <strong>10</strong>0 der 2.000 Einwohner<br />
dem Rennsport verschrieben.<br />
„Einen Führerschein braucht man<br />
zum Seifenkistenfahren nicht“, erzählt<br />
Tracy. Aber es gibt klare Regeln, wer mit<br />
welcher Kiste an den offiziellen Rennen<br />
des Deutschen Seifenkisten Derbys<br />
(DSKD), dem Dachverband aller Seifenkistenclubs,<br />
teilnehmen darf. Acht- bis<br />
Zwölfjährige starten in der Junior-Klasse<br />
in so genannten Sitz-Kisten. In der Seniorklasse<br />
fahren die Zehn- bis einschließlich<br />
16-Jährigen meist liegend.<br />
Ihre selbst gebauten Seifenkisten erinnern<br />
an richtige Rennwagen – nur<br />
ohne Motor. Sie bestehen aus Holz oder<br />
Glasfaser, sind möglichst aerodynamisch<br />
geformt und müssen den offiziellen<br />
Bauregeln und Maßen entsprechen.<br />
Jede Kiste muss vor den Rennen<br />
durch die „TA“, die Technische Abnahme,<br />
und wird genauestens vermessen<br />
und geprüft.<br />
Um das Renngeschoss zu tunen, arbeiten<br />
die Seifenkistenbauer mit dem<br />
Gewicht und den Achsen. „Fehlende<br />
Kilos können bis zu einer festgelegten<br />
Grenze mit Bleigewichten aufgefüllt<br />
werden“,<br />
erklärt Volker<br />
Mettner. Wichtig sei auch, dass die Achsen<br />
richtig vermessen werden, damit<br />
Vorder- und Hinterräder in derselben<br />
Spur laufen. Um faire Bedingungen zu<br />
schaffen, werden die Seifenkisten-Räder<br />
vor dem Start nach ihrer Qualität sortiert<br />
und unter den Teilnehmern ausgelost.<br />
Alle halten zusammen<br />
Anno 1965: Seifenkistenpilot<br />
beim Justieren des Rades<br />
Allein unter Jungs ist Tracy im Seifenkistensport<br />
nicht. Bei den „Rasenden<br />
Hirschen“ rollen regelmäßig sechs Mädchen<br />
und zwölf Jungen an den Start.<br />
Alle halten zusammen, „auch wenn die<br />
Jungs manchmal frech und ungezogen<br />
sind“, erzählt Tracy.<br />
„Bis Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
war Seifenkisten fahren eigentlich nur<br />
eine Jungen-Angelegenheit“, weiß Renate<br />
Messer, Leiterin des Vortaunusmuseums<br />
in Oberursel. Das Museum beherbergt<br />
die bundesweit einzige Dauerausstellung<br />
über den Seifenkistensport.<br />
„Der Name der Seifenkiste stammt<br />
aus den USA“, sagt Messer. In den 30er-<br />
Jahren hatten einige Firmen, die Käse<br />
und Seife in Kisten verkauften, der Verpackung<br />
eine Bauanleitung für ein<br />
Kinderautomobil beigefügt. In Reportagen<br />
nannte ein amerikanischer Jour-<br />
Foto: Carsten Herwig<br />
nalist die Gefährte dann „soap boxes“ –<br />
Seifenkisten. Es hätten auch „Käsekisten“<br />
werden können. Amerikanische Soldaten<br />
brachten die Idee des Seifenkistensports<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
wieder nach Deutschland. Die erste<br />
Deutsche Meisterschaft fand 1949 in<br />
Jubiläums-Renn-Wochenende<br />
in Oberursel, Altkönigstraße<br />
■ Fr, <strong>10</strong>. Sept.<br />
ab 18 Uhr, Eröffnungsfeier,<br />
Historischer Marktplatz<br />
■ Sa, 11. Sept. und So, 12. Sept.,<br />
<strong>10</strong> bis 16 Uhr: Wertungsläufe, 16-18 Uhr:<br />
Endläufe und Siegerehrung<br />
■ hr-Prominenten-Rennen mit Intendant<br />
Helmut Reitze, hr3-Chef Jörg Bombach,<br />
„Late Lounge“-Moderator<br />
Roberto Cappelluti, Lottofee Franziska<br />
Reichenbacher und „Vipshow“-Moderator<br />
Holger Weinert. So, 12. Sept., 12 -13 Uhr,<br />
Altkönigstraße<br />
■ Sa, 11. Sept. und So, 12.Sept.,<br />
11-16 Uhr: buntes Kinder- und Jugendprogramm<br />
zum Mitmachen<br />
Genaue Infos unter www.ksfo.de<br />
hessen fernsehen (Fr: „Maintower“,<br />
Sa: „Hessenschau“, So: „Vipshow“) und<br />
Hörfunk berichten<br />
Foto: Archiv Vortaunusmuseum