WIRTSCHAFT+MARKT 06-2015
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26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
DIE<br />
WIRTSCHAFT<br />
THÜRINGEN<br />
GRÜNT<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow<br />
REPORT<br />
Rivalität auf<br />
der Ostsee<br />
RATGEBER<br />
Betriebliche<br />
Altersvorsorge
www.das-ist-thueringen.de<br />
Dank Thüringen kommt jedes<br />
Frachtgut sicher an. Selbst<br />
416 Kilometer über der Erde.<br />
Der Raumfrachter Cygnus. Ausgestattet mit Sensortechnologie<br />
der Jena-Optronik GmbH. Das ist Thüringen.<br />
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Als Logistikstandort spielt Thüringen im internationalen Warenverkehr eine wichtige Rolle. Als Technologiestandort<br />
sogar weit darüber hinaus. So sorgen Sensoren der Jena-Optronik GmbH dafür, dass der unbemannte<br />
Raumfrachter Cygnus seine Fracht zuverlässig zur Internationalen Raumstation ISS liefert.<br />
Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft<br />
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen<br />
Orbital ATK
EDITORIAL | 3<br />
Saubere Technologien und<br />
Produkte – ein gigantischer<br />
Zukunftsmarkt<br />
Karsten Hintzmann<br />
Chefredakteur<br />
KH@WundM.info<br />
Foto: Torsten George, Titelfoto: Anton Balazh/shutterstock.com<br />
Die Begriffe Green Economy und<br />
CleanTech dienen längst nicht<br />
mehr dazu, exotische Nischen-<br />
Geschäftsfelder zu betiteln. Nein, saubere<br />
Technologien und Produkte – genau<br />
dafür stehen Green Economy und Clean-<br />
Tech – sind inzwischen weltweit gefragt.<br />
Aktuell beläuft sich das Volumen dieses<br />
Marktes auf geschätzte 2.000 Milliarden<br />
Euro. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird<br />
es sich, so die Schätzung von Experten,<br />
verdoppeln. Treiber des Wachstums sind<br />
globale Megatrends: Die Weltbevölkerung<br />
wird in den kommenden 20 Jahren<br />
drastisch ansteigen, um weitere 1,5 Milliarden<br />
Menschen. Dann streben 8,5 Milliarden<br />
Menschen nach Wohlstand und<br />
Konsum. Die natürlichen Ressourcen<br />
der Erde werden immer schneller verbraucht,<br />
so dass ein Umsteuern alternativlos<br />
ist. Die Antwort darauf ist die Grüne<br />
Wirtschaft, die auf einen schonenden<br />
und effizienten Umgang mit Rohstoffen,<br />
auf Erneuerbare Energien, nachhaltige<br />
Wasserwirtschaft, auf Recycling und<br />
Kreislaufwirtschaft setzt.<br />
Am Wirtschaftsstandort Ostdeutschland<br />
hat man schon früh die Chancen<br />
erkannt, die der Grüne Markt bietet.<br />
Vermutlich auch deshalb, weil Rohstoffknappheit<br />
zu Vorwendezeiten ein akutes<br />
volkswirtschaftliches Problem darstellte.<br />
Heute engagieren sich rund 3.000 Unternehmen<br />
in den neuen Ländern im Bereich<br />
CleanTech. Sie beschäftigen gut<br />
200.000 Mitarbeiter und erwirtschaften<br />
einen Gesamtumsatz von mehr als<br />
30 Milliarden Euro pro Jahr. Ein ernst<br />
zu nehmender Wirtschaftsfaktor, den<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> in der Titelgeschichte<br />
beleuchtet. Dabei geht es nicht<br />
nur um die Abbildung der einzelnen Leitmärkte<br />
unter dem CleanTech-Dach, sondern<br />
auch um die Darstellung bislang unerschlossener<br />
Potenziale für eine noch<br />
erfolgreichere Entwicklung.<br />
Thüringen steht im Mittelpunkt unserer<br />
Serie „Land der Wunder“. Wie alle<br />
anderen ostdeutschen Bundesländer<br />
auch, hatte es der Freistaat nach der<br />
Deutschen Einheit zunächst schwer,<br />
wirtschaftlich auf die Füße zu kommen.<br />
Doch inzwischen ist ein solider Mittelstand<br />
gewachsen, man besinnt sich auf<br />
die ideale Lage und Anbindung mitten in<br />
Deutschland und Europa. Mit 40 Industriebetrieben<br />
auf 100.000 Einwohner hat<br />
Thüringen im bundesweiten Vergleich einen<br />
Spitzenplatz erreicht – noch vor Baden-Württemberg.<br />
Zu den besonders<br />
erfolgreichen Clustern zählen die Bereiche<br />
Optik (mit dem Zentrum Jena), Automotive,<br />
Life Sciences, Logistik und Maschinenbau.<br />
Auch wenn die internationale<br />
Ausrichtung noch ausbaufähig ist,<br />
dürfen die Thüringer durchaus stolz auf<br />
ihre Wirtschaft sein. Immerhin stellt das<br />
Land heute 62 europäische und 32 internationale<br />
Marktführer. W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
4 | W+M INHALT<br />
W+M TITELTHEMA<br />
Die Wirtschaft grünt........................38<br />
W+M AKTUELL<br />
Köpfe......................................................................... 6<br />
Nachrichten............................................................... 8<br />
W+M LÄNDERREPORTS<br />
Ostdeutschland: Industrie 4.0 –<br />
Chance oder Risiko?.................................................10<br />
Mecklenburg-Vorpommern:<br />
Viel Bewegung auf dem Fährmarkt.........................12<br />
Sachsen: Exklusive Buchkunst................................14<br />
Brandenburg: Passgenaue Impfstoffe.....................15<br />
Mecklenburg-Vorpommern:<br />
Standort mit maritimer Kompetenz..........................16<br />
Brandenburg: EWE baut Rolle als<br />
regionaler Energiepartner aus..................................18<br />
Sachsen-Anhalt: Exoten auf dem Acker..................19<br />
W+M SERIE LAND DER WUNDER:<br />
THÜRINGEN<br />
Report: Thüringen stellt 94 Marktführer................. 20<br />
Interview: Bodo Ramelow,<br />
