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WIRTSCHAFT+MARKT 06-2015

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26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

DIE<br />

WIRTSCHAFT<br />

THÜRINGEN<br />

GRÜNT<br />

IM INTERVIEW<br />

Ministerpräsident<br />

Bodo Ramelow<br />

REPORT<br />

Rivalität auf<br />

der Ostsee<br />

RATGEBER<br />

Betriebliche<br />

Altersvorsorge


www.das-ist-thueringen.de<br />

Dank Thüringen kommt jedes<br />

Frachtgut sicher an. Selbst<br />

416 Kilometer über der Erde.<br />

Der Raumfrachter Cygnus. Ausgestattet mit Sensortechnologie<br />

der Jena-Optronik GmbH. Das ist Thüringen.<br />

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Mitte Europas. Investieren<br />

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Als Logistikstandort spielt Thüringen im internationalen Warenverkehr eine wichtige Rolle. Als Technologiestandort<br />

sogar weit darüber hinaus. So sorgen Sensoren der Jena-Optronik GmbH dafür, dass der unbemannte<br />

Raumfrachter Cygnus seine Fracht zuverlässig zur Internationalen Raumstation ISS liefert.<br />

Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft<br />

Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen<br />

Orbital ATK


EDITORIAL | 3<br />

Saubere Technologien und<br />

Produkte – ein gigantischer<br />

Zukunftsmarkt<br />

Karsten Hintzmann<br />

Chefredakteur<br />

KH@WundM.info<br />

Foto: Torsten George, Titelfoto: Anton Balazh/shutterstock.com<br />

Die Begriffe Green Economy und<br />

CleanTech dienen längst nicht<br />

mehr dazu, exotische Nischen-<br />

Geschäftsfelder zu betiteln. Nein, saubere<br />

Technologien und Produkte – genau<br />

dafür stehen Green Economy und Clean-<br />

Tech – sind inzwischen weltweit gefragt.<br />

Aktuell beläuft sich das Volumen dieses<br />

Marktes auf geschätzte 2.000 Milliarden<br />

Euro. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird<br />

es sich, so die Schätzung von Experten,<br />

verdoppeln. Treiber des Wachstums sind<br />

globale Megatrends: Die Weltbevölkerung<br />

wird in den kommenden 20 Jahren<br />

drastisch ansteigen, um weitere 1,5 Milliarden<br />

Menschen. Dann streben 8,5 Milliarden<br />

Menschen nach Wohlstand und<br />

Konsum. Die natürlichen Ressourcen<br />

der Erde werden immer schneller verbraucht,<br />

so dass ein Umsteuern alternativlos<br />

ist. Die Antwort darauf ist die Grüne<br />

Wirtschaft, die auf einen schonenden<br />

und effizienten Umgang mit Rohstoffen,<br />

auf Erneuerbare Energien, nachhaltige<br />

Wasserwirtschaft, auf Recycling und<br />

Kreislaufwirtschaft setzt.<br />

Am Wirtschaftsstandort Ostdeutschland<br />

hat man schon früh die Chancen<br />

erkannt, die der Grüne Markt bietet.<br />

Vermutlich auch deshalb, weil Rohstoffknappheit<br />

zu Vorwendezeiten ein akutes<br />

volkswirtschaftliches Problem darstellte.<br />

Heute engagieren sich rund 3.000 Unternehmen<br />

in den neuen Ländern im Bereich<br />

CleanTech. Sie beschäftigen gut<br />

200.000 Mitarbeiter und erwirtschaften<br />

einen Gesamtumsatz von mehr als<br />

30 Milliarden Euro pro Jahr. Ein ernst<br />

zu nehmender Wirtschaftsfaktor, den<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> in der Titelgeschichte<br />

beleuchtet. Dabei geht es nicht<br />

nur um die Abbildung der einzelnen Leitmärkte<br />

unter dem CleanTech-Dach, sondern<br />

auch um die Darstellung bislang unerschlossener<br />

Potenziale für eine noch<br />

erfolgreichere Entwicklung.<br />

Thüringen steht im Mittelpunkt unserer<br />

Serie „Land der Wunder“. Wie alle<br />

anderen ostdeutschen Bundesländer<br />

auch, hatte es der Freistaat nach der<br />

Deutschen Einheit zunächst schwer,<br />

wirtschaftlich auf die Füße zu kommen.<br />

Doch inzwischen ist ein solider Mittelstand<br />

gewachsen, man besinnt sich auf<br />

die ideale Lage und Anbindung mitten in<br />

Deutschland und Europa. Mit 40 Industriebetrieben<br />

auf 100.000 Einwohner hat<br />

Thüringen im bundesweiten Vergleich einen<br />

Spitzenplatz erreicht – noch vor Baden-Württemberg.<br />

Zu den besonders<br />

erfolgreichen Clustern zählen die Bereiche<br />

Optik (mit dem Zentrum Jena), Automotive,<br />

Life Sciences, Logistik und Maschinenbau.<br />

Auch wenn die internationale<br />

Ausrichtung noch ausbaufähig ist,<br />

dürfen die Thüringer durchaus stolz auf<br />

ihre Wirtschaft sein. Immerhin stellt das<br />

Land heute 62 europäische und 32 internationale<br />

Marktführer. W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


4 | W+M INHALT<br />

W+M TITELTHEMA<br />

Die Wirtschaft grünt........................38<br />

W+M AKTUELL<br />

Köpfe......................................................................... 6<br />

Nachrichten............................................................... 8<br />

W+M LÄNDERREPORTS<br />

Ostdeutschland: Industrie 4.0 –<br />

Chance oder Risiko?.................................................10<br />

Mecklenburg-Vorpommern:<br />

Viel Bewegung auf dem Fährmarkt.........................12<br />

Sachsen: Exklusive Buchkunst................................14<br />

Brandenburg: Passgenaue Impfstoffe.....................15<br />

Mecklenburg-Vorpommern:<br />

Standort mit maritimer Kompetenz..........................16<br />

Brandenburg: EWE baut Rolle als<br />

regionaler Energiepartner aus..................................18<br />

Sachsen-Anhalt: Exoten auf dem Acker..................19<br />

W+M SERIE LAND DER WUNDER:<br />

THÜRINGEN<br />

Report: Thüringen stellt 94 Marktführer................. 20<br />

Interview: Bodo Ramelow,<br />

Ministerpräsident in Thüringen............................... 22<br />

Aufstrebende Cluster: Automobil, Optik,<br />

Logistik, Ernährung ................................................ 26<br />

Die Helaba und der Aufschwung des Freistaates......30<br />

EU-Förderung:<br />

Wie Thüringen von Brüssel profitiert.........................32<br />

Wirtschaftsanalyse von ifo-Chef Joachim Ragnitz....33<br />

W+M POLITIK<br />

Pro und Contra: Wird der Osten Deutschlands<br />

wirtschaftlich jemals so stark wie der Westen?..... 34<br />

ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland.......... 36<br />

38 Titel<br />

Grüner Motor Ostdeutschland<br />

22<br />

Im Interview<br />

Ministerpräsident Bodo Ramelow<br />

Impressum<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />

Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />

Ausgabe 6/<strong>2015</strong><br />

Redaktionsschluss: 19.10.<strong>2015</strong><br />

Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH<br />

Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />

Tel.: 030 479071-0<br />

Fax: 030 479071-20<br />

www.WundM.info<br />

Herausgeber/Geschäftsführer:<br />

Frank Nehring, Tel.: 030 479071-11<br />

FN@WundM.info (Alleiniger Inhaber und<br />

Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />

Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />

Tel.: 030 479071-21, KH@WundM.info<br />

Redaktion: Janine Pirk-Schenker, Tel.: 030 479071-21,<br />

JP@WundM.info, Anja Strebe, Tel.: 030 479071-27,<br />

AS@WundM.info<br />

Autoren: Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann,<br />

Rudolf Miethig, Frieda Neurich, Matthias Salm,<br />

Thomas Schwandt<br />

Abo- und Anzeigenverwaltung, Vertrieb:<br />

Tobias Meier, Tel.: 030 479071-28, TM@WundM.info<br />

Marketing/Vertrieb: Kerstin Will, Tel.: 030 479071-24<br />

KW@WundM.info<br />

Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und<br />

Abonnementpreis:<br />

Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint<br />

zweimonatlich. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />

der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />

und Berlin sowie die Mitglieder des Vereins Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler (VBIW)<br />

erhalten diese Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />

Einzelpreis: 5 €, Jahresabonnement (Inland):<br />

30 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement<br />

(Ausland): 30 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />

Layout & Design: Möller Medienagentur GmbH,<br />

www.moeller-medienagentur.de<br />

Druck: Möller Druck und Verlag GmbH,<br />

ISSN 0863-5323<br />

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur<br />

mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen<br />

nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte und<br />

Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />

Fotos: Yevhen Vitte/shutterstock.com (oben), W+M (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


W+M INHALT | 5<br />

46<br />

Exklusiv<br />

DIHK-Präsident Eric Schweitzer<br />

W+M TITELTHEMA<br />

Report: Grüner Motor Ostdeutschland................... 38<br />

Energieerzeugung: Die Vorreiter der Wende.......... 40<br />

Energieeffizienz: Investitionen in die Sparsamkeit.... 42<br />

Mobilität: Berlin macht elektromobil....................... 43<br />

Kreislaufwirtschaft: Know-how mit Tradition......... 44<br />

Interview mit DIHK-Präsident Eric Schweitzer<br />

über die Perspektiven von GreenTech.................... 46<br />

W+M RATGEBER<br />

Finanzen:<br />

KfW unterstützt Unternehmen<br />

mit Energieeffizienzprogramm................................ 48<br />

Michael Bormann erläutert<br />

alternative Mittelstandsfinanzierungen................... 50<br />

Betriebliche Altersvorsorge schließt Rentenlücke...51<br />

Auto: Ergebnisse der großen<br />

W+M-Firmenwagen-Umfrage................................ 52<br />

Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste<br />

für Wirtschaftsliteratur............................................ 54<br />

Serie Thüringen<br />

Spitzen-Cluster Optik<br />

27<br />

W+M NETZWERK<br />

W+M Lounge im Berlin Capital Club:<br />

Die Finanzwelt im digitalen Wandel........................ 55<br />

Ostdeutsches Energieforum:<br />

Die Energiewende im Visier.................................... 56<br />

9. enviaM-Energiekonvent in Leipzig...................... 57<br />

VBKI-Sommerfest: Berlins schönste<br />

und wichtigste Party............................................... 58<br />

25-jähriges Verbandsjubiläum<br />

des UV Brandenburg-Berlin.................................... 59<br />

VBIW: Aktuelles aus dem Verein............................ 60<br />

Neues aus den Unternehmerverbänden................. 62<br />

Fotos: HC Plambeck (oben), Carl Zeiss Jena (Mitte), Thomas Schwandt (unten)<br />

12 Länderreport<br />

Rivalität der Fährlinien<br />

W+M PORTRÄTS<br />

Rolf Seelige-Steinhoff: Hotelier durch und durch... 64<br />

Georg Prinz zur Lippe: Weit mehr als ein Winzer... 65<br />

W+M DIE LETZTE SEITE<br />

Ausblick und Personenregister............................... 66<br />

W+M WEITERE BEITRÄGE<br />

Editorial...................................................................... 3<br />

Impressum................................................................ 4<br />

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt das Magazin W+M<br />

Exklusiv Thüringen bei. Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


6 | W+M KÖPFE<br />

Andreas Müller (39)<br />

Aue. Für Andreas Müller ist Rasieren ein Genuss: Nass natürlich,<br />

zehn Minuten lang und natürlich mit einem Mühle-Rasierpinsel.<br />

Unter diesem Namen vertreibt das Familienunternehmen<br />

seine exklusiven Produkte. Es wurde 1945<br />

vom Großvater Otto-Johannes Müller in Stützengrün<br />

im Erzgebirge gegründet und hat unter der Leitung<br />

seines Vaters Hans-Jürgen Müller nach 1990 die<br />

Marktführerschaft in der Branche erobert. Jetzt<br />

wurde die Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG<br />

mit dem großen Preis des Mittelstandes ausgezeichnet.<br />

Friedrich E. Blutner (66)<br />

Albrecht Pitschel (65)<br />

Geyer. Wertigkeit lässt sich auch<br />

hören, denn das Ohr kauft mit – so<br />

lautet die Geschäftsidee des promovierten<br />

Psychoakustikers, der<br />

im erzgebirgischen Geyer als Inhaber<br />

und Geschäftsführer eine einzigartige<br />

Firma betreibt: Mit seiner Synotec<br />

Psychoinformatik GmbH gibt er durch aufwändige Testreihen,<br />

akustische Versuche und Lautexperimente Produkten aller Art<br />

eine angenehme oder zumindest kaufanreizende „Stimme“.<br />

Denn Design sei heute mehr als Optik und Haptik, sagt Friedrich<br />

E. Blutner. Damit ist er in Deutschland Marktführer für psychoakustische<br />

Testsysteme.<br />

Thomas Möller (55)<br />

Greifswald. Thomas Möller heißt<br />

der neue Geschäftsstellenleiter<br />

des Unternehmerverbandes Vorpommern.<br />

Der gebürtige Greifswalder<br />

ist 55 Jahre alt und ein erfahrener<br />

Verbandsmanager. Dass hier ein<br />

ehemaliger Gewerkschaftsmanager künftig<br />

die Geschicke des Vorpommerschen Unternehmerverbands<br />

gestalten soll, mutet nur auf den ersten Blick etwas speziell<br />

an. Thomas Möller ist jedoch hoch motiviert; mehr Mitglieder,<br />

mehr Öffentlichkeitsarbeit und vieles andere mehr stehen bei<br />

ihm auf der Agenda. Das bewährte Team der Geschäftsstelle,<br />

allen voran der langjährige Geschäftsstellenleiter Wolfgang Kastirr,<br />

steht ihm dabei zur Seite.<br />

Bad Köstritz. Albrecht Pitschel hat<br />

die Köstritzer Brauerei zur Marktführerschaft<br />

bei Schwarzbier in<br />

Deutschland geführt. Im September<br />

wurde er nach 42 Jahren im Unternehmen<br />

in den Ruhestand verabschiedet.<br />

Der studierte Chemiker arbeitete<br />

als Direktor in der Brauerei, bevor ihn 1990 die Treuhand<br />

zum Geschäftsführer bestimmte. Dies blieb er auch nach der<br />

Übernahme durch die Bitburger-Gruppe. Sein Nachfolger ist<br />

Prokurist Uwe Helmsdorf.<br />

IN MEMORIAM<br />

Horst Kugler (77)<br />

Frankfurt (Oder). Horst Kugler,<br />

Mitbegründer und Ehrenmitglied<br />

des Vereins Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler<br />

e. V. (VBIW), Gründer<br />

des Ortsvereins Frankfurt (Oder) sowie<br />

zweier Arbeitskreise, ist am 20. September <strong>2015</strong> verstorben.<br />

Er trieb die Zusammenarbeit des Vereins mit der<br />

Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), dem Leibniz-Institut<br />

für innovative Mikroelektronik (IHP) und dem Gauß-<br />

Gymnasium der Stadt sowie der Stadtverwaltung maßgeblich<br />

voran. Mit letzterer organisierte er beispielsweise die<br />

Ausstellung „50 Jahre Halbleitertechnologie am Standort<br />

Frankfurt (Oder)“. <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> und der VBIW<br />

trauern um einen geschätzten Menschen.<br />

Fotos: Privat (oben), Harald Lachmann (Mitte links), Köstritzer (Mitte rechts), W+M (unten links), Privat (unten rechts)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


W+M KÖPFE | 7<br />

Fotos: Torsten George (links), Harald Lachmann (rechts)<br />

Peter-Michael Diestel (63)<br />

Zislow. Pünktlich zum 25. Jahrestag<br />

der Deutschen Einheit hat<br />

sich der letzte DDR-Innenminister<br />

und heutige Anwalt zu Wort gemeldet.<br />

Der Verlag Das Neue Berlin<br />

hat ein Streitgespräch zwischen Diestel<br />

und dem ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten,<br />

Bundesfinanzminister und späteren Linken-Chef Oskar<br />

Lafontaine aufgezeichnet und als<br />

Buch veröffentlicht. Unter dem Titel<br />

„Sturzgeburt – vom geteilten<br />

Land zur europäischen Vormacht“<br />

debattieren der konservative<br />

CDU-Mann Diestel und der Linke<br />

Lafontaine emotional, aber nicht<br />

unversöhnlich über das Zusammenwachsen<br />

und den steinigen<br />

Aufbruch der ostdeutschen Wirtschaft.<br />

Diestels Fazit: „Eine Sturzgeburt<br />

ist ein unvorhergesehenes<br />

Ereignis. Aber, wie jede Geburt,<br />

ist auch eine Sturzgeburt wieder<br />

ein Beginn eines großen Anfangs<br />

und eines großen Glücks.“<br />

Anne Schulz (49)<br />

Biesenthal. Vor kurzem feierte ihr Steinwerk im brandenburgischen<br />

Biesenthal (Landkreis Barnim) zehnjähriges Firmenjubiläum.<br />

Gegenwärtig arbeitet Anne Schulz hier mit ihren Mitstreitern<br />

aufwändige Sandsteinarbeiten für die Rekonstruktion einer<br />

Adlergruppe am Fortunaportal des Potsdamer Stadtschlosses.<br />

Nebenher betreut sie Kinder in Biesenthal und<br />

Bernau bei künstlerischen Schülerprojekten und<br />

organisiert alle zwei Jahre die deutsch-polnischen<br />

Bildhauersymposien. Und für<br />

ein ungewöhnliches Grabdenkmal<br />

in Form einer Zitronenschale<br />

gab es kürzlich auch eine Silbermedaille<br />

auf der Havel-Buga<br />

<strong>2015</strong>.<br />

W+M<br />

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Anmeldung und weitere Infos unter<br />

www.WundM.info/Club


8 | W+M NACHRICHTEN<br />

K+S FORSCHT<br />

Erfurt. Sein neues Forschungszentrum<br />

in Unterbreizbach hat der Kali-Produzent<br />

K+S im September eröffnet. Der DAX-<br />

Konzern hatte seinen Forschungs- und<br />

Analytikbereich aus Hessen nach Thüringen<br />

verlagert, 100 Wissenschaftler,<br />

Techniker und Ingenieure werden sich<br />

hier auch mit der Verringerung von Produktionsrückständen<br />

beschäftigen, für<br />

die K+S in der Kritik steht.<br />

WERFT WIRD ERWEITERT<br />

Rostock. Die Werft TAMSEN MARITIM<br />

will ihre Produktionsstätte in Rostock<br />

durch eine Wechselspuranlage erweitern,<br />

um zeitgleich mehrere große Schiffe<br />

bearbeiten zu können. In den Werkshallen<br />

können Schiffe mit einer Länge<br />

von bis zu siebzig Metern repariert oder<br />

neu gebaut werden. Außerdem werden<br />

Composite-Formbauteile für die Windindustrie<br />

gefertigt.<br />

HIGHTECH-FÖRDERUNG<br />

Das abgebaute Rohsalz wird an den Standorten der K+S KALI GmbH zu hochwertigen<br />

Düngemitteln und Industrieprodukten verarbeitet.<br />

NEUES WERK<br />

Rostock. Im Januar soll im neuen Werk<br />

bei Rostock des Medizintechnikspezialisten<br />

CLEARUM die Produktion aufgenommen<br />

werden, im September wurde<br />

im Industriegebiet Poppendorf Richtfest<br />

gefeiert. CLEARUM entwickelt, produziert<br />

und verkauft maßgeschneiderte Membranen<br />

für Dialysatoren, die in der Dialyse<br />

nierenkranker Patienten benötigt werden.<br />

Zunächst sollen 80 Arbeitsplätze entstehen,<br />

ein weiterer Ausbau ist geplant.<br />

KLEINER MITTELSTAND<br />

Leipzig. Sachsens Wirtschaft ist wesentlich<br />

kleinteiliger als jene im Altbundesgebiet.<br />

Nach einer Erhebung der Sachsen<br />

Bank beschäftigt jede sächsische<br />

Firma im Schnitt nur 86 Mitarbeiter. Unternehmen<br />

in den alten Bundesländern<br />

beschäftigen durchschnittlich 146 Mitarbeiter.<br />

Bodo Finger, Präsident der Vereinigung<br />

der sächsischen Wirtschaft,<br />

spricht in diesem Zusammenhang von<br />

einem „unerhört breiten Graben“. Einen<br />

Ausweg sieht er darin, dass die Unternehmen<br />

des größten ostdeutschen Landes<br />

mit vermehrten Innovationen weltmarktfähige<br />

Produkte kreieren und damit<br />

letztlich an Größe gewinnen.<br />

NACHFOLGER GESUCHT<br />

Halle. Nach einer Erhebung des Instituts<br />

für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn<br />

suchen 2.700 Familienunternehmen in<br />

Sachsen-Anhalt bis 2018 einen Nachfolger.<br />

Sie beschäftigen insgesamt 37.000<br />

Mitarbeiter. Einer Umfrage der IHK Halle-Dessau<br />

zufolge, finden jedoch mit 55<br />

Prozent mehr als die Hälfte der Firmenchefs<br />

in der Region Halle keinen Nachfolger.<br />

Die Gründe dafür sind laut IHK-<br />

Geschäftsführerin Antje Bauer teils auch<br />

selbstgemacht. So bereiteten sich Unternehmer<br />

oft „zu spät auf die Nachfolge<br />

vor“. Nach ihrer Erfahrung benötige die<br />

Suche nach einem geeigneten externen<br />

Kandidaten mindestens fünf Jahre. Viele<br />

Betriebe unterschätzten diese Herausforderung.<br />

Erschwert wird die Lage noch<br />

dadurch, dass nach Angaben des Netzwerkes<br />

Unternehmensnachfolge Sachsen-Anhalt<br />

lediglich bei 40 Prozent der<br />

Firmen der Stab in der eigenen Familie<br />

weitergereicht wird.<br />

Dresden. Sachsen will Unternehmen<br />

des Landes stärker beim Aufbau von<br />

Hightech-Fertigungsverfahren unterstützen.<br />

Laut Wirtschaftsminister Martin<br />

Dulig (SPD) stehen hierfür bis zu 70<br />

Millionen Euro bereit. Mit diesem Geld<br />

soll vor allem kleineren Firmen geholfen<br />

werden, denen das Risiko bislang<br />

zu groß ist. Dadurch jedoch, so Dulig,<br />

blieben neue, technisch machbare Verfahren<br />

noch zu oft im Versuchsstadium<br />

hängen. Um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

Sachsens zu erhalten, müsse sich<br />

das ändern.<br />

LIZENZ ERTEILT<br />

Berlin. Das junge Berliner Finanzunternehmen<br />

BillPay hat als erster deutscher<br />

Anbieter von abgesicherten Bezahlmethoden<br />

eine Lizenz der Bundesanstalt für<br />

Finanzdienstleistungsaufsicht nach dem<br />

Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)<br />

erhalten. Mit BillPay können Verbraucher<br />

und Handelsunternehmen die Bezahlmethoden<br />

Rechnungskauf und Lastschrift<br />

sowie PayLater-Teilzahlung abwickeln.<br />

Mit über fünf Millionen Kunden und<br />

mehr als 5.000 Handelspartnern ist das<br />

Unternehmen deutscher Marktführer im<br />

Segment der Zahlungsdienste. Insbesondere<br />

bei Käufen im Internet werden aufgrund<br />

des Ausfall- und Betrugsrisikos immer<br />

weniger Gelder direkt vom Kunden<br />

an den Händler gezahlt, sondern über<br />

Dienstleister, die dann die Bonitätsprüfung<br />

und die Zahlungsabwicklung übernehmen.<br />

Foto: K+S Aktiengesellschaft<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


W+M NACHRICHTEN | 9<br />

Foto: Wolfgang Wehl/pixelio.de<br />

OSTDEUTSCHE SPARMEISTER<br />

Die Frauenkirche in Dresden.<br />

SEHENSWERTES<br />

SACHSEN<br />

Frankfurt/Main. Laut einer Online-<br />

Umfrage der Deutschen Zentrale<br />

für Tourismus (DZT) zählt auch eine<br />

Reihe von Destinationen in Sachsen<br />

zu den 100 beliebtesten Sehenswürdigkeiten<br />

in Deutschland.<br />

Hierzu gehören die Frauenkirche<br />

in Dresden (Platz 15), der Nationalpark<br />

Sächsische Schweiz (19),<br />

die Altstadt von Dresden (22), die<br />

Semperoper Dresden (Platz 51),<br />

der Zwinger Dresden (53), die Altstadt<br />

von Görlitz (80), das Völkerschlachtdenkmal<br />

Leipzig (70) und<br />

der Kanupark Markkleeberg (88).<br />

Zu den Top 10 gehören aus dem<br />

Osten Deutschlands nur das Brandenburger<br />

Tor (5) und die Relikte<br />

der Berliner Mauer (9).<br />

www.WundM.info<br />

Berlin. Trotz der belastenden Niedrigzinsphase<br />

zeigen sich die Sparkassen<br />

in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen und Sachsen-Anhalt zufrieden<br />

mit der Geschäftsentwicklung<br />

im ersten Halbjahr <strong>2015</strong>. Wie der Ostdeutsche<br />

Sparkassenverband bei der<br />

Vorstellung der Halbjahres-Ergebnisse<br />

mitteilte, erwiesen sich die Ostdeutschen<br />

<strong>2015</strong> als echte Sparmeister.<br />

Das Geldvermögen der Privatkunden<br />

wuchs in den ersten sechs Monaten<br />

um 3,3 Milliarden Euro auf 116,7<br />

Milliarden Euro. Auch die Kreditnachfrage,<br />

insbesondere seitens der Unternehmen,<br />

nahm zu. Die 45 OSV-Mitgliedssparkassen<br />

vergaben an Unternehmen<br />

und Selbstständige neue Kredite<br />

in Höhe von 2,2 Milliarden Euro,<br />

318 Millionen Euro mehr als im Vorjahreszeitraum.<br />

Mittelfristig erwarten die<br />

ostdeutschen Sparkassen allerdings bei<br />

einer weiter anhaltenden Niedrigzinssituation<br />

spürbare Ertragseinbrüche.<br />

MEHR RISIKO BEI ANLAGEN<br />

Frankfurt/Main. Das niedrige Zinsniveau<br />

verändert das Anlageverhalten<br />

deutscher Unternehmen. Dies belegt<br />

eine Studie der Fachhochschule des<br />

Mittelstands in Bielefeld (FHM) in Kooperation<br />

mit der Commerzbank. Um<br />

eine gewünschte Mindestverzinsung<br />

zu erreichen, sind Mittelständler demnach<br />

wieder bereit, mehr ins Risiko zu<br />

gehen. So würde jeder zehnte Befragte<br />

für eine Rendite von drei Prozent sogar<br />

starke Kursschwankungen in Kauf<br />

nehmen. Trotz ihrer hohen Sicherheitsaffinität<br />

sind Mittelständler für eine höhere<br />

Rendite oder zur Vermeidung von<br />

Negativzinsen auch bereit, ihr Geld länger<br />

anzulegen. So werden bei der Anlage<br />

von Liquidität mittlerweile Laufzeiten<br />

von sechs Monaten bis zu einem<br />

Jahr bevorzugt. Die Mehrheit der<br />

Mittelständler rechnet damit, dass die<br />

Zeit der niedrigen Zinsen noch andauern<br />

wird. 57 Prozent der Befragten halten<br />

einen Zeitraum von drei Jahren für<br />

denkbar.<br />

VERBAND GEGRÜNDET<br />

Annaberg-Buchholz. 18 Vertreter und<br />

Förderer der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

hoben Mitte September den<br />

Branchenverband Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

Erzgebirge e. V. aus der Taufe.<br />

Besonders Vertreter aus Werbung<br />

und Designwirtschaft wollen damit den<br />

Besonderheiten der Region Rechnung<br />

tragen. Zugleich streben sie die grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit mit<br />

Branchenunternehmen in Tschechien<br />

an. Eingebunden in die Arbeit des neuen<br />

Verbandes wird auch das regionaltypische<br />

Kunsthandwerk.<br />

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10 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Industrie 4.0 –<br />