Ministerpräsident in Thüringen............................... 22<br />
Aufstrebende Cluster: Automobil, Optik,<br />
Logistik, Ernährung ................................................ 26<br />
Die Helaba und der Aufschwung des Freistaates......30<br />
EU-Förderung:<br />
Wie Thüringen von Brüssel profitiert.........................32<br />
Wirtschaftsanalyse von ifo-Chef Joachim Ragnitz....33<br />
W+M POLITIK<br />
Pro und Contra: Wird der Osten Deutschlands<br />
wirtschaftlich jemals so stark wie der Westen?..... 34<br />
ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland.......... 36<br />
38 Titel<br />
Grüner Motor Ostdeutschland<br />
22<br />
Im Interview<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow<br />
Impressum<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />
Ausgabe 6/<strong>2015</strong><br />
Redaktionsschluss: 19.10.<strong>2015</strong><br />
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH<br />
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 479071-0<br />
Fax: 030 479071-20<br />
www.WundM.info<br />
Herausgeber/Geschäftsführer:<br />
Frank Nehring, Tel.: 030 479071-11<br />
FN@WundM.info (Alleiniger Inhaber und<br />
Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />
Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />
Tel.: 030 479071-21, KH@WundM.info<br />
Redaktion: Janine Pirk-Schenker, Tel.: 030 479071-21,<br />
JP@WundM.info, Anja Strebe, Tel.: 030 479071-27,<br />
AS@WundM.info<br />
Autoren: Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann,<br />
Rudolf Miethig, Frieda Neurich, Matthias Salm,<br />
Thomas Schwandt<br />
Abo- und Anzeigenverwaltung, Vertrieb:<br />
Tobias Meier, Tel.: 030 479071-28, TM@WundM.info<br />
Marketing/Vertrieb: Kerstin Will, Tel.: 030 479071-24<br />
KW@WundM.info<br />
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und<br />
Abonnementpreis:<br />
Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint<br />
zweimonatlich. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />
der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin sowie die Mitglieder des Vereins Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler (VBIW)<br />
erhalten diese Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />
Einzelpreis: 5 €, Jahresabonnement (Inland):<br />
30 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement<br />
(Ausland): 30 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />
Layout & Design: Möller Medienagentur GmbH,<br />
www.moeller-medienagentur.de<br />
Druck: Möller Druck und Verlag GmbH,<br />
ISSN 0863-5323<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur<br />
mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen<br />
nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und<br />
Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />
Fotos: Yevhen Vitte/shutterstock.com (oben), W+M (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
W+M INHALT | 5<br />
46<br />
Exklusiv<br />
DIHK-Präsident Eric Schweitzer<br />
W+M TITELTHEMA<br />
Report: Grüner Motor Ostdeutschland................... 38<br />
Energieerzeugung: Die Vorreiter der Wende.......... 40<br />
Energieeffizienz: Investitionen in die Sparsamkeit.... 42<br />
Mobilität: Berlin macht elektromobil....................... 43<br />
Kreislaufwirtschaft: Know-how mit Tradition......... 44<br />
Interview mit DIHK-Präsident Eric Schweitzer<br />
über die Perspektiven von GreenTech.................... 46<br />
W+M RATGEBER<br />
Finanzen:<br />
KfW unterstützt Unternehmen<br />
mit Energieeffizienzprogramm................................ 48<br />
Michael Bormann erläutert<br />
alternative Mittelstandsfinanzierungen................... 50<br />
Betriebliche Altersvorsorge schließt Rentenlücke...51<br />
Auto: Ergebnisse der großen<br />
W+M-Firmenwagen-Umfrage................................ 52<br />
Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste<br />
für Wirtschaftsliteratur............................................ 54<br />
Serie Thüringen<br />
Spitzen-Cluster Optik<br />
27<br />
W+M NETZWERK<br />
W+M Lounge im Berlin Capital Club:<br />
Die Finanzwelt im digitalen Wandel........................ 55<br />
Ostdeutsches Energieforum:<br />
Die Energiewende im Visier.................................... 56<br />
9. enviaM-Energiekonvent in Leipzig...................... 57<br />
VBKI-Sommerfest: Berlins schönste<br />
und wichtigste Party............................................... 58<br />
25-jähriges Verbandsjubiläum<br />
des UV Brandenburg-Berlin.................................... 59<br />
VBIW: Aktuelles aus dem Verein............................ 60<br />
Neues aus den Unternehmerverbänden................. 62<br />
Fotos: HC Plambeck (oben), Carl Zeiss Jena (Mitte), Thomas Schwandt (unten)<br />
12 Länderreport<br />
Rivalität der Fährlinien<br />
W+M PORTRÄTS<br />
Rolf Seelige-Steinhoff: Hotelier durch und durch... 64<br />
Georg Prinz zur Lippe: Weit mehr als ein Winzer... 65<br />
W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick und Personenregister............................... 66<br />
W+M WEITERE BEITRÄGE<br />
Editorial...................................................................... 3<br />
Impressum................................................................ 4<br />
Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt das Magazin W+M<br />
Exklusiv Thüringen bei. Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
6 | W+M KÖPFE<br />
Andreas Müller (39)<br />
Aue. Für Andreas Müller ist Rasieren ein Genuss: Nass natürlich,<br />
zehn Minuten lang und natürlich mit einem Mühle-Rasierpinsel.<br />
Unter diesem Namen vertreibt das Familienunternehmen<br />
seine exklusiven Produkte. Es wurde 1945<br />
vom Großvater Otto-Johannes Müller in Stützengrün<br />
im Erzgebirge gegründet und hat unter der Leitung<br />
seines Vaters Hans-Jürgen Müller nach 1990 die<br />
Marktführerschaft in der Branche erobert. Jetzt<br />
wurde die Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG<br />
mit dem großen Preis des Mittelstandes ausgezeichnet.<br />
Friedrich E. Blutner (66)<br />
Albrecht Pitschel (65)<br />
Geyer. Wertigkeit lässt sich auch<br />
hören, denn das Ohr kauft mit – so<br />
lautet die Geschäftsidee des promovierten<br />
Psychoakustikers, der<br />
im erzgebirgischen Geyer als Inhaber<br />
und Geschäftsführer eine einzigartige<br />
Firma betreibt: Mit seiner Synotec<br />
Psychoinformatik GmbH gibt er durch aufwändige Testreihen,<br />
akustische Versuche und Lautexperimente Produkten aller Art<br />
eine angenehme oder zumindest kaufanreizende „Stimme“.<br />
Denn Design sei heute mehr als Optik und Haptik, sagt Friedrich<br />
E. Blutner. Damit ist er in Deutschland Marktführer für psychoakustische<br />
Testsysteme.<br />
Thomas Möller (55)<br />
Greifswald. Thomas Möller heißt<br />
der neue Geschäftsstellenleiter<br />
des Unternehmerverbandes Vorpommern.<br />
Der gebürtige Greifswalder<br />
ist 55 Jahre alt und ein erfahrener<br />
Verbandsmanager. Dass hier ein<br />
ehemaliger Gewerkschaftsmanager künftig<br />
die Geschicke des Vorpommerschen Unternehmerverbands<br />
gestalten soll, mutet nur auf den ersten Blick etwas speziell<br />
an. Thomas Möller ist jedoch hoch motiviert; mehr Mitglieder,<br />
mehr Öffentlichkeitsarbeit und vieles andere mehr stehen bei<br />
ihm auf der Agenda. Das bewährte Team der Geschäftsstelle,<br />
allen voran der langjährige Geschäftsstellenleiter Wolfgang Kastirr,<br />
steht ihm dabei zur Seite.<br />
Bad Köstritz. Albrecht Pitschel hat<br />
die Köstritzer Brauerei zur Marktführerschaft<br />
bei Schwarzbier in<br />
Deutschland geführt. Im September<br />
wurde er nach 42 Jahren im Unternehmen<br />
in den Ruhestand verabschiedet.<br />
Der studierte Chemiker arbeitete<br />
als Direktor in der Brauerei, bevor ihn 1990 die Treuhand<br />
zum Geschäftsführer bestimmte. Dies blieb er auch nach der<br />
Übernahme durch die Bitburger-Gruppe. Sein Nachfolger ist<br />
Prokurist Uwe Helmsdorf.<br />
IN MEMORIAM<br />
Horst Kugler (77)<br />
Frankfurt (Oder). Horst Kugler,<br />
Mitbegründer und Ehrenmitglied<br />
des Vereins Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler<br />
e. V. (VBIW), Gründer<br />
des Ortsvereins Frankfurt (Oder) sowie<br />
zweier Arbeitskreise, ist am 20. September <strong>2015</strong> verstorben.<br />
Er trieb die Zusammenarbeit des Vereins mit der<br />
Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), dem Leibniz-Institut<br />
für innovative Mikroelektronik (IHP) und dem Gauß-<br />
Gymnasium der Stadt sowie der Stadtverwaltung maßgeblich<br />
voran. Mit letzterer organisierte er beispielsweise die<br />
Ausstellung „50 Jahre Halbleitertechnologie am Standort<br />
Frankfurt (Oder)“. <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> und der VBIW<br />
trauern um einen geschätzten Menschen.<br />
Fotos: Privat (oben), Harald Lachmann (Mitte links), Köstritzer (Mitte rechts), W+M (unten links), Privat (unten rechts)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
W+M KÖPFE | 7<br />
Fotos: Torsten George (links), Harald Lachmann (rechts)<br />
Peter-Michael Diestel (63)<br />
Zislow. Pünktlich zum 25. Jahrestag<br />
der Deutschen Einheit hat<br />
sich der letzte DDR-Innenminister<br />
und heutige Anwalt zu Wort gemeldet.<br />
Der Verlag Das Neue Berlin<br />
hat ein Streitgespräch zwischen Diestel<br />
und dem ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten,<br />
Bundesfinanzminister und späteren Linken-Chef Oskar<br />
Lafontaine aufgezeichnet und als<br />
Buch veröffentlicht. Unter dem Titel<br />
„Sturzgeburt – vom geteilten<br />
Land zur europäischen Vormacht“<br />
debattieren der konservative<br />
CDU-Mann Diestel und der Linke<br />
Lafontaine emotional, aber nicht<br />
unversöhnlich über das Zusammenwachsen<br />
und den steinigen<br />
Aufbruch der ostdeutschen Wirtschaft.<br />
Diestels Fazit: „Eine Sturzgeburt<br />
ist ein unvorhergesehenes<br />
Ereignis. Aber, wie jede Geburt,<br />
ist auch eine Sturzgeburt wieder<br />
ein Beginn eines großen Anfangs<br />
und eines großen Glücks.“<br />
Anne Schulz (49)<br />
Biesenthal. Vor kurzem feierte ihr Steinwerk im brandenburgischen<br />
Biesenthal (Landkreis Barnim) zehnjähriges Firmenjubiläum.<br />
Gegenwärtig arbeitet Anne Schulz hier mit ihren Mitstreitern<br />
aufwändige Sandsteinarbeiten für die Rekonstruktion einer<br />
Adlergruppe am Fortunaportal des Potsdamer Stadtschlosses.<br />
Nebenher betreut sie Kinder in Biesenthal und<br />
Bernau bei künstlerischen Schülerprojekten und<br />
organisiert alle zwei Jahre die deutsch-polnischen<br />
Bildhauersymposien. Und für<br />
ein ungewöhnliches Grabdenkmal<br />
in Form einer Zitronenschale<br />
gab es kürzlich auch eine Silbermedaille<br />
auf der Havel-Buga<br />
<strong>2015</strong>.<br />
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8 | W+M NACHRICHTEN<br />
K+S FORSCHT<br />