Chance oder Risiko?<br />

Experten nennen es die vierte industrielle Revolution: Mit Industrie<br />

4.0., der Digitalisierung von Maschinen und Komponenten, steht dem<br />

deutschen Maschinenbau ein bedeutender Innovationsschub, aber<br />

auch ein härterer Wettbewerb bevor. Von Matthias Salm<br />

„Dafür spricht sowohl ihre führende Rolle<br />

im globalen Maschinenbau und in der Automatisierung<br />

als auch die Spitzenstellung<br />

der deutschen Industrie in der Sensor- und<br />

Messtechnik.“<br />

Noch scheint Industrie 4.0 für viele<br />

mittelständische Unternehmen<br />

eher eine mit vielen Fragezeichen<br />

verbundene Zukunftsvision darzustellen<br />

als eine konkret planbare unternehmerische<br />

Realität. Eine aktuelle Umfrage der<br />

Commerzbank unter Führungskräften der<br />

mittelständischen Wirtschaft legt die vorhandene<br />

Unsicherheit hinsichtlich der Bedeutung<br />

von Industrie 4.0 offen. Mit dem<br />

großen Schlagwort Industrie 4.0 verbinden<br />

derzeit nur 19 Prozent der Unternehmen<br />

Chancen, heißt es in der Studie. Dies<br />

bestätigt auch Reinhard Pätz, Geschäftsführer<br />

des Verbandes Deutscher Maschinen-<br />

und Anlagenbau (VDMA) Ost: „Noch<br />

nicht alle Unternehmen sehen einen konkreten<br />

Nutzen oder Möglichkeiten der eigenen<br />

Umsetzung.“<br />

Dabei ist sicher: Die vierte industrielle<br />

Revolution wird die Produktion nachhaltig<br />

verändern. Maschinen und Produkte<br />

werden künftig mit eigenen Internetadressen<br />

ausgestattet und konsequent mittels<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

vernetzt – von der Logistik<br />

über Produktion und Marketing bis hin<br />

zum Service.<br />

Für den deutschen Maschinenbau eröffnet<br />

die Digitalisierung neue Wachstumspotenziale.<br />

Allerdings nur, wenn es ihm beispielsweise<br />

zuvor gelingt, das Software-<br />

Know-how auszubauen sowie die Produktion<br />

stärker zu strukturieren. Zudem wird<br />

Industrie 4.0 dem Maschinenbau Investitionen<br />

abverlangen, die sich erst langfristig<br />

amortisieren. „Dennoch fällt den deutschen<br />

Maschinenbauern bei der Entwicklung<br />

von Industrie 4.0 gemeinsam mit der<br />

IT-Branche eine Schlüsselrolle zu“, erklärt<br />

Thomas Enck, Co-Autor des Branchenreports<br />

Maschinenbau der Commerzbank.<br />

Die ersten Vorboten der neuen Produktionswelt<br />

sind auch in Ostdeutschland<br />

längst im Einsatz. „In Zusammenarbeit<br />

mit den exzellenten Forschungseinrichtungen<br />

in den ostdeutschen Bundesländern<br />

und Berlin sind schon ganz konkrete<br />

Lösungen für die industrielle Praxis entwickelt<br />

worden“, weiß VDMA-Ost-Geschäftsführer<br />

Pätz. Bereits heute bestehen<br />

laut Verband deutsche Maschinenbauprodukte<br />

zu 30 Prozent aus Software<br />

und Automatisierungstechnik.<br />

Hochentwickelte Fertigungsanlagen arbeiten<br />

bereits nahezu vollautomatisch. „Noch<br />

werden sie allerdings in der Regel über<br />

Zentralrechner gesteuert und reagieren<br />

relativ unflexibel auf Änderungsbedarf“,<br />

so Commerzbank-Branchenexperte Enck.<br />

Künftige 4.0-Systeme seien mit dezentraler<br />

Intelligenz ausgestattet und werden<br />

über Informationen in Echtzeit verfügen.<br />

Sie können Korrekturbedarf eigenständig<br />

Foto: Bosch<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


OSTDEUTSCHLAND | 11<br />

Foto: W+M<br />

erkennen und sich anpassen. Starre Produktionsprozesse<br />

werden so flexibler. Die<br />

vernetzte Maschine wird sich selbst dezentral<br />

überwachen und ihre Wartung eigenständig<br />

vorausschauend steuern.<br />

„Für den Übergang zur Industrie 4.0 gilt es<br />

für die Maschinenbauer gemeinsam mit<br />

der Meß-, Sensorik- und IT-Branche, einen<br />

neuen Industriestandard zu etablieren“,<br />

fordert Enck. Daneben müssen maßgeschneiderte<br />

Kundenlösungen und Unikate<br />

künftig stärker durch standardisierte<br />

und modularisierte Produktbaukästen<br />

realisiert werden. ERP- und MES-Systeme<br />

– also Unternehmens- und Produktionsplanungssysteme<br />

– sind weiter zu integrieren.<br />

Aktuell mangelt es dafür noch an einheitlichen<br />

Standards für Kommunikation, Infrastruktur<br />

und Smart-Devices. Zudem<br />

sorgen sich Maschinenbauer und deren<br />

Kunden, dass mit der zunehmenden Vernetzung<br />

unberechtigte Dritte auf die Unternehmensdaten<br />

zugreifen können. Auch<br />

die Rahmenbedingungen müssen stimmen:<br />

„Viele Grundlagen der Informationstechnologie<br />

und Hardware sind bereits<br />

vorhanden“, so Pätz. „Die Rahmenbedingungen<br />

wie eine gut ausgebaute<br />

Breitband-Infrastruktur oder die rechtlichen<br />

Grundlagen für die Nutzung von ‚Big<br />

Data‘ muss die Politik schaffen.“<br />

Investitionen in Industrie 4.0 werden für<br />

die Zukunft des deutschen Maschinenbaus<br />

entscheidend sein. Sie müssen sowohl<br />

Hightech- als auch Midtech-Produkte<br />

entwickeln. Einerseits um ihre Position<br />

in den Hauptmärkten zu sichern, andererseits<br />

um an den stark wachsenden Emerging<br />

Markets partizipieren zu können. „Unternehmen<br />

des deutschen Maschinen- und<br />

Anlagenbaus lassen die Vision Industrie 4.0<br />

Wirklichkeit werden", ist sich Reinhard Pätz<br />

sicher und denkt dabei an Unternehmen<br />

wie die Trebing & Himstedt Prozessautomation<br />

GmbH & Co. KG aus Schwerin oder<br />

die N+P Informationssysteme GmbH aus<br />

dem sächsischen Meerane.<br />

Doch es drohen den Maschinenbauern<br />

auch Gefahren für das eigene Geschäftsmodell.<br />

Unternehmen, die das Thema Industrie<br />

4.0 zu zögerlich angehen, werden<br />

feststellen, dass ihre Produkte in einigen<br />

Jahren nicht mehr den Ansprüchen<br />

der sich vernetzenden Industrien gerecht<br />

werden können, im schlimmsten Fall droht<br />

gar das Aus am Markt. Die Digitalisierung<br />

verschärft zudem den Wettbewerb durch<br />

bisher Branchenfremde. Google zum Beispiel<br />

investiert bereits vermehrt in industrielle<br />

Bereiche wie autonome Fahrzeuge,<br />

Robotik oder Gebäudetechnik. W+M<br />

DIGITALISIERUNG UMFASSEND PLANEN<br />

Holger Werner ist Bereichsvorstand Corporate Banking &<br />

Mittelstandsbank Ost der Commerzbank AG. W+M sprach mit<br />

ihm über die Finanzierung von Investitionen in die Industrie 4.0.<br />

W+M: Herr Werner, welche Rolle spielt<br />

der Stand der Digitalisierung bei der Bewertung<br />

eines Unternehmens durch die<br />

Commerzbank?<br />

Holger Werner: Das ist abhängig von<br />

der Branche. Wichtig ist es, dass das<br />

Unternehmen ein nachhaltiges und stabiles<br />

Geschäftsmodell hat, daher ist es<br />

zwingend erforderlich, dass das Thema<br />

Digitalisierung umfassend durch das Management<br />

beleuchtet wurde und dies in<br />

der strategischen Planung Einfluss findet,<br />

um im Wettbewerb bestehen zu können.<br />

W+M: Die Digitalisierung wird auch die<br />

Geschäftsmodelle von Unternehmen beeinflussen.<br />

Wie bewerten Sie diesen Einfluss?<br />

Holger Werner: Grundsätzlich ist der<br />

Punkt sehr inhaltsschwer, weil die<br />

Bandbreite der Betroffenheit beziehungsweise<br />

des Einflusses sehr groß<br />

ist – von der Optimierung der Arbeitsabläufe<br />

über neue Produkte und die Erweiterung<br />

des Geschäftsmodells bis hin<br />

zum Wegfall von Geschäftsmodellen.<br />

W+M: Was bedeutet dies für das Rating<br />

eines Unternehmens?<br />

Holger Werner: Ein Teil der Ratingbewertung<br />

befasst sich mit den finanzwirtschaftlichen<br />

Zahlen; wenn also ein Unternehmen<br />

auch erfolgreich die Digitalisierung<br />

über die gesamte Wertschöpfungskette<br />

umsetzt und es somit auch<br />

seine Marktstellung nachhaltig und stabil<br />

steuern kann.<br />

Daneben betrachten wir auch die weichen<br />

Faktoren, die sich mit dem Geschäftsmodell<br />

des Unternehmens als<br />

auch mit seiner strategischen Zukunftsplanung<br />

beschäftigen, wie etwa Fragestellungen<br />

über Markt und Wettbewerb,<br />

Lieferanten und Abnehmer.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


12 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Zum dichten Routennetz von Finnlines auf<br />

der Ostsee gehören auch Verbindungen<br />

zwischen Rostock und Finnland.<br />

Viel Bewegung<br />

auf dem Fährmarkt Ostsee<br />

Die deutschen Fährhäfen an der Ostseeküste besitzen eine<br />

Scharnierfunktion für die Güterverkehre zwischen Nord- und<br />

Mitteleuropa. Welchen Weg die Fracht über die Ostsee nimmt,<br />

entscheiden Frachttarife, Service und Fahrzeit. Ein verschärfter<br />

Wettbewerb und veränderte Rahmenbedingungen setzen dem<br />

Fährgeschäft zu. Von Thomas Schwandt<br />

Nach Skandinavien führen viele<br />

Wege, die meisten übers Wasser.<br />

Zahlreiche Ostsee-Fährlinien verbinden<br />

als schwimmende Brücken den<br />

Norden Europas mit dem kontinentalen<br />

Festland. Seit mehr als 100 Jahren pendeln<br />

zum Beispiel Fährschiffe zwischen<br />

Rostock und dem süddänischen Gedser<br />

sowie auf der „Königslinie“ zwischen<br />

Sassnitz auf Rügen und Trelleborg (Südschweden).<br />

Die regelmäßigen Linienverkehre<br />

bilden seit jeher eine verlässliche<br />

Konstante für den Güter- und Warenaustausch<br />

über die Ostsee und für die Urlauber-<br />

und Touristenströme auf der europäischen<br />

Nord-Süd-Achse.<br />

Mit dem Wegfall der Grenzen in Ostdeutschland<br />

vor 25 Jahren geriet das etablierte<br />

Fährgeschäft in unruhiges Fahrwasser.<br />

In der südlichen Ostsee verschärfte<br />

sich unter den marktoffenen Bedingungen<br />

der Wettbewerb. Die traditionell von Lübeck<br />

aus gen Schweden operierende Fährreederei<br />

TT-Line expandierte zum Beispiel<br />

1992 nach Osten, nahm zwischen Rostock<br />

und Trelleborg einen zusätzlichen Liniendienst<br />

auf. Sechs Jahre später fusionierten<br />

die Fährreedereien Scandlines Danmark<br />

A/S und Deutsche Fährgesellschaft Ostsee<br />

(DFO). Das deutsch-dänische Unternehmen<br />

Scandlines avancierte zu einer der<br />

größten Fährreedereien in der Ostsee. Mit<br />

innerdänischen Routen und Liniendiensten<br />

im Länderdreieck Dänemark, Deutschland<br />

und Schweden. In den folgenden Jahren<br />

wurde das Routennetz nach Finnland und<br />

dem Baltikum erweitert.<br />

Eine starke konjunkturelle Entwicklung zu<br />

Beginn des neuen Jahrtausends in den<br />

Anrainerstaaten, vor allem in Skandinavien,<br />

Russland und dem Baltikum, bescherte<br />

den Reedereien ein hohes Frachtaufkommen.<br />

Zu einer Zäsur kam es in der<br />

schweren Wirtschafts- und Finanzkrise<br />

2008/09. Im Seehafen Rostock etwa,<br />

dem größten Universalhafen an der deutschen<br />

Ostseeküste, der nahezu zwei Drittel<br />

seines Güterumschlags über Fähr- und<br />

Roll-on/Roll-off-Verkehre generiert, brach<br />

binnen eines Jahres das Frachtaufkommen<br />

um 20 Prozent ein. Das hatte zur<br />

Folge, dass die Fährreedereien zwischenzeitlich<br />

die Fahrpläne ausdünnten und die<br />

Einsätze ihrer Fährschiffe miteinander koordinierten.<br />

Bei jeder Überfahrt war die<br />

Hoffnung mit an Bord, das wirtschaftliche<br />

Umfeld möge sich alsbald wieder<br />

aufhellen.<br />

In den zurückliegenden Jahren konnten<br />

die meisten deutschen Ostsee-Fährhäfen<br />

zwischen Kiel und Sassnitz wieder<br />

spürbare Zuwächse bei Fracht und Passagieren<br />

verbuchen. Rostock verzeichnete<br />

im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> auf seinen drei<br />

Foto: Thomas Schwandt<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


MECKLENBURG-VORPOMMERN | 13<br />

Fähr- und drei Roll-on/Roll-off-Verbindungen<br />

nach Dänemark, Schweden und Finnland<br />

einen Anstieg bei transportierter rollender<br />

Fracht um 13 Prozent auf 7,4 Millionen<br />

Tonnen.<br />

Mitnichten aber haben sich die Wogen<br />

im Fährgeschäft geglättet. Seit Jahresbeginn<br />

<strong>2015</strong> geltende verschärfte Umweltauflagen<br />

für die Nord- und Ostsee,<br />

wonach der Schiffstreibstoff nur noch<br />

0,1 Prozent Schwefel enthalten darf.<br />

Diese haben die Reedereien vor ein Kostenproblem<br />

gestellt. Marinegasöl erfüllt<br />

zwar im Gegensatz zum bisher verwendeten<br />

Schweröl das strenge Schwefellimit,<br />

doch es ist deutlich teurer. Um circa<br />

200 US-Dollar pro Tonne. Das löste<br />

eine hektische Suche nach technologischen<br />

Alternativen aus. Scandlines beispielsweise<br />

entschied sich für einen batteriegestützten<br />

Hybrid-Antrieb und rüstete<br />

die Fähren um. Stena Line betreibt<br />

eine ihrer zwei Fähren auf der Route Kiel–<br />

Göteborg seit diesem Jahr mit Methanol<br />

und die Lübecker TT-Line experimentiert<br />

auf einem Schiff ihrer Flotte mit einem<br />

Scrubber, der den Schwefel aus den Abgasen<br />

abscheidet. Befürchtungen kamen<br />

auf, dass sich durch höhere Frachttarife<br />

die Ladungsströme von See auf parallele<br />

Lkw-Verkehre verlagern könnten. Wider<br />

Erwarten drehte sich in diesem Jahr der<br />

Wind auf dem Ölmarkt, das Marinegasöl<br />

verbilligte sich und minderte den Kostendruck.<br />

So geht Ron Gerlach, Routenmanager<br />

bei Stena Line, davon aus, „dass<br />

trotz des Schwefellimits das Frachtvolumen<br />

in diesem Jahr ein gleichhohes Niveau<br />

wie 2014 erreicht“. Im Vorjahr legte<br />

Stena auf der Linie Rostock–Trelleborg<br />

bei Cargo um sechs Prozent zu.<br />

DEUTSCHE OSTSEE-FÄHRLINIEN<br />

Rostock–Gedser (Dänemark)<br />

Rostock–Trelleborg (Schweden)<br />

Rostock–Hanko (Finnland)<br />

Sassnitz–Trelleborg (Schweden)<br />

Puttgarden–Rødby (Dänemark)<br />

Kiel–Göteborg (Schweden)<br />

Kiel–Klaipeda (Litauen)<br />

Travemünde–Trelleborg (Schweden)<br />

Travemünde–Malmö (Schweden)<br />

Insgesamt nähert sich der Frachtverkehr<br />

im Ostseeraum dem Vorkrisenniveau nur<br />

langsam wieder an. Zuletzt wurde er heftig<br />

gebremst durch die wirtschaftspolitischen<br />

Sanktionen gegenüber Russland<br />

und die anhaltende Krisensituation in einigen<br />

südeuropäischen Ländern. Dadurch<br />

geriet der Frachtmarkt extrem in Bewegung.<br />

Güterströme suchen sich kurzfristig<br />

den kostengünstigsten Weg über die<br />

Ostsee. Elektronische Buchungssysteme,<br />

durchgängige Logistikketten und<br />

ein großes Angebot an modernen Fährschiffen<br />

bieten den Befrachtern und<br />

Speditionen vielfältige Transportlösungen.<br />

Die Fährreedereien reagieren unter<br />

anderem mit flexiblen Liniendiensten.<br />

So hat die Reederei Finnlines ein dichtes<br />

Netz von Routen aufgezogen, die je<br />

nach Frachtaufkommen mit multifunktionalen<br />

Schiffen bedient werden. TT-Line<br />

offeriert den Kunden im Dreieck Travemünde–Rostock–Trelleborg<br />

einen auf<br />

präferierte Fahrzeiten und Transportbedarfe<br />

zugeschnittenen Fahrplan. Stena<br />

Line hingegen hat sich auf der „Königslinie“<br />

zwischen Sassnitz und Trelleborg<br />

der Marktlage gebeugt. Vor einem Jahr<br />

nahm die schwedische Reederei mit der<br />

„Trelleborg“ eines ihrer zwei Fährschiffe<br />

auf der Destination dauerhaft aus<br />

dem Dienst. Ein Grund dafür ist auch<br />

die wachsende Konkurrenz des benachbarten<br />

polnischen Hafens Świnoujście<br />

(Swinemünde), von wo ebenfalls Fährlinien<br />

nach Trelleborg abgehen. Diesem<br />

Trend folgend hat TT-Line ein weiteres<br />

Mal ihren Aktionsradius gen Osten ausgedehnt<br />

und eröffnete zu Jahresbeginn<br />

2014 von Świnoujście aus einen eigenen<br />

Trelleborg-Dienst.<br />

Das einst zu den größten Fährreedereien<br />

zählende Schifffahrtsunternehmen Scandlines<br />

passte sich in jüngster Vergangenheit<br />

in seiner Firmenstruktur dem harten<br />

Wettbewerb auf der Ostsee an. Etliche<br />

Linien und Fährschiffe wurden verkauft.<br />

Heutzutage beschränkt sich Scandlines<br />

auf die Kurzstrecken Puttgarden–Rødby<br />

(Dänemark), Rostock–Gedser (Dänemark)<br />

und Helsingør (Dänemark)–Helsingborg<br />

(Schweden). Als einzige Fährreederei hat<br />

Scandlines zuletzt jedoch in den Neubau<br />

von Fährschiffen investiert. Ab diesem<br />

Herbst soll zunächst die neue „Berlin“<br />

und zwei Monate später die typgleiche<br />

„Copenhagen“ auf der Gedser-Linie eingesetzt<br />

werden. Sie lösen die alten Schiffe<br />

ab, mit den neuen verdoppelt sich die<br />

bisherige Fracht- und Passagierkapazität<br />

auf der Route von Rostock. W+M<br />

Foto: Thomas Schwandt<br />

Die Scandlines-Fähre „Kronprins Frederik“ verkehrt auf der Route Rostock–Gedser und soll demnächst durch einen Neubau ersetzt werden.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


14 | W+M LÄNDERREPORT SACHSEN<br />

EXKLUSIVE BUCHKUNST<br />

Robert Müller führt in Gerichshain bei Leipzig eine Buchbinderei,<br />

die ihre handwerklich gearbeiteten Kleinodien selbst an den<br />

Buckingham-Palast liefert. Von Harald Lachmann<br />

Das sei schon „mehr als ein Buch“,<br />

eher ein „außergewöhnliches und<br />

ambitioniertes Projekt, was aber<br />

schon zu uns passt“, schwärmte FC-Bayern-Chef<br />

Karl-Heinz Rummenigge, als er<br />

den Band in der Hand hielt. Gemeint war<br />

die Chronik, die ihm eine sächsische Buchbinderei<br />

zum 111-jährigem Vereinsjubiläum<br />

fertigte: 70 Zentimeter hoch, 552 Seiten<br />

stark, 30 Kilogramm schwer und stolze<br />

2.999 Euro teuer. „Und jedes einzelne<br />

der 4.111 Exemplare entstand per Hand,<br />

ist ein Unikat“, betont Robert Müller, der<br />

geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens<br />

in Gerichshain.<br />

Angesichts dieser Dimensionen steckten<br />

hier auch zwei Jahre Entwicklungszeit drin,<br />

so der 49-Jährige. Zugute kam ihm dabei,<br />

dass er sein Fach noch zu DDR-Zeiten im<br />

historischen Leipziger Handwerk erlernte.<br />

So griff er für die FC-Bayern-Chronik<br />

auf eine uralte Bibelbindetechnik zurück,<br />

wie sie kaum noch einer beherrscht. Eine<br />

Augenweide<br />

bildet allein<br />

der Einband:<br />

Die Holzdecke<br />

besteht<br />

aus mahagonifarben gebeiztem Birkenholz,<br />

der Buchrücken ist mit Rindsleder<br />

verkleidet.<br />

Natürlich sei solch ein Auftrag eine Sternstunde,<br />

gesteht Müller. Doch solche gibt<br />

es inzwischen einige für die Sachsen. Stolz<br />

zeigt er etwa ein Muster eines ähnlich majestätischen<br />

Wälzers, den die italienische<br />

Nobelwagenschmiede Bugatti zum 75.<br />

Geburtstag von VW-Manager Ferdinand<br />

Piëch in Gerichshain fertigen ließ. Dabei<br />

handelt es sich ebenso um ein erlesenes<br />

Einzelexemplar wie bei einem dicken Brevier,<br />

in dem inzwischen Britanniens Königin<br />

Elisabeth II. blättert: Es vereint Fotos<br />

der teuersten Diamanten der Welt.<br />

Die Aufträge kämen meist über Agenturen,<br />

teils auch anspruchsvolle Druckereien,<br />

erzählt Müller. Mit ihrer hohen Qualität<br />

hätten sie sich halt einen Namen gemacht<br />

– zugleich aber auch mit ihrer Schlagkraft.<br />

Denn handwerklich fitte Buchbinder gebe<br />

es sicher hier und da noch einen, meist<br />

wirkten diese aber in kleinen Manufakturen,<br />

also ohne den Background einer potenten<br />

Industriebinderei mit dutzenden Beschäftigten.<br />

Geschäftsführer Robert Müller<br />

Mithin bewältigen die Sachsen einen Spagat,<br />

wie man ihn in ihrem Metier kaum<br />

noch findet: hier atemberaubende Handwerkskunst,<br />

dort Industriepower auf<br />

6.500 Quadratmetern Hallenfläche. „Wir<br />

können am Tag bis 200.000 Zeitschriften,<br />

Kataloge oder Broschüren sowie 20.000<br />

Bücher binden“, so der Geschäftsführer.<br />

Aber selbst in diesem Volumengeschäft<br />

beweist sich das Familienunternehmen –<br />

Bruder Felix ist Technischer Leiter – noch<br />

mit exklusivem Können. So fasst man<br />

halt auch die weltweit kleinsten industriell<br />

gebundenen Bücher zwischen zierliche<br />

Buchdeckel – etwa die 50 mal 62 Millimeter<br />

winzigen Miniaturbücher, die schon<br />

lange vor 1990 in Leipzig entstanden. Quasi<br />

unsterblich machte sich die Firma auch<br />

durch die Minibibliothek des BuchVerlages<br />

für die Frau: Deren pittoreske Back-, Garten-<br />

oder Brauchtumsbüchlein im Format<br />

62 mal 95 Millimeter binden Müllers ebenso<br />

seit Jahrzehnten. „Alles was knifflig ist,<br />

kommt bis heute zu uns“, schmunzelt der<br />

Chef. Und so gründete man für fingerfertige<br />

Exklusivsachen auch noch eine eigene<br />

Müller Buchmanufaktur. W+M<br />

Schon seit DDR-Zeiten<br />

werden durch die<br />

Leipziger Buchbinderei<br />

Müller – damals noch im<br />

Rahmen einer Produktionsgenossenschaft<br />

des<br />

Handwerks (PGH) – die<br />

berühmten Mini bücher<br />

gefertigt.<br />

Fotos: Harald Lachmann<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


LÄNDERREPORT BRANDENBURG | 15<br />

PASSGENAUE IMPFSTOFFE<br />

Dagmar Köhler-Repp gründete nach dem Biologiestudium 2003<br />

das RIPAC-LABOR. Inzwischen ist aus der Einzelunternehmerin die<br />

Chefin eines modernen Diagnostik-Unternehmens in Potsdam-Golm<br />

geworden – und Unternehmerin des Jahres. Von Dr. Ulrich Conrad<br />

Am Anfang stand – nein, keine Garage,<br />

sondern ein Labor im Keller.<br />

Dagmar Köhler-Repp ließ sich von<br />

ihrem Vater für den Gang in die Selbstständigkeit<br />

begeistern, das Elternhaus<br />

wurde ihr erster Firmenstandort. Heute<br />

arbeitet sie mit über 20 Mitarbeitern und<br />

eigener Forschungsabteilung im Technologiezentrum<br />

GO:IN. Dieses befindet<br />

sich in Sichtweite der Universität Potsdam,<br />

neben dem Fraunhoferinstitut für<br />

Zelltherapie und Immunologie und gegenüber<br />

dem Max-Planck-Campus. Der<br />

wirtschaftliche Erfolg hält an, und auch<br />

die gesellschaftliche Anerkennung blieb<br />

nicht aus: 2014 wurde die 40-Jährige als<br />

Unternehmerin des Jahres im Land Brandenburg<br />

ausgezeichnet.<br />

14.000 Liter Impfstoff verlassen pro Jahr<br />

das RIPAC-LABOR, Tendenz steigend.<br />

Geimpft werden Geflügel, Schweine,<br />

Rinder – kleine Landwirtschaftsbetriebe<br />

sind ebenso Kunden wie große Tierzuchtunternehmen.<br />

Die Impfungen zur Anregung<br />

der körpereigenen Abwehrstoffe<br />

werden sowohl zur Prophylaxe als auch<br />

bei notwendiger Therapie erkrankter Tiere<br />

eingesetzt. Aus der Nische hat sich<br />

das Potsdamer Biotechnologieunternehmen<br />

herausgearbeitet, die Leidenschaft<br />

für das Neue ist geblieben. „Wir waren<br />

Vorreiter beim Einsatz eines hochmodernen<br />

Massenspektrometrie-Gerätes in der<br />

Diagnostik, mit dem wir innerhalb von Sekunden<br />

wissen, welche Bakterien in der<br />

Probe enthalten sind“, erläutert Dagmar<br />

Köhler-Repp. „Die Tests dauerten vorher<br />

zum Teil lange und erforderten zudem<br />

jahrelange Erfahrung des Mikrobiologen.“<br />

Die Mitarbeiter sind Fachleute auf<br />

verschiedenen Gebieten – Veterinärmediziner,<br />

Biologen, Biochemiker, Medizinische,<br />

Veterinärmedizinische oder Biotechnologische<br />

Assistenten, Agrarwissenschaftler,<br />

sieben von ihnen promoviert.<br />

Ein hochkarätiges Team, das den<br />

Austausch mit Wissenschaftlern auf dem<br />

Campus pflegt und die eigenen Kompetenzen<br />

einbringt. „In diesem Klima entstehen<br />

neue Ideen und Kontakte, die für<br />

unsere Entwicklung wertvoll sind“, so<br />

Dagmar Köhler-Repp.<br />

Seit 2014 wird ein umfangreiches Forschungsprojekt<br />

mit Fördermitteln des<br />

Bundesforschungsministeriums umgesetzt.<br />

Der Markt ist riesig, nicht nur in<br />

Deutschland. Im Juni gründete die Unternehmerin<br />

mit einem polnischen Partner<br />

ein Tochter-Labor im polnischen Zielona<br />

Góra, die Tierproduktion im Nachbarland<br />

bietet interessante Perspektiven. W+M<br />

Foto: RIPAC-LABOR<br />

Die Geschäftsidee, von ihrem<br />

Vater mitentwickelt,<br />

der als Leiter der Bakteriologie<br />

im Landeslabor<br />

das Problem genau kannte,<br />

ist aktueller denn je.<br />

„Der Antibiotikaeinsatz in<br />

der Tierhaltung muss gesenkt<br />

werden, dazu leisten<br />

wir mit bestandsspezifischen<br />

Impfstoffen einen<br />

wichtigen Beitrag“,<br />

erklärt die Unternehmerin.<br />

„Rund 300 Proben erhalten<br />

wir im Monat aus<br />

Betrieben, bei denen die<br />

Tierärzte eine bakterielle<br />

Infektion vermuten. Die<br />

Analyse zeigt, ob und welche<br />

pathogenen Bakterien<br />

vorhanden sind. Auf dieser<br />

Basis stellen wir dann<br />

die jeweils passgenauen<br />

Impfstoffe zur Immunisierung<br />

der Tierbestände<br />

her.“<br />

Dagmar Köhler-Repp mit ihrem Mitarbeiter Dr. Martin Metzner im Labor.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


16 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Verladung von „Transition Pieces“ im<br />

Industriehafen Lubmin.<br />

INVESTITIONS- UND<br />

PRODUKTIONSSTANDORT<br />

MIT MARITIMER KOMPETENZ<br />

Vorpommern, die nordöstliche und<br />

sonnenreichste Region Deutschlands,<br />

bietet nicht nur die Ostsee<br />

vor der Haustür, sondern auch hervorragende<br />

wirtschaftliche Bedingungen.<br />

Nahe den Großräumen Hamburg<br />

und Berlin gelegen, verfügt der Standort<br />

mit seinen ausgebauten und modernisierten<br />

Ostseehäfen, die über die Küstenautobahn<br />

A20 und das Schienennetz<br />

gut erreichbar sind, über ideale Standortvorteile.<br />

Die zentrale Lage im Ostseeraum,<br />

attraktive und günstige Industrieund<br />

Gewerbeflächen, hohe Fördersätze<br />

von bis zu 40 Prozent der Investitionskosten,<br />

niedrige Gewerbesteuer-Hebesätze,<br />

schnelle Genehmigungsverfahren sowie<br />

einmalig schöne Wohn- und Lebensbedingungen<br />

– das sind nur einige Faktoren<br />

mit denen Vorpommern beeindruckt. Mit<br />

diesen Argumenten wirbt Rolf Kammann,<br />

Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft<br />

Vorpommern, für eine Ansiedlung<br />

in der Region.<br />

Durch vorausschauende Investitionen in<br />

die Infrastruktur hat das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

optimale Bedingungen<br />

für die Ansiedlung von Unternehmen geschaffen.<br />

Voll erschlossene Industrie- und<br />

Gewerbeflächen in unmittelbarer Hafennähe<br />

stehen Investoren zur Verfügung<br />

und bieten Unternehmen hervorragende<br />

Voraussetzungen, um sich als Logistik-,<br />

Produktions- und Servicestützpunkte<br />

zu etablieren. Vor allem der Energie- und<br />

Technologiestandort Lubminer Heide bietet<br />

ideale Bedingungen für großflächige<br />

Ansiedlungen.<br />

„Die EWN GmbH hat in den letzten Jahren<br />

im Rahmen ihrer Aufgabe bei der<br />

Realisierung der Demontage und Rückbauarbeiten<br />

der Kernkraftwerksblöcke<br />

in Lubmin größere Flächen beräumt und<br />

entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen<br />

aus dem atomrechtlichen Bereich<br />

entwidmet. Diese Flächen wurden<br />

gemeinsam mit den umliegenden Kommunen<br />

für eine industrielle Nachnutzung<br />

vorbereitet. In den letzten Jahren ist es<br />

gelungen, eine Reihe von neuen Firmen<br />

anzusiedeln und damit auch neue, dringend<br />

benötigte industrielle Arbeitsplätze<br />

zu schaffen. Der Energie- und Technologiestandort<br />

Lubminer Heide bietet<br />

mit dem Industriehafen und dem Bahnanschluss<br />

sowie allen notwendigen infrastrukturellen<br />

Voraussetzungen beste<br />

Bedingungen für die Ansiedlung von<br />

neuen Investoren“, so Jürgen Ramthun,<br />

Geschäftsführer der Energiewerke Nord<br />

GmbH (EWN).<br />

Foto: Energiewerke Nord GmbH<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