Erfurt. Sein neues Forschungszentrum<br />
in Unterbreizbach hat der Kali-Produzent<br />
K+S im September eröffnet. Der DAX-<br />
Konzern hatte seinen Forschungs- und<br />
Analytikbereich aus Hessen nach Thüringen<br />
verlagert, 100 Wissenschaftler,<br />
Techniker und Ingenieure werden sich<br />
hier auch mit der Verringerung von Produktionsrückständen<br />
beschäftigen, für<br />
die K+S in der Kritik steht.<br />
WERFT WIRD ERWEITERT<br />
Rostock. Die Werft TAMSEN MARITIM<br />
will ihre Produktionsstätte in Rostock<br />
durch eine Wechselspuranlage erweitern,<br />
um zeitgleich mehrere große Schiffe<br />
bearbeiten zu können. In den Werkshallen<br />
können Schiffe mit einer Länge<br />
von bis zu siebzig Metern repariert oder<br />
neu gebaut werden. Außerdem werden<br />
Composite-Formbauteile für die Windindustrie<br />
gefertigt.<br />
HIGHTECH-FÖRDERUNG<br />
Das abgebaute Rohsalz wird an den Standorten der K+S KALI GmbH zu hochwertigen<br />
Düngemitteln und Industrieprodukten verarbeitet.<br />
NEUES WERK<br />
Rostock. Im Januar soll im neuen Werk<br />
bei Rostock des Medizintechnikspezialisten<br />
CLEARUM die Produktion aufgenommen<br />
werden, im September wurde<br />
im Industriegebiet Poppendorf Richtfest<br />
gefeiert. CLEARUM entwickelt, produziert<br />
und verkauft maßgeschneiderte Membranen<br />
für Dialysatoren, die in der Dialyse<br />
nierenkranker Patienten benötigt werden.<br />
Zunächst sollen 80 Arbeitsplätze entstehen,<br />
ein weiterer Ausbau ist geplant.<br />
KLEINER MITTELSTAND<br />
Leipzig. Sachsens Wirtschaft ist wesentlich<br />
kleinteiliger als jene im Altbundesgebiet.<br />
Nach einer Erhebung der Sachsen<br />
Bank beschäftigt jede sächsische<br />
Firma im Schnitt nur 86 Mitarbeiter. Unternehmen<br />
in den alten Bundesländern<br />
beschäftigen durchschnittlich 146 Mitarbeiter.<br />
Bodo Finger, Präsident der Vereinigung<br />
der sächsischen Wirtschaft,<br />
spricht in diesem Zusammenhang von<br />
einem „unerhört breiten Graben“. Einen<br />
Ausweg sieht er darin, dass die Unternehmen<br />
des größten ostdeutschen Landes<br />
mit vermehrten Innovationen weltmarktfähige<br />
Produkte kreieren und damit<br />
letztlich an Größe gewinnen.<br />
NACHFOLGER GESUCHT<br />
Halle. Nach einer Erhebung des Instituts<br />
für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn<br />
suchen 2.700 Familienunternehmen in<br />
Sachsen-Anhalt bis 2018 einen Nachfolger.<br />
Sie beschäftigen insgesamt 37.000<br />
Mitarbeiter. Einer Umfrage der IHK Halle-Dessau<br />
zufolge, finden jedoch mit 55<br />
Prozent mehr als die Hälfte der Firmenchefs<br />
in der Region Halle keinen Nachfolger.<br />
Die Gründe dafür sind laut IHK-<br />
Geschäftsführerin Antje Bauer teils auch<br />
selbstgemacht. So bereiteten sich Unternehmer<br />
oft „zu spät auf die Nachfolge<br />
vor“. Nach ihrer Erfahrung benötige die<br />
Suche nach einem geeigneten externen<br />
Kandidaten mindestens fünf Jahre. Viele<br />
Betriebe unterschätzten diese Herausforderung.<br />
Erschwert wird die Lage noch<br />
dadurch, dass nach Angaben des Netzwerkes<br />
Unternehmensnachfolge Sachsen-Anhalt<br />
lediglich bei 40 Prozent der<br />
Firmen der Stab in der eigenen Familie<br />
weitergereicht wird.<br />
Dresden. Sachsen will Unternehmen<br />
des Landes stärker beim Aufbau von<br />
Hightech-Fertigungsverfahren unterstützen.<br />
Laut Wirtschaftsminister Martin<br />
Dulig (SPD) stehen hierfür bis zu 70<br />
Millionen Euro bereit. Mit diesem Geld<br />
soll vor allem kleineren Firmen geholfen<br />
werden, denen das Risiko bislang<br />
zu groß ist. Dadurch jedoch, so Dulig,<br />
blieben neue, technisch machbare Verfahren<br />
noch zu oft im Versuchsstadium<br />
hängen. Um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
Sachsens zu erhalten, müsse sich<br />
das ändern.<br />
LIZENZ ERTEILT<br />
Berlin. Das junge Berliner Finanzunternehmen<br />
BillPay hat als erster deutscher<br />
Anbieter von abgesicherten Bezahlmethoden<br />
eine Lizenz der Bundesanstalt für<br />
Finanzdienstleistungsaufsicht nach dem<br />
Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)<br />
erhalten. Mit BillPay können Verbraucher<br />
und Handelsunternehmen die Bezahlmethoden<br />
Rechnungskauf und Lastschrift<br />
sowie PayLater-Teilzahlung abwickeln.<br />
Mit über fünf Millionen Kunden und<br />
mehr als 5.000 Handelspartnern ist das<br />
Unternehmen deutscher Marktführer im<br />
Segment der Zahlungsdienste. Insbesondere<br />
bei Käufen im Internet werden aufgrund<br />
des Ausfall- und Betrugsrisikos immer<br />
weniger Gelder direkt vom Kunden<br />
an den Händler gezahlt, sondern über<br />
Dienstleister, die dann die Bonitätsprüfung<br />
und die Zahlungsabwicklung übernehmen.<br />
Foto: K+S Aktiengesellschaft<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
W+M NACHRICHTEN | 9<br />
Foto: Wolfgang Wehl/pixelio.de<br />
OSTDEUTSCHE SPARMEISTER<br />
Die Frauenkirche in Dresden.<br />
SEHENSWERTES<br />
SACHSEN<br />
Frankfurt/Main. Laut einer Online-<br />
Umfrage der Deutschen Zentrale<br />
für Tourismus (DZT) zählt auch eine<br />
Reihe von Destinationen in Sachsen<br />
zu den 100 beliebtesten Sehenswürdigkeiten<br />
in Deutschland.<br />
Hierzu gehören die Frauenkirche<br />
in Dresden (Platz 15), der Nationalpark<br />
Sächsische Schweiz (19),<br />
die Altstadt von Dresden (22), die<br />
Semperoper Dresden (Platz 51),<br />
der Zwinger Dresden (53), die Altstadt<br />
von Görlitz (80), das Völkerschlachtdenkmal<br />
Leipzig (70) und<br />
der Kanupark Markkleeberg (88).<br />
Zu den Top 10 gehören aus dem<br />
Osten Deutschlands nur das Brandenburger<br />
Tor (5) und die Relikte<br />
der Berliner Mauer (9).<br />
www.WundM.info<br />
Berlin. Trotz der belastenden Niedrigzinsphase<br />
zeigen sich die Sparkassen<br />
in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Sachsen und Sachsen-Anhalt zufrieden<br />
mit der Geschäftsentwicklung<br />
im ersten Halbjahr <strong>2015</strong>. Wie der Ostdeutsche<br />
Sparkassenverband bei der<br />
Vorstellung der Halbjahres-Ergebnisse<br />
mitteilte, erwiesen sich die Ostdeutschen<br />
<strong>2015</strong> als echte Sparmeister.<br />
Das Geldvermögen der Privatkunden<br />
wuchs in den ersten sechs Monaten<br />
um 3,3 Milliarden Euro auf 116,7<br />
Milliarden Euro. Auch die Kreditnachfrage,<br />
insbesondere seitens der Unternehmen,<br />
nahm zu. Die 45 OSV-Mitgliedssparkassen<br />
vergaben an Unternehmen<br />
und Selbstständige neue Kredite<br />
in Höhe von 2,2 Milliarden Euro,<br />
318 Millionen Euro mehr als im Vorjahreszeitraum.<br />
Mittelfristig erwarten die<br />
ostdeutschen Sparkassen allerdings bei<br />
einer weiter anhaltenden Niedrigzinssituation<br />
spürbare Ertragseinbrüche.<br />
MEHR RISIKO BEI ANLAGEN<br />
Frankfurt/Main. Das niedrige Zinsniveau<br />
verändert das Anlageverhalten<br />
deutscher Unternehmen. Dies belegt<br />
eine Studie der Fachhochschule des<br />
Mittelstands in Bielefeld (FHM) in Kooperation<br />
mit der Commerzbank. Um<br />
eine gewünschte Mindestverzinsung<br />
zu erreichen, sind Mittelständler demnach<br />
wieder bereit, mehr ins Risiko zu<br />
gehen. So würde jeder zehnte Befragte<br />
für eine Rendite von drei Prozent sogar<br />
starke Kursschwankungen in Kauf<br />
nehmen. Trotz ihrer hohen Sicherheitsaffinität<br />
sind Mittelständler für eine höhere<br />
Rendite oder zur Vermeidung von<br />
Negativzinsen auch bereit, ihr Geld länger<br />
anzulegen. So werden bei der Anlage<br />
von Liquidität mittlerweile Laufzeiten<br />
von sechs Monaten bis zu einem<br />
Jahr bevorzugt. Die Mehrheit der<br />
Mittelständler rechnet damit, dass die<br />
Zeit der niedrigen Zinsen noch andauern<br />
wird. 57 Prozent der Befragten halten<br />
einen Zeitraum von drei Jahren für<br />
denkbar.<br />
VERBAND GEGRÜNDET<br />
Annaberg-Buchholz. 18 Vertreter und<br />
Förderer der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />
hoben Mitte September den<br />
Branchenverband Kultur- und Kreativwirtschaft<br />
Erzgebirge e. V. aus der Taufe.<br />
Besonders Vertreter aus Werbung<br />
und Designwirtschaft wollen damit den<br />
Besonderheiten der Region Rechnung<br />
tragen. Zugleich streben sie die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit mit<br />
Branchenunternehmen in Tschechien<br />
an. Eingebunden in die Arbeit des neuen<br />
Verbandes wird auch das regionaltypische<br />
Kunsthandwerk.<br />
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10 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Industrie 4.0 –<br />
Chance oder Risiko?<br />
Experten nennen es die vierte industrielle Revolution: Mit Industrie<br />
4.0., der Digitalisierung von Maschinen und Komponenten, steht dem<br />
deutschen Maschinenbau ein bedeutender Innovationsschub, aber<br />
auch ein härterer Wettbewerb bevor. Von Matthias Salm<br />
„Dafür spricht sowohl ihre führende Rolle<br />
im globalen Maschinenbau und in der Automatisierung<br />
als auch die Spitzenstellung<br />
der deutschen Industrie in der Sensor- und<br />
Messtechnik.“<br />
Noch scheint Industrie 4.0 für viele<br />
mittelständische Unternehmen<br />
eher eine mit vielen Fragezeichen<br />
verbundene Zukunftsvision darzustellen<br />
als eine konkret planbare unternehmerische<br />
Realität. Eine aktuelle Umfrage der<br />
Commerzbank unter Führungskräften der<br />
mittelständischen Wirtschaft legt die vorhandene<br />
Unsicherheit hinsichtlich der Bedeutung<br />
von Industrie 4.0 offen. Mit dem<br />
großen Schlagwort Industrie 4.0 verbinden<br />
derzeit nur 19 Prozent der Unternehmen<br />
Chancen, heißt es in der Studie. Dies<br />
bestätigt auch Reinhard Pätz, Geschäftsführer<br />
des Verbandes Deutscher Maschinen-<br />
und Anlagenbau (VDMA) Ost: „Noch<br />
nicht alle Unternehmen sehen einen konkreten<br />
Nutzen oder Möglichkeiten der eigenen<br />
Umsetzung.“<br />
Dabei ist sicher: Die vierte industrielle<br />
Revolution wird die Produktion nachhaltig<br />
verändern. Maschinen und Produkte<br />
werden künftig mit eigenen Internetadressen<br />
ausgestattet und konsequent mittels<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
vernetzt – von der Logistik<br />
über Produktion und Marketing bis hin<br />
zum Service.<br />
Für den deutschen Maschinenbau eröffnet<br />
die Digitalisierung neue Wachstumspotenziale.<br />
Allerdings nur, wenn es ihm beispielsweise<br />
zuvor gelingt, das Software-<br />
Know-how auszubauen sowie die Produktion<br />
stärker zu strukturieren. Zudem wird<br />
Industrie 4.0 dem Maschinenbau Investitionen<br />
abverlangen, die sich erst langfristig<br />
amortisieren. „Dennoch fällt den deutschen<br />
Maschinenbauern bei der Entwicklung<br />
von Industrie 4.0 gemeinsam mit der<br />
IT-Branche eine Schlüsselrolle zu“, erklärt<br />
Thomas Enck, Co-Autor des Branchenreports<br />
Maschinenbau der Commerzbank.<br />