MECKLENBURG-VORPOMMERN | 17<br />

Der Standort Lubmin ist vor allem durch<br />

seine Trimodalität attraktiv. Investoren<br />

steht die Wahl der Logistik- und Transportmöglichkeiten<br />

zwischen Wasserstraße,<br />

Schiene und Straße frei, weiß<br />

der Zweckverband Energie- und Technologiestandort<br />

Freesendorf. Die wasserseitige<br />

Anbindung über den direkt angrenzenden<br />

Industriehafen Lubmin öffnet<br />

den Weg für Seeschiffe bis 6,10 Meter<br />

Tiefgang in den Ostseeraum, bietet aber<br />

gleichzeitig auch einen Anlaufpunkt für<br />

den Binnenschiffsverkehr. Zusätzlich verfügt<br />

der Standort über einen circa 2,8 Kilometer<br />

langen Gleisanschluss, welcher<br />

im Hafen und parallel zu fünf der vorhandenen<br />

sechs Liegeplätze verläuft. Weiterhin<br />

überzeugt der Industrie- und Technologiestandort<br />

Lubminer Heide durch<br />

mögliche Synergien mit bereits angesiedelten<br />

Unternehmen, beispielsweise in<br />

Produktion, Transport oder angewandter<br />

Forschung. Mit der Gasanlandestation<br />

der GASCADE Gastransport GmbH<br />

INFOS FÜR INVESTOREN<br />

Zentrale Anlaufstelle für Investoren in<br />

Vorpommern ist die Wirtschaftsfördergesellschaft<br />

Vorpommern mbH. Neben<br />

der Informationsermittlung für das Ansiedlungsvorhaben,<br />

der Objektrecherche<br />

und Standortberatung vermittelt<br />

die Gesellschaft Kontakte zu relevanten<br />

Partnern und Akteuren in der Region<br />

sowie Entscheidungsträgern.<br />

Wirtschaftsfördergesellschaft<br />

Vorpommern mbH<br />

Karl Kuba<br />

Brandteichstraße 20<br />

17489 Greifswald<br />

Tel.: 03834 55<strong>06</strong><strong>06</strong><br />

kuba@invest-in-vorpommern.de<br />

www.invest-in-vorpommern.de<br />

wird die Schnittstelle zwischen der Offshore-Pipeline<br />

Nord Stream und den beiden<br />

Anschlussleitungen OPAL und NEL<br />

gebildet. Auch diese Station befindet sich<br />

in unmittelbarer Nähe.<br />

Diese Standortvorteile haben viele erfolgreich<br />

agierende Unternehmen in Lubmin<br />

für sich entdeckt. So nutzt Liebherr die<br />

Turbinenhalle des ehemaligen Kraftwerkes,<br />

um gewaltige Kranausleger für den<br />

maritimen Einsatz zu produzieren. Die Firma<br />

Lubminer Korrosionsschutz GmbH,<br />

welche zur Krebs-Gruppe zählt, reinigt<br />

und beschichtet am Standort große Stahlbauteile.<br />

Die Deutsche Ölwerke Lubmin GmbH<br />

ist ein international tätiges, mittelständisches<br />

Unternehmen, das hochwertige<br />

Schmierstoffe für die Industrie entwickelt,<br />

produziert und vertreibt. Die Firma<br />

hat im Jahr 2013 mit der Produktion<br />

von Motorenölen am Standort begonnen<br />

und erweitert sich ständig.<br />

<br />

Karl Kuba<br />

Energie, Technologie & Meer<br />

auf Deutschlands Sonnendeck<br />

Fotos: Janin Rieckert · EWN | made by WERK3.de<br />

Energie- und Technologiestandort Lubminer Heide<br />

Idealer Standort für energie- und flächenintensive Vorhaben<br />

Hoher Anteil regenerativ erzeugter Energie<br />

Schnelle Anbindung an A 20, Schiene und Wasserstraßennetz<br />

Attraktive Förderkulisse für Investitionen<br />

Lebensqualität eines beliebten Urlaubslandes<br />

www.invest-in-vorpommern.de


18 | W+M LÄNDERREPORT BRANDENBURG<br />

Das bislang größte Blockheizkraftwerk hat<br />

EWE 2013 im Brandenburgischen Viertel in<br />

Eberswalde installiert.<br />

REGIONAL VERANKERT<br />

Der klassische Gasversorger EWE mit seiner regionalen Ausrichtung<br />

im Nordwesten Deutschlands, in Brandenburg und Mecklenburg-<br />

Vorpommern hat sich immer stärker zu einem innovativen<br />

Dienstleister in den Geschäftsbereichen Energie, Telekommunikation<br />

und Informationstechnologie entwickelt. Von Frank Nehring<br />

Vorstandsvorsitzender der EWE Dr. Werner Brinker (l.) und<br />

Dr. Ulrich Müller, Leiter der Geschäftsregion Brandenburg/Rügen.<br />

Der Konzern verzeichnete ein operatives<br />

EBIT (EBIT steht für earnings<br />

before interest and taxes) von<br />

425,4 Millionen Euro (Vorjahr: 497,9 Millionen<br />

Euro) und einen Umsatz von 8,1 Milliarden<br />

Euro (Vorjahr: 8,9 Milliarden Euro).<br />

Mit Programmen zur Verbesserung der Ertragskraft<br />

und Wettbewerbsfähigkeit ist es<br />

dem Unternehmen nach eigenen Aussagen<br />

gelungen, die negativen Ergebniseffekte<br />

vor allem aufgrund der milden Witterung<br />

im letzten Winter abzufedern. Zudem<br />

trage der frühzeitige Einstieg in neue<br />

Geschäftsfelder Früchte und damit ebenfalls<br />

zur Stabilisierung bei. Man blicke daher<br />

zuversichtlich auf die nächsten Jahre:<br />

„EWE nutzt als erster Konzern in Deutschland<br />

konsequent das gemeinsame Potenzial<br />

von Energie, Telekommunikation und<br />

Informationstechnologie und hat damit die<br />

Basis für eine erfolgreiche Zukunft gelegt“,<br />

so der scheidende Vorstandsvorsitzende<br />

der EWE Dr. Werner Brinker. Nach seiner<br />

Aussage erwirtschaften schon heute die<br />

Dienstleistungen neben der reinen Gasund<br />

Stromversorgung rund ein Drittel des<br />

EBIT. In zehn Jahren sollen es fast 50 Prozent<br />

sein. „Als regional verankertes Unternehmen<br />

übernehmen wir aber auch weiterhin<br />

Verantwortung für die Energiewende<br />

vor Ort“, so Brinker.<br />

Ein erstes Windparkprojekt, das gemeinsam<br />

mit Landwirten und Kommune in<br />

Brandenburg in der Gemeinde Breydin im<br />

Brandenburger Landkreis Barnim entwickelt<br />

wird, soll 2017 in<br />

Betrieb gehen.<br />

Da die Energiewende<br />

aus EWE-Sicht nur im<br />

Zusammenspiel von<br />

Strom- und Wärmewende<br />

funktionieren kann,<br />

wird im Rahmen eines<br />

Forschungsvorhabens<br />

des Geoforschungszentrums<br />

Potsdam gemeinsam<br />

mit der Stadt<br />

Eberswalde und drei<br />

Brandenburger Hochschulen nach neuen<br />

Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung<br />

in Innenstädten gesucht.<br />

Ein weiteres Beispiel für eine zukunftsfähige<br />

Wärmeversorgung ist die Installation<br />

von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, bei<br />

denen gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt<br />

werden. So ging im letzten Herbst im<br />

Hotel Esplanade in Bad Saarow eine Anlage<br />

ans Netz, die zudem noch Kälte erzeugt.<br />

In Sellin auf der Insel Rügen hat EWE im<br />

Juni eine weitere Anlage in den Probebetrieb<br />

genommen.<br />

Brinker unterstrich in diesem Zusammenhang<br />

die Entwicklung des Unternehmens<br />

in den ostdeutschen Bundesländern: „Seit<br />

1990 haben wir die energetische Basis<br />

Ostbrandenburgs und der Insel Rügen entscheidend<br />

verbessert. Wir sind in 25 Jahren<br />

einer der leistungsstärksten Energiedienstleister<br />

und Gasnetzbetreiber in der Region<br />

geworden.“ Der Konzern bringe Beschäftigung,<br />

Wertschöpfung sowie Einkommen<br />

und engagiere sich für die zukunftsfähige<br />

Energieversorgung in der Region.<br />

Für Dr. Ulrich Müller, den Leiter der EWE-<br />

Geschäftsregion Brandenburg/Rügen,<br />

heißt das konkret: „Zuverlässige Energieversorgung,<br />

Entwicklung attraktiver und<br />

moderner Dienstleistungen über die klassische<br />

Versorgung mit Gas und Strom hinaus<br />

und ein klares Bekenntnis zur Region.<br />

Wir fühlen uns verantwortlich für die<br />

Attraktivität der Region, hier liegen unsere<br />

Netze, hier sind wir mit unserer Mannschaft<br />

vor Ort und deshalb engagieren wir<br />

uns auch in kulturellen und sportlichen Bereichen.<br />

Nicht zuletzt sind wir alleiniger Organisator<br />

von Jugend forscht in Ostbrandenburg.“<br />

W+M<br />

Fotos: EWE/Burkhardt (oben), W+M (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


LÄNDERREPORT SACHSEN-ANHALT | 19<br />

EXOTEN AUF DEM ACKER<br />

Biolandwirt Sven Gürth aus Thießen bei Wittenberg hat sich seltene<br />

Nischen erschlossen: Er produziert historische Getreidesorten für<br />

ökologische Müsli-Mischungen sowie glutenfreie Nahrungsmittel.<br />

Doch hierzu muss er einen außergewöhnlichen technischen Aufwand<br />

betreiben. Von Harald Lachmann<br />

Selbst für erfahrene Agrarunternehmer<br />

ist klar: Auf jedem Acker<br />

wächst nur eine Feldfrucht:<br />

Weizen, Raps, Kartoffeln, … Nicht<br />

so jedoch bei Sven Gürth in Thießen.<br />

Da stehen auf einen Schlag<br />

gleich einmal zwei Pflanzenarten –<br />

etwa Nackthafer und Goldlein. Und<br />

auf einem anderen sogar drei: Leindotter,<br />

Lupine und wieder Nackthafer.<br />

Die verdutzten Blicke kennt<br />

der 49-jährige Biolandwirt, klärt<br />

aber gern auf: Das sei vor allem<br />

eine Frage der Effizienz. Denn für<br />

jene Vollkornmüsli-Mischung, die<br />

er für ein Kreuzfahrtschiff produziert,<br />

benötigt er im Grunde zu wenig<br />

Nackthafer, um dafür die komplette<br />

Feldbaukette in Gang zu setzen.<br />

Also sät er jene zwei oder drei<br />

Kulturen gleich in einem Arbeitsgang<br />

– und er erntet sie auch in<br />

einem Zug.<br />

für Werkzeugmaschinenbau. Doch weil<br />

seinerzeit keiner im Osten einen jungen<br />

Foto: Harald Lachmann<br />

Technisch sei das kein Problem,<br />

versichert Gürth. Hans-Jörg Stolze,<br />

ein befreundeter Lohnunternehmer<br />

aus Brandenburg, der ihm den<br />

Drusch besorgt, müsse dazu nur<br />

eben den Mähdrescher entsprechend fein<br />

einstellen, damit auch etwa die sehr kleinen<br />

Körner des Leindotters nicht verloren<br />

gehen. Die große Kunst beginnt für Gürth<br />

jedoch nun in diesen Wochen, wenn er das<br />

durcheinander gewürfelte Erntegut aufwändig<br />

wieder trennen muss. Hierzu baute<br />

er sich auf seinem Vierseithof neben einer<br />

biologischen Schweinemast noch eine<br />

hochleistungsfähige Getreidereinigung auf.<br />

Sie bildet praktisch das Herzstück seiner<br />

„Exotenproduktion“, wie er berichtet.<br />

Zugute kam ihm dabei seine ursprüngliche<br />

Ausbildung als diplomierter Ingenieur<br />

Biolandwirt Sven Gürth (l.) mit Sohn Marlon und dem Lohnunternehmer Hans-Jörg Stolze.<br />

Ingenieur brauchte, verdingte er sich 1992<br />

bei einer Versicherung, spezialisierte sich<br />

auf agrarische Bereiche – und landete so<br />

schließlich ganz in dieser Branche.<br />

Besonders augenscheinlich werden<br />

Gürths maschinentechnische Fähigkeiten<br />

dabei an einer raffiniert eingestellten<br />

Siebreinigungsanlage. Laut ratternd puzzeln<br />

hier nun diverse Gebläse, Siebe und<br />

Trieure zunächst den Feldschmutz aus<br />

dem Erntegut und danach die verschiedenen<br />

Körner auseinander. In der Regel<br />

sind pro Feldpflanze drei Trennvorgänge<br />

nötig, ehe sie sortenrein sei, erläutert er.<br />

Gleichwohl es erstaunt, wie sauber damit<br />

etwa Lupine, Nackthafer und Leindotter<br />

auseinanderklamüsert werden, räumt<br />

der Agrarunternehmer ein: „Man kann<br />

nur mischen, was sich auch wieder trennen<br />

lässt – etwa Früchte mit langen und<br />

kurzen beziehungsweise kleinen und großen<br />

Körnern.“ Bei zwei Getreidesorten<br />

mit ähnlich geformten Korngrößen stoße<br />

man also an seine Grenzen. Zwar sei<br />

auch da manches noch möglich, doch die<br />

Investition in spezielle Technik übersteige<br />

dann leicht den Gewinn. Gerade im Osten<br />

müsse man als Bioproduzent genau<br />

kalkulieren, was sich lohne.<br />

Dennoch ist es eine beachtliche Vielfalt<br />

an biologischen Getreide-, Öl- und Futterkulturen,<br />

die sich in seinem Betrieb<br />

versammelt. Manch eine hat man bisher<br />

kaum gehört, etwa Schwarzen Emer, Einkorn<br />

oder Johanniroggen. Doch all jene<br />

historischen Getreidesorten erleben nun<br />

wieder eine Renaissance, seit glutenfreie<br />

Nahrungsmittel stärker nachgefragt werden.<br />

So liefert sie der clevere Anhalter<br />

etwa an spezialisierte Naturkornmühlen.<br />

<br />

W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


20 | W+M SERIE<br />

THÜRINGEN STELLT<br />

94 MARKTFÜHRER<br />

Nach dem Zusammenbruch der nicht wettbewerbsfähigen<br />

Wirtschaftsstrukturen aus DDR-<br />

Zeiten verlief der wirtschaftliche Entwicklungsprozess<br />

in Thüringen – ähnlich wie in den<br />

anderen ostdeutschen Ländern auch – ab<br />

1990 in drei Phasen. Von Karsten Hintzmann<br />

Auf den massiven Einbruch folgte<br />

bis Mitte der 1990er Jahre ein dynamischer<br />

Aufholprozess, der vor<br />

allem durch starke Investitionen im Baubereich<br />

getragen wurde. Durch den desolaten<br />

Zustand der öffentlichen Infrastruktur<br />

und der Wohngebäude gab es einen<br />

erheblichen Investitionsbedarf. Stimuliert<br />

wurde die Nachfrage nach Bauleistungen<br />

neben den hohen öffentlichen Investitionen<br />

durch umfangreiche staatliche Anreize<br />

wie Investitionszulagen und Sonderabschreibungen.<br />

Der Bausektor trug 1995 mit 16,2 Prozent<br />

deutlich mehr zur gesamten Thüringer<br />

Wertschöpfung bei als das verarbeitende<br />

Gewerbe, das sich zunächst nur<br />

langsam erholte. An diesen Bauboom<br />

schloss sich eine rund zehn Jahre anhaltende<br />

Phase an, die einerseits durch eine<br />

stetige Schrumpfung des überdimensionierten<br />

Bausektors und andererseits<br />

durch das dynamische Wachstum des<br />

verarbeitenden Gewerbes gekennzeichnet<br />

war. Durch die gegenläufigen Entwicklungen<br />

in den beiden Sektoren verlangsamte<br />

sich der gesamtwirtschaftliche<br />

Angleichungsprozess erheblich. Auch<br />

die Arbeitslosigkeit stagnierte auf hohem<br />

Niveau. Der Aufholprozess war zunächst<br />

zum Erliegen gekommen. Im mittelfristigen<br />

Vergleich zum Jahr 2005 blieb das<br />

Wirtschaftswachstum in Thüringen und<br />

ganz Ostdeutschland hinter dem in Westdeutschland<br />

zurück. Kapitalintensität,<br />

Produktivität und Löhne pendelten sich<br />

in den neuen Ländern bei 70 bis 80 Prozent<br />

des Bundesdurchschnitts ein.<br />

Diese Werte haben<br />

sich seither zwar nicht<br />

grundsätzlich verändert,<br />

jedoch sind inzwischen<br />

auch in Thüringen<br />

eine neue Dynamik<br />

und ein spürbar<br />

stärkeres wirtschaftliches<br />

Engagement zu<br />

verzeichnen. Der Freistaat<br />

gehört heute zu<br />

den Wachstumszentren<br />

in Deutschland.<br />

Die zahlreichen neuen<br />

wirtschaftspolitischen Initiativen machen<br />

sich zunehmend bemerkbar. So haben das<br />

Thüringer Wirtschaftsministerium und die<br />

Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen<br />

(LEG) eine breite Angebotspalette in<br />

den Bereichen Fachkräftesicherung, Energie,<br />

Wirtschaftsförderung, Tourismus und<br />

Infrastruktur entwickelt. Es wurden Kompetenzzentren<br />

gegründet, klare Ziele formuliert<br />

und passende Förderpfade aufgezeigt.<br />

Die Zwischenbilanz kann sich sehen<br />

lassen: Bei Wachstum und Beschäftigung<br />

ist Thüringen der Primus unter den<br />

ostdeutschen Bundesländern. Zwar hatte<br />

auch die Thüringer Wirtschaft zuletzt mit<br />

den anhaltenden Problemen in der Euro-<br />

Zone, in der Solarbranche und beim Kfz-<br />

Absatz zu kämpfen. Zuvor war sie jedoch<br />

mit 3,1 Prozent überdurchschnittlich gewachsen.<br />

Und auch die aktuellen Aussichten<br />

sind erfolgversprechend.<br />

Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

im Freistaat ist und bleibt die Industrie.<br />

Mit einem Anteil von knapp 24<br />

Im Eisenacher Opel-Werk läuft der Kleinwagen ADAM vom Band.<br />

Prozent an der Bruttowertschöpfung hat<br />

das verarbeitende Gewerbe für den Wohlstand<br />

in Thüringen eine höhere Bedeutung,<br />

als es im bundesdeutschen Durchschnitt<br />

der Fall ist. Bei der Betriebsdichte<br />

erreicht Thüringen mit rund 40 Industriebetrieben<br />

je 100.000 Einwohner im<br />

Ländervergleich den Spitzenplatz – noch<br />

vor Baden-Württemberg, Bayern und<br />

Sachsen.<br />

Einen wesentlichen Anteil an der positiven<br />

Entwicklung in den letzten Jahren haben<br />

die Netzwerke und Cluster. Das neu gegründete<br />

Thüringer Cluster-Management<br />

leistet hier in puncto Organisation und Koordination<br />

wichtige Unterstützung. Dies<br />

gilt gerade mit Blick auf die Entwicklung<br />

der insgesamt elf hochwertschöpfenden<br />

Thüringer Wachstumsfelder, zu denen unter<br />

anderem die Bereiche Optik, Automotive,<br />

Life Sciences, Logistik und Maschinenbau<br />

zählen. Um die vorhandenen Potenziale<br />

in diesen Wachstumskernen so<br />

auszuprägen, dass noch mehr Thüringer<br />

Foto: Adam Opel AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


THÜRINGEN | 21<br />

Firmen mit ihren Produkten auf internationalen<br />

Märkten konkurrenzfähig werden,<br />

gründeten das Wirtschaftsministerium<br />

und die LEG Thüringen die Initiative<br />

„Stark am Markt“. Inzwischen gelten laut<br />

einer LEG-Studie 94 Thüringer Unternehmen<br />

als Markt- und Technologieführer, darunter<br />

32 Weltmarktführer und 62 Marktführer<br />

in Europa.<br />

pa und mitten in Deutschland gelegen, ist<br />

der Freistaat eine der gefragtesten Anlaufstellen<br />

für führende Logistiker geworden.<br />

Einen gewichtigen Anteil am wirtschaftlichen<br />

Aufschwung im Land hat die LEG<br />

Thüringen, die als One-Stop-Agency sowohl<br />

heimischen Firmen als auch ansiedlungswilligen<br />

Investoren dienstleistend<br />

zur Seite steht. Zwischen 1995 und<br />

<strong>2015</strong> begleitete sie 992 Unternehmen bei<br />

Ansiedlungs- und Erweiterungsprojekten.<br />

Dadurch entstanden im Freistaat 50.400<br />

neue Arbeitsplätze. Die Investitionen beliefen<br />

sich auf insgesamt neun Milliarden<br />

Euro.<br />

W+M<br />

Wenn von Thüringen die Rede ist, müssen<br />

auch Handwerk und Handel Erwähnung<br />

finden. Beide Branchen gehören<br />

zu den größten Arbeitgebern<br />

im Land. In den knapp 32.000<br />

Handwerksbetrieben arbeiten<br />

rund 148.000 Beschäftigte.<br />

Im stark mittelständisch geprägten<br />

Handel stehen mehr als<br />

92.000 Mitarbeiter in Lohn und<br />

Brot.<br />

THÜRINGENS WIRTSCHAFTSMINISTER SEIT 1990<br />

Name<br />

Amtsantritt<br />

Hans-Jürgen Schultz (FDP)<br />

08.11.1990<br />

Jürgen Bohn (FDP)<br />

31.10.1991<br />

Franz Schuster (CDU)<br />

30.11.1994<br />

Jürgen Reinholz (CDU)<br />

05.<strong>06</strong>.2003<br />

Matthias Machnig (SPD)<br />

04.11.2009<br />

Foto: W+M<br />

Inzwischen nutzt Thüringen<br />

konsequent die Chancen seiner<br />

zentralen Lage. Mitten in Euro-<br />

Wolfgang Tiefensee ist seit Dezember<br />

2014 Wirtschaftsminister in Thüringen.<br />

Uwe Höhn (SPD)<br />

Wolfgang Tiefensee (SPD)<br />

18.12.2013<br />

seit 05.12.2014<br />

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22 | W+M SERIE<br />

„Einiges ist schon richtig<br />

auf die Füße gestellt worden“<br />

W+M-Interview mit Thüringens Ministerpäsident Bodo Ramelow (DIE LINKE)<br />

W+M: Herr Ministerpräsident, Sie sind<br />

jetzt seit rund elf Monaten im Amt. Wie<br />

fühlt sich für Sie die Tatsache an, als erster<br />

Politiker der Linken Ministerpräsident<br />

eines deutschen Bundeslandes zu sein?<br />

Ist es für Sie Reiz oder Last und Bürde?<br />

Bodo Ramelow: Das werde ich häufig<br />

von außen gefragt. Mich bewegt das innerlich<br />

überhaupt nicht. Für mich war<br />

es ein Reiz, dieses Amt anzunehmen,<br />

da es mir die Chance eröffnet hat, Dinge<br />

umsetzen zu können, die ich ausprobieren<br />

wollte, seit ich 1999 erstmals für<br />

den Thüringer Landtag kandidierte. Jetzt<br />

habe ich die Möglichkeit, selbst die Dinge<br />

gestaltend zu verbessern.<br />

W+M: Sind Sie in dieser Hinsicht schon<br />

vorangekommen?<br />

Bodo Ramelow: Ich denke, dass einiges<br />

schon richtig auf die Füße gestellt<br />

worden ist. Das sind vielleicht nicht<br />

die spektakulären Highlights und auch<br />

nicht das große ideologische Paket,<br />

sondern es sind viele ganz praktische<br />

Dinge, die abgearbeitet werden.<br />

Ein paar Beispiele: In Sachen<br />

Energiepolitik haben<br />

wir alle wesentlichen<br />

Akteure an einen<br />

Tisch geholt und über<br />

eine andere Form der<br />

energiewirtschaftlichen<br />

Konzeption beraten.<br />

Unter der Fragestellung:<br />

Was heißt es<br />

eigentlich, den größten<br />

kommunalen Energieversorger<br />

Deutschlands<br />

zu haben? Es<br />

geht darum, zu all den<br />

Akteuren einen guten Draht zu haben und<br />

sie immer wieder zu motivieren, dass wir<br />

gemeinsam die Umgestaltung nach dem<br />

Prinzip Dezentral – Regional – Regenerativ<br />

vorantreiben. Oder es hat viel Freude<br />

gemacht, Volksbanken mit Dörfern in Verbindung<br />

zu bringen, die eine Energiegenossenschaft<br />

gründen wollten. Ich konnte<br />

die Kontakte herstellen und wir helfen bei<br />

derartigen Projekten dann über die Thüringer<br />

Aufbaubank. Für die Rennsteigentwicklung<br />

habe ich eine Ideenskizze in<br />

die zuständigen Ministerien und an viele<br />

gesellschaftliche Akteure gegeben und<br />

auf einmal bekomme ich Unterstützung<br />

aus vielen Ecken, auch von Herrn Trautvetter,<br />

einem CDU-Minister der Anfangsjahre,<br />

der zehn weitere praktische Hinweise<br />

zu meinem Papier<br />

hatte. Wir haben jetzt<br />

eine neue Arbeitsstruktur<br />

im Wirtschaftsministerium<br />

geschaffen,<br />

um diese Ideen<br />

alle zu bündeln<br />

und zu verstärken.<br />

W+M: Bereits als langjähriger Oppositionsführer<br />

im Thüringer Landtag haben<br />

Sie die Entwicklung im Land begleitet<br />

und mitgeprägt. Wie steht es heute, im<br />

25. Jahr der deutschen Einheit, um die<br />

Wirtschaft des Freistaates?<br />

Bodo Ramelow: Die Deindustrialisierung<br />

war ein schwerer Fehler und bestimmte<br />

industrielle Kerne hätten besser<br />

stabilisiert werden müssen. Am Beispiel<br />

Bischofferode wurde das besonders<br />

deutlich. Das kann ich einschätzen,<br />

weil ich die vergangenen 25 Jahre komplett<br />

dabei war und in viele dieser Konflikte<br />

direkt involviert war. In Bischofferode<br />

war ich es, der letztlich den Arbeitskampf<br />

geschlichtet hat. Aber: Heute<br />

stehe ich bei K+S und eröffne mit dem<br />

Vorstand des Unternehmens das neue<br />

Forschungszentrum und bin richtig positiv<br />

berührt davon, wie viel Geld K+S in<br />

die Forschung hier vor Ort bereits investiert<br />

hat.<br />

Aus heutiger Sicht sind wir gut aufgestellt<br />

was die Grundsubstanz angeht.<br />

Bei der letzten großen Wirtschaftskrise<br />

sind unsere Unternehmen weniger in die<br />

Knie gegangen als Betriebe in anderen<br />

Ländern. Dadurch waren auch die kommunalen<br />

Steuereinbrüche geringer, als<br />

es manche Städte im Westen aushalten<br />

mussten. Wir müssen uns aber im Klaren<br />

darüber sein, dass das Level bei uns wesentlich<br />

niedriger ist. Wir reden über ein<br />

schmuckes Bundesland, das aber eigentlich<br />

doch Provinz ist<br />

und keine Metropolen<br />

hat. Die Metropole,<br />

die wir<br />

Thüringens Ministerpräsident<br />

Bodo Ramelow.<br />

Foto: W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


THÜRINGEN | 23<br />

abbilden, ist Thüringen als Ganzes. Und<br />

das muss man als Ganzes entwickeln.<br />

Vom Arbeitsmarkt her sind wir zurzeit<br />

sehr stabil. Wir haben aktuell 5.000 unbesetzte<br />

Ausbildungsplätze. Das ist ein<br />

Indiz dafür, wie robust wir sind.<br />

W+M: Wo sehen Sie auf wirtschaftlichem<br />

Gebiet derzeit die größten Probleme?<br />

Foto: Veldemann Photo Brussels<br />

Bodo Ramelow: Unsere größte Herausforderung<br />

ist der demografische Wandel.<br />

Wir brauchen in den nächsten zehn Jahren<br />

280.000 gut ausgebildete Facharbeiter.<br />

Ein zweites Problem sind die zu hohen<br />

Energiekosten, die mit der Architektur<br />

der Netzentgelte zusammenhängen.<br />

Es ist nicht fair, dass die hohen Investitionskosten<br />

bei uns jetzt zu einer Belastung<br />

werden. Ungünstig ist auch, dass<br />

die Betriebsstruktur vieler Unternehmen<br />

zu kleinteilig ist. Nehmen wir den Automotive-Bereich,<br />

unseren größten industriellen<br />

Wirtschaftsträger. Der hat die Tücke,<br />

dass er in einer Sandwich-Position<br />

steckt, in der er zermahlen wird – zwischen<br />

den großen Automobilherstellern,<br />

die harte Vorgaben machen, und der eigenen<br />

Kleinteiligkeit, die keine Spielräume<br />

mehr bietet. Wir haben ausgesprochen<br />

leistungsfähige Betriebe, etwa MDC von<br />

Mercedes-Benz in Kölleda oder Opel in<br />

Eisenach. Aber am Ende sind sie doch leider<br />

nur verlängerte Werkbänke, die zum<br />

Teil auch nicht nachhaltig zum kommunalen<br />

Steueraufkommen beitragen.<br />

W+M: In diversen Berichten über die wirtschaftliche<br />

Entwicklung wird immer wieder<br />

auf den erheblichen Produktivitätsund<br />

Investitionsrückstand speziell im produzierenden<br />

Gewerbe hingewiesen. Wo<br />

sehen Sie die Ursachen dafür?<br />

Bodo Ramelow (l.) mit Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments.<br />

Bodo Ramelow: Es war ein völlig anderes<br />

Wirtschaftssystem, das vor 25 Jahren<br />

abgewickelt wurde und zuvor ganz andere<br />

Prioritäten gesetzt hatte. Wer damals ein<br />

großer Wirtschaftsplayer war, hatte gleichzeitig<br />

ein riesiges Ferienzentrum, Kantinen,<br />

Krankenhaus, Sportförderung zu betreiben.<br />

Selbst ein Teil der Orchester- und<br />

Theaterlandschaft wurde von den Kombinatsstrukturen<br />

mitfinanziert. Darauf konnte<br />

man 1990 schlecht aufsetzen. Aber dadurch,<br />

dass vorhandene industrielle Zentren<br />

nicht zu neuen Konzernsitzen geführt<br />

haben, fehlten wichtige wirtschaftliche<br />

Impulse. In Thüringen gibt es heute nur<br />

einen DAX-notierten großen Player. Das<br />

macht deutlich, welche Schwierigkeiten<br />

wir haben. So sehr ich dankbar bin, dass<br />

wir Schott und ZEISS haben und sich Jena<br />

prächtig entwickelt, aber es hat natürlich<br />

nicht die Ausstrahlung, die man mit einem<br />

Konzernsitz von Daimler oder VW hätte.<br />

W+M: Worauf setzen Sie in Sachen Wirtschaftsentwicklung<br />

besondere Hoffnungen?<br />

Bodo Ramelow: Wir haben in Thüringen<br />

auch weltweit agierende Player. Das sind<br />

keine Riesen, sondern sie sind in ihrer<br />

Wirkungsweise eher kleinteilig. Das ist<br />

Chance und Nachteil zugleich. Aber ich<br />

glaube, wir müssen die Chance stärker<br />

betonen. Mir wird zu wenig darüber geredet,<br />

welche erfolgreichen Marktführer<br />

wir haben. Die meisten Leute wissen gar<br />

nicht, dass etwa einige der teuersten Autos<br />

der Welt bei Dagro in Gera mit hochwertigem<br />

Leder ausgestattet werden.<br />

Oder: Die teuersten Flügel der Welt erhalten<br />

ihr Innenleben aus Meuselwitz.<br />

W+M: Das Land wurde vor Ihrem Amtsantritt<br />

im Dezember 2014 fast ein Vierteljahrhundert<br />

von der CDU gelenkt. Was<br />

machen Sie in Sachen Wirtschaftsförderung<br />

anders als die Christdemokraten?<br />

Bodo Ramelow: Zunächst einmal sehen<br />

wir eines genauso wie die vorherigen Regierungen:<br />

Unsere mittelständischen Betriebe<br />

sind unsere Konzernzentralen der<br />

Zukunft und unser Handwerk ist die Wirtschaftsmacht<br />

von nebenan. Wir haben<br />

Forschung, wir haben Wissenschaft, wir<br />

haben Ilmenau, wir haben Bauhaus, wir<br />

haben Jena – das sind einige unserer Hotspots.<br />

Und um diese Hotspots muss sich<br />

der Mittelstand entwickeln. Das fördern<br />

wir ganz gezielt.<br />

Es gibt allerdings auch Dinge, die wir<br />

nicht fortsetzen: Beispielsweise fördern<br />

wir keine Spaßbäder mehr. Die Zeit, als<br />

man goldene Löffel verteilen konnte, ist<br />

vorbei. Und auch die Zeit, als man mit der<br />

Gießkanne Politik machen konnte, ist vorbei.<br />

Wir sind viel zu klein, als dass jede<br />

Region ihre eigene Hochschule und eigene<br />

Forschung und Entwicklung fördern<br />

könnte. Das geht nicht. Wir müssen Thüringen<br />

als Ganzes präsentieren.<br />

W+M: Nachgefragt: Gibt es nach einem<br />

Jahr rot-rot-grüner Regierungsverantwortung<br />

schon Erfolge, auf die Sie verweisen<br />

können und die über Thüringen hinaus<br />

bekannt geworden sind?<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


24 | W+M SERIE THÜRINGEN<br />

Bodo Ramelow: Ich weiß nicht, ob da<br />

etwas über Thüringen hinaus bekannt geworden<br />

ist. Rainald Grebe hat ja das berühmte<br />

Lied über Brandenburg und Thüringen<br />

gesungen. Bei Thüringen kommt<br />

die Textzeile vor: ‚Das Land ohne Prominente.‘<br />

Jetzt unterbricht er mittlerweile<br />

sein Konzert an dieser Stelle und sagt:<br />

‚Ach nee, stimmt nicht, Bodo Ramelow.‘<br />

Und bekommt dafür jedes Mal Applaus.<br />

Offenkundig hat sich zumindest etwas<br />

geändert durch die Form der Regierung.<br />

Mein Parteibuch und meine Art, wie ich<br />

als Ministerpräsident arbeite, hat in anderen<br />

Bundesländern offensichtlich Neugier<br />

ausgelöst.<br />

W+M: Im Zusammenhang mit ihrem<br />

Wahlsieg gab es deutschlandweit Stimmen,<br />

die vor negativen Folgen für die<br />

wirtschaftliche Entwicklung Thüringens<br />

unter einer von den Linken geführten<br />

Landesregierung warnten. Sind Investitionen<br />

ausgeblieben, weil Sie Ministerpräsident<br />

sind?<br />

Bodo Ramelow: Ich denke, die anfänglich<br />

in Westdeutschland verbreitete<br />

Angst, dass hier jetzt die große Ideologie<br />

ausbricht, hat sich gelegt. In Thüringen<br />

gab es diese Angst gar nicht, denn unsere<br />

heimischen Unternehmer kannten mich<br />

ja und die Kammern hielten mich schon<br />

bei meinem Amtsantritt für einen verlässlichen<br />

Partner, der ja in kritischen Situationen<br />

bereits mehrfach geholfen hatte.<br />

Ich habe mit vielen Investoren in den vergangenen<br />

Monaten persönlich gesprochen<br />

und deren Anliegen vorangebracht.<br />

Die, die von außen kamen, haben sich alle<br />

sehr positiv und optimistisch mir gegenüber<br />

gezeigt.<br />

W+M: Muss die Sonderförderung Ost<br />

nach Ablauf des Solidarpaktes Ende 2019<br />

fortgesetzt werden?<br />

Ministerpräsident Bodo Ramelow empfing W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann (r.) zum Interview.<br />