Die ersten Vorboten der neuen Produktionswelt<br />
sind auch in Ostdeutschland<br />
längst im Einsatz. „In Zusammenarbeit<br />
mit den exzellenten Forschungseinrichtungen<br />
in den ostdeutschen Bundesländern<br />
und Berlin sind schon ganz konkrete<br />
Lösungen für die industrielle Praxis entwickelt<br />
worden“, weiß VDMA-Ost-Geschäftsführer<br />
Pätz. Bereits heute bestehen<br />
laut Verband deutsche Maschinenbauprodukte<br />
zu 30 Prozent aus Software<br />
und Automatisierungstechnik.<br />
Hochentwickelte Fertigungsanlagen arbeiten<br />
bereits nahezu vollautomatisch. „Noch<br />
werden sie allerdings in der Regel über<br />
Zentralrechner gesteuert und reagieren<br />
relativ unflexibel auf Änderungsbedarf“,<br />
so Commerzbank-Branchenexperte Enck.<br />
Künftige 4.0-Systeme seien mit dezentraler<br />
Intelligenz ausgestattet und werden<br />
über Informationen in Echtzeit verfügen.<br />
Sie können Korrekturbedarf eigenständig<br />
Foto: Bosch<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
OSTDEUTSCHLAND | 11<br />
Foto: W+M<br />
erkennen und sich anpassen. Starre Produktionsprozesse<br />
werden so flexibler. Die<br />
vernetzte Maschine wird sich selbst dezentral<br />
überwachen und ihre Wartung eigenständig<br />
vorausschauend steuern.<br />
„Für den Übergang zur Industrie 4.0 gilt es<br />
für die Maschinenbauer gemeinsam mit<br />
der Meß-, Sensorik- und IT-Branche, einen<br />
neuen Industriestandard zu etablieren“,<br />
fordert Enck. Daneben müssen maßgeschneiderte<br />
Kundenlösungen und Unikate<br />
künftig stärker durch standardisierte<br />
und modularisierte Produktbaukästen<br />
realisiert werden. ERP- und MES-Systeme<br />
– also Unternehmens- und Produktionsplanungssysteme<br />
– sind weiter zu integrieren.<br />
Aktuell mangelt es dafür noch an einheitlichen<br />
Standards für Kommunikation, Infrastruktur<br />
und Smart-Devices. Zudem<br />
sorgen sich Maschinenbauer und deren<br />
Kunden, dass mit der zunehmenden Vernetzung<br />
unberechtigte Dritte auf die Unternehmensdaten<br />
zugreifen können. Auch<br />
die Rahmenbedingungen müssen stimmen:<br />
„Viele Grundlagen der Informationstechnologie<br />
und Hardware sind bereits<br />
vorhanden“, so Pätz. „Die Rahmenbedingungen<br />
wie eine gut ausgebaute<br />
Breitband-Infrastruktur oder die rechtlichen<br />
Grundlagen für die Nutzung von ‚Big<br />
Data‘ muss die Politik schaffen.“<br />
Investitionen in Industrie 4.0 werden für<br />
die Zukunft des deutschen Maschinenbaus<br />
entscheidend sein. Sie müssen sowohl<br />
Hightech- als auch Midtech-Produkte<br />
entwickeln. Einerseits um ihre Position<br />
in den Hauptmärkten zu sichern, andererseits<br />
um an den stark wachsenden Emerging<br />
Markets partizipieren zu können. „Unternehmen<br />
des deutschen Maschinen- und<br />
Anlagenbaus lassen die Vision Industrie 4.0<br />
Wirklichkeit werden", ist sich Reinhard Pätz<br />
sicher und denkt dabei an Unternehmen<br />
wie die Trebing & Himstedt Prozessautomation<br />
GmbH & Co. KG aus Schwerin oder<br />
die N+P Informationssysteme GmbH aus<br />
dem sächsischen Meerane.<br />
Doch es drohen den Maschinenbauern<br />
auch Gefahren für das eigene Geschäftsmodell.<br />
Unternehmen, die das Thema Industrie<br />
4.0 zu zögerlich angehen, werden<br />
feststellen, dass ihre Produkte in einigen<br />
Jahren nicht mehr den Ansprüchen<br />
der sich vernetzenden Industrien gerecht<br />
werden können, im schlimmsten Fall droht<br />
gar das Aus am Markt. Die Digitalisierung<br />
verschärft zudem den Wettbewerb durch<br />
bisher Branchenfremde. Google zum Beispiel<br />
investiert bereits vermehrt in industrielle<br />
Bereiche wie autonome Fahrzeuge,<br />
Robotik oder Gebäudetechnik. W+M<br />
DIGITALISIERUNG UMFASSEND PLANEN<br />
Holger Werner ist Bereichsvorstand Corporate Banking &<br />
Mittelstandsbank Ost der Commerzbank AG. W+M sprach mit<br />
ihm über die Finanzierung von Investitionen in die Industrie 4.0.<br />
W+M: Herr Werner, welche Rolle spielt<br />
der Stand der Digitalisierung bei der Bewertung<br />
eines Unternehmens durch die<br />
Commerzbank?<br />
Holger Werner: Das ist abhängig von<br />
der Branche. Wichtig ist es, dass das<br />
Unternehmen ein nachhaltiges und stabiles<br />
Geschäftsmodell hat, daher ist es<br />
zwingend erforderlich, dass das Thema<br />
Digitalisierung umfassend durch das Management<br />
beleuchtet wurde und dies in<br />
der strategischen Planung Einfluss findet,<br />
um im Wettbewerb bestehen zu können.<br />
W+M: Die Digitalisierung wird auch die<br />
Geschäftsmodelle von Unternehmen beeinflussen.<br />
Wie bewerten Sie diesen Einfluss?<br />
Holger Werner: Grundsätzlich ist der<br />
Punkt sehr inhaltsschwer, weil die<br />
Bandbreite der Betroffenheit beziehungsweise<br />
des Einflusses sehr groß<br />
ist – von der Optimierung der Arbeitsabläufe<br />
über neue Produkte und die Erweiterung<br />
des Geschäftsmodells bis hin<br />
zum Wegfall von Geschäftsmodellen.<br />
W+M: Was bedeutet dies für das Rating<br />
eines Unternehmens?<br />
Holger Werner: Ein Teil der Ratingbewertung<br />
befasst sich mit den finanzwirtschaftlichen<br />
Zahlen; wenn also ein Unternehmen<br />
auch erfolgreich die Digitalisierung<br />
über die gesamte Wertschöpfungskette<br />
umsetzt und es somit auch<br />
seine Marktstellung nachhaltig und stabil<br />
steuern kann.<br />
Daneben betrachten wir auch die weichen<br />
Faktoren, die sich mit dem Geschäftsmodell<br />
des Unternehmens als<br />
auch mit seiner strategischen Zukunftsplanung<br />
beschäftigen, wie etwa Fragestellungen<br />
über Markt und Wettbewerb,<br />
Lieferanten und Abnehmer.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
12 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Zum dichten Routennetz von Finnlines auf<br />
der Ostsee gehören auch Verbindungen<br />
zwischen Rostock und Finnland.<br />
Viel Bewegung<br />
auf dem Fährmarkt Ostsee<br />
Die deutschen Fährhäfen an der Ostseeküste besitzen eine<br />
Scharnierfunktion für die Güterverkehre zwischen Nord- und<br />
Mitteleuropa. Welchen Weg die Fracht über die Ostsee nimmt,<br />
entscheiden Frachttarife, Service und Fahrzeit. Ein verschärfter<br />
Wettbewerb und veränderte Rahmenbedingungen setzen dem<br />
Fährgeschäft zu. Von Thomas Schwandt<br />
Nach Skandinavien führen viele<br />
Wege, die meisten übers Wasser.<br />
Zahlreiche Ostsee-Fährlinien verbinden<br />
als schwimmende Brücken den<br />
Norden Europas mit dem kontinentalen<br />
Festland. Seit mehr als 100 Jahren pendeln<br />
zum Beispiel Fährschiffe zwischen<br />
Rostock und dem süddänischen Gedser<br />
sowie auf der „Königslinie“ zwischen<br />
Sassnitz auf Rügen und Trelleborg (Südschweden).<br />
Die regelmäßigen Linienverkehre<br />
bilden seit jeher eine verlässliche<br />
Konstante für den Güter- und Warenaustausch<br />
über die Ostsee und für die Urlauber-<br />
und Touristenströme auf der europäischen<br />
Nord-Süd-Achse.<br />
Mit dem Wegfall der Grenzen in Ostdeutschland<br />
vor 25 Jahren geriet das etablierte<br />
Fährgeschäft in unruhiges Fahrwasser.<br />
In der südlichen Ostsee verschärfte<br />
sich unter den marktoffenen Bedingungen<br />
der Wettbewerb. Die traditionell von Lübeck<br />
aus gen Schweden operierende Fährreederei<br />
TT-Line expandierte zum Beispiel<br />
1992 nach Osten, nahm zwischen Rostock<br />
und Trelleborg einen zusätzlichen Liniendienst<br />
auf. Sechs Jahre später fusionierten<br />
die Fährreedereien Scandlines Danmark<br />
A/S und Deutsche Fährgesellschaft Ostsee<br />
(DFO). Das deutsch-dänische Unternehmen<br />
Scandlines avancierte zu einer der<br />
größten Fährreedereien in der Ostsee. Mit<br />
innerdänischen Routen und Liniendiensten<br />
im Länderdreieck Dänemark, Deutschland<br />
und Schweden. In den folgenden Jahren<br />
wurde das Routennetz nach Finnland und<br />
dem Baltikum erweitert.<br />
Eine starke konjunkturelle Entwicklung zu<br />
Beginn des neuen Jahrtausends in den<br />
Anrainerstaaten, vor allem in Skandinavien,<br />
Russland und dem Baltikum, bescherte<br />
den Reedereien ein hohes Frachtaufkommen.<br />
Zu einer Zäsur kam es in der<br />
schweren Wirtschafts- und Finanzkrise<br />
2008/09. Im Seehafen Rostock etwa,<br />
dem größten Universalhafen an der deutschen<br />
Ostseeküste, der nahezu zwei Drittel<br />
seines Güterumschlags über Fähr- und<br />
Roll-on/Roll-off-Verkehre generiert, brach<br />
binnen eines Jahres das Frachtaufkommen<br />
um 20 Prozent ein. Das hatte zur<br />
Folge, dass die Fährreedereien zwischenzeitlich<br />
die Fahrpläne ausdünnten und die<br />
Einsätze ihrer Fährschiffe miteinander koordinierten.<br />
Bei jeder Überfahrt war die<br />
Hoffnung mit an Bord, das wirtschaftliche<br />
Umfeld möge sich alsbald wieder<br />
aufhellen.<br />
In den zurückliegenden Jahren konnten<br />
die meisten deutschen Ostsee-Fährhäfen<br />
zwischen Kiel und Sassnitz wieder<br />
spürbare Zuwächse bei Fracht und Passagieren<br />
verbuchen. Rostock verzeichnete<br />
im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> auf seinen drei<br />
Foto: Thomas Schwandt<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
MECKLENBURG-VORPOMMERN | 13<br />
Fähr- und drei Roll-on/Roll-off-Verbindungen<br />
nach Dänemark, Schweden und Finnland<br />
einen Anstieg bei transportierter rollender<br />
Fracht um 13 Prozent auf 7,4 Millionen<br />
Tonnen.<br />
Mitnichten aber haben sich die Wogen<br />
im Fährgeschäft geglättet. Seit Jahresbeginn<br />
<strong>2015</strong> geltende verschärfte Umweltauflagen<br />
für die Nord- und Ostsee,<br />
wonach der Schiffstreibstoff nur noch<br />
0,1 Prozent Schwefel enthalten darf.<br />
Diese haben die Reedereien vor ein Kostenproblem<br />
gestellt. Marinegasöl erfüllt<br />
zwar im Gegensatz zum bisher verwendeten<br />
Schweröl das strenge Schwefellimit,<br />
doch es ist deutlich teurer. Um circa<br />
200 US-Dollar pro Tonne. Das löste<br />
eine hektische Suche nach technologischen<br />
Alternativen aus. Scandlines beispielsweise<br />
entschied sich für einen batteriegestützten<br />
Hybrid-Antrieb und rüstete<br />
die Fähren um. Stena Line betreibt<br />
eine ihrer zwei Fähren auf der Route Kiel–<br />
Göteborg seit diesem Jahr mit Methanol<br />
und die Lübecker TT-Line experimentiert<br />
auf einem Schiff ihrer Flotte mit einem<br />
Scrubber, der den Schwefel aus den Abgasen<br />
abscheidet. Befürchtungen kamen<br />
auf, dass sich durch höhere Frachttarife<br />
die Ladungsströme von See auf parallele<br />
Lkw-Verkehre verlagern könnten. Wider<br />
Erwarten drehte sich in diesem Jahr der<br />
Wind auf dem Ölmarkt, das Marinegasöl<br />
verbilligte sich und minderte den Kostendruck.<br />
So geht Ron Gerlach, Routenmanager<br />
bei Stena Line, davon aus, „dass<br />
trotz des Schwefellimits das Frachtvolumen<br />
in diesem Jahr ein gleichhohes Niveau<br />