ZUR PERSON<br />

Bodo Ramelow wurde am 16. Februar<br />

1956 in Osterholz-Scharmbeck geboren.<br />

Nach dem Hauptschulabschluss<br />

erlernte er den Beruf des Einzelhandelskaufmanns.<br />

Von 1981 bis 1990<br />

war er Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen,<br />

von 1990 bis 1999 Landesvorsitzender<br />

der Gewerkschaft HBV<br />

in Thüringen. 1999 trat er der PDS bei<br />

und zog im selben Jahr erstmals in den<br />

Thüringer Landtag ein. 2004 und 2009<br />

nominierte ihn seine Partei jeweils zum<br />

Spitzenkandidaten für die Wahlen in<br />

Thüringen. Seit Dezember 2014 steht<br />

Ramelow als Ministerpräsident an der<br />

Spitze der rot-rot-grünen Landesregierung<br />

im Freistaat. Er ist in dritter Ehe<br />

verheiratet und Vater zweier Söhne.<br />

Bodo Ramelow: Im Moment ist es ja<br />

schon so, dass die Hälfte dieser Mittel<br />

an den Bund fließt. 16 Milliarden Euro<br />

kassiert er in diesem Jahr, im Jahr 2019<br />

wird er aus dieser Quelle 19 Milliarden<br />

Euro einnehmen und sie ganz allein behalten.<br />

Das ist das Gegenteil von Solidarfinanzierung.<br />

Die Menschen denken,<br />

das Geld ist für den Osten da, aber am<br />

Ende ist es in Wirklichkeit eine Finanzierung<br />

für den Bund. Deswegen schlage<br />

ich vor, dass die Solidarpaktmittel, die<br />

nicht für die neuen Länder gebunden<br />

sind, in ganz Deutschland für die Integration<br />

von Flüchtlingen genutzt werden.<br />

Wenn wir dieses Jahr schon die acht Milliarden<br />

Euro nehmen und nach dem Königsteiner<br />

Schlüssel verteilen würden,<br />

hätten alle Länder die notwendigen Voraussetzungen,<br />

um ihre Haushalte wieder<br />

in Ordnung zu bringen. Und wenn<br />

wir im Jahr 2019 die 19 Milliarden Euro<br />

dafür ausgeben würden, die Flüchtlinge<br />

tatsächlich in unserem Land zu integrieren,<br />

wäre das nach knapp 30 Jahren deutscher<br />

Einheit der größte Impuls, gesamtdeutsch<br />

zu werden, weil es dann nicht<br />

mehr um Ost und West ginge, sondern<br />

um eine gemeinsame Aufgabe.<br />

W+M: Eine persönliche Frage zum Abschluss:<br />

Sie wurden in Osterholz-<br />

Scharmbeck geboren, wuchsen später<br />

im Rheinland auf. Was war der Grund für<br />

Sie, Ihre politische Heimat in Thüringen<br />

zu suchen?<br />

Bodo Ramelow: Ganz einfach, die Städtepartnerschaft<br />

zwischen Marburg und<br />

Eisenach. Da ergaben sich die ersten<br />

intensiven Kontakte. Dann erhielt ich<br />

den ersten Dienstauftrag, zu einer Beratung<br />

der Betriebsgewerkschaftsleitung<br />

ins Centrum-Warenhaus nach Erfurt<br />

zu fahren – am 28. Februar 1990.<br />

Daran schloss sich die Überlegung meiner<br />

Gewerkschaft an, in der DDR ein Beratungsbüro<br />

einzurichten. Und da fragte<br />

mich mein Dienstherr, ob ich das für drei<br />

Monate übernehmen könnte. Zur Auswahl<br />

standen Sachsen-Anhalt, wo ich<br />

familiäre Wurzeln habe, oder Thüringen.<br />

Da ich zu jener Zeit kleine Kinder hatte,<br />

war mir das Pendeln nach Magdeburg zu<br />

weit und so entschied ich mich spontan<br />

für Erfurt. Das wurde die wichtigste Entscheidung<br />

meines Lebens.<br />

Interview: Karsten Hintzmann<br />

Foto: W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


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18.<strong>06</strong>.15 13:16 Uhr<br />

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21.10.15 11:32 Uhr<br />

W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 3/2014<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

25. Jahrgang | Heft 3 | Juni/Juli 2014 | e 3,50 | ZKZ 84618<br />

Wirtschaft+<br />

Markt<br />

Das OstD eutsche u nternehM erM agazin<br />

Tourismusboom<br />

stärkt<br />

Wirtschaft<br />

im Osten<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 4/2014<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

25. Jahrgang | Heft 4 | August/September 2014 | e 3,50 | ZKZ 84618<br />

W I rtsC haft+<br />

Markt<br />

Das OstDEutsC h E u ntE rnE h MEr M a G azI n<br />

Energiewende<br />

auf dem<br />

Prüfstand<br />

Gründerzeit<br />

im Osten<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 5/2014<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

Aufbruch<br />

Wende<br />

Im<br />

Interview:<br />

Christine<br />

Lieberknecht<br />

Blühende Landschaften?<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />

26. Jahrgang | Heft 1-2 | März/April <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />

26. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

SACHSEN-ANHALT<br />

MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />

BERLIN<br />

RÜCKKEHR ZUR<br />

INDUSTRIE<br />

BRAUNKOHLE<br />

UNVERZICHTBAR<br />

FÜR DEN OSTEN<br />

RATGEBER<br />

DAS BÜRO ZUM<br />

MITNEHMEN<br />

IM INTERVIEW<br />

Ministerpräsident<br />

Erwin Sellering<br />

UNTERNEHMEN<br />

ORWO – eine<br />

Tradition lebt auf<br />

RATGEBER<br />

Tagungen und<br />

Geschäftsreisen<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft 5 | September/Oktober Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

BRANDENBURG<br />

ENERGIE<br />

ELEKTRISIERT<br />

DIE<br />

WIRTSCHAFT<br />

GRÜNT<br />

THÜRINGEN<br />

IM INTERVIEW<br />

Ministerpräsident<br />

IM INTERVIEW<br />

Bodo Ramelow<br />

Ministerpräsident<br />

Dietmar Woidke<br />

STUDIE<br />

SACHSEN<br />

REPORT<br />

Rivalität auf<br />

der Ostsee<br />

Mittelstand im<br />

digitalen Wandel<br />

UMFRAGE<br />

Welches Auto<br />

passt zu Ihnen?<br />

Kraftakt<br />

Firmenübergabe<br />

EXKLUSIVE INTERVIEWS<br />

Bundeswirtschaftsminister<br />

Sigmar Gabriel<br />

Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich<br />

RATGEBER<br />

Betriebliche<br />

Altersvorsorge<br />

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Opel-Chef Karl-Thomas Neumann feierte mit<br />

der Eisenacher Belegschaft den neuen Corsa.<br />

Cluster Automotive<br />

THÜRINGENS UMSATZSTÄRKSTE SPARTE<br />

Jeder zehnte Industriebeschäftigte<br />

des Freistaates arbeitet in der Automobil-<br />

und Automobilzulieferindustrie.<br />

Diese setzt über sieben Milliarden<br />

Euro im Jahr um und befördert zugleich<br />

die Prosperität anderer Branchen.<br />

Mit vollen Auftragsbüchern und 60 Neueinstellungen<br />

war der Eisenacher Automobilzulieferer<br />

Mitec Automotive AG in<br />

dieses Jahr gestartet. Was immer Firmengründer<br />

und Vorstandschef Dr.-Ing.<br />

Michael Militzer anpackt, scheint dem findigen<br />

Ingenieur zu gelingen. Allein 2014<br />

investierte sein familiengeführtes Unternehmen<br />

zehn Millionen Euro am Hauptstandort<br />

im heimatlichen Thüringen, wo<br />

auch 2.100 der weltweit gut 2.900 Beschäftigten<br />

der Mitec-Gruppe tätig sind.<br />

Neu ist hier etwa eine Fertigungslinie für<br />

Michael Militzer ist Vorstandsvorsitzender<br />

der Mitec Automotive AG in Eisenach.<br />

Stangendrehteile mit elf verketteten Maschinen,<br />

dank der man „von Zukauf auf<br />

Eigenfertigung“ umstellen und damit<br />

die Wirtschaftlichkeit am Standort weiter<br />

verbessern könne, so Militzer.<br />

Inzwischen sieht er sich mit der 1991 aus<br />

dem Getriebebau und der Härterei des Automobilwerkes<br />

Eisenach hervorgegangenen<br />

Unternehmensgruppe als einen weltweit<br />

führenden Zulieferer für Automobilantriebstechnik.<br />

Kein großer Konzern kommt<br />

heute mehr an den Thüringern vorbei.<br />

Kein Wunder, dass der 66-Jährige zugleich<br />

als Vorstandsvorsitzender des Vereins<br />

automotive thüringen e. V. (at) auch<br />

das personifizierte Aushängeschild der<br />

gesamten Thüringer Automobilzulieferbranche<br />

ist. Im Sommer 2000 war diese<br />

Vereinigung zunächst von neun Unternehmen<br />

als Automobilzulieferer Thüringen<br />

e. V. (AZT) gegründet worden. Heute<br />

zählt sie 102 Mitglieder, die rund 30.000<br />

Mitarbeiter beschäftigen und einen Umsatz<br />

von 4,19 Milliarden Euro generieren.<br />

Allein das Exportvolumen beläuft sich auf<br />

1,16 Milliarden Euro.<br />

Doch bildet der at im Grunde nur eine<br />

Art Speerspitze dieses expandierenden<br />

Wirtschaftszweiges. Alles in allem sind<br />

über 500 Unternehmen und gut 51.000<br />

Mitarbeiter in Thüringens Automobil- und<br />

Automobilzulieferindustrie tätig. Sie erzeugen<br />

einen jährlichen Umsatz von über<br />

7,2 Milliarden Euro und bilden damit die<br />

beschäftigungsstärkste Industriesparte<br />

des Landes. Jeder zehnte Thüringer Angestellte<br />

des verarbeitenden Gewerbes<br />

steht hier in Lohn und Brot. 21 Branchenfirmen<br />

gehören zu den 100 größten Unternehmen<br />

des Landes.<br />

Bei alledem ist dieser Zweig wie viele andere<br />

im Freistaat auch durch eine kleinteilige<br />

Struktur geprägt. Innerhalb der Zulieferpyramiden<br />

der großen Fahrzeugkonzerne<br />

(OEM) rangieren sie gewissermaßen als<br />

Zulieferer der Zulieferer, im Branchenjargon<br />

als Tier-2- und Tier-3-Lieferanten bezeichnet.<br />

Doch einige jener OEM schlugen<br />

längst auch in Thüringen Wurzeln. Hierzu<br />

gehören die BMW Fahrzeugtechnik<br />

GmbH in Eisenach, Multicar Waltershausen<br />

(heute Hako-Gruppe), die MDC Power<br />

GmbH in Kölleda (Daimler AG) und nicht<br />

zuletzt Opel in Eisenach. Und trotz der hohen<br />

Konzentration im Raum Eisenach–Gotha<br />

finden sich die Unternehmen der Branche<br />

in allen Teilen Thüringens.<br />

Die Zulieferer decken nicht nur sämtliche<br />

Segmente des Automobilbaus als Modul-,<br />

System-, Baugruppen- und Teilelieferanten<br />

ab. Sie besitzen zugleich für<br />

viele Querschnittsbranchen in Thüringen<br />

auch Bedeutung als Abnehmer, etwa in<br />

den Bereichen Kunststofftechnik und Maschinenbau.<br />

Einen starken Forschungspartner<br />

bildet zudem die Technische Universität<br />

Ilmenau mit ihrem Fachgebiet<br />

Fahrzeugtechnik.<br />

<br />

Harald Lachmann<br />

Fotos: obs/Adam Opel AG/Andreas Liebschner (oben), Mitec AG (unten)v<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


SERIE THÜRINGEN | 27<br />

Cluster Optik<br />

JENA BESTIMMT WELTSPITZE MIT<br />

Fotos: Carl Zeiss Jena (oben), JENOPTIK (unten)<br />

Kaum ein ostdeutscher Industriebereich<br />

kann auf eine größere Zahl an<br />

Erfolgsstories verweisen wie die<br />

Optik/Optoelektronik in Thüringen. Hierzu<br />

gehören etwa die acht Unternehmen<br />

und zwei Forschungseinrichtungen der<br />

Thüringer Photonikbranche, die sich beim<br />

Projekt ƒo + an der Entwicklung und Vermarktung<br />

innovativer freiformoptischer<br />

Systeme engagieren: Sie werden künftig<br />

wesentlich kleiner, leichter und funktionaler<br />

sein. Oder auch die sich „Zwanzig20-Konsortium<br />

3Dsensation“ nennende<br />

Partnerschaft, die sich um das Jenaer<br />

Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik<br />

und Feinmechanik (IOF) gruppiert –<br />

mit dem Ziel, die Interaktion von Mensch<br />

und Maschine grundlegend zu verändern.<br />

Nicht zu vergessen das Innovationscluster<br />

„Green Photonics“, das in Thüringen<br />

die Kräfte von Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik bündelt, um unter anderem<br />

Lichtlösungen für die energieeffiziente<br />

Beleuchtung oder optische Systeme für<br />

die Energietechnik zu entwickeln.<br />

Optik-Fertigung bei JENOPTIK in Jena.<br />

Fraglos gehört das Land zu den weltweit<br />

führenden Zentren der Optik/Optoelektronik.<br />

Im Grunde deckt die Branche in<br />

Thüringen ein sehr breites Produktspektrum<br />

über alle wichtigen Optiksegmente<br />

ab. Die Kernkompetenzen der Unternehmen<br />

liegen auf Glaswerkstoffen, Lasertechnik,<br />

Mikroskopie, Optiksysteme-Design<br />

und -Fertigung sowie Systemintegration.<br />

Als Dach für rund hundert Akteure der<br />

Thüringer Photonikbranche wurde 1999<br />

der Verein OptoNet e. V. gegründet. Er<br />

dient als lebendige Plattform für Vernetzung,<br />

Austausch und Kooperation. Zu den<br />

Mitgliedsunternehmen gehören neben<br />

Zeiss Jena und JENOPTIK eine Vielzahl<br />

kleiner und mittelständischer<br />

Technologieunternehmen,<br />

die mit ihren Produkten und<br />

Dienstleistungen den Weltmarkt<br />

anführen oder mitbestimmen.<br />

Rund ein Zehntel<br />

ihres jährlichen Umsatzes investieren<br />

sie wieder in Forschung<br />

und Entwicklung.<br />

Insgesamt sind thüringenweit<br />

sogar 175 Unternehmen in<br />

der Optik/Optoelektronik beheimatet.<br />

Seit Jahren befinden<br />

sie sich stabil auf Wachstumskurs<br />

und steigern ihre<br />

Umsätze. Die gesamte Thüringer<br />

Branche erlöst derzeit<br />

jährlich rund 2,85 Milliarden<br />

Euro und beschäftigt aktuell 15.200 Mitarbeiter.<br />

Als besonders erfreulich gilt nach<br />

einigen Jahren einer diesbezüglichen Stagnation,<br />

dass sich nun auch im Gründerbereich<br />

eine neue Dynamik spürbar macht.<br />

Laut OptoNet-Geschäftsführer Klaus<br />

Schindler ist vor allem bei den Herstellern<br />

von Medizintechnik sowie in der Produktionstechnik<br />

die Auftragslage sehr gut.<br />

Der Exportanteil am Umsatz macht zudem<br />

über die gesamte Branche hinweg rund<br />

zwei Drittel aus. Er erreicht damit die doppelten<br />

Werte der durchschnittlichen Ausfuhrrate<br />

des verarbeitenden Gewerbes in<br />

Thüringen.<br />

Klarer Klassenprimus ist natürlich Jena.<br />

Mit 99 Unternehmen und einer Vielzahl<br />

von universitären und außeruniversitären<br />

Forschungseinrichtungen sind in der<br />

Saalestadt mehr als die Hälfte der Akteure<br />

des OptoNet-Clusters angesiedelt.<br />

Rund 8.000 Beschäftigte erwirtschaften<br />

hier in Branchenunternehmen einen Umsatz<br />

von 1,6 Millarden Euro. Damit hat die<br />

Saalestadt ihre Stellung als Photonikzentrum<br />

in den letzten Jahren weiter ausgebaut.<br />

Wichtige Standorte sind darüber hinaus<br />

Erfurt, Ilmenau und der Ilmkreis sowie<br />

der Landkreis Schmalkalden-Meiningen.<br />

<br />

Montage-Arbeiten an der Beleuchtung<br />

einer Starlith®-Optik von Carl Zeiss.<br />

Harald Lachmann<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


28 | W+M SERIE<br />

Cluster Logistik<br />

DIE MITTE EUROPAS<br />

Steigende Kosten für Transport und<br />

Lagerung stellen Logistiker vor immer<br />

neue Herausforderungen. Ihre<br />

Kunden verlangen zudem eine schnelle<br />

und verlässliche Belieferung. Thüringen<br />

punktet hier mit entscheidenden Standortvorteilen.<br />

Mitarbeiterin von Redcoon in Erfurt.<br />

Die zentrale Lage Thüringens in der Mitte<br />

Deutschlands und Europas, ein modernes<br />

Straßennetz mit fünf Autobahnen und das<br />

mit 1.550 Kilometern dichteste Schienennetz<br />

Europas waren und sind wichtige Argumente<br />

für viele namhafte Logistik- und<br />

Handelsunternehmen wie beispielsweise<br />

Zalando oder DB Schenker, sich in Thüringen<br />

anzusiedeln. Innerhalb von fünf Stunden<br />

kann durch die mehr als 500 Logistikunternehmen<br />

mit über 30.000 Beschäftigten<br />

jeder Standort in Deutschland angefahren<br />

werden.<br />

Der Flughafen Erfurt-Weimar dient als<br />

Drehkreuz für den internationalen Luftfrachtverkehr.<br />

TNT Express schlägt hier<br />

Sendungen für den Weitertransport per<br />

Flugzeug oder Lkw aus ganz Deutschland<br />

um und DB Schenker bietet eine tägliche<br />

Anbindung für Luftfracht zu den wichtigsten<br />

Zielflughäfen weltweit an. Zudem führt<br />

eine der wichtigsten europäischen Verbindungslinien<br />

für Personen- und Güterverkehr,<br />

die Strecke Paris–Frankfurt/Main–<br />

Berlin–Warschau–Moskau, durch Thüringen<br />

und der Erfurter Hauptbahnhof soll ab<br />

2017 zum Knotenpunkt für den ICE-Verkehr<br />

in alle Himmelsrichtungen werden.<br />

Thüringen punktet auch mit zahlreichen engagierten<br />

und flexiblen Fachkräften in der<br />

Branche. Hochschulen wie die Fachhochschule<br />

Erfurt, die Adam-Ries-Fachhochschule<br />

ebenfalls in Erfurt und die Berufsakademie<br />

Thüringen in Gera und Eisenach<br />

bieten mehrere auf Logistik und Intralogistik<br />

spezialisierte Studiengänge an.<br />

DB Schenker, der führende deutsche Anbieter<br />

für integrierte Logistik, betreibt am<br />

Erfurter Kreuz auf mehr als 38.500 Quadratmetern<br />

ein großes Logistikterminal und<br />

verteilt von hier aus Stückgut, Teil- und<br />

Komplettladungen in alle Regionen Europas.<br />

Nebenan in Erfurt-Mittelhausen hat<br />

der Buchgroßhändler KNV Logistik für über<br />

150 Millionen Euro eines der größten Medienlogistikzentren<br />

Europas errichtet. Derzeit<br />

beliefert das Unternehmen mehr als<br />

7.000 Buchhändler in Deutschland, Österreich,<br />

der Schweiz und Südtirol. Ebenfalls<br />

in Erfurt hat Zalando 2012 den Bau eines<br />

eigenen Logistikzentrums realisiert. Mit einer<br />

Lagerfläche von 120.000 Quadratmetern<br />

ist das Zentrum das größte Warenlager<br />

für Schuhe und Mode in ganz Europa.<br />

Und auch das 2003 gegründete Unternehmen<br />

redcoon, einer der größten Fachdiscounter<br />

für Elektronik im Onlinehandel, hat<br />

2012 sein Logistikzentrum in Erfurt erbaut<br />

– mit insgesamt über 50.000 Quadratmetern<br />

und Baukosten von 58 Millionen Euro.<br />

Janine Pirk-Schenker<br />

LOGISTIK NETZWERK THÜRINGEN E. V.<br />

Mit dem Logistik Netzwerk Thüringen<br />

erwartet Unternehmen eine Kooperationsgemeinschaft<br />

von Spezialisten aus<br />

allen Bereichen der Branche. Neben<br />

Speditionen, Verladern und Kontraktlogistikern<br />

vereint das Netzwerk auch<br />

Unternehmen beispielsweise aus den<br />

Bereichen Beratung, IT, Forschung und<br />

Entwicklung, Personaldienstleistungen<br />

sowie logistiknahe Dienstleistungen,<br />

Verbände und öffentliche Verwaltung.<br />

Ziel des Vereins ist die Stärkung des<br />

Standorts Thüringen als europäische<br />

Distributions-Drehscheibe.<br />

www.logistik-netzwerk-thueringen.de<br />

Foto: Deutsche Bahn AG (oben), Redcoon (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


THÜRINGEN | 29<br />

Cluster Ernährung<br />

MEHR ALS THÜRINGER KLÖSSE<br />

Foto: Pierre Kamin<br />

Die Ernährungswirtschaft Thüringens<br />

gilt vom Umsatz und von den Beschäftigtenzahlen<br />

her als die zweitstärkste<br />

Branche im Land. Über 200 Unternehmen<br />

mit knapp 19.000 Beschäftigten<br />

erwirtschaften einen Jahresumsatz von<br />

mehr als vier Milliarden Euro. Dank der<br />

zentralen Lage und moderner Verkehrsinfrastruktur<br />

sind alle wichtigen deutschen<br />

Handelszentren binnen fünf Stunden per<br />

Lkw erreichbar. Bekannte Thüringer Marken<br />

und Produkte sind beispielsweise die<br />

Thüringer Rostbratwurst und die Thüringer<br />

Klöße, das Mühlhäuser Pflaumenmus<br />

oder der Nordhäuser Doppelkorn.<br />

Durch sechs universitäre und private Forschungseinrichtungen<br />

erhalten die Unternehmen<br />

der Branche Unterstützung<br />

bei Forschung und Entwicklung. Die großen<br />

Universitäten in Jena und Erfurt bieten<br />

Studiengänge für die Ernährungswirtschaft<br />

an und zählen<br />

derzeit fast 3.000 Studierende in einem<br />

Studiengang mit Bezug zur Ernährungsbranche.<br />

Um diese auch weiterhin wettbewerbsfähig<br />

zu halten und ihr eine bis dato fehlende<br />

Interessenvertretung zu gewährleisten,<br />

haben sich vor vier Jahren 15 Unternehmen<br />

– unterstützt durch das Thüringer<br />

Wirtschafts- und das Landwirtschaftsministerium<br />

– zum Thüringer Ernährungsnetzwerk<br />

zusammengeschlossen. Mittlerweile<br />

zählt das Netzwerk 26 Mitglieder,<br />

bestehend aus Lebensmittel produzierenden<br />

Unternehmen und privaten<br />

Forschungseinrichtungen.<br />

Große Namen haben sich seit der Wende<br />

in Thüringen angesiedelt. So bereits 1993<br />

Das Traditionsunternehmen Viba – bekannt für<br />

seine Nougatstangen – ist deutscher Nougat-<br />

Marktführer.<br />

Griesson mit einem Werk in Kahla, die<br />

Dr. Schär Deutschland GmbH als europäischer<br />

Marktführer im Bereich glutenfreier<br />

Produkte oder das aus Liechtenstein stammende<br />

Unternehmen Ospelt food, welches<br />

in Apolda Tiefkühlpizzen produziert.<br />

Das Traditionsunternehmen Viba sweets<br />

mit Sitz in Floh-Seligenthal stellt das bekannte<br />

Nougat und andere Süßwaren her<br />

und ist deutscher Nougat-Marktführer.<br />

<br />

Janine Pirk-Schenker<br />

© Stefan Militzer<br />

© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />

© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />

© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />

Exploration & Produktion | Gashandel & Dienstleistung | Gastransport | Gasspeicherung<br />

LEIDENSCHAFT FÜR ERDGAS<br />

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wir einen entscheidenden Beitrag für ein nachhaltiges Energiesystem.<br />

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30 | W+M SERIE<br />

„ALS ÖFFENTLICH-RECHTLICHE BANK FÜHLEN WIR UNS<br />

AUCH FÜR UNSERE KERNREGIONEN VERANTWORTLICH“<br />

W+M-Interview mit Klaus-Jörg Mulfinger, Mitglied des Vorstands der Helaba<br />

Die Helaba hat bereits mit der Wiedervereinigung ihre<br />

Geschäftstätigkeit in Thüringen aufgenommen. Seit Juli 1992<br />

firmiert die Bank als Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale<br />

und hat einen zweiten Hauptsitz in Erfurt. Sie war damit die erste<br />

über Ländergrenzen hinaus bestehende Landesbank. Von dieser<br />

gemeinsamen Landesbank profitieren sowohl die Sparkassen in<br />

Thüringen und die Wirtschaft der Region als auch die Helaba.<br />

W+M: Die Helaba ist inzwischen Zentralbank<br />

für 40 Prozent der Deutschen Sparkassen,<br />

insgesamt mehr als 160 Institute.<br />

Welche Rolle spielen für die<br />

Helaba die Thüringer Sparkassen?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Die 16<br />

Thüringer Sparkassen sind über<br />

den Sparkassen- und Giroverband<br />

Hessen-Thüringen Miteigentümer<br />

der Helaba. Wir haben<br />

eine gemeinsame Rechnungslegung,<br />

Risikostrategie<br />

und Reservefonds. Thüringen gehört<br />

zu den erklärten Kernregionen<br />

der Helaba. Nicht zuletzt haben<br />

wir eine gemeinsame Geschäftsstrategie<br />

und Marktauftritt mit den Thüringer<br />

Sparkassen.<br />

W+M: Gemeinsame Geschäftsstrategie<br />

und gemeinsamer Marktauftritt –<br />

was haben wir uns darunter vorzustellen?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger, Mitglied des Vorstands<br />

der Helaba.<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Die Helaba ist<br />

wichtiger Produktlieferant und Dienstleister<br />

für die Sparkassen, die sogenannte<br />

Verbundquote liegt in vielen Geschäftsfeldern<br />

bei mehr als 70 Prozent. Die Verankerung<br />

im Sparkassengeschäft ist bei<br />

keiner anderen Landesbank so ausgeprägt.<br />

Ansonsten gib es eine klare Verteilung<br />

der Zuständigkeiten. Die Helaba<br />

fokussiert sich auf das Großkundengeschäft.<br />

Mittelständische Firmenkunden<br />

und Privatkunden werden nur gemeinsam<br />

mit den Sparkassen betreut. So beteiligen<br />

wir uns regelmäßig an Großkrediten<br />

der Sparkassen und schaffen damit<br />

den Freiraum, der es Sparkassen ermöglicht,<br />

mit den wachsenden Finanzierungsbedürfnissen<br />

ihrer Firmenkunden Schritt<br />

zu halten. Eines ist uns dabei ganz wichtig:<br />

Die Sparkasse bleibt Herr der Kundenverbindung<br />

und in aller Regel auch<br />

kontoführendes Institut.<br />

W+M: Für die thüringische Wirtschaft<br />

hat das Auslandsgeschäft über die Jahre<br />

zunehmend an Bedeutung gewonnen.<br />

Wie unterstützt die Helaba Firmenkunden,<br />

die sich im Ausland engagieren?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Aktuell richten<br />

wir unseren Geschäftsbereich Außenhandelsfinanzierung<br />

neu aus. Unser Ziel<br />

ist es, die Leistungsfähigkeit der Helaba<br />

für die Sparkassen und die Kunden der<br />

Bank nochmals deutlich zu erhöhen und<br />

alle relevanten Produkte der Außenhandelsfinanzierung<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Mit Korrespondenzbankverbindungen<br />

in 120 Ländern begleiten wir bereits<br />

heute unsere Kunden und die Kunden<br />

der Sparkassen in Regionen mit hohen<br />

deutschen Außenhandelsvolumina.<br />

Darüber hinaus haben wir ergänzend<br />

zu unseren Auslandsstandorten<br />

London, New York, Paris,<br />

Madrid, Moskau und Shanghai im<br />

Mai eine Repräsentanz in Singapur<br />

eröffnet.<br />

Im Übrigen begleiten wir bereits<br />

seit 2007 die Kunden der thüringischen<br />

Sparkassen über das Kompetenz-Center<br />

„S-Thüringen International“<br />

bei ihren Auslandsaktivitäten. Gemeinsam<br />

mit den Firmenkundenbetreuern<br />

der Sparkassen betreuen und beraten<br />

die Mitarbeiter des Kompentenz-Centers<br />

die Kunden in allen Fragen des Auslandsgeschäfts.<br />

W+M: Die Thüringer Industrieunternehmen<br />

sind investitionsfreudiger als der gesamtdeutsche<br />

Durchschnitt. In den Jahren<br />

2011 bis 2013 haben 83 Prozent der<br />

Unternehmen investiert. Spüren Sie diesen<br />

Trend auch bei den kommunalen und<br />

kommunalnahen Unternehmen?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Durch die hohen<br />

Anfangsinvestitionen in die öffentliche<br />

und speziell die kommunale Infrastruktur<br />

in den Jahren der Wiedervereinigung<br />

ist es in den Jahren danach ruhiger<br />

zugegangen. Jetzt stehen zunehmend<br />

Foto: Helaba<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


THÜRINGEN | 31<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Das Bausparen<br />

fand bei den Thüringern von Anfang an<br />

große Resonanz. Schon im ersten Geschäftsjahr<br />

wurden mehr als 25.000 Verträge<br />

abgeschlossen. 1995 überschritt die<br />

Bausparsumme der thüringischen Verträge<br />

im Bestand zwei Milliarden D-Mark.<br />

Seitdem hat sich das Bauspargeschäft im<br />

Freistaat weiterhin sehr gut entwickelt. Im<br />

Geschäftsjahr 2014 gelangten in Thüringen<br />

fast 27.000 Verträge über 638 Millionen<br />

Euro Bausparsumme zur Unterschrift.<br />

W+M: Und wie sieht die zukünftige Ausrichtung<br />

der LBS Hessen-Thüringen aus?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Die LBS Hessen-<br />

Thüringen wird mit einer konsequenten<br />

Ausrichtung auf das Finanzierungsgeschäft<br />

den Kernnutzen des Bausparens<br />

als zinssichere Baufinanzierung weiter<br />

stärken. Denn Planbarkeit ist für viele<br />

Bauherren und Immobilienkäufer sehr<br />

wichtig, gerade in Zeiten des aktuellen<br />

Niedrigzinses. Aber auch Jugendliche<br />

und junge Erwachsene bleiben im Fokus<br />

der Aktivitäten. Denn die jungen Bausparer<br />

sind die Finanzierer von morgen.<br />

Foto: Helaba<br />

Die Landesbank Hessen-Thüringen hat in Frankfurt ihren Hauptsitz im MAIN TOWER.<br />

Ersatzinvestitionen an. Gerade die kommunalen<br />

Unternehmen investieren in Zukunftstechnologien<br />

wie zum Beispiel den<br />

Ausbau von Breitbandnetzen. Dies ist unverzichtbar<br />

für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Thüringer Wirtschaftsraums.<br />

Als Landesbank für Thüringen<br />

begleiten wir die kommunalnahen<br />

Unternehmen sehr eng, die als Stadtwerke<br />

im Energiebereich vor den Herausforderungen<br />

der Energiewende stehen. Wir<br />

fördern und engagieren uns auch bei dezentralen<br />

und bürgernahen Lösungen<br />

und stehen im Rahmen des Verbundes<br />

mit unserer umfassenden Erfahrung und<br />

Kompetenz den kommunalen Unternehmen<br />

zur Seite.<br />

W+M: Rekommunalisierung ist derzeit<br />

ein Schlagwort im Umfeld der kommunalen<br />

Gebietskörperschaften. Wie sieht<br />

die Helaba die Entwicklung und welche<br />

Rolle strebt sie an?<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Die Bemühungen<br />

zahlreicher Städte und Gemeinden,<br />

bei Neuausschreibung der jeweiligen Konzessionen<br />

wieder Eigentümer der eigenen<br />

Strom- und Gasnetznetze zu werden,<br />

sind unverkennbar. Wir stehen dieser Entwicklung<br />

offen gegenüber und begleiten<br />

die Kommunen beziehungsweise deren<br />

Gesellschaften im Rahmen der Prozesse<br />

mit Beratungs- und Finanzierungs-Knowhow.<br />

Im vergangenen Jahr haben wir auch<br />

im Freistaat einige Finanzierungen als führende<br />

Bank arrangiert und im Rahmen der<br />

Verbundzusammenarbeit mehrere Sparkassen<br />

an der Endfinanzierung beteiligt.<br />

Hier sehen wir uns als Partner der Kommunen<br />

gut aufgestellt.<br />

W+M: Herr Mulfinger, Sie sind auch für<br />

die Landesbausparkasse (LBS) Hessen-<br />

Thüringen verantwortlich. Wie hat sich<br />

das Bauspargeschäft im Freistaat nach<br />

der Wiedervereinigung entwickelt?<br />

W+M: Wir haben jetzt ausführlich über<br />

die geschäftlichen Aktivitäten der Helaba<br />

in Thüringen gesprochen. Das Helaba-Engagement<br />

in der Region geht aber<br />

darüber hinaus.<br />

Klaus-Jörg Mulfinger: Als öffentlichrechtliche<br />

Bank fühlen wir uns auch für<br />

unsere Kernregionen verantwortlich. Diese<br />

regionale Verankerung gehört ganz<br />

wesentlich zur Identität unseres Hauses.<br />

Dementsprechend engagieren wir<br />

uns für kulturelle, sportliche und wissenschaftliche<br />

Projekte – in Hessen, Thüringen,<br />

Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.<br />

Unsere Aktivitäten sind – wie unsere<br />

Geschäfte und unsere Kundenbeziehungen<br />

auch – auf Qualität, Kontinuität<br />

und dauerhafte Partnerschaften ausgerichtet.<br />

So unterstützen wir in Thüringen<br />

zum Beispiel die Domstufen-Festspiele<br />

in Erfurt bereits seit 1994 als Generalsponsor<br />

gemeinsam mit anderen Partnern<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe.<br />

Interview: Frieda Neurich<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


32 | W+M SERIE<br />

EU-Hilfen für Thüringen<br />

Eine Milliarde Euro<br />

für den Aufschwung<br />

Glänzende Fassaden: Erfurts Fischmarkt<br />

wurde mit EU-Mitteln saniert.<br />

Wer durch Thüringens Kapitale<br />

Erfurt flaniert, begegnet der<br />

Europäischen Union praktisch<br />

auf Schritt und Tritt, wenn auch vielfach<br />

unbewusst. Denn der historische Altstadtkern,<br />

ein Anziehungspunkt für Touristen<br />

aus aller Welt, verdankt seine glänzenden<br />

Fassaden nicht zuletzt zahlreicher<br />

Finanzspritzen aus Brüssel.<br />

Der Willy-Brandt-Platz mit der Tiefgarage<br />

am Hauptbahnhof, der Anger, die alte Synagoge,<br />

der Hirschgarten oder der Fischmarkt<br />

– viele zentrale Plätze und Altstadtviertel<br />

wurden seit 1994 mit Fördergeldern<br />

des Europäischen Fonds für regionale<br />

Entwicklung (EFRE) aufwendig saniert.<br />

Mehr als die Hälfte der Kosten trug<br />

Brüssel zur nachhaltigen Stadtentwicklung<br />

in der größten Stadt Thüringens bei.<br />

Immerhin 35 Millionen Euro an EFRE-<br />

Mitteln konnten Erfurts Stadtväter für<br />

die Aufwertung der Altstadt und innenstadtnaher<br />

Quartiere einsetzen. Investitionen,<br />

von denen nicht nur die Bürger,<br />

sondern auch die Tourismuswirtschaft<br />

und der Einzelhandel in der Blumenstadt<br />

profitieren.<br />

Erfurt ist aber nur eines von vielen Beispielen,<br />

in denen Thüringens Kommunen<br />

durch gezielte städtebauliche Maßnahmen<br />

mit EU-Geldern ein Plus an Lebensqualität<br />

erhielten. Ilmenau etwa erfuhr<br />

finanzielle Unterstützung für den<br />

Neubau einer mittlerweile für ihre Architektur<br />

preisgekrönten Fußgängerbrücke,<br />

die die Altstadt, den Campus<br />

der Technischen Universität sowie ein<br />

Naherholungsgebiet miteinander verbindet.<br />

In Weimar wurde beispielsweise<br />

der historische Herderplatz mit<br />

neuen Kanal-, Gas- und Elektronetzen<br />

ausgestattet.<br />

Bis 2020 unterstützt Brüssel den Freistaat<br />

mit EFRE-Mitteln in Höhe von rund<br />

1,17 Milliarden Euro. 333 Millionen Euro<br />

fließen in Projekte der Forschung und der<br />

technologischen Entwicklung. Bereits in<br />

den vergangenen Förderperioden konnten<br />

Innovationen made in Thüringen mit<br />

Brüsseler Hilfe verwirklicht werden. So<br />

zum Beispiel das multifunktionale Sicherheitsglas<br />

PYRANOVA® secure der<br />

Schott AG. Die Spezialgläser aus Jena<br />

schützen optimal vor Feuer und Rauch<br />

und verhindern im Objekt- und Personenschutz<br />

beispielsweise das Durchdringen<br />

von Projektilen. Diese innovative Verbindung<br />

zweier Sicherheitsfunktionen gilt<br />

weltweit als Novum.<br />

Auch der universitären Forschung kam<br />

EFRE zugute. So entstand an der Friedrich-<br />

Schiller-Universität in Jena ein Forschungszentrum<br />

für angewandte Forschung in den<br />

Bereichen Innovative Materialien & Technologien<br />

sowie Photonik. Rund 20 Millionen<br />

Euro umfasste die Investition, rund 13 Millionen<br />

Euro davon stammten aus dem Europäischen<br />

Fonds für regionale Entwicklung.<br />

Für die Umsetzung der Energiewende<br />

kann Thüringen über rund 230 Millionen<br />

Euro aus dem EFRE-Topf verfügen, die in<br />

eine verbesserte Energieeffizienz in Unternehmen<br />

und öffentlichen Gebäuden<br />

fließen sollen. Auch die unternehmerische<br />

Wettbewerbsfähigkeit des thüringischen<br />

Mittelstands steht im Fokus der<br />

EFRE-Förderung. Dies soll über die Außenwirtschaftsförderung<br />

wie auch über<br />

die Investitionsförderung für kleine und<br />

mittelständische Unternehmen geschehen.<br />

Rund 283 Millionen Euro können bis<br />

2020 dafür aufgewendet werden. Die<br />

Zielsetzung: Private Ausgaben für Forschung<br />

und Entwicklung sollen auf zwei<br />

Prozent des Bruttoinlandsprodukts und<br />

die Exportquote der Thüringer Industrie<br />

auf 37,5 Prozent gesteigert werden.<br />

Matthias Salm<br />

Foto: Stadtverwaltung Erfurt<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


THÜRINGEN | 33<br />

Ragnitz<br />

analysiert<br />

THÜRINGEN – AUCH EIN MUSTERLAND!<br />

Foto: Torsten George<br />

Lange stand Thüringen im Schatten<br />

des Nachbarlands Sachsen, dem vermeintlichen<br />

„Musterland“ unter den<br />

ostdeutschen Bundesländern. Tatsächlich<br />

aber weist auch Thüringen bei vielen<br />

wirtschaftlichen Grunddaten gute bis sehr<br />

gute Werte auf: Ein sogar im gesamtdeutschen<br />

Vergleich überdurchschnittlicher Industrialisierungsgrad,<br />

eine hohe Exportquote,<br />

ein verhältnismäßig hohes Forschungspotenzial<br />

auch in der Wirtschaft.<br />

Zudem ist Arbeitslosigkeit in Thüringen<br />

kaum ein Thema, nicht zuletzt weil viele<br />

Erwerbspersonen in den benachbarten<br />

Bundesländern Bayern und Hessen<br />

eine Arbeitsstelle gefunden haben. Sicherlich<br />

gibt es regionale Differenzierungen<br />

– so stehen die zentralen Standorte<br />

entlang der Bundesautobahn A4 besser<br />

da als die eher peripher gelegenen Regionen<br />

im Harzvorland und im Thüringer<br />

Wald –, doch im Ganzen hat sich der Freistaat<br />

in den vergangenen 25 Jahren gut<br />

entwickelt.<br />

Dies kann nicht nur oder auch primär einer<br />

erfolgreichen Wirtschaftspolitik zugeschrieben<br />

werden; hier gab es – wie anderswo<br />

auch – in den vergangenen Jahrzehnten<br />

so manche Irrwege. Thüringen<br />

profitiert vor allem von seiner günstigen<br />

Lage „im Herzen Deutschlands“, was das<br />

Land attraktiv für Unternehmen gemacht<br />

hat, die von hier aus Märkte im Süden und<br />

Norden, im Osten und im Westen beliefern<br />

wollen. So manch eine Ansiedlungsentscheidung<br />

zugunsten Thüringens ist<br />

hierauf zurückzuführen. Günstig wirkte<br />

sich aber auch aus, dass es unmittelbar<br />

nach der Vereinigung gelungen ist, wichtige<br />

industrielle Kerne – zu nennen ist der<br />

Automobilbau in Thüringen oder die optoelektronische<br />

Industrie in Jena – zu erhalten<br />

und zu neuer Blüte zu erwecken. Gerade<br />

Jena hat sich auf dieser Grundlage zu<br />

einem der wenigen echten Wachstumspole<br />

in Ostdeutschland entwickeln können.<br />

Hinzu kommt schließlich, dass sich<br />

im Umfeld der Thüringer Hochschulen und<br />

der vielen industrienahen Forschungseinrichtungen<br />

eine enorme Dynamik herausbilden<br />

konnte – mit technologischen<br />

Schwerpunkten gerade auch in Feldern,<br />

die gemeinhin als zukunftsträchtig angesehen<br />

werden.<br />

Die im Ganzen positive Entwicklung im<br />

Freistaat wäre zudem nicht möglich gewesen<br />

ohne die ausgeprägte unternehmerische<br />

Initiative, die auch in 40 Jahren Sozialismus<br />

nicht unterdrückt wurde. Thüringen<br />

ist deswegen heute ein stark mittelständisch<br />

geprägtes Land, mit allen Vorteilen<br />

hinsichtlich Flexibilität und Einsatzbereitschaft,<br />

die typisch für inhabergeführte<br />

kleinere und mittlere Unternehmen sind.<br />

Allerdings fehlt es wie anderswo auch an<br />

Großunternehmen mit Hauptsitz im Land<br />

(lediglich der Standort Jena ist auch hier<br />

eine Ausnahme), was sich negativ auf das<br />

Niveau der wirtschaftlichen Leistung auswirkt<br />

– der Abstand bei Indikatoren wie<br />

der gesamtwirtschaftlichen Produktivität<br />

gegenüber den wirtschaftlich führenden<br />

westdeutschen Ländern ist daher nach<br />

wie vor groß. Das ist nicht anders als in<br />

den übrigen ostdeutschen Ländern, bedingt<br />

aber niedrige Löhne, eine niedrige<br />

Steuerkraft und nicht zuletzt auch ungünstige<br />

Arbeitsmarktchancen gerade für gut<br />

ausgebildete junge Menschen, die eine<br />

Karriere in der Wirtschaft machen wollen.<br />

Gleichwohl: Angesichts der auch objektiv<br />

vorhandenen Standortvorteile bestehen<br />

jedoch gute Chancen, dass Thüringen<br />

sich auch künftig weiterhin gut entwickeln<br />

wird. Hierfür ist jedoch erforderlich,<br />

dass auch die neue Landesregierung<br />

– seit 2014 wird Thüringen als erstes und<br />

bisher einziges Bundesland von einer rotrot-grünen<br />

Koalition unter einem Ministerpräsidenten<br />

der Partei DIE LINKE regiert<br />

– an der bisherigen Linie einer liberalen,<br />

wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik<br />

festhält. Bislang gibt es entgegen mancherlei<br />

im Vorfeld geäußerter Bedenken<br />

hieran auch keine Zweifel. Nicht nur Sachsen<br />

– auch Thüringen hat insoweit das Potenzial,<br />

zu einem ostdeutschen „Musterland“<br />

zu werden.<br />

Prof. Dr. Joachim Ragnitz,<br />

Stellvertretender Leiter der ifo<br />

Niederlassung Dresden<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


34 | W+M POLITIK<br />

Wird der Osten Deutschlands wirtschaftlich<br />

jemals so stark wie der Westen?<br />

Iris Gleicke, Staatssekretärin beim<br />

Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie<br />

Beauftragte der Bundesregierung für die neuen<br />

Bundesländer, für Mittelstand und Tourismus<br />

Prof. Dr. Joachim Ragnitz, Stellvertretender Leiter der<br />

ifo Niederlassung Dresden<br />

Ostdeutschland kann in Zukunft so stark<br />

werden wie der Westen – wenn dieses<br />

Ziel konsequent weiterverfolgt wird! Natürlich<br />

verläuft der wirtschaftliche Aufholprozess<br />

schon seit Jahren trotz eines durchaus beachtlichen<br />

Wirtschaftswachstums nur noch äußerst langsam.<br />

Die West-Wirtschaft wächst ebenso schnell wie die<br />

im Osten, wir verfolgen ein Ziel, das sich so schnell<br />

bewegt wie wir selbst, und können deshalb die Distanz<br />

derzeit nicht verringern. Der Osten hinkt bei der<br />

Wirtschaftskraft und bei den Steuereinnahmen klar<br />

hinterher, die Arbeitslosigkeit ist höher als im Westen<br />

und die Löhne niedriger. Zum anderen haben wir im<br />

Osten eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur, es fehlen<br />

die Großunternehmen und Konzerne mit ihren Forschungs-<br />

und Entwicklungsabteilungen. Aber auch<br />

dank einer intelligenten Förderpolitik, die auf Investitionen,<br />

Innovationen und Internationalisierung setzt,<br />

zeigen sich heute in allen neuen Ländern Ansätze<br />

für künftige Wachstumskerne, die dem Wachstum<br />

neuen Schub verleihen können. Wem angesichts<br />

dessen nicht mehr einfällt als die Feststellung, der<br />

Osten könne sowieso nie aufholen, betreibt nolens<br />

volens das Geschäft derer, die aus der Förderung<br />

der flächendeckend strukturschwachen<br />

Region Ostdeutschland aussteigen wollen. Das<br />

würde bedeuten, einen Motor abzuwürgen, den<br />

man gerade mit viel Aufwand zum Laufen gebracht<br />

hat. Wir brauchen keine Schwanengesänge,<br />

sondern einen langen Atem und eine zuverlässige<br />

Förderung der strukturschwachen Regionen<br />

in Ost und West.<br />

Die Vorstellung, dass „der Osten“ wirtschaftlich<br />

„zum Westen“ aufholen könne und solle,<br />

war von Anfang an eine Illusion. Dabei<br />

wird nämlich übersehen, dass die wirtschaftliche<br />

Entwicklung von wirtschafts- und siedlungsstrukturellen<br />

Rahmenbedingungen abhängig ist, die eben<br />

nicht überall gleich sind. Auch in Westdeutschland<br />

gibt es deshalb enorme wirtschaftliche Unterschiede,<br />

beispielsweise zwischen ländlichen und städtischen<br />

Regionen.<br />

Natürlich gibt es eine Reihe von Standorten in<br />

Ostdeutschland, die auf mittlere Sicht gute Chancen<br />

haben, ein ähnliches Niveau zu erreichen wie<br />

die wirtschaftlich starken Regionen im Westen.<br />

Aber es gibt auch viele, vor allem ländlich geprägte<br />

Räume, die nach aller Erfahrung auch dauerhaft<br />

eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft aufweisen<br />

werden. Man sollte daher darauf verzichten,<br />

das „Konvergenzziel“ weiterhin zum alleinigen<br />

Maßstab für den Erfolg oder auch Misserfolg<br />

der deutschen Einheit zu machen: Für die Qualität<br />

der Lebensbedingungen in Ostdeutschland ist es<br />

ohnehin zweitrangig, ob es zu einer Angleichung<br />

der Wirtschaftskraft kommt oder nicht.<br />

Dies heißt nicht, dass nicht weitere wirtschaftspolitische<br />

Anstrengungen notwendig sind, Ostdeutschland<br />

weiter voranzubringen. Die Förderung<br />

von Innovationen, Maßnahmen zur Vermeidung<br />

von Fachkräftemangel, die Stärkung regionaler<br />

Eigeninitiative bleiben weiterhin notwendig. Bleibt<br />

man auf einem solchen Weg, dann wird es auch weiter<br />

aufwärts gehen. Und nur darauf kommt es an.<br />

Foto: Büro Gleicke/Sandra Ludewig (links), ifo Dresden (rechts)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


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36 | W+M POLITIK<br />

INDEX<br />

ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im September <strong>2015</strong><br />

TROTZ INTERNATIONALER TURBULENZEN<br />

WÄCHST OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFT<br />

Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft*<br />

Ostdeutschlands ist im September merklich gestiegen.<br />

Maßgeblich für die erneute Verbesserung sind die Geschäftserwartungen<br />

für die kommenden sechs Monate, welche<br />

insgesamt günstiger durch die befragten Unternehmen eingestuft<br />

werden. Zudem sind die ostdeutschen Befragungsteilnehmer zufriedener<br />

mit ihren laufenden Geschäften. Damit blickt die Wirtschaft<br />

der ostdeutschen Bundesländer insgesamt auf ein starkes<br />

drittes Quartal zurück. Im Einklang mit dem Geschäftsklima<br />

ist das ifo Beschäftigungsbarometer ebenfalls spürbar gestiegen.<br />

Besonders die hiesigen Handelsfirmen wollen ihre Mitarbeiterzahl<br />

in den kommenden Monaten erhöhen. Die Industrie- und<br />

Baufirmen hingegen erwarten einen kräftigeren Rückgang ihres<br />

Personalbestandes in der nahen Zukunft.<br />

Mit Ausnahme des ostdeutschen Großhandels sind die Klimaindikatoren<br />

in allen Wirtschaftsbereichen nach oben gerichtet,<br />

jedoch mit unterschiedlicher Intensität. Während sich die Stimmung<br />

im ostdeutschen Einzelhandel und Bauhauptgewerbe<br />

merklich verbesserte, ist der Geschäftsklimaindex im Verarbeitenden<br />

Gewerbe Ostdeutschlands nur geringfügig gestiegen.<br />

ifo Geschäftsklima<br />

Robert Lehmann und<br />

Prof. Joachim Ragnitz<br />

VOR-<br />

MONAT<br />

8,01<br />

9,83<br />

Verarbeitendes Gewerbe<br />

VORMONAT 14,3<br />

SEPTEMBER 14,8<br />

ifo Beschäftigungsbarometer<br />

Bauhauptgewerbe<br />

VORMONAT - 5,7<br />

SEPTEMBER - 1,3<br />

Groß- und Einzelhandel<br />

VORMONAT 5,0<br />

SEPTEMBER 8,3<br />

VOR-<br />

MONAT<br />

- 2,93<br />

- 1,04<br />

* Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel verstanden.<br />

Foto: industrieblick/Fotolia.com<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


Titel_WuM_<strong>06</strong>15.indd 1<br />

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26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

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38 | W+M TITEL<br />

Grüner Motor<br />

Ostdeutschland<br />

Weltweit nimmt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen<br />

der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz zu. 2013 lag der<br />

deutsche Weltmarktanteil bereits bei 14 Prozent. Eine Chance auch<br />

für die ostdeutschen Mittelständler der Branche. Von Matthias Salm<br />

Die Berliner Pflanze blüht – oder korrekt<br />

formuliert: Dank der Berliner<br />

Pflanze blüht und grünt es. Denn<br />

die Berliner Pflanze ist nichts weniger als<br />

ein hochwertiger mineralischer Pflanzendünger.<br />

Produziert wird er aber nicht, wie<br />

zu erwarten wäre, von einem Chemiekonzern,<br />

sondern in einem anspruchsvollen<br />

Projekt zur Gewinnung von Magnesium-<br />

Ammonium-Phosphat aus Klärschlamm<br />

von den Berliner Wasserbetrieben. Dabei<br />

gewinnt das Unternehmen in einem<br />

chemisch-physikalischen Prozess im Klärwerk<br />

Waßmannsdorf den wertvollen Rohstoff<br />

Phosphor.<br />

Die zur Neige gehenden weltweiten<br />

Phosphorressourcen belasten zunehmend<br />

die Agrar- und Lebensmittelindustrie.<br />

Als Ende Mai in Berlin der GreenTec-<br />

Award, Europas größter Umwelttechnologiepreis,<br />

verliehen wurde, stand der Wasserver-<br />

und -entsorger aus der Hauptstadt<br />

in der Kategorie Recycling & Ressourcen<br />

deshalb nicht zu Unrecht auf dem Siegerpodium.<br />

Preiswürdige GreenTech-Innovationen<br />

aus Ostdeutschland wie der Berliner<br />

GREENTECH LOCKT JUNGE<br />

UNTERNEHMEN<br />

Anteil grüner Gründungen an allen<br />

Gründungen 20<strong>06</strong>–2013<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Brandenburg<br />

Sachsen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Thüringen<br />

Berlin<br />

12 %<br />

14 %<br />

19 %<br />

18 %<br />

22 %<br />

21 %<br />

Pflanzendünger sind längst keine Seltenheit<br />

mehr. Im Gegenteil: Der Osten der<br />

Republik gilt vielen Experten längst als<br />

Labor der Energiewende. Das birgt Risiken,<br />

wie etwa die hohen Energiepreise<br />

zwischen Ostsee und Erzgebirge belegen,<br />

viel mehr noch aber Chancen, an<br />

einem der wichtigsten globalen Wachstumsmärkte<br />

überdurchschnittlich partizipieren<br />

zu können.<br />

Denn GreenTech boomt: Nicht nur global,<br />

sondern auch auf den heimischen<br />

Märkten prophezeien verschiedene Studien<br />

den Produzenten von Umwelttechnik<br />

eine rosige Zukunft.<br />

Hierzulande beflügelt das ehrgeizige Ziel<br />

der Energiewende die Wachstumsfantasien.<br />

Dazu füllen weltweite Megatrends<br />

wie der Klimawandel, der Ressourcenmangel<br />

oder die Urbanisierung die Auftragsbücher<br />

der heimischen Produzenten<br />

von Umwelttechnik. Aber auch die in<br />

vielen ostdeutschen Regionen spürbaren<br />

Folgen des demografischen Wandels erfordern<br />

innovative Lösungsansätze im<br />

Energiesektor, in der Wasserwirtschaft<br />

oder im Verkehrswesen.<br />

Der vom Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />

herausgegebene Umwelttechnologie-At-<br />

Foto: Yevhen Vitte/shutterstock.com, Quelle Schaubild: Green Economy Gründungsmonitor 2014<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


GREENTECH | 39<br />

Illustration: Alexandr III/shutterstock.com, Quelle Schaubild: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />

las zeigt sich in seiner Marktanalyse deshalb<br />

uneingeschränkt optimistisch: Summierte<br />

sich das GreenTech-Marktvolumen<br />

in Deutschland 2013 noch auf 344<br />

Milliarden Euro, so sollen im Jahr 2025<br />

bereits Produkte und Dienstleistungen<br />

im Wert von 740 Milliarden Euro in den<br />

Markt gebracht werden.<br />

Das schillernde Schlagwort GreenTech –<br />

zum Teil auch als CleanTech bezeichnet –<br />

vereint sechs unterschiedliche Leitmärkte:<br />

Zu diesen zählen die Steigerung der<br />

Energieeffizienz von Geräten, Gebäuden<br />

und in der Produktion, die umweltfreundliche<br />

Erzeugung, Speicherung und Verteilung<br />

von Energie sowie die Rohstoff- und<br />

Materialeffizienz. Darüber hinaus firmieren<br />

auch die Kreislaufwirtschaft sowie die<br />

nachhaltige Wasserwirtschaft unter dem<br />

Sammelbegriff GreenTech.<br />

Schließlich gelten alternative Antriebstechnologien<br />

gepaart mit neuen Verkehrskonzepten<br />

für eine nachhaltige Mobilität<br />

als ein weiterer grüner Zukunftsmarkt.<br />

In all diesen Leitmärkten nehmen ostdeutsche<br />

Hersteller ebenso wie Forschungseinrichtungen<br />

längst Spitzenplätze<br />

ein. Ein Standortgutachten im Auftrag<br />

der Bundesregierung über die Potenziale<br />

der GreenTech-Industrie in Ostdeutschland<br />

errechnete bereits 2013 für die ostdeutschen<br />

Produzenten von Umwelttechnik<br />

einen Anteil von 10,3 Prozent am gesamtdeutschen<br />

GreenTech-Umsatz. Getrieben<br />

wird das Wachstum vor allem<br />

durch kleine und mittelständische Unternehmen.<br />

So wurden laut Standortgutachten<br />

42 Prozent des Umsatzes durch Unternehmen<br />

mit einem maximalen Umsatz<br />

von 50 Millionen Euro bestritten.<br />

Die umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung<br />

und Verteilung von Energie ist<br />

mit mehr als der Hälfte der GreenTech-<br />

Beschäftigten der mit Abstand größte<br />

Leitmarkt für grüne Technologien im Osten<br />

Deutschlands. Knapp ein weiteres<br />

Drittel der Arbeitnehmer stand 2012 in<br />

der Kreislaufwirtschaft und der nachhaltigen<br />

Wasserwirtschaft in Lohn und Brot.<br />

MARKTVOLUMEN GREENTECH<br />

Das Marktvolumen der einzelnen GreenTech-Märkte 2013 in Deutschland<br />

Markt<br />

Milliarden<br />

Euro<br />

Weltmarktanteil<br />

in %<br />

Energieeffizienz 100 12<br />

Umweltfreundliche Erzeugung,<br />

Speicherung und Verteilung von Energien<br />

73 17<br />

Nachhaltige Mobilität 53 17<br />

Nachhaltige Wasserwirtschaft 53 11<br />

Rohstoff- und Materialeffizienz 48 13<br />

Kreislaufwirtschaft 17 17<br />

Als Wachstumskern gilt aber auch die<br />

Produktion und Forschung im Bereich der<br />

Brennstoffzellen. Unternehmen wie die<br />

Riesaer Brennstoffzellentechnik GmbH<br />

oder die Dresdner FuelCell Energy Solutions<br />

sind am Markt etabliert, geforscht<br />

wird am Hydrogen and Informatics Institute<br />

of Applied Technologies (HIAT) in<br />

Schwerin, dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung<br />

und Technologie in Greifswald<br />

oder an der Technischen Universität<br />

Freiberg.<br />

Berlin als Ballungsraum mit hohem Pendleraufkommen<br />

bietet laut Standortgutachten<br />

alle Voraussetzungen für Lösungen<br />

rund um die nachhaltige Mobilität und<br />

eine intelligente Verkehrssteuerung. In<br />

der energieeffizienten Produktion profiliert<br />

sich Sachsen rund um die neue „E³-<br />

Forschungsfabrik Ressourceneffiziente<br />

Produktion“ in Chemnitz. Die mittelständische<br />

Wirtschaft in Sachsen und Thüringens<br />

verfügt darüber hinaus über besonderes<br />

Know-how im Bereich des Maschinenbaus<br />

in der Kreislaufwirtschaft.<br />

Die ostdeutschen GreenTech-Branchen<br />

werden auch von einer forcierten Gründungsdynamik<br />

getrieben. Dies belegt<br />

der vom Borderstep Institut in Zusammenarbeit<br />

mit der EXIST-Gründerhochschule<br />

Universität Oldenburg berechnete<br />

Green Economy Gründungsmonitor, der<br />

das bundesweite Gründungsgeschehen<br />

in den Bereichen GreenTech, Erneuerbare<br />

Energien, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft<br />

und Klimaschutz analysiert.<br />

Demnach gingen in der Green Economy<br />

im Zeitraum von 20<strong>06</strong> bis 2013 in<br />

Deutschland rund 170.000 neue Unternehmen<br />

mit nahezu 1,1 Millionen Arbeitsplätzen<br />

an den Start. Mit rund 85.000 Unternehmensgründungen<br />

sind die Erneuerbaren<br />

Energien das größte Feld für grüne<br />

Start-ups (50 Prozent). Fast 73.000 Gründungen<br />

(43 Prozent) entfallen auf den Bereich<br />

Energieeffizienz.<br />

In 2013, dem letzten aktuellen Erhebungsjahr,<br />

entstanden in Deutschlands<br />

grüner Wirtschaft rund 16.700 neue Unternehmen,<br />

dies entspricht einem Anteil<br />

von 14 Prozent an allen Gründungen bundesweit.<br />

Besonders in Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Brandenburg belebt Green-<br />

Tech der Studie zu Folge das gesamte<br />

Gründungsgeschehen. Hier beträgt der<br />

Anteil der grünen Start-ups über 20 Prozent<br />

am gesamten Gründungsgeschehen.<br />

Auf überdurchschnittliche Anteile<br />

kommen GreenTech-Gründungen auch<br />

in Sachsen und Sachsen-Anhalt. W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


40 | W+M TITEL GREENTECH<br />

Der Windpark Baltic 1 der EnBW produziert<br />

Strom auf hoher See.<br />

Leitmarkt Umweltfreundliche Erzeugung und Speicherung von Energie<br />

DIE VORREITER DER WENDE<br />

Wind, Sonne, Biomasse – die ostdeutschen<br />

Bundesländer gelten<br />

als treibende Kraft sowohl<br />

beim Ausbau der Erneuerbaren Energien<br />

als auch bei der Forschung zu neuen Speichertechnologien.<br />

Nach zwei Jahren Bauzeit war es Mitte<br />

September endlich soweit: Vor Rügens<br />

Küste nahm der Ostsee-Windpark Baltic<br />

2 des Energiekonzerns EnBW seinen Betrieb<br />

auf. Strom für 340.000 Haushalte soll<br />

der größte Windpark im Ostseeraum künftig<br />

auf hoher See erzeugen. Und dies ist<br />

nur der Anfang, denn in der Ostsee stehen<br />

noch vier weitere Offshore-Projekte in den<br />

Startlöchern. Ein Konjunkturprogramm<br />

nicht nur für die Betreiber der Windparks,<br />

sondern auch für die traditionelle maritime<br />

Industrie des Landes ebenso wie für die<br />

Zuliefererindustrie, die Dienstleister und<br />

die Häfen Mecklenburg-Vorpommerns.<br />

Auch an Land ist die Erneuerbare-Energien-Branche<br />

zum Hoffnungsträger für<br />

Deutschlands Nordosten aufgestiegen.<br />

Schon heute resultiert mehr als jeder 40.<br />

Arbeitsplatz in Mecklenburg-Vorpommern<br />

aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien,<br />

mehr als in jedem anderen deutschen<br />

Bundesland.<br />

Ein Ende des Booms ist nicht absehbar: Die<br />

Ökostrom-Erzeugung in Mecklenburg-Vorpommern<br />

wuchs allein 2014 um weitere<br />

14 Prozent. Zwei Drittel des gesamten im<br />

Nordosten produzierten Stroms stammen<br />

mittlerweile aus Windkraft, Sonnenenergie<br />

oder Biogasanlagen, meldete im September<br />

das Statistische Landesamt Mecklenburg-Vorpommerns.<br />

1.707 Windturbinen,<br />

rund 14.000 Photovoltaik-Anlagen und 540<br />

Biogasanlagen sorgen zwischen Müritz und<br />

Ostseestrand mittlerweile für den bundesweit<br />

höchsten Anteil Erneuerbarer Energien<br />

am Primärenergieverbrauch.<br />

Die Energiewende mutiert so zum Jobmotor<br />

für das weitenteils eher strukturschwache<br />

Land. Der Jahresreport 2014/<strong>2015</strong> der<br />

Agentur für Erneuerbare Energien bezifferte<br />

die Zahl der durch den Betrieb und die<br />

Wartung der bisher gebauten Anlagen neu<br />

geschaffenen Jobs im Jahr 2013 in Mecklenburg-Vorpommern<br />

auf 3.000.<br />

Aber nicht nur an der Ostsee weht ein frischer<br />

Wind: Bei der installierten Windenergie-Leistung<br />

– so ermittelten jüngst das<br />

Deutsche Windenergie Institut und die<br />

Deutsche WindGuard GmbH – nehmen<br />

auch Brandenburg (zweite Position) und<br />

Sachsen-Anhalt (vierte Position) Führungspositionen<br />

im bundesweiten Ländervergleich<br />

ein. Bei der neu installierten Leistung<br />

2014 lag Brandenburg auf dem dritten<br />

Platz.<br />

Und in Brandenburg drehen sich nicht nur<br />

die Windränder in immer größerer Zahl.<br />

Das Land treibt auch den Bau großer Batteriekraftwerke<br />

und die Aufnahme von Pilotprojekten<br />

zu neuen Speichertechnologien<br />

voran. Sie gelten schließlich als unverzichtbarer<br />

Baustein für das Gelingen<br />

der Energiewende, weil sie helfen, Netzschwankungen<br />

zu stabilisieren.<br />

So ging beispielsweise im September im<br />

energieautarken Dorf Feldheim bei Treuenbrietzen<br />

Europas größter Energiespeicher<br />

ans Netz. Die Lithium-Ionen-Batterieanlage<br />

soll bei einer Kapazität von zehn<br />

Megawatt die im benachbarten Windpark<br />

Feldheim erzeugte Energie speichern. Bei<br />

einem Stromüberangebot dient das Regelkraftwerk<br />

dazu, innerhalb kurzer Zeit das<br />

Netz zu entlasten. Bei erhöhter Nachfrage<br />

wird dagegen in Sekundenschnelle Leistung<br />

abgegeben. Für das Projekt steuerte<br />

Brandenburg fünf Millionen Euro aus Mitteln<br />

der EU zur Förderung Erneuerbarer<br />

Energien bei.<br />

Matthias Salm<br />

Foto: EnBW<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


42 | W+M TITEL<br />

Leitmarkt Energieeffizienz<br />

INVESTITIONEN IN DIE SPARSAMKEIT<br />

Thüringens Umwelt- und Energieministerin<br />

Anja Siegesmund (Bündnis<br />

90/Die Grünen) ist sich sicher:<br />

„Energieeinsparung, Effizienz und Green-<br />

Tech – das sind Treiber des Wachstums.“<br />

Und ließ im Namen der thüringischen<br />

Landesregierung den Worten Taten folgen.<br />

Denn die Erfurter Koalitionäre haben<br />

die bisherige Energieeffizienzförderung<br />

des Landes sowohl vom Fördervolumen<br />

als auch inhaltlich massiv ausgeweitet.<br />

Mit einem Gesamtvolumen von<br />

fast 59 Millionen Euro im Rahmen des<br />

Programms „GREEN invest“ will der Freistaat<br />

bis zum Jahr 2020 Energieeffizienzmaßnahmen<br />

und innovative Pilotprojekte<br />

zur Nutzung Erneuerbarer Energien in<br />

Thüringer Unternehmen fördern.<br />

Die forcierte Unterstützung beim Thema<br />

Energieeffizienz dürfte beim Mittelstand<br />

des Landes auf offene Ohren stoßen.<br />

In einer Mittelstandsbefragung der<br />

Commerzbank AG erkannten jüngst 56<br />

Prozent der Thüringer Unternehmen Einsparpotenziale<br />

beim betrieblichen Energieverbrauch.<br />

Im benachbarten Sachsen-<br />

Anhalt waren es gar 62 Prozent, in Sachsen<br />

setzen 55 Prozent der befragten mittelständischen<br />

Firmen das Thema auf die<br />

Agenda.<br />

Denn längst haben auch die kleinen und<br />

mittleren Unternehmen in Ostdeutschland<br />

erkannt, dass sich mittels Energieeinsparungen<br />

die eigene Wettbewerbsfähigkeit<br />

steigern lässt. Wie beispielsweise<br />

die KTB Transformatorenbau<br />

GmbH aus dem thüringischen Dingelstädt.<br />

Das Unternehmen analysierte seine<br />

gesamten Energieverbrauchsdaten<br />

und konnte durch die konsequente Umsetzung<br />

von einzelnen Effizienzprojekten<br />

ein beachtliches Einsparpotenzial<br />

verwirklichen.<br />

Wie ostdeutsche Betriebe künftig mit<br />

erheblich reduziertem Energie- und Materialeinsatz<br />

produzieren können, ohne<br />

bei der Wertschöpfung Abstriche machen<br />

zu müssen, wird aber nicht nur in<br />

den Unternehmen selbst erprobt. Denn<br />

in der Forschung zu energieeffizienteren<br />

Produkten und ressourcenschonenden<br />

Produktionsverfahren sind ostdeutsche<br />

Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />

führend.<br />

So eröffnete 2014 in Chemnitz die neue<br />

„E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente<br />

Produktion“. Die drei E stehen<br />

für die Entwicklung neuer Maschinen,<br />

Technologien und Prozesse mit dem<br />

Ziel, Energie und Ressourcen einzusparen<br />

und eine emissionsneutrale Fabrik zu<br />

konzipieren. Das Chemnitzer Fraunhofer-<br />

Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik<br />

IWU arbeitet bereits seit fast<br />

20 Jahren mit der Technischen Universität<br />

(TU) Chemnitz und der regionalen<br />

Wirtschaft gemeinsam an Lösungen für<br />

die energie- und ressourcenschonende<br />

Produktion.<br />

Die neue Chemnitzer Modellfabrik baut<br />

dabei auf vorherige Forschungsprojekte in<br />

Sachsen auf. So startete das Fraunhofer<br />

IWU 2009 gemeinsam mit der TU Chemnitz<br />

bereits das sächsische Spitzentechnologiecluster<br />

„Energieeffiziente Produktund<br />

Prozessinnovationen in der Produktionstechnik“.<br />

Von 2010 bis 2012 forschte<br />

zudem die Innovationsallianz Green Carbody<br />

Technologies zu der Frage, wie der<br />

Energieeinsatz im Karosseriebau um 50<br />

Prozent reduziert werden kann.<br />

Die „E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente Produktion" in Chemnitz.<br />

Und ebenfalls 2009 wurde im benachbarten<br />

Dresden das „Dresdner Innovationszentrum<br />

Energieeffizienz“ gegründet.<br />

Hier arbeiten Wissenschaftler der<br />

TU Dresden und der Dresdner Fraunhofer-Institute<br />

unter anderem zu den Themen<br />

Leichtbau und energieeffiziente Fertigung<br />

sowie energiesparende Displays.<br />

Matthias Salm<br />

Foto: Fraunhofer IWU<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


GREENTECH | 43<br />

Leitmarkt Nachhaltige Mobilität<br />

Noch ist es Wunschdenken und daran<br />

scheint sich in allzu naher Zukunft<br />

auch nichts zu ändern: eine<br />

Million Elektroautos auf deutschen Straßen<br />

im Jahr 2020. Dieses hehre Ziel hatte<br />

die Bundesregierung vor zwei Jahren<br />

im Rahmen der Energiewende ausgerufen.<br />

Inzwischen gibt man sich angesichts<br />

schleppender Zulassungszahlen zurückhaltender.<br />

Einen entscheidenden Schub für die nachhaltige<br />

Mobilität erhofft man sich dabei<br />

auch aus der Hauptstadt. Schließlich wird<br />

in der Region Berlin–Brandenburg im<br />

Rahmen des Bundesförderprogramms<br />

„Schaufenster Elektromobilität“ in mehr<br />

als 130 Projekten an zukunftsweisenden<br />

Antriebstechnologien gearbeitet. Rund 83<br />

Millionen Euro stehen für die Schaufensterprojekte<br />

bereit.<br />

Im Einsatz: Der E-Bus der BVG.<br />

BERLIN MACHT ELEKTROMOBIL<br />

Elektromobilität beschränkt sich aber keineswegs<br />

auf private Pkw. So unterhalten<br />

die Berliner Verkehrsbetriebe etwa zwischen<br />

den Haltepunkten Bahnhof Zoo und<br />

Südkreuz die E-Bus-Linie 204, und die Berliner<br />

Stadtreinigung verfügt über ein elektrisch<br />

betriebenes Sperrmüllfahrzeug im<br />

Fuhrpark. Auch Großunternehmen nutzen<br />

die Hauptstadt als Testlabor. Wie der Paketzustelldienst<br />

Hermes, der im Rahmen des<br />

Schaufensters Elektromobilität erstmals<br />

ein elektrifiziertes Lieferfahrzeug einsetzt.<br />

Projekte wie diese befeuern auch die<br />

Hoffnung, die nachhaltige Mobilität könne<br />

sich in Berlin als zukunftsfähiger Wirtschaftszweig<br />

etablieren. Allein in 2014 haben<br />

Berliner Unternehmen nach Angaben<br />

von Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia<br />

Yzer (CDU) mehr als 20 Millionen Euro in<br />

den Bereich E-Mobilität investiert.<br />

Nachhaltige Mobilitätslösungen umfassen<br />

aber mehr als nur den erhofften Siegeszug<br />

der Elektromobilität. Gefragt ist das Miteinander<br />

verschiedenster nachhaltiger Verkehrsmittel.<br />

Das treibt vor allem die Berliner<br />

Start-up-Szene um, wie etwa das<br />

2008 gegründete Unternehmen ubitricity.<br />

Eine seiner Ideen: Straßenlaternen im<br />

Zuge ihrer Modernisierung als Ladepunkte<br />

für Elektrofahrzeuge aufzurüsten. Dabei<br />

kommen mobile intelligente Stromzähler<br />

im Ladekabel zum Einsatz, mittels derer<br />

die Nutzer den Ladepunkt freischalten, laden<br />

und den Strom mit einem Stromlieferanten<br />

ihrer Wahl abrechnen können.<br />

Neue Wege gehen junge Berliner Unternehmen<br />

auch beim Car-Sharing. So vereint<br />

das jüngst von einem Investor übernommene<br />

Start-up CarJump, alle Carsharing-Angebote<br />

in einer App. Die CarJump-<br />

App ermöglicht das Finden, Reservieren<br />

und Buchen von Autos der meistgenutzten<br />

Carsharing-Anbieter in Deutschland,<br />

wie beispielsweise DriveNow, car2go<br />

oder multicity.<br />

Auch das Start-up-Projekt eMio versucht,<br />

eine Lücke im Markt zukünftiger Mobilität<br />

zu finden: Statt auf Car- oder Bike-Sharing<br />

setzen die eMio-Gründer auf Elektroroller.<br />

150 Fahrzeuge sind bereits in Berlin unterwegs.<br />

Die Handy-App verrät, wo das<br />

nächste Fahrzeug steht, die Freischaltung<br />

erfolgt über das Smartphone. Die Akkus<br />

reichen für eine Strecke von 120 Kilometern.<br />

Mit dieser Idee gewann eMio <strong>2015</strong><br />

den Innovationswettbewerb der Hauptstadtkonferenz<br />

Elektromobilität.<br />

Matthias Salm<br />

Fotos: BVG, Oliver Lang (oben), Matthias Salm (unten)<br />

2.000 E-Autos rollten Mitte <strong>2015</strong> auf den<br />

Straßen der Hauptstadt, die meisten davon<br />

allerdings im gewerblichen Bereich,<br />

bei Mietwagenfirmen und im Bestand der<br />

Car-Sharing-Anbieter. Zu wenig, monieren<br />

die Kritiker, deren Blick vor allem den privaten<br />

Nutzerzahlen gilt.<br />

E-Roller des Start-ups eMio.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


44 | W+M TITEL GREENTECH<br />

Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />

KNOW-HOW MIT TRADITION<br />

Prozent aller Firmen Dienstleister sind, lediglich<br />

zwei Prozent sind Hersteller von<br />

Maschinen und Anlagen.<br />

Laut CleanTech-Standortgutachten liegt<br />

der jährliche Gesamtumsatz aller Unternehmen<br />

im Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />

bei rund 5,2 Milliarden Euro. Die Branche<br />

ist geprägt von kleinen und mittleren Unternehmen<br />

sowie einigen wenigen Großunternehmen,<br />

die einen vergleichsweise<br />

großen Anteil am Gesamtumsatz tragen.<br />

So entfallen etwa 27 Prozent des Umsatzes<br />

auf Unternehmen mit bis zu zehn<br />

Millionen Euro Jahresumsatz. 29 Prozent<br />

des Umsatzes erarbeiten Firmen, die pro<br />

Jahr Umsätze zwischen elf und 50 Millionen<br />

Euro erzielen. Großunternehmen<br />

verbuchen 44 Prozent der Umsätze für<br />

sich. Ganz klar dominiert wird der Leitmarkt<br />

Kreislaufwirtschaft in den neuen<br />

Ländern von den Bereichen Abfallsammlung<br />

und -transport sowie Abfallverwertung,<br />

in denen insgesamt 4,3 Milliarden<br />

Euro bilanziert werden.<br />

In ihrer modernen Sortieranlage in Berlin bereitet die ALBA Group Wertstoffe auf.<br />

Dem Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />

kommt wegen der weltweit knapper<br />

werdenden Primärrohstoffe<br />

perspektivisch eine zentrale Rolle im<br />

CleanTech-Bereich zu. Da Rohstoffengpässe<br />

schon zu DDR-Zeiten ein ständiges<br />

volkswirtschaftliches Problem waren<br />

und daher frühzeitig flächendeckend<br />

Sekundärrohstofferfassungssysteme für<br />

Papier, Glas und Altmetalle eingeführt<br />

wurden, können die neuen Bundesländer<br />

heute auf erhebliches Know-how und<br />

eine in Teilen führende Forschungslandschaft<br />

zurückgreifen.<br />

Speziell in Thüringen und Sachsen agieren<br />

Unternehmen, die sich auf den Maschinenbau<br />

für Anwendungen in der Entsorgungs-<br />

und Kreislaufwirtschaft spezialisiert<br />

haben. Da die Menschen zwischen<br />

Ostsee und Thüringer Wald seit<br />

Jahrzehnten aktiv Mülltrennung praktizieren,<br />

werden hier oft höhere Wertstoffsammelquoten<br />

erreicht als in den<br />

alten Bundesländern. Berlin gilt heute<br />

als Hochburg für innovative Recyclinglösungen.<br />

Vor allem, weil hier die Nummer<br />

zwei der deutschen Recyclingunternehmen,<br />

die ALBA Group, ihren Hauptsitz<br />

hat und sich darüber hinaus die kommunale<br />

Berliner Stadtreinigung (BSR) und<br />

Recycling-Marktführer Remondis stark<br />

engagieren.<br />

In einem CleanTech-Standortgutachten<br />

für das Jahr 2013, das die Wirtschaftsprüfergesellschaft<br />

KPMG, das Deutsche<br />

CleanTech Institut sowie das Forschungsinstitut<br />

EuPD Research im Auftrag der<br />

Bundesregierung erarbeiteten, wurden<br />

in Ostdeutschland knapp 700 Unternehmen<br />

identifiziert, die in der Kreislaufwirtschaftsbranche<br />

aktiv sind. 29 Prozent dieser<br />

Firmen sind in Sachsen ansässig, je<br />

18 Prozent in Brandenburg und Sachsen-<br />

Anhalt, 16 Prozent in Thüringen, 13 Prozent<br />

in Berlin und sechs Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Bei der Betrachtung<br />

der Unternehmensstruktur nach<br />

Wertschöpfungsstufen fällt auf, dass 98<br />

In der ostdeutschen Kreislaufwirtschaft<br />

stehen rund 28.700 Arbeitnehmer in<br />

Lohn und Brot, 72 Prozent davon in kleinen<br />

und mittleren Betrieben.<br />

Die Forschungslandschaft ist nach Einschätzung<br />

der von der Bundesregierung<br />

beauftragten Gutachter „insgesamt sehr<br />

klein und verstreut auf viele Regionen“.<br />

Forschungsschwerpunkte liegen in Berlin,<br />

Mittelsachsen, Nordthüringen und<br />

Vorpommern. Etwa 1.400 Beschäftigte<br />

sind in ostdeutschen Forschungseinrichtungen<br />

für den Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />

tätig. Allerdings gibt es durchaus<br />

wissenschaftliche Leuchttürme, die<br />

für Innovationen sorgen. So forschen die<br />

Technischen Universitäten Dresden und<br />

Ilmenau sowie die Universität Magdeburg<br />

an modernen Maschinenbaulösungen<br />

für die Kreislaufwirtschaft. Die Bergakademie<br />

Freiberg, das Helmholtz-Institut<br />

Freiberg für Ressourcentechnologie<br />

sowie das Thüringische Institut für Textil-<br />

und Kunststoffforschung engagieren<br />

sich erfolgreich bei der Entwicklung von<br />

neuartigen Recyclingverfahren.<br />

Karsten Hintzmann<br />

Foto: ALBA Group<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


Partnerschaft verbindet.<br />

Die Helaba ist Sparkassenzentralbank in Hessen, Thüringen,<br />

Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Als Partner von 40 %<br />

aller deutschen Sparkassen sind wir die Verbundbank der<br />

deutschen Sparkassenorganisation. Mit unserem bundesweiten<br />

Dienstleistungsangebot stehen wir nicht nur für Kompetenz und<br />

Professionalität, sondern auch für individuelle Lösungen und<br />

nachhaltige Strategien.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.helaba.de<br />

Banking auf dem Boden der Tatsachen.


46 | W+M TITEL<br />

„GREENTECH IST UND BLEIBT<br />

EIN DYNAMISCHER MARKT“<br />

W+M-Interview mit DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer<br />

W+M: Herr Dr. Schweitzer, wie ist es<br />

um den Bereich GreenTech aktuell in<br />

Deutschland bestellt?<br />

Eric Schweitzer: GreenTech ist und<br />

bleibt ein dynamischer Markt mit zukunftsfähigen<br />

Produkten und Arbeitsplätzen.<br />

Aktuelle Zahlen verdeutlichen dies:<br />

In Deutschland lag das Marktvolumen für<br />

Umwelttechnik und Ressourceneffizienz<br />

vor zwei Jahren bei fast 350 Milliarden<br />

Euro – und es wird sich bis 2025 voraussichtlich<br />

verdoppeln. Schon 2012 hatten<br />

wir rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze auf<br />

diesem Gebiet.<br />

W+M: Warum hat GreenTech aus Ihrer<br />

Sicht eine strategisch hohe Bedeutung<br />

für unser Land?<br />

Eric Schweitzer: Deutschland ist ein<br />

rohstoffarmes Land. GreenTech bietet<br />

die Chance, diesen Standortnachteil<br />

auszugleichen. Aber auch international<br />

ist GreenTech ein Wachstumsmarkt. Experten<br />

schätzen, dass der globale Markt<br />

im Jahr 2025 bei über fünf Billionen Euro<br />

liegen wird.<br />

W+M: Kommen wir zu den neuen Bundesländern.<br />

Wo gibt es regionale Hochburgen<br />

in Sachen GreenTech?<br />

Eric Schweitzer: GreenTech-Hochburgen<br />

gibt es in allen neuen Bundesländern.<br />

In Sachsen zum Beispiel sind<br />

rund 650 Unternehmen mit mehr als<br />

12.000 Mitarbeitern in der Umwelttechnikbranche<br />

aktiv. Der Exportanteil<br />

liegt mit 35 Prozent deutlich<br />

über dem Bundesdurchschnitt.<br />

In Brandenburg boomt der<br />

Markt mit der Erzeugung,<br />

Speicherung und Verteilung<br />

der Energie. In<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

wurde das führende Unternehmensnetzwerk<br />

für Windenergie gegründet.<br />

In Thüringen wird viel in die Energieforschung<br />

investiert.<br />

W+M: Auf welchen der sechs Green-<br />

Tech-Leitmärkten kommen Unternehmen<br />

aus Ostdeutschland besonders gut<br />

voran?<br />

Eric Schweitzer: Die Erfolgsgeschichten<br />

ziehen sich durch alle Bereiche. In<br />

Sachsen-Anhalt hat einer der führenden<br />

Windkraftanlagenhersteller Deutschlands<br />

seinen größten Produktionsstandort<br />

mit 4.500 Mitarbeitern. In Mecklenburg-Vorpommern<br />

ist insbesondere<br />

die On- und Offshore-Windenergieerzeugung,<br />

in Thüringen der Energiebereich<br />

insgesamt stark ausgeprägt.<br />

In Sachsen dominiert neben der<br />

Energietechnik die Kreislaufwirtschaft<br />

sowie die Wasser- und<br />

Abwassertechnik.<br />

W+M: Wo sehen Sie die Ursachen<br />

dafür?<br />

Eric Schweitzer:<br />

Familienunter nehmer und<br />

DIHK-Präsident.<br />

Eric Schweitzer: Als die Unternehmen<br />

in den neuen Bundesländern sich nach<br />

der Wiedervereinigung eine Nische im<br />

Markt suchten, lag es nahe, auf sparsame<br />

Energie- und Rohstoffnutzung zu setzen.<br />

Sachsen und Thüringen haben eine<br />

lange Tradition als Industriestandort, auf<br />

der aufgebaut werden konnte. Die relativ<br />

niedrige Einwohnerdichte in manchen Regionen<br />

Ostdeutschlands ist in diesem Fall<br />

ein Vorteil, weil für die Entwicklung und<br />

Nutzung von Erneuerbaren Energien viel<br />

Raum vorhanden ist.<br />

W+M: Was sollte die Politik zusätzlich<br />

tun, um die Entwicklung von GreenTech<br />

in unserem Land noch stärker nach vorn<br />

zu bringen?<br />

Eric Schweitzer: Auch Green Economy<br />

ist Economy! Nur leistungsstarke Unternehmen<br />

können im globalen Markt erfolgreich<br />

sein. Deshalb brauchen wir einen<br />

Rahmen, der Innovationen und neue<br />

Produkte fördert. Gut finde ich, dass die<br />

Bundesregierung auf dem Gebiet der Umweltforschung<br />

gerade anwendungsbezogene<br />

Projekte fördert. Die geplante<br />

Exportinitiative<br />

für Umwelttechnologie<br />

kann wichtige<br />

Impulse schaffen.<br />

W+M: Ist die politische<br />

Fokussierung<br />

auf Erneuerbare<br />

Energien<br />

aufgrund der damit<br />

verbundenen<br />

höheren Stromkosten<br />

ein Wettbewerbsnachteil<br />

für die heimische<br />

Wirtschaft?<br />

Foto: HC Plambeck<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


GREENTECH | 47<br />

Gemeinsam mit seinem Bruder Axel führt Eric Schweitzer die auf Recycling spezialisierte ALBA Group.<br />

Foto: ALBA Group<br />

Eric Schweitzer: Eindeutig ja. Ziel<br />

des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />

war es, Innovationen anzuregen. Daraus<br />

wurde die Finanzierung eines breiten<br />

Rollouts längst etablierter Technologien<br />

wie Windkraft und Photovoltaik,<br />

den die Stromabnehmer teuer bezahlen.<br />

Das wirkt sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Unternehmen in<br />

Deutschland aus: Die Stromkosten sind<br />

hierzulande höher als die der Mitbewerber<br />

im Ausland.<br />

W+M: Als Inhaber der auf Recycling und<br />

Kreislaufwirtschaft spezialisierten ALBA<br />

Group engagieren Sie sich auch persönlich<br />

in Sachen GreenTech. Verraten Sie<br />

uns, wie Ihr Unternehmen ganz konkret<br />

GreenTech lebt?<br />

Eric Schweitzer: Modernste Umwelttechnologien<br />

kommen bei uns in vielen<br />

Bereichen zum Einsatz, zum Beispiel in<br />

der Wertstoffsortierung. Bundesweit betreiben<br />

wir mehrere hocheffiziente Anlagen<br />

zur Sortierung von Leichtverpackungen<br />

und anderen Wertstofffraktionen<br />

aus dem System Gelbe Tonne/Gelber<br />

Sack. Diese Anlagen, unter anderem<br />

in Leipzig und Berlin, bieten technisch innovativste<br />

Verfahren unter Einsatz von<br />

Optoelektronik und Nah-Infrarot-Kameras.<br />

Wir erreichen dadurch eine präzise<br />

Trennung in zwölf verschiedene Fraktionen<br />

und Sortierquoten von 95 Prozent.<br />

W+M: Im Bereich Recycling hat ALBA<br />

etliche Verfahren entwickelt, mit denen<br />

die Kreislaufkette bei bestimmten Stoffen<br />

tatsächlich geschlossen wird. Worauf<br />

sind Sie besonders stolz?<br />

ZUR PERSON<br />

Eric Schweitzer wurde 1965 in Ipoh<br />

(Malaysia) geboren. Gemeinsam mit<br />

seinem Bruder Axel führt er die ALBA<br />

Group. Das Recyclingunternehmen beschäftigt<br />

etwa 9.000 Mitarbeiter und<br />

erwirtschaftet einen Jahresumsatz von<br />

rund drei Milliarden Euro. Seit 2004 ist<br />

Schweitzer Präsident der Berliner IHK.<br />

Im März 2013 wurde er zum Präsidenten<br />

des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

(DIHK) gewählt.<br />

Eric Schweitzer: Beim Kunststoffrecycling<br />

bilden wir heute die gesamte Kette ab:<br />

Wir sammeln Altkunststoffe, sortieren sie<br />

und schenken ihnen schließlich als qualitativ<br />

hochwertige Sekundärrohstoffe ein<br />

zweites Leben. Das geschieht zum Beispiel<br />

in Eisenhüttenstadt, wo wir eine Anlage<br />

zur Kunststoffaufbereitung betreiben.<br />

Altkunststoffe werden hier mit Hilfe ausgereifter<br />

Technologien zu unserem Recyclingkunststoff<br />

Procyclen verarbeitet. Procyclen<br />

ist ein vollwertiges Neuwaresubstitut, das<br />

in Qualität und Eigenschaften neuen Kunststoffen<br />

ebenbürtig ist. Dafür wurde es bereits<br />

mehrfach ausgezeichnet. Es gibt keinen<br />

Grund mehr, warum Kunststoffe heute<br />

noch auf Rohöl basieren müssen.<br />

W+M: Ihr Unternehmen ist in ganz<br />

Deutschland sowie international aktiv.<br />

Gibt es unter dem Blickwinkel GreenTech<br />

einen ALBA-Leuchtturm zwischen Warnemünde<br />

und dem Fichtelberg, den Sie<br />

hier erwähnen möchten?<br />

Eric Schweitzer: Dazu zählen sicher die<br />

beiden MPS-Anlagen in Berlin, die wir<br />

gemeinsam mit den Berliner Stadtreinigungsbetrieben<br />

(BSR) betreiben. Mit einem<br />

speziell entwickelten Verfahren werden<br />

dort aus Haushaltrestabfällen Wertstoffe<br />

wie Metalle und Inerte gewonnen<br />

und ein klimafreundlicher Ersatzbrennstoff<br />

– Grüne Kohle – produziert, der anschließend<br />

zum Beispiel in Kraftwerken<br />

eingesetzt wird. Derzeit erlebt die Grüne-<br />

Kohle-Technologie eine enorme internationale<br />

Nachfrage, vor allem aus Ländern<br />

wie China, die eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft<br />

auf technisch hohem Niveau<br />

aufbauen wollen.<br />

Interview: Karsten Hintzmann<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


48 | W+M RATGEBER<br />

MUT ZUR RENDITE<br />

Durch die Umstellung auf Erneuerbare Energien allein kann die<br />

Energiewende nicht gelingen. Eine Steigerung der Energieeffizienz<br />

ist nötig, um den Energieverbrauch zu senken. Deshalb hat die<br />

Förderbank KfW ihre Kredite noch einmal verbilligt. Die Zinssätze<br />

starten bei nur einem Prozent – auch für sehr langfristige Kredite.<br />

Von Axel Mörer-Funk<br />

Um Geld zu sparen, hat Wolfgang<br />

Deiß erstmal ordentlich investiert.<br />

800.000 Euro KfW-Kredit steckte<br />

der Chef der Berliner Möbelfabrik Artis in<br />

Gebäude- und Heiztechnik, um die Heizkosten<br />

auf null zu bringen. „Wir hätten<br />

nie gedacht, dass sich die Abfallprodukte<br />

unserer Arbeit nutzen lassen, um damit<br />

ein Gebäude von diesem Ausmaß zu<br />

beheizen“, so Deiß.<br />

Sämtliche Holzabfälle werden in dem<br />

Berliner Unternehmen aufgefangen, zerkleinert<br />

und gelagert. Damit wird der<br />

Heizkessel befeuert. Im Sommer entstehen<br />

so große Mengen Holzschnipsel,<br />

dass das Unternehmen nicht nur bequem<br />

über den Winter kommt. Es ist sogar<br />

noch genug Heizenergie übrig, um<br />

eine benachbarte Bürofläche von 500<br />

Quadratmetern mitzuheizen. „Als wir<br />

unseren Nachbarn, ebenfalls Gewerbetreibenden,<br />

angeboten haben, etwas<br />

von unserer überschüssigen Wärme abzugeben,<br />

waren sie sofort begeistert.“<br />

„Die Energieeffizienzpotenziale in den<br />

Unternehmen in Deutschland sind<br />

enorm“, sagt Katrin Leonhardt, Direktorin<br />

der KfW Mittelstandsbank. Das ist<br />

auch der Grund, warum die Bundesregierung<br />

im Rahmen der Energiewende weitere<br />

Mittel zur Verfügung stellt. Denn allein<br />

durch Abschalten der Atomkraftwerke<br />

und die Umstellung der Energieerzeugung<br />

auf Erneuerbare Energie kann die<br />

Energiewende nicht gelingen. Die zweite<br />

Säule ist die Steigerung der Energieeffizienz,<br />

um den Energieverbrauch zu senken.<br />

Dabei sind Industrie und Handwerk ein<br />

wesentlicher Faktor. „Die Unternehmen<br />

spielen eine sehr große Rolle, weil ei-<br />

Einsparpotenzial durch energetische Sanierung<br />

Um bis zu 80 % kann der Endenergieverbrauch durch eine energetische Sanierung reduziert werden.<br />

Davon rund 40 % durch Dämmung. Die reale Einsparung ist vom Nutzerverhalten und dem<br />

Ausgangszustand abhängig. Die Grafik zeigt Einsparungen am Beispiel eines Zweifamilienhauses<br />

aus dem Baujahr 1972.<br />

Endenergiebedarf vor Sanierung: 78.000 kWh (290 kWh/m²)<br />

Endenergiebedarf nach Sanierung: 18.000 kWh (67 kWh/m²)<br />

Dämmung Dach:<br />

13 % Einsparung<br />

Dreischeibenverglasung:<br />

10 % Einsparung<br />

Fassadendämmung:<br />

22 % Einsparung<br />

Modernisierung Heizungsanlage:<br />

15 % Einsparung<br />

Erneuerung der Warmwasserbereitung<br />

und Dämmung der Leitung:<br />

12 % Einsparung<br />

Dämmung Keller:<br />

5 % Einsparung<br />

Quelle Schaubild: KfW <strong>2015</strong><br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


FINANZEN | 49<br />

nerseits etwa 30 Prozent des Energieverbrauchs<br />

auf die Produktion der Unternehmen<br />

und weitere 15 Prozent auf<br />

Gewerbe, Handel und Dienstleistungen<br />

entfallen“, so Leonhardt. „Andererseits<br />

benötigen Nichtwohngebäude wie Produktionshallen<br />

und Bürohäuser ein Drittel<br />

der gesamten Energie, die überhaupt<br />

in Gebäuden verbraucht wird.“ Das heißt:<br />

Investitionen in Produktionsanlagen und<br />

Gebäude haben enorme Hebelkraft. Leonhardt:<br />

„Energie, die nicht produziert<br />

werden muss, hilft nicht nur der Energiewende,<br />

sie steigert auch die Wettbewerbsfähigkeit<br />

unserer Unternehmen,<br />

die dadurch günstiger produzieren können.“<br />

Nun hat auch die Staatsbank KfW ihr<br />

Energieeffizienzprogramm für Unternehmen<br />

verbessert. Obwohl Baugeld im Moment<br />

auch bei den Hausbanken günstig<br />

zu haben ist, bieten die KfW-Mittel den<br />

Unternehmen einen weiteren Vorteil: Der<br />

günstige Zinssatz von im niedrigsten Fall<br />

nur einem Prozent gilt nicht nur für kurzfristige<br />

Kredite, sondern auch bei Laufzeiten<br />

von bis zu 20 Jahren. Dabei ist der<br />

Zinssatz umso günstiger, je mehr die eingesetzten<br />

Mittel zur Effizienzsteigerung<br />

beitragen. Gleichzeitig bietet die KfW Tilgungszuschüsse<br />

von bis zu 17,5 Prozent<br />

der Investitionssumme für energieeffiziente<br />

Gebäude. „So lukrativ wie jetzt<br />

war es noch nie, Maschinen und Gebäude<br />

energetisch zu verbessern“, so KfW-<br />

Expertin Leonhardt.<br />

bauten oder die Sanierung vorhandener<br />

Produktions- und Bürogebäude nutzen“,<br />

so Leonhardt. Damit kann praktisch jedes<br />

energieeffiziente Gebäude in Deutschland<br />

von der KfW gefördert werden.<br />

Die Berliner Möbelschreinerei Artis ist<br />

ein gutes Beispiel dafür, dass die Investition<br />

sich lohnt. Der Betrieb wollte<br />

in ein altes Fabrikgebäude mit fast<br />

2.000 Quadratmetern Fläche umziehen.<br />

Die acht Meter hohe Fabrikhalle<br />

im Winter auf Betriebstemperatur<br />

zu bringen, hätte<br />

Unsummen verschlungen.<br />

Doch Deiß und Mitinhaber<br />

Holger Meyer zogen alle<br />

Register.<br />

Die Wände wurden mit<br />

Cellulose gedämmt,<br />

das Dach zur Wärmeisolierung<br />

begrünt,<br />

eine Solaranlage erzeugt<br />

den Strom,<br />

den die Möbelbauer<br />

für Beleuchtung,<br />

EDV, Pumpen und<br />

Belüftung brauchen.<br />

Die größte Ersparnis<br />

stellt sich mit dem Wintereinbruch<br />

ein, wenn die<br />

gelagerten Holzschnipsel<br />

zum Einsatz kommen: Deiß<br />

braucht keinen einzigen Euro<br />

zusätzlich, um die Produktionshalle<br />

und Büros zu heizen.<br />

Foto: 29mokara/fotolia.com<br />

INFORMATIONEN ZUM<br />

KFW-EFFIZIENZPROGRAMM<br />

Die wichtigsten Informationen bietet<br />

die KfW im Internet unter<br />

www.kfw.de/energieeffizienz oder<br />

telefonisch unter 0800 5399001.<br />

Zusätzlich hat die KfW ihr Programm<br />

„Energieeffizient Bauen und Sanieren“,<br />

das sich bislang allein auf Wohngebäude<br />

konzentrierte, auch für gewerblich genutzte<br />

Gebäude geöffnet. „Jetzt können<br />

auch Unternehmen günstige Kredite und<br />

Tilgungszuschüsse der KfW für ihre Neu-<br />

Allerdings gehört das Berliner Unternehmen<br />

zu den wenigen, die ihre Energieeffizienz<br />

verbessert haben. Wie groß<br />

das Potenzial ist, zeigt auch das Mittelstandspanel<br />

der KfW, für das die Aussagen<br />

von 2.000 mittelständischen Unternehmen<br />

berücksichtig wurden. Danach<br />

halten 43 Prozent der kleinen Unternehmen<br />

mit weniger als zehn Beschäftigten<br />

Energieeinsparung für wichtig, aber<br />

nur jedes dritte kleine Unternehmen<br />

hat bislang in Effizienzmaßnahmen investiert.<br />

Bei den mittleren Unternehmen<br />

mit bis zu 50 Beschäftigten haben<br />

in den vergangenen drei Jahren 48<br />

Prozent investiert, obwohl 61 Prozent<br />

Energieeinsparung für relevant halten.<br />

Immerhin<br />

ist die Bereitschaft der<br />

Unternehmen da, mehr für den effizienteren<br />

Einsatz von Energie zu tun. Das ergab<br />

eine aktuelle Umfrage der DZ Bank<br />

unter 1.000 Mittelständlern. Demnach<br />

will gut die Hälfte der Mittelständler in<br />

den nächsten zwei Jahren in Energieeffizienz<br />

investieren. „Wir hoffen, dass wir<br />

mit dem verbesserten Energieeffizienzprogramm<br />

der KfW die Zahl dieser Unternehmen<br />

steigern können“, so KfW-<br />

Direktorin Leonhardt.<br />

W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


50 | W+M RATGEBER<br />

ALTERNATIVE MITTEL-<br />

STANDSFINANZIERUNG<br />

Vier Fragen an …<br />

Dr. Michael Bormann<br />

Warum sollten sich Unternehmer mit<br />

alternativen Finanzierungen beschäftigen?<br />

Unter alternativer Unternehmensfinanzierung<br />

versteht man Finanzierungsformen<br />

abseits des klassischen Bankkredites.<br />

Die Zeiten, in denen ein Unternehmer<br />

zu seiner Hausbank ging, um sich<br />

für sein Unternehmen die notwendige Liquidität<br />

für Wachstum oder Konsolidierung<br />

zu beschaffen, sind längst vorüber.<br />

Heute müssen die Unternehmer alternativ<br />

denken und neue Wege bei der Finanzierung<br />

gehen.<br />

Was gibt es für Alternativen zum klassischen<br />

Bankkredit?<br />

Das Spektrum ist vielfältig. So sollte man<br />

zunächst die Möglichkeiten betrachten,<br />

die die Förderbanken und der öffentliche<br />

Sektor anbieten. Dies sind beispielsweise<br />

Förderkredite der staatlichen KfW-Bank.<br />

Daneben gibt es die Bürgschaftsbanken,<br />

die Kredite verbürgen und damit Sicherheiten<br />

bereitstellen. Die mittelständischen<br />

Beteiligungsgesellschaften in den einzelnen<br />

Bundesländern investieren zumeist in<br />

Minderheitsbeteiligungen in die Unternehmen<br />

und erhöhen so die Eigenkapitalquote.<br />

Daneben gibt es länderspezifische Programme<br />

etwa bei Mezzaninen, die zur Zwischenfinanzierung<br />

genutzt werden können.<br />

Das ist die eine Seite. Darüber hinaus<br />

gibt es die Möglichkeit, privates Kapital zu<br />

akquirieren. Dies kann beispielsweise dadurch<br />

geschehen, dass das Unternehmen<br />

ZUR PERSON<br />

Dr. Michael Bormann ist Gründungspartner<br />

der Sozietät bdp Bormann, Demant<br />

& Partner mit Büros unter anderem<br />

in Berlin, Dresden, Rostock sowie<br />

in Tianjin (China). Er berät Unternehmer<br />

in Fragen der Finanzierung, Restrukturierung,<br />

M&A und Unternehmensnachfolge<br />

sowie beim Aufbau von Produktionsstätten<br />

in China. Den Lesern von<br />

W+M wird er in diesem Jahr als Experte<br />

für Finanzierungsfragen zur Verfügung<br />

stehen. www.bdp-team.de<br />

eine Anleihe auflegt, einen Risikokapitalgeber<br />

mit ins Boot nimmt oder einen Börsengang<br />

plant. Für Start-ups gibt es die Möglichkeit,<br />

auf Crowdfunding-Plattformen im<br />

Internet Geld für ihre Ideen zu generieren.<br />

Weitere Möglichkeiten, die Liquidität im<br />

Unternehmen zu stärken, sind beispielsweise<br />

Lieferantenkredite oder veränderte<br />

Zahlungsziele mit den Kunden. Auch das<br />

sollte im Zuge von alternativen Finanzierungen<br />

betrachtet werden.<br />

Wie findet der Unternehmer heraus,<br />

welche Finanzierungsform für ihn geeignet<br />

ist?<br />

Anknüpfend an seine Unternehmensstrategie<br />

sollte der Unternehmer über die dazugehörige<br />

Finanzierungsstrategie nachdenken<br />

und dabei die Hilfe von Beratern<br />

in Anspruch nehmen, um diese professionell<br />

umzusetzen. Dabei geht es um solche<br />

Fragen wie: Wozu brauche ich die<br />

Liquidität? Will ich im In- oder Ausland<br />

weiter wachsen? Suche ich einen strategischen<br />

Investor? Muss das Unternehmen<br />

restrukturiert werden? Oder steht<br />

eine Nachfolgeregelung an?<br />

Ab welcher Unternehmensgröße<br />

lohnt es sich, über alternative Finanzierungen<br />

nachzudenken?<br />

Je größer das mittelständische Unternehmen,<br />

desto mehr muss dieses Thema<br />

auf die Agenda gesetzt werden. Entscheidend<br />

ist aber nicht die Größe, sondern<br />

der Zeitpunkt, wo man anfängt, darüber<br />

intensiv nachzudenken. Hier gilt: je<br />

eher, desto besser. Geld zur Finanzierung<br />

von Unternehmen ist genug da. W+M<br />

Foto: bdp<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


FINANZEN | 51<br />

Foto: Kirsten Mittelsteiner<br />

BETRIEBLICHE ALTERSVORSORGE<br />

SCHLIESST RENTENLÜCKE<br />

Über drohende Altersarmut wird in Deutschland häufig diskutiert.<br />

Aktuell liegt das durchschnittliche Rentenniveau bei rund 50 Prozent<br />

zum letzten Nettogehalt. Experten rechnen damit, dass es bis zum<br />

Jahr 2030 auf 43 Prozent absinken wird. Allein von der staatlichen<br />

Rente kann in Zukunft also kaum noch jemand leben. Jeder Einzelne<br />

sollte daher rechtzeitig beginnen, privat für das Alter vorzusorgen.<br />

Seit 2002 hat jeder Arbeitnehmer<br />

in Deutschland Anspruch<br />

auf eine betriebliche<br />

Altersvorsorge. Gut jeder<br />

zweite Beschäftigte nutzt<br />

dieses Renten-Instrument inzwischen.<br />

Michael Reizel,<br />

Geschäftsführer der auf betriebliche<br />

Vergütungs- und<br />

Versorgungssysteme für Unternehmen<br />

und Kommunen spezialisierten<br />

BVUK.Gruppe, erläutert,<br />

warum es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />

gleichermaßen Sinn macht,<br />

die betriebliche Altersvorsorge in Anspruch<br />

zu nehmen.<br />

W+M: Worin besteht der Vorteil der betrieblichen<br />

Altersvorsorge?<br />

Michael Reizel: Bei diesem System<br />

werden Kollektivverträge abgeschlossen.<br />

Und da in Kollektivverträgen größere<br />

Menschengruppen aufgenommen<br />

werden können, lässt sich schon durch<br />

die Anzahl der Personen ein viel besseres<br />

Preis-Leistungs-Verhältnis für die Arbeitnehmer<br />

erreichen. Ein weiterer wichtiger<br />

Pluspunkt ist, dass bei der betrieblichen<br />

Altersvorsorge das Prinzip der Entgeltumwandlung<br />

zur Anwendung kommt.<br />

Das heißt, der Arbeitnehmer entscheidet<br />

sich dafür, einen Teil seines Bruttogehaltes<br />

über den Arbeitgeber in das Versorgungssystem<br />

einzuzahlen. Ein Beispiel:<br />

Ein Arbeitnehmer zahlt 100 Euro von seinem<br />

Bruttogehalt in das Versorgungssystem<br />

ein. Das Nettogehalt reduziert sich<br />

Michael Reizel, Geschäftsführer der<br />

BVUK.Gruppe, erläutert die Vorteile der<br />

betrieblichen Altersvorsorge.<br />

dadurch jedoch nur um rund 50 Euro.<br />

Der Arbeitnehmer hat quasi 50 Euro an<br />

Steuer- und Sozialversicherungsersparnis.<br />

Das ist – nicht nur in Zeiten geringer<br />

Zinsen – eine höchst rentable Möglichkeit<br />

der Vorsorge.<br />

W+M: Hat auch der Arbeitgeber einen<br />

Nutzen?<br />

Michael Reizel: Beide Seiten profitieren.<br />

Der Arbeitnehmer durch den gerade<br />

erläuterten Brutto-Netto-Effekt und die<br />

günstigen Kollektivrahmenbedingungen.<br />

Der Arbeitgeber spart bei diesem Modell<br />

Sozialversicherungsbeiträge sowie weitere<br />

Lohnnebenkosten. Und er gewinnt<br />

an Attraktivität. Das ist gerade in Zeiten<br />

des Fach- und Führungskräftemangels ein<br />

nicht zu unterschätzender Aspekt.<br />

W+M: Aber viele Unternehmen haben<br />

doch schon Altersvorsorgesysteme,<br />

oder nicht?<br />

Michael Reizel: Das stimmt. Aber im<br />

Regelfall wurden dort in der Vergangenheit<br />

entweder Direktversicherungen<br />

oder vereinzelt Pensionskassen angeboten.<br />

Ein wirklich attraktives betriebliches<br />

Versorgungsmodell geht über eine simple<br />

Versicherung weit hinaus. Es gehört<br />

zu den Stärken der BVUK.Gruppe, dass<br />

wir bestehende Systeme nicht auflösen,<br />

sondern wir integrieren und optimieren<br />

diese Systeme und machen<br />

sie so passgenau für jedes<br />

einzelne Unternehmen.<br />

W+M: Was geschieht mit den<br />

erworbenen Ansprüchen aus<br />

der betrieblichen Altersvorsorge,<br />

wenn der Arbeitnehmer<br />

das Unternehmen wechselt?<br />

Michael Reizel: In unseren Kollektivverträgen<br />

achten wir darauf,<br />

dass der Arbeitnehmer die betriebliche<br />

Altersvorsorge zu unveränderten<br />

Konditionen weiterführen kann. Er büßt<br />

also keine Ansprüche ein. Das ist insbesondere<br />

dann von Bedeutung, wenn –<br />

wie bei den von uns gestalteten Verträgen<br />

– die Berufsunfähigkeit mit abgesichert<br />

ist.<br />

Interview:<br />

Karsten Hintzmann<br />

BVUK.GRUPPE<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Ebertsklinge 2a<br />

97074 Würzburg<br />

Tel. 0931 359096–0<br />

Fax. 0931 359096–93<br />

info@bvuk.de<br />

www.bvuk.de<br />

Die BVUK.Gruppe unterhält darüber hinaus<br />

Büros in Berlin, Dresden, Hamburg,<br />

Nürnberg und Baden-Baden.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


52 | W+M RATGEBER<br />

„DES UNTERNEHMERS LIEBLINGSAUTO“<br />

… IST EIN AUDI AVANT!<br />

In der Juli-Ausgabe von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hatten wir Sie nach Ihren Nutzungsgewohnheiten für<br />

Pkw befragt. Erfreulich viele Leser haben sich an unserer Umfrage beteiligt. Die Ergebnisse wollen wir<br />

Ihnen nun vorstellen. Wie also tickt der ostdeutsche Unternehmer, wenn es um seinen Firmenwagen<br />

geht? Worauf legt er Wert und worauf nicht? Wie beurteilt er die einzelnen Marken und wie steht es mit<br />

der Akzeptanz von E-Mobilen? Von Frank Nehring<br />

Favorisiert von Unternehmern:<br />

der Audi S6 Avant.<br />

Ich entscheide selbst<br />

Ostdeutsche Unternehmer kaufen mit<br />

55,5 Prozent häufiger einen Firmenwagen<br />

als sie ihn leasen. Dabei nutzen fast<br />

zwei Drittel die Möglichkeit der Finanzierung<br />

und rund 72 Prozent der Befragten<br />

bevorzugen einen Neuwagen. Die Mehrheit<br />

der Umfrageteilnehmer verzichtet zudem<br />

auf Anregungen beim Fahrzeugkauf<br />

und recherchiert selbst; knapp die Hälfte<br />

der Befragten lässt sich für die Wahl des<br />

Fahrzeugs beim Händler seines Vertrauens<br />

inspirieren (43,2 Prozent). Aber nur<br />

zehn Prozent der Unternehmer gaben an,<br />

dass sie sich von Werbung beeinflussen<br />

ließen. Die vorliegenden Antworten spiegeln<br />

die charakteristischen Züge des ostdeutschen<br />

Unternehmers wider, die es<br />

auch in anderen Bereichen zu erfahren<br />

gilt: Konservativ im Agieren, vornehmlich<br />

den eigenen Erfahrungen und Recherchen<br />

vertrauend, werden Entscheidungen<br />

getroffen.<br />

Keine Unterschiede<br />

Bei unserer Befragung war das tatsächliche<br />

Markenbewusstsein, das in<br />

der Regel gerade im Pkw-Marken-Segment<br />

besonders stark ausgeprägt ist,<br />

von zentraler Bedeutung. Die Ergebnisse<br />

der Fragen nach Marken-Image und<br />

persönlicher Bevorzugung waren dabei<br />

nicht sonderlich überraschend. Die bekannten<br />

deutschen Marken führen die<br />

jeweiligen Rankings an. Gesamtsieger<br />

unserer Umfrage ist Audi. Diese Marke<br />

führt nicht nur vor Porsche, BMW und<br />

Mercedes das Image-Ranking an, sondern<br />

auch das Ranking der persönlich<br />

bevorzugten Marken der befragten Unternehmer.<br />

Beim Markengeschmack für<br />

Firmenwagen gibt es in der Spitze daher<br />

keine Unterschiede zwischen Ost und<br />

West. Die Ergebnisse widerlegen zudem<br />

die Mainstream-Einschätzung, wonach<br />

im Osten mehr auf Škoda als auf BMW<br />

geschaut wird.<br />

Lediglich die Tatsache, dass Porsche<br />

zwar ein hohes Marken-Image zugestanden<br />

wird, aber bei den persönlichen Bevorzugungen<br />

als Firmenwagen nur noch<br />

Foto: Audi AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


AUTO | 53<br />

WOHER NEHMEN SIE ANREGUNGEN<br />

FÜR DIE AUSWAHL DES FAHRZEUGS?<br />

AUDI<br />

[Bei dieser Frage waren<br />

Mehrfachnennungen möglich.]<br />

Händler meines Vertrauens<br />

Bekannte<br />

17,5 %<br />

Werbung<br />

9,4 %<br />

Eigenrecherche<br />

43,2 %<br />

62,3 %<br />

WELCHE MARKE HAT<br />

IHRER MEINUNG NACH<br />

DAS BESTE IMAGE ?<br />

1<br />

PORSCHE<br />

Sonstiges<br />

14,9 %<br />

WERDEN SIE INNERHALB DER<br />

NÄCHSTEN FÜNF JAHRE AUF EIN<br />

E-MOBIL UMSTEIGEN?<br />

40,7 %<br />

3,7 %<br />

Sicher<br />

Sicher nicht<br />

Die gute Ausstattung, der absolute Kaufpreis,<br />

gefolgt von einem guten Preis-<br />

Leistungs-Verhältnis sind die Favoriten<br />

der Befragten. Hervorzuheben ist, dass<br />

dem Service der Werkstatt eine hohe Bedeutung<br />

beigemessen wird, aber nicht<br />

so sehr der Nähe zur Werkstatt oder<br />

der Größe des Werkstattnetzes. Wenn<br />

die PS-Zahl und die Umweltverträglichkeit<br />

nur nachgeordnete Auswahlkriterien<br />

sind, stehen doch die Pferdestärken<br />

vor der Liebe zur Natur.<br />

2<br />

BMW<br />

3<br />

Fotos: Audi, Porsche, BMW, Daimler, Volkswagen (von oben nach unten)<br />

Vielleicht<br />

55,6 %<br />

oder immerhin noch auf Platz sieben landet,<br />

sei hervorzuheben. Eine weitere Differenz<br />

in den Rankings findet sich beim<br />

Dacia. Beim Marken-Image auf Platz 22<br />

steht er bei der persönlichen Bevorzugung<br />

als Firmenwagen auf Platz neun<br />

– noch vor Toyata, Mitsubishi, Peugeot,<br />

Opel und Renault.<br />

Preis-Leistung schlägt Marke<br />

Bei den konkreten Auswahlkriterien kam<br />

das Image der Marke nur auf Platz fünf.<br />

E-Mobil. Wieso nicht?<br />

Verwundert hat uns die Antwort zur Nutzung<br />

von E-Mobilen. Fast 60 Prozent können<br />

sich einen Umstieg auf ein E-Mobil<br />

innerhalb der nächsten fünf Jahre vorstellen.<br />

Bei einigen Kommentaren wurde allerdings<br />

darauf verwiesen, dass ein E-<br />

Mobil vermutlich auch als Zweitwagen<br />

genutzt werden würde.<br />

Carsharing hingegen ist unter ostdeutschen<br />

Unternehmern noch nicht weit verbreitet.<br />

Lediglich etwas mehr als zehn<br />

Prozent nutzen für sich selbst oder für<br />

ihre Mitarbeiter Angebote wie Flinkster,<br />

DriveNow oder Car2go. Dies mag vermutlich<br />

auch dadurch bedingt sein, dass<br />

diese Angebote derzeit lediglich in Großstädten<br />

und vor allem im Westen der Republik<br />

zu finden sind.<br />

W+M<br />

MERCEDES-BENZ<br />

4<br />

VOLKSWAGEN<br />

5<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


54 | W+M RATGEBER LITERATUR<br />

W+M präsentiert:<br />

DIE OSTDEUTSCHE BESTSELLERLISTE<br />

FÜR WIRTSCHAFTSLITERATUR<br />

1<br />

2<br />

3<br />

5<br />

4<br />

Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur<br />

wird aus den Verkaufszahlen<br />

großer Buchhandlungen in Brandenburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />

erstellt. Beteiligt haben sich:<br />

7<br />

6<br />

Dirk Müller<br />

CASHKURS<br />

So machen Sie das Beste aus Ihrem Geld:<br />

Aktien, Versicherungen, Immobilien<br />

8<br />

9<br />

10<br />

• Hugendubel Cottbus,<br />

Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />

• Hugendubel Erfurt,<br />

Anger 62, 99084 Erfurt<br />

• Hugendubel Greifswald,<br />

Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />

• Hugendubel Leipzig,<br />

Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />

• Hugendubel Potsdam,<br />

Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />

• Hugendubel Schwerin,<br />

Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />

• Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung,<br />

Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/Oder<br />

Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen<br />

jederzeit offen. Schreiben Sie bei<br />

Interesse eine E-Mail an JP@WundM.info.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


NETZWERK GESELLSCHAFT | 55<br />

W+M Lounge im Berlin Capital Club<br />

VALUE OF SPEED – DIE FINANZWELT<br />

IM DIGITALEN WANDEL<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> lud am 1. Oktober Leser und Partner<br />

in den renommierten Berlin Capital Club ein. Holger Werner,<br />

Bereichsvorstand Corporate Banking & Mittelstandsbank<br />

Ost, brachte den knapp 50 Teilnehmern auf anschauliche Art nahe, wie<br />

die Digitalisierung in alle Lebensbereiche eingreift und die Prozesse beschleunigt.<br />

Das stellt auch die Banken vor enorme Herausforderungen.<br />

Wie Moderator Frank Nehring betonte, sind auch die Großbanken gefordert<br />

umzudenken, da die Fintechs mit ihren speziellen Diensten ein<br />

neues Tempo vorgeben. Die Commerzbank stellt sich dieser Herausforderung.<br />

Dafür hatte Holger Werner zahlreiche Beispiele mitgebracht.<br />

Fazit des Vortrags: Chancen erkennen und nutzen – was allerdings<br />

auch bedeutet, nicht auf jeden Zug aufzuspringen. W+M<br />

Stefan Streil, Markus Georg Lukasson und Robert Mallison (v. l.)<br />

Holger Werner, Bereichsvorstand der Commerzbank, referierte<br />

über die Finanzwelt im digitalen Wandel.<br />

Moritz Claussen, Oliver Neumann, Jörg Drischmann und Matthias Salm (v. l.).<br />

Bettina Frenzel (l.) und Ramona Becker.<br />

Fotos: W+M, Berlin Capital Club (oben rechts)<br />

Christian Quilitz und Andrea Grandjean.<br />

Christiane Kvarics mit Bernd Herrmann.<br />

Götz-Albrecht von Förster (l.) mit<br />

Anton Voglmaier.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


56 | W+M NETZWERK<br />

4. Ostdeutsches Energieforum<br />

DIE ENERGIEWENDE IM VISIER<br />

Mehr als 300 Vertreter ostdeutscher<br />

Unternehmen trafen sich am 16. und<br />

17. September in Leipzig mit Experten<br />

aus der Energiewirtschaft zum 4. Ostdeutschen<br />

Energieforum. Eingeladen hatten die<br />

Unternehmerverbände Ostdeutschlands und<br />

die IHK Leipzig. Diskutiert wurden die Themen<br />

der Energiewende mit all den damit einhergehenden<br />

Veränderungen. In einem Abschlusskommuniqué<br />

wandten sich die Veranstalter mit<br />

konkreten Forderungen und Erwartungen an<br />

die Politik. Das Kommuniqué finden Sie unter<br />

www.WundM.info/Kommunique.pdf W+M<br />

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner<br />

Haseloff referierte zur Energiewende.<br />

Zwischen den Referaten blieb Zeit für<br />

Netzwerkarbeit. Politik und Wirtschaft trafen sich auf dem Energieforum.<br />

Bodo Rodestock, Tim Hartmann, Ministerpräsident Dietmar Woidke und Hartmut Bunsen (v. l.).<br />

Fotos: Andreas Koslowski<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


GESELLSCHAFT | 57<br />

9. enviaM-Energiekonvent in Leipzig<br />

NETZE DER ZUKUNFT<br />

Netze der Zukunft – Erfolgsfaktor oder<br />

Engpass? Unter dieser Überschrift<br />

stand der 9. Energiekonvent von enviaM<br />

Ende September in Leipzig. Mehr als<br />

300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />

nuzten das Angebot, um über die<br />

Entscheidungen in der Energiepolitik zu diskutieren.<br />

Welche Netzstruktur wird benötigt,<br />

um eine sichere und wirtschaftliche Versorgung<br />

auch in Zukunft garantieren zu können?<br />

Welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?<br />

Brauchen wir überhaupt so viel<br />

Netzausbau? Wie muss sich die Netztechnik<br />

weiterentwickeln und welchen technischen<br />

Fortschritt gibt es schon heute? Diesen und<br />

weiteren Fragen stellten sich namhafte Experten<br />

der Energiewirtschaft wie Thomas<br />

Benz (Leiter Energiepolitik ABB AG und Mitglied<br />

des Vorstands VDE/ETG), Jens Büchner<br />

(Geschäftsführer der E-Bridge Consulting<br />

GmbH), Andreas Kuhlmann (Vorsitzender der<br />

Geschäftsführung der dena), Harry Lehmann<br />

(Leiter Fachbereich I – Umweltplanung und<br />

Nachhaltigkeitsstrategien des Umweltbundesamtes)<br />

sowie Tim Hartmann (Vorsitzender<br />

des Vorstands der enviaM) in einer Podiumsdiskussion.<br />

Die Moderation übernahm Wirtschaftsjournalistin<br />

Dr. Ursula Weidenfeld.<br />

Während der Veranstaltung wurden auch<br />

die Teilnehmer zum Thema Netze befragt. Die<br />

Ergebnisse der von enviaM gemeinsam mit<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> durchgeführten Befragung<br />

werden in W+M Kompakt November<br />

veröffentlicht und sind zudem zu finden auf:<br />

www.WundM.info/Energiekonvent.pdf W+M<br />

Gastgeber Tim Hartmann begrüßte die<br />

mehr als 300 Gäste.<br />

Jens Büchner, Geschäftsführer der E-Bridge<br />

Consulting GmbH, während seines Vortrags.<br />

Das Publikum sparte nicht mit Beifall.<br />

enviaM-Vorstandschef Tim Hartmann mit<br />

W+M-Verleger Frank Nehring und Jörg Winkler,<br />

W+M Sachsen, (v. l.).<br />

Foto: XXX Michael Setzpfandt<br />

Das Podium des Energiekonvents.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


58 | W+M NETZWERK<br />

VBKI-Sommerfest der Wirtschaft <strong>2015</strong><br />

BERLINS SCHÖNSTE UND<br />

WICHTIGSTE PARTY<br />

Beim diesjährigen Sommerfest der Wirtschaft feierten mehr als<br />

1.000 Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft<br />

im Kronprinzenpalais eine ausgelassene Party und<br />

nutzten die Gelegenheit, um in entspannter Atmosphäre miteinander<br />

ins Gespräch zu kommen.<br />

Neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller konnte der<br />

VBKI unter anderem Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft und Technologie,<br />

Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt,<br />

Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, und Ramona<br />

Pop, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus,<br />

begrüßen.<br />

Die Auktion des Abends brachte einen Erlös von über 40.000 Euro,<br />

welche dem VBKI-Projekt „Sport macht Schule“ zugutekommen.<br />

<br />

W+M<br />

VBKI-Präsident Markus Voigt (r.) eröffnete das Sommerfest im<br />

Beisein des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (l.).<br />

Im Blitzlichtgewitter:<br />

Innensenator<br />

Frank Henkel und<br />

Lebensgefährtin<br />

Kathrin Bernikas.<br />

Gute Unterhaltung<br />

für die<br />

Gäste: Fotoshooting<br />

ohne<br />

Fotografen.<br />

Wiedersehen unter Freunden: Der Regierende Bürgermeister<br />

Michael Müller (l.) traf seinen Amtsvorgänger Klaus Wowereit (r.).<br />

Wurde für sein langjähriges Engagement für den VBKI geehrt:<br />

Geschäftsführer Udo Marin.<br />

Fotos: Eva Ortwig (oben rechts, oben links), Dominic Blewett<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


GESELLSCHAFT XXX | 59<br />

25-jähriges Verbandsjubiläum<br />

UV Brandenburg-Berlin<br />

BIOTOP FÜR FEIERNDE<br />

UNTERNEHMER<br />

Starke Frauen: Die Unternehmerinnen des UV Brandenburg-Berlin.<br />

Unter dem Motto „WillkommenWirtschaftsWunder“ beging der<br />

Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V. am 25. September<br />

sein 25-jähriges Bestehen. Der Unternehmerverband hatte<br />

in die Biosphäre Potsdam geladen, um auf erfolgreiche Jahre zurückzuschauen<br />

und dieses Ereignis gebührend zu feiern. Zu den zahlreichen<br />

Gästen des Abends gehörten unter anderem Brandenburgs Wirtschaftsminister<br />

Albrecht Gerber (SPD) und Finanzminister Christian<br />

Görke (DIE LINKE). Zwischen Kabarett- und Tanzeinlagen war für die<br />

etwa 150 Gäste ausreichend Gelegenheit, selbst das Parkett zu erobern<br />

und nebenbei die tropische Vielfalt der Biosphäre Potsdam zu erkunden.<br />

<br />

W+M<br />

Für Show und<br />

Unterhaltung war<br />

bestens gesort.<br />

UV-Präsident<br />

Burkhardt<br />

Greiff begrüßte<br />

die Gäste.<br />

Stimmungsvolles<br />

Ambiente in der<br />

Biosphäre<br />

Potsdam.<br />

Fotos: Stefan Specht<br />

Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (2. v. r.) im Gespräch.<br />

Wirtschaftsminister<br />

Albrecht<br />

Gerber hielt eine<br />

launige Rede.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


60 | W+M NETZWERK<br />

VIERTE TECHNISCHE<br />

REVOLUTION?<br />

Das Interesse der VBIW-Mitglieder war so groß,<br />

dass die Demonstration eines 3D-Druckers an der<br />

Technischen Hochschule Wildau ein zweites Mal<br />

durchgeführt werden musste. Markus Lahr vom<br />

Kreativlabor der Hochschule erläuterte das Wesen<br />

des 3D-Drucks und demonstrierte das Drucken aus<br />

einem Kunststoffdraht. Aber auch Metalle werden<br />

zunehmend als Ausgangsmaterial verwendet.<br />

Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />

3D-gedruckter<br />

gefäßartiger Körper und<br />

kleine siebartige Objekte<br />

mit verschiedenen<br />

Füllgraden.<br />

Hier wurde zur<br />

Anschauung das<br />

Stützmaterial<br />

sukzessive entfernt.<br />

Eigentlich ist es kein Drucken im klassischen<br />

Sinn, resümierte Dr. Bernd<br />

Thomas vom VBIW nach der Veranstaltung.<br />

Vielmehr handelt es sich um<br />

ein additives Fertigungsverfahren. In<br />

der Literatur wird es Schmelzschichten<br />

oder Sprühkompaktieren und international<br />

FDM (Fused Deposition Modeling)<br />

genannt. Hauptsächlich werden Kunststoffe<br />

als Draht zugeführt, aufgeschmolzen<br />

und durch eine Düse schichtweise<br />

aufgetragen. Die Düse kehrt numerisch<br />

gesteuert zyklisch an dieselbe Stelle zurück,<br />

nur etwas höher, um zu dem bereits<br />

aufgetragenen Material noch etwas<br />

hinzuzufügen. Es überraschte, dass die<br />

folgende Naht auch – wie im Bild zu sehen<br />

– bis zu einem gewissen Grad versetzt<br />

aufgetragen werden kann, um so<br />

hinterschnittene Partien oder Hohlräume<br />

zu erzeugen, jedoch sind bei größerem<br />

Versatz der Naht Stützkörper erforderlich,<br />

die später abgetrennt oder mit einer<br />

Lauge abgelöst werden. Die Stützkörper<br />

muss der 3D-Drucker vor dem<br />

eigentlichen 3D-Druck aufbauen. Dabei<br />

können Sollbruchstellen zwischen dem<br />

Supportmaterial und dem 3D-Objekt vorgesehen<br />

werden, damit dieses nach erfolgreichem<br />

3D-Druck leicht weggebrochen<br />

werden kann. Es ist dann Abfall, der<br />

aber vergleichsweise minimal ist.<br />

Seit der Antike werden Metalle gegossen,<br />

aber jetzt gibt es zum ersten Mal ein<br />

Urformverfahren, das ohne aufwändige<br />

Gießformen auskommt. Spritzguss- oder<br />

Druckgussformen sind<br />

sehr teuer; ihre Kosten<br />

liegen im fünfstelligen Bereich. Daher<br />

kommen sie für einmalige Anwendungen<br />

oder kleine Stückzahlen nicht in Betracht.<br />

Mit der neuen Technologie ist es<br />

jetzt möglich, Ersatzteile leicht herzustellen,<br />

die beispielsweise für die Restaurierung<br />

eines Oldtimers nur einmal gebraucht<br />

werden.<br />

Gesteuert werden die Drucker mittels<br />

CAD*-erzeugter Dateien. Dafür ist ein<br />

CAD-Volumenmodell erforderlich. Im<br />

Internet werden solche Modelle angeboten,<br />

aber das Kreativlabor der Hochschule<br />

bietet Bastlern, Erfindern, Künstlern<br />

und allen Interessierten seine Unterstützung<br />

für eigene Kreationen an.<br />

Eine vierte technische Revolution? Wohl<br />

nicht. Eher ein sich neu herausgebildeter<br />

Zweig der zweiten technischen Revolution.<br />

Rasant breitet sich das Anwendungsspektrum<br />

des 3D-Drucks<br />

aus. Schon werden Prototypen und Modelle,<br />

Anschauungsobjekte, Lehrmittel,<br />

funktionstüchtige Maschinenteile, Souvenirs,<br />

Spielzeug, Prothesen und vieles<br />

mehr gedruckt. Inzwischen werden<br />

kleinere Stückzahlen schon in Serienproduktionen<br />

hergestellt. Und wer weiß, ob<br />

die Entwicklung nicht noch zu größeren<br />

Stückzahlen führen wird, in dem Maße,<br />

wie das Drucken schneller und günstiger<br />

wird.<br />

* CAD ist ein Programm zur rechnerunterstützten<br />

Konstruktion.<br />

Fotos: Rudolf Miethig (VBIW, oben), Rollis Igel/Wikimedia Commons (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


VBIW | 61<br />

TECHNIK AUF DER BUGA<br />

Das spektakulärste Bauwerk der<br />

BUGA im Havelland ist zweifellos<br />

die leicht und schwungvoll wirkende<br />

Weinbergbrücke in Rathenow. Auf ihr<br />

lässt es sich genussvoll vom Weinberg aus<br />

über zwei Havelarme hinweg zum Optikpark<br />

spazieren. Dort steht unter anderem<br />

das elf Meter hohe Brachymedial-Fernrohr.<br />

Das Technikdenkmal wurde 1949–<br />

1953 vom Rathenower Ingenieur Edwin<br />

Rolf konstruiert und gebaut, ist funktionstüchtig<br />

und das größte seiner Art weltweit.<br />

Daneben steht ein Cassegrain-Spiegelteleskop,<br />

in den 30er Jahren vom Astro-Optiker<br />

Alfred Wilke in Falkensee erbaut – auch<br />

ein sehenswertes Exponat.<br />

Am nächsten BUGA-Standort, der Gemeinde<br />

Stölln, überragt das Gedenken<br />

an einen Flugpionier beinahe die Gartenschau.<br />

Am Gollenberg führte Otto Lilienthal<br />

seine Flugversuche mit<br />

dem von ihm konstruierten<br />

Gleiter durch, und hier stürzte<br />

er auch 1896 ab, woraufhin<br />

er seinen Verletzungen<br />

in Berlin erlag. Im Ort selbst<br />

Lilienthals Gleiter mit<br />

Seiten- und Höhenleitwerk,<br />

einer Stange als Rumpf und<br />

Tragflächen.<br />

Größtes Bauwerk der BUGA:<br />

die Weinbergbrücke.<br />

werden im Lilienthal-Centrum Modelle<br />

von Flugapparaten, Versuchseinrichtungen,<br />

historische Fotos und Literatur ausgestellt.<br />

Die Gebrüder Wright bekannten,<br />

dass sie auf Lilienthals Auftriebmessungen<br />

mit verschiedenen Flügelformen aufbauten,<br />

als sie nur sieben Jahre später<br />

einen Motor mit Propeller in einen Gleiter<br />

einbauten.<br />

Rudolf Miethig (VBIW)<br />

TECHNIK IM URLAUB: MEILENSTEINE DER MOBILITÄT<br />

Fotos: Rudolf Miethig (VBIW) (oben), FAHRTRAUM GmbH (unten)<br />

Heute werden Porsche-Fahrzeuge<br />

in Stuttgart und Leipzig produziert.<br />

Ernst Piëch, ein Enkel des Autopioniers<br />

Ferdinand Porsche, stellt in Mattsee<br />

bei Salzburg deren Vorläufer aus, die noch<br />

gar nicht Porsche hießen. Piëch nennt seine<br />

Privatsammlung nicht Museum, sondern<br />

„fahr(T)raum“. „Ein Museum ist tot,<br />

aber meine Oldtimer fahren alle“, argumentiert<br />

er. Und die ersten, oft bahnbrechenden<br />

Konstruktionen seines Großvaters<br />

nennt er „Meilensteine der Mobilität“.<br />

Sie fuhren unter den Namen Lohner, Austro-Daimler,<br />

Steyr und Volkswagen und<br />

schrieben Automobilgeschichte.<br />

Die Exponate führen zurück bis ins Jahr<br />

1901. Ferdinand Porsche war 24 Jahre<br />

alt, als er bei den Lohner-Werken in<br />

Wien Elektromotoren in die Vorderräder<br />

einbaute, wodurch erstmals ein fahrstabiler<br />

Vorderradantrieb und zusätzlich ein<br />

Vierrad-Bremssystem entstand, da sich<br />

der Wagen mit den Nabenmotoren auch<br />

vorn abbremsen ließ. Hinten hatten die<br />

Autos Bremsriemen aus Leder. Bald baute<br />

Porsche Nabenmotoren auch in die<br />

Hinterräder ein – der erste Allradantrieb<br />

war geboren.<br />

Um die Reichweite von Elektroautos zu<br />

verlängern, konstruierte Porsche um<br />

1901 den Lohner-Porsche Mixte, bei<br />

dem ein Benzinmotor den Stromgenerator<br />

antrieb. Anstatt „Mixte“ (französisch<br />

für „gemischt“) sagen wir heute „Hybrid“.<br />

Insofern ist die Besinnung auf Porsches<br />

Konstruktionen der Zeit um 1900<br />

hochaktuell.<br />

Jutta Scheer (VBIW) und<br />

Rudolf Miethig (VBIW)<br />

VBIW – Verein Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />

Landesgeschäftsstelle:<br />

Fürstenwalder Str. 46,<br />

15234 Frankfurt (Oder),<br />

Tel.: 0335 8692151<br />

E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />

Internet: www.vbiw-ev.de<br />

Ferdinand Porsche konstruierte für Austro-<br />

Daimler den Prinz-Heinrich-Rennwagen.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


62 | W+M NETZWERK<br />

UV Brandenburg-Berlin/UV Sachsen<br />

STRUKTURWANDEL GEFORDERT<br />

Termine<br />

UV Brandenburg-Berlin<br />

02.11.<strong>2015</strong>, 18:00 Uhr<br />

Potsdamer Gespräche<br />

VCAT Consulting GmbH, August-Bebel-<br />

Str. 26–53, 14482 Potsdam<br />

UV Rostock<br />

12.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />

„Warnemünder Gespräche“ mit<br />

Stephan Gustke (Spedition Gustke)<br />

Ringelnatz, Alexandrinenstraße 60,<br />

18119 Rostock-Warnemünde<br />

Die Präsidenten Dr. Burkhardt Greiff und Hartmut Bunsen (Mitte) unterzeichneten die Erklärung.<br />

UV Vorpommern<br />

UV Vorpommern<br />

BRANCHENTAG TOURISMUS<br />

Der Spreewald ist bei Touristen beliebt.<br />

Die Qualifizierung des Strukturwandels ist<br />

die aktuelle Herausforderung für die Wirtschaftsregion<br />

Lausitz. Dies betonen die<br />

Unternehmerverbände Brandenburg-Berlin<br />

und Sachsen in einer gemeinsamen Erklärung<br />

und verdeutlichen darin, dass dieser<br />

mittelfristig nur mit der Braunkohle erfolgreich<br />

sein könne. „Die Lausitz war und<br />

ist durch Braunkohlegewinnung und -verstromung<br />

geprägt. Einen erneuten Strukturbruch<br />

darf es nicht geben“, heißt es in<br />

dem vom 27. August unterzeichneten Papier.<br />

Beide Unternehmerverbände unterstützen<br />

die Bildung einer von der Wirtschaft<br />

getragenen „Plattform Lausitz“<br />

und wollen diese tragen und mitgestalten.<br />

Die Lausitz brauche eine kompetente,<br />

leistungsfähige, politisch neutrale und<br />

verwaltungsunabhängige Struktur, in der<br />

sich alle Akteure wiederfinden.<br />

Beim dritten Branchentag der regionalen<br />

Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommerns<br />

dreht sich in diesem Jahr alles<br />

um das Thema „Tourismuswirtschaft“.<br />

Dabei richtet sich der Fokus nicht nur<br />

auf Hotels und Gaststätten, sondern<br />

auch auf deren Zulieferer, Reiseveranstalter,<br />

Event- und Festspieldienstleister,<br />

Verkehrsbetriebe und Anbieter aus<br />

dem touristischen Hinterland. Ziel des<br />

Branchentages am 12. November ist es,<br />

Unternehmer der Tourismusbranche zusammenzubringen,<br />

nützliche Inputs fürs<br />

Geschäft zu geben und Handlungsempfehlungen<br />

für Politik und Wirtschaftsförderung<br />

abzuleiten.<br />

12.11.<strong>2015</strong>, 10:00 Uhr<br />

Branchentag Tourismuswirtschaft<br />

Wirtschaftsakademie Nord,<br />

Puschkinring 22a, 17491 Greifswald<br />

UV Sachsen<br />

10.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />

Traditionelles Gespräch mit dem<br />

Oberbürgermeister von Leipzig<br />

Historischer Sitzungssaal der<br />

Deutschen Bank, Martin-Luther-Ring 2,<br />

04109 Leipzig<br />

11.11.<strong>2015</strong>, 9:00 Uhr<br />

Leipziger Personalforum<br />

ZAW Leipzig, Am Ritterschlößchen 22,<br />

04179 Leipzig<br />

14.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />

25. Sächsischer Unternehmerball<br />

Hotel The Westin Leipzig,<br />

Gerberstraße 15, 04105 Leipzig<br />

Veränderungen von Themen, Terminen<br />

und Veranstaltungsorten können nicht<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Foto: UV Mecklenburg-Schwerin (oben), Joujou/pixelio.de (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


UNTERNEHMERVERBÄNDE | 63<br />

Fotos: Koslowski (oben), David Müller (unten)<br />

UV Ostdeutschland<br />

POLITIK MUSS HANDELN<br />

Präsidenten der Unternehmerverbände unterzeichnen den Aufruf.<br />

UV Sachsen<br />

ENERGIEMANAGEMENT<br />

Mit einem eigens verfassten Aufruf wenden<br />

sich die Präsidenten der Unternehmerverbände<br />

Ostdeutschlands und Berlins<br />

an alle verbändeangehörenden Unternehmen<br />

sowie die Wirtschaft im Osten<br />

Deutschlands. Darin lehnen sie Gewalt,<br />

Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit konsequent<br />

ab. Gleichzeitig fordern die Verbandsrepräsentanten<br />

ein zügiges und angemessenes<br />

Handeln der Politik auf nationaler<br />

und internationaler Ebene. Aus Sicht<br />

der Wirtschaft brauche es ein deutliches<br />

Bekenntnis zur gezielten Zuwanderung,<br />

schnelle und wirksam zu vollziehende Anerkennungsverfahren<br />

mit der darin enthaltenen<br />

Abschiebung bei Ablehnung und<br />

die Schaffung von Voraussetzungen zur<br />

zügigen Integration Bleibeberechtigter.<br />

UV-Präsident Hartmut Bunsen mit Tanja Listner, Dirk Huth und Sebastian Roß (v. l.) von den<br />

Stadtwerken Leipzig.<br />

Das Thema Energiemanagement stand auf<br />

der jüngsten Veranstaltung des UV Sachsen<br />

mit den Stadtwerken Leipzig im Fokus.<br />

Vorgestellt wurde das webbasierte Energiemanagement-Portal,<br />

das es Unternehmen<br />

ermöglicht, ihren Energieverbrauch genau<br />

einzelnen Anlagen, Einrichtungen und Prozessen<br />

zuzuordnen. Die Leistungen reichen<br />

von der reinen Lastgang-Visualisierung bis<br />

hin zu detaillierten Reports und Verbrauchsanalysen<br />

und befähigen den Nutzer, Energiekosten<br />

vor allem durch die Optimierung<br />

von Prozessen zu senken. Abgerundet wurde<br />

der Abend mit einer Führung durch die<br />

im Mai neu eröffnete Kongresshalle. André<br />

Kaldenhoff, Geschäftsbereichsleiter Congress<br />

Center Leipzig, stellte die vielfältigen<br />

Möglichkeiten für Veranstaltungen vor und<br />

erläuterte architektonische Besonderheiten<br />

wie den Mix aus Historie und Moderne.<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

Unternehmerverband Berlin e. V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: N. N.<br />

Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: +49 30 9818500<br />

Fax: +49 30 9827239<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Internet: www.uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />

Präsident: Dr. Burkhardt Greiff<br />

Geschäftsführer: Steffen Heller<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />

Tel.: +49 331 8103<strong>06</strong><br />

Fax: +49 331 8170835<br />

E-Mail: potsdam@uv-bb.de<br />

Internet: www.uv-bb.de<br />

Geschäftsstelle Berlin<br />

Französische Str. 12, 10117 Berlin<br />

Tel.: +49 30 2045990<br />

Fax: +49 30 20959999<br />

E-Mail: berlin@uv-bb.de<br />

Geschäftsstelle Cottbus<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: +49 355 22658<br />

Fax: +49 355 22659<br />

E-Mail: cottbus@uv-bb.de<br />

Geschäftsstelle Fürstenwalde<br />

Tränkeweg 13, 15517 Fürstenwalde<br />

Tel.: +49 3361 55630<br />

Fax: +49 3361 556311<br />

E-Mail: fuerstenwalde@uv-bb.de<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Gutenbergstraße 1, 19<strong>06</strong>1 Schwerin<br />

Tel.: +49 385 569333<br />

Fax: +49 385 568501<br />

E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />

Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />

Mecklenburg e. V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4<br />

18055 Rostock<br />

Tel.: +49 381 242580<br />

Fax: +49 381 2425818<br />

E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />

Internet: www.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Geschäftsführer: Lars Schaller<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />

Tel.: +49 341 52625844<br />

Fax: +49 341 52625833<br />

E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />

Internet: www.uv-sachsen.de<br />

Geschäftsstelle Chemnitz<br />

Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: +49 371 49512912<br />

Fax: +49 371 49512916<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Semperstraße 2b, 01<strong>06</strong>9 Dresden<br />

Tel.: +49 351 8996467<br />

Fax: +49 351 8996749<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Straße 130, <strong>06</strong>258 Schkopau<br />

Tel.: +49 345 78230924<br />

Fax: +49 345 7823467<br />

Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />

Präsident: Jens Wenzke<br />

c/o IHK Erfurt - Abteilung Standortpolitik<br />

Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />

Tel.: +49 361 4930811<br />

Fax: +49 361 4930826<br />

E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />

Internet: www.uv-thueringen.de<br />

Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Geschäftsführer: Thomas Möller<br />

Geschäftsstelle<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: +49 3834 835823<br />

Fax: +49 3834 835825<br />

E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />

Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


64 | W+M PORTRÄTS<br />

Rolf Seelige-Steinhoff<br />

HOTELIER DURCH UND DURCH<br />

VISIONÄRE<br />

Rolf Seelige-Steinhoff, der sich aus<br />

pragmatischen Gründen am Telefon<br />

mit Steinhoff meldet und intern<br />

RSSt genannt wird, entstammt einer Unternehmerfamilie<br />

mit umtriebigem Vater,<br />

der gefühlt 180 Tage im Jahr nicht zu Hause<br />

war. RSSt glaubt, dass dies nicht seine<br />

Kindheit, sondern auch den Unternehmer<br />

in ihm prägte. Selbst mit anzupacken<br />

bei symbolischer Bezahlung war von früh<br />

an gang und gäbe, Ehrgeiz schon immer<br />

eine Eigenschaft. Sein Vater und er gründeten<br />

nach der Wende die Seetel Hotels.<br />

Formal schon von Beginn an in alleiniger<br />

Verantwortung, war der Vater stets an seiner<br />

Seite. Im gemeinsamen Arbeitszimmer<br />

wurden die Entscheidungen zu zweit<br />

beraten und gefällt.<br />

STECKBRIEF<br />

Geboren 1963 in Beckum (Westfalen)<br />

studierte Rolf Seelige-Steinhoff in Aachen<br />

Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften.<br />

Statt klassischer Karriere<br />

kam die Wende und der umtriebige<br />

Vater mit einer neuen Idee, die sein<br />

künftiges Leben bestimmen sollte.<br />

Heute ist er ein bekannter Hotelier und<br />

Unternehmer, geschäftsführender Gesellschafter<br />

der Seetel-Hotelgruppe, zu<br />

der 15 Hotels, Residenzen und Villen<br />

auf Usedom sowie das Bahia de Sol<br />

auf Mallorca gehören. Jüngstes und<br />

aktuellstes Projekt ist das Kaiserstrand<br />

Beachhotel Bansin Mitte, das Ende des<br />

Jahres eröffnet werden soll. Neben<br />

zahlreichen Auszeichnungen erhielt Rolf<br />

Seelige-Steinhoff <strong>2015</strong> den renommierten<br />

Branchenpreis Hotelier des Jahres<br />

und wurde bereits zum zweiten Mal Unternehmer<br />

des Jahres in Mecklenburg-<br />

Vorpommern.<br />

Erst nach dem Tod seines<br />

Vaters 2010 fühlte er sich<br />

bewusst als Unternehmer<br />

gefordert, weil er nun allein<br />

für die tausend Fragen<br />

des unternehmerischen<br />

Alltags Antworten<br />

finden und vermitteln musste.<br />

Das war zwar ungewohnt,<br />

aber er war gut vorbereitet. Heute<br />

sagt er, dass er alles richtig gemacht<br />

hat. Selbstbewusstsein ist aus jedem<br />

Satz herauszuhören.<br />

RSSt ist einer, der immer gewinnen will,<br />

Letzter zu sein, kommt für ihn nicht infrage.<br />

Dazu bekennt er sich ebenso freimütig,<br />

wie zu dem inneren Paradoxon, ein Einzelkämpfer<br />

zu sein, der seine Familie für den<br />

Mittelpunkt und den eigentlichen Rückhalt<br />

für sein Tun empfindet. Er ist ein Vollblutunternehmer,<br />

der für seine Themen brennt<br />

und scheinbar durch nichts aufzuhalten ist.<br />

Gerade ringt er noch mit seinem Neubau<br />

in Bansin, der sich nicht so entwickelt, wie<br />

er es will. Genervt, aber nicht unterzukriegen,<br />

wechselt er Leute aus und motiviert<br />

die Crew zu neuen Leistungen.<br />

Seine Maxime ist klar: „Wenn du nicht von<br />

einer Sache begeistert bist, kannst du es<br />

nicht gut machen. Man darf nie aufgeben,<br />

Unternehmer sind nicht Unterlasser, sondern<br />

unternehmen etwas, auch wenn es<br />

manchmal unmöglich anmutet. Die solide<br />

Ausbildung ist hier wichtig, um richtige<br />

Entscheidungen für richtige Wege zu<br />

finden. Die richtige Reihenfolge lautet: Sei<br />

überzeugt, kämpfe und nutze deine Ausbildung!“<br />

RSSt wird bescheinigt, dass er seinem<br />

Sternbild Skorpion in vielen Facetten genau<br />

entspricht. Auch dazu steht er.<br />

Die Seetel<br />

Hotels haben klare<br />

Unternehmenswerte. „Meine Mutter,<br />

meine Schwester, meine Ehefrau und<br />

ich haben uns dazu ein Wochenende zurückgezogen<br />

und das Thema Werte diskutiert.<br />

Im Ergebnis hatten wir gefühlte 98<br />

Prozent Übereinstimmung und nennen unsere<br />

Werte nun Liebe, Respekt und Sinn.<br />

Liebe und Respekt meinen sowohl den<br />

liebevollen wie respektvollen Umgang mit<br />

unseren Gästen, Mitarbeitern, aber auch<br />

mit den Dingen, die uns umgeben. Das<br />

Thema Sinn ist für uns nicht nur die Sinngebung<br />

unseres Tuns, sondern auch der<br />

Umgang mit den Sinnen. Das passt natürlich<br />

für uns als Dienstleister und Gastronomen<br />

in besonderer Weise. Das Wertedreieck<br />

ist auch Maßstab für die Bewertung<br />

unserer Mitarbeiter. Wir haben aber auch<br />

Mitarbeiter, die als Wertebotschafter tätig<br />

sind und in besonderer Weise auf die<br />

Umsetzung unserer Firmenkultur achten.“<br />

Zusammenfassend betont RSSt: „Ich habe<br />

das Unternehmergen in mir, vielleicht habe<br />

ich es geerbt oder es wurde mir anerzogen,<br />

jedenfalls brenne ich für das, was ich<br />

tue. Das ist mein Erfolgsrezept.“<br />

Frank Nehring<br />

Foto: W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


MACHER<br />

W+M PORTRÄTS | 65<br />

Professor Dr. Georg Prinz zur Lippe<br />

WINZER UND MEHR<br />

Foto: Weingut Schloss Proschwitz/Christoph Busse<br />

Der Prinz hatte eigentlich seinen Weg<br />

gefunden. Aus gutem Hause kommend,<br />

exzellent ausgebildet, als<br />

Unternehmensberater von Roland Berger<br />

zusätzlich geadelt, mit respektablem<br />

Einkommen, der teuren Penthouse-Wohnung<br />

in München und vielen Perspektiven<br />

für eine klassische Karriere, stand ihm<br />

die ganze Welt offen. Doch dann kam die<br />

Wende und die Familie überlegte nicht lange,<br />

das Weingut „Schloss Proschwitz“<br />

wieder in den Familienbesitz zurückzuholen.<br />

Das ging nur über einen Rückkauf und<br />

viele bürokratische Hürden, die gemeistert<br />

werden mussten. Prinz Georg war dafür<br />

der richtige Mann, auch wenn das so eigentlich<br />

nicht in seiner Lebensplanung vorgesehen<br />

war. Der umtriebige Prinz legte<br />

mit dem ihm eigenen Elan los und startete<br />

1990 das Projekt Rückkauf. Das war<br />

dem Tausendsassa aber nicht genug. Die<br />

Promotion musste noch beendet werden<br />

und ein einfacher Rückkauf ohne Strategie<br />

wäre weder klug noch typisch für den einstigen<br />

Roland-Berger-Mann. Das heruntergekommene<br />

Weingut sollte etwas Besonderes<br />

werden. Und das wurde es auch.<br />

Heute ist es der größte Weinbaubetrieb in<br />

Ostdeutschland. Parallel dazu wurde auch<br />

das zu DDR-Zeiten als Kinderheim genutz-<br />

te Schloss Proschwitz zurückerworben<br />

und kräftig<br />

saniert.<br />

Professor Dr. Georg Prinz<br />

zur Lippe ist ein angenehmer<br />

Gesprächspartner, der<br />

zuhören kann und trotz seines<br />

komplizierten Titelgebildes<br />

in der Lage ist, einem schnell mögliche<br />

Hemmungen zu nehmen. „Sagen<br />

Sie einfach Prinz Georg zu mir.“ Nur Georg<br />

ist zu nah, die offizielle Langform zu<br />

distanziert. Der Prinz ist ein Menschenfänger,<br />

er gewinnt schnell die Sympathien<br />

seiner Gegenüber. Man sieht ihm sein<br />

Interesse an Menschen regelrecht an und<br />

glaubt es ihm auch. Die Weinbauern aus<br />

Proschwitz, die zumeist schon zu DDR-Zeiten<br />

dort arbeiteten, wissen das sehr wohl<br />

zu schätzen. Als Diplom-Agraringenieur ist<br />

er der Richtige für den Weinbau und als<br />

Wirtschaftswissenschaftler weiß er auch,<br />

dass dies nicht alles ist, um erfolgreich zu<br />

sein. Und außerdem ist er neugierig, interessiert<br />

sich für alle möglichen Themen mit<br />

wirtschaftlichen Perspektiven. Deshalb ist<br />

er auch permanent unterwegs. Er ist immer<br />

noch beratend tätig, mal als Unterstützer<br />

für neue Ideen, mal als Vermögensverwalter.<br />

Da bleiben fürs Weingut maximal 50<br />

Prozent, aber das muss genügen.<br />

Was treibt so einen Unternehmer wie ihn,<br />

was prägt ihn? Sicher die Herkunft und<br />

die Erziehung. So gab es von der Familie<br />

20.258 D-Mark mit den besten Wünschen,<br />

damit Studium und Leben und Zukunft<br />

zu bestreiten. Und schon wurde noch<br />

während des Studiums ein erstes Unternehmen<br />

gegründet. Sehr wahrscheinlich<br />

prägte ihn auch seine Tätigkeit als Unternehmensberater,<br />

die er allerdings diffe-<br />

renziert betrachtet. „Unternehmensberater<br />

kennen keine Demut“, das konnte der<br />

Prinz nicht mit sich vereinbaren. Demut,<br />

Achtung und Respekt gegenüber anderen<br />

Menschen und ihren Leistungen, das sind<br />

wichtige Anker in seiner Wertewelt. Zu seinen<br />

Maximen gehört es, kreativ zu sein,<br />

keine Angst vor Neuem zu haben und doch<br />

etwas Nachhaltiges zu tun. So ein Weingut<br />

braucht kreative Ideen, um heute im Markt<br />

zu bestehen. Nur vergangenen Zeiten hinterherzuschauen,<br />

bringt keinen wirtschaftlichen<br />

Erfolg. Und was gibt es Nachhaltigeres<br />

als einen Weinstock zu setzen und sich<br />

auf das Glas Wein zu freuen.<br />

Frank Nehring<br />

STECKBRIEF<br />

Georg Prinz zur Lippe wurde 1957 in<br />

Schweinfurt als jüngstes von sieben<br />

Kindern geboren. Die Familie stammt<br />

ursprünglich aus dem Fürstentum Lippe<br />

und siedelte sich vor 250 Jahren in<br />

Sachsen an. Der Vater besaß landwirtschaftliche<br />

Unternehmen und Industriebeteiligungen<br />

in Sachsen, darunter<br />

auch das Weingut Schloss Proschwitz.<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die<br />

Familie entschädigungslos enteignet.<br />

Der Prinz studierte Agrar- und Betriebswirtschaft<br />

in Bonn und Weihenstephan.<br />

Fast parallel zum anschließenden Aufbaustudium<br />

zum Wirtschaftsingenieur<br />

begann seine Tätigkeit als Unternehmensberater<br />

für die Münchener Unternehmensberatung<br />

Roland Berger.<br />

Drei Jahre später im Jahr 1989 wurde<br />

er Deutschland-Chef einer japanischen<br />

Personalagentur. Dann kam die Wende<br />

und ein neuer Lebensabschnitt.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


66 | W+M DIE LETZTE SEITE<br />

Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />

GESUNDHEIT – EIN GESCHÄFT<br />

FÜR VIELE BRANCHEN<br />

Die Gesundheitswirtschaft erlebt<br />

in den neuen Ländern einen ungekannten<br />

Aufschwung. Das liegt<br />

unter anderem an einem gewachsenen<br />

Gesundheitsbewusstsein der heutigen<br />

Generationen, der deutlich gestiegenen<br />

Lebenserwartung der Bevölkerung und<br />

der daraus resultierenden Tatsache, dass<br />

wesentlich mehr Menschen als noch vor<br />

15 oder 20 Jahren im Alter gepflegt werden<br />

müssen. Darüber hinaus ist der Osten<br />

ein beliebtes Ziel für Gesundheitstouristen<br />

und betuchte Patienten aus Russland<br />

oder der arabischen Welt. Von diesem<br />

Boom profitieren bei weitem nicht<br />

nur Krankenhäuser und Reha-Kliniken.<br />

Auch die Pharma- und Heilmittelindustrie,<br />

die Medizintechnik-Branche,<br />

Logistik- und Krankentransportunternehmen<br />

sowie Krankenkassen<br />

und -versicherungen. In unserem<br />

Titelthema zeigen wir auf,<br />

wie stark die Gesundheitswirtschaft<br />

in den neuen Bundesländern aktuell ist.<br />

Im abschließenden Teil unserer Serie<br />

„Land der Wunder“ beleuchten wir den<br />

wirtschaftlichen Aufbruch, den Berlin in<br />

den vergangenen 25 Jahren vollzogen<br />

hat. Die Stadt an der Spree zählt heute<br />

zu den populärsten europäischen und<br />

internationalen Metropolen. Doch neben<br />

dem Tourismus machen auch Industrie<br />

und Handwerk sowie die vitale Startup-Szene<br />

von sich reden. Im exklusiven<br />

€<br />

W+M-Interview: Berlins Regierender<br />

Bürgermeister Michael Müller (SPD).<br />

Darüber hinaus lesen Sie wie gewohnt<br />

interessante Beiträge aus den Ländern<br />

und der Politik sowie einen ausführlichen<br />

Ratgeberteil.<br />

Die nächste Ausgabe von<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />

10. Dezember <strong>2015</strong>.<br />

PERSONENREGISTER<br />

Bauer, Antje 8<br />

Becker, Ramona 55<br />

Benz, Thomas 57<br />

Berger, Roland 65<br />

Bernikas, Kathrin 58<br />

Blutner, Friedrich E. 6<br />

Bohn, Jürgen 21<br />

Bormann, Michael 50<br />

Brinker, Werner 18<br />

Büchner, Jens 57<br />

Buchter, Heike 54<br />

Bunsen, Hartmut 56, 62, 63<br />

Claussen, Moritz 55<br />

Deiß, Wolfgang 48/49<br />

Diestel, Peter-Michael 7<br />

Drischmann, Jörg 55<br />

Dulig, Martin 8<br />

Elisabeth II. 14<br />

Enck, Thomas 10/11<br />

Ferriss, Timothy 54<br />

Finger, Bodo 8<br />

Frenzel, Bettina 55<br />

Geisel, Andreas 58<br />

Gerber, Albrecht 59<br />

Gerlach, Ron 13<br />

Gleicke, Iris 34<br />

Görke, Christian 59<br />

Grandjean, Andrea 55<br />

Grebe, Rainald 24<br />

Greiff, Burkhardt 59, 62<br />

Gürth, Marlon 19<br />

Gürth, Sven 19<br />

Gustke, Stephan 62<br />

Hartmann, Tim 56, 57<br />

Haseloff, Reiner 56<br />

Helmsdorf, Uwe 6<br />

Henkel, Frank 58<br />

Herrmann, Bernd 55<br />

Höhn, Uwe 21<br />

Howe, Michael 54<br />

Huth, Dirk 63<br />

Kahnemann, Daniel 54<br />

Kaldenhoff, André 63<br />

Kammann, Rolf 16<br />

Kastirr, Wolfgang 6<br />

Köhler-Repp, Dagmar 15<br />

Kolat, Dilek 58<br />

Kuba, Karl 16/17<br />

Kugler, Horst 6<br />

Kuhlmann, Andreas 57<br />

Kvarics, Christiane 55<br />

Lafontaine, Oskar 7<br />

Lahr, Markus 60<br />

Lehmann, Harry 57<br />

Lehmann, Robert 36<br />

Leonhardt, Katrin 48/49<br />

Listner, Tanja 63<br />

Lukasson, Markus Georg 55<br />

Machnig, Matthias 21<br />

Mallison, Robert 55<br />

Marin, Udo 58<br />

Metzner, Martin 15<br />

Meyer, Holger 49<br />

Miedaner, Talane 54<br />

Militzer, Michael 26<br />

Möller, Thomas 6<br />

Mörer-Funk, Axel 48/49<br />

Mulfinger, Klaus-Jörg 30/31<br />

Müller, Andreas 6<br />

Müller, Dirk 54<br />

Müller, Felix 14<br />

Müller, Hans-Jürgen 6<br />

Müller, Michael 58, 66<br />

Müller, Otto-Johannes 6<br />

Müller, Robert 14<br />

Müller, Ulrich 18<br />

Neumann, Karl-Thomas 26<br />

Neumann, Oliver 55<br />

Pätz, Reinhard 10/11<br />

Piëch, Ernst 61<br />

Piëch, Ferdinand 14<br />

Pitschel, Albrecht 6<br />

Pop, Ramona 58<br />

Prinz zur Lippe, Georg 65<br />

Quilitz, Christian 55<br />

Ragnitz, Joachim 33, 34, 36<br />

Ramelow, Bodo 22-24<br />

Ramthun, Jürgen 16<br />

Reinholz, Jürgen 21<br />

Reizel, Michael 51<br />

Rodestock, Bodo 56<br />

Roß, Sebastian 63<br />

Rummenigge, Karl-Heinz 14<br />

Schindler, Klaus 27<br />

Schultz, Hans-Jürgen 21<br />

Schulz, Anne 7<br />

Schulz, Martin 23<br />

Schuster, Franz 21<br />

Schweitzer, Axel 47<br />

Schweitzer, Eric 46/47<br />

Seelige-Steinhoff, Rolf 64<br />

Seidel, Horst 54<br />

Siegesmund, Anja 42<br />

Stolze, Hans-Jörg 19<br />

Streil, Stefan 55<br />

Thomas, Bernd 60<br />

Tiefensee, Wolfgang 21<br />

Trautvetter, Andreas 22<br />

Vance, Ashlee 54<br />

Varoufakis, Yanis 54<br />

Voglmaier, Anton 55<br />

Voigt, Markus 58<br />

von Förster, Götz-Albrecht 55<br />

Weidenfeld, Ursula 57<br />

Werner, Holger 11, 55<br />

Woidke, Dietmar 56<br />

Wowereit, Klaus 58<br />

Yzer, Cornelia 43, 58<br />

Foto: Valentina R/fotolia.com<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>


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