wie 2014 erreicht“. Im Vorjahr legte<br />
Stena auf der Linie Rostock–Trelleborg<br />
bei Cargo um sechs Prozent zu.<br />
DEUTSCHE OSTSEE-FÄHRLINIEN<br />
Rostock–Gedser (Dänemark)<br />
Rostock–Trelleborg (Schweden)<br />
Rostock–Hanko (Finnland)<br />
Sassnitz–Trelleborg (Schweden)<br />
Puttgarden–Rødby (Dänemark)<br />
Kiel–Göteborg (Schweden)<br />
Kiel–Klaipeda (Litauen)<br />
Travemünde–Trelleborg (Schweden)<br />
Travemünde–Malmö (Schweden)<br />
Insgesamt nähert sich der Frachtverkehr<br />
im Ostseeraum dem Vorkrisenniveau nur<br />
langsam wieder an. Zuletzt wurde er heftig<br />
gebremst durch die wirtschaftspolitischen<br />
Sanktionen gegenüber Russland<br />
und die anhaltende Krisensituation in einigen<br />
südeuropäischen Ländern. Dadurch<br />
geriet der Frachtmarkt extrem in Bewegung.<br />
Güterströme suchen sich kurzfristig<br />
den kostengünstigsten Weg über die<br />
Ostsee. Elektronische Buchungssysteme,<br />
durchgängige Logistikketten und<br />
ein großes Angebot an modernen Fährschiffen<br />
bieten den Befrachtern und<br />
Speditionen vielfältige Transportlösungen.<br />
Die Fährreedereien reagieren unter<br />
anderem mit flexiblen Liniendiensten.<br />
So hat die Reederei Finnlines ein dichtes<br />
Netz von Routen aufgezogen, die je<br />
nach Frachtaufkommen mit multifunktionalen<br />
Schiffen bedient werden. TT-Line<br />
offeriert den Kunden im Dreieck Travemünde–Rostock–Trelleborg<br />
einen auf<br />
präferierte Fahrzeiten und Transportbedarfe<br />
zugeschnittenen Fahrplan. Stena<br />
Line hingegen hat sich auf der „Königslinie“<br />
zwischen Sassnitz und Trelleborg<br />
der Marktlage gebeugt. Vor einem Jahr<br />
nahm die schwedische Reederei mit der<br />
„Trelleborg“ eines ihrer zwei Fährschiffe<br />
auf der Destination dauerhaft aus<br />
dem Dienst. Ein Grund dafür ist auch<br />
die wachsende Konkurrenz des benachbarten<br />
polnischen Hafens Świnoujście<br />
(Swinemünde), von wo ebenfalls Fährlinien<br />
nach Trelleborg abgehen. Diesem<br />
Trend folgend hat TT-Line ein weiteres<br />
Mal ihren Aktionsradius gen Osten ausgedehnt<br />
und eröffnete zu Jahresbeginn<br />
2014 von Świnoujście aus einen eigenen<br />
Trelleborg-Dienst.<br />
Das einst zu den größten Fährreedereien<br />
zählende Schifffahrtsunternehmen Scandlines<br />
passte sich in jüngster Vergangenheit<br />
in seiner Firmenstruktur dem harten<br />
Wettbewerb auf der Ostsee an. Etliche<br />
Linien und Fährschiffe wurden verkauft.<br />
Heutzutage beschränkt sich Scandlines<br />
auf die Kurzstrecken Puttgarden–Rødby<br />
(Dänemark), Rostock–Gedser (Dänemark)<br />
und Helsingør (Dänemark)–Helsingborg<br />
(Schweden). Als einzige Fährreederei hat<br />
Scandlines zuletzt jedoch in den Neubau<br />
von Fährschiffen investiert. Ab diesem<br />
Herbst soll zunächst die neue „Berlin“<br />
und zwei Monate später die typgleiche<br />
„Copenhagen“ auf der Gedser-Linie eingesetzt<br />
werden. Sie lösen die alten Schiffe<br />
ab, mit den neuen verdoppelt sich die<br />
bisherige Fracht- und Passagierkapazität<br />
auf der Route von Rostock. W+M<br />
Foto: Thomas Schwandt<br />
Die Scandlines-Fähre „Kronprins Frederik“ verkehrt auf der Route Rostock–Gedser und soll demnächst durch einen Neubau ersetzt werden.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
14 | W+M LÄNDERREPORT SACHSEN<br />
EXKLUSIVE BUCHKUNST<br />
Robert Müller führt in Gerichshain bei Leipzig eine Buchbinderei,<br />
die ihre handwerklich gearbeiteten Kleinodien selbst an den<br />
Buckingham-Palast liefert. Von Harald Lachmann<br />
Das sei schon „mehr als ein Buch“,<br />
eher ein „außergewöhnliches und<br />
ambitioniertes Projekt, was aber<br />
schon zu uns passt“, schwärmte FC-Bayern-Chef<br />
Karl-Heinz Rummenigge, als er<br />
den Band in der Hand hielt. Gemeint war<br />
die Chronik, die ihm eine sächsische Buchbinderei<br />
zum 111-jährigem Vereinsjubiläum<br />
fertigte: 70 Zentimeter hoch, 552 Seiten<br />
stark, 30 Kilogramm schwer und stolze<br />
2.999 Euro teuer. „Und jedes einzelne<br />
der 4.111 Exemplare entstand per Hand,<br />
ist ein Unikat“, betont Robert Müller, der<br />
geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens<br />
in Gerichshain.<br />
Angesichts dieser Dimensionen steckten<br />
hier auch zwei Jahre Entwicklungszeit drin,<br />
so der 49-Jährige. Zugute kam ihm dabei,<br />
dass er sein Fach noch zu DDR-Zeiten im<br />
historischen Leipziger Handwerk erlernte.<br />
So griff er für die FC-Bayern-Chronik<br />
auf eine uralte Bibelbindetechnik zurück,<br />
wie sie kaum noch einer beherrscht. Eine<br />
Augenweide<br />
bildet allein<br />
der Einband:<br />
Die Holzdecke<br />
besteht<br />
aus mahagonifarben gebeiztem Birkenholz,<br />
der Buchrücken ist mit Rindsleder<br />
verkleidet.<br />
Natürlich sei solch ein Auftrag eine Sternstunde,<br />
gesteht Müller. Doch solche gibt<br />
es inzwischen einige für die Sachsen. Stolz<br />
zeigt er etwa ein Muster eines ähnlich majestätischen<br />
Wälzers, den die italienische<br />
Nobelwagenschmiede Bugatti zum 75.<br />
Geburtstag von VW-Manager Ferdinand<br />
Piëch in Gerichshain fertigen ließ. Dabei<br />
handelt es sich ebenso um ein erlesenes<br />
Einzelexemplar wie bei einem dicken Brevier,<br />
in dem inzwischen Britanniens Königin<br />
Elisabeth II. blättert: Es vereint Fotos<br />
der teuersten Diamanten der Welt.<br />
Die Aufträge kämen meist über Agenturen,<br />
teils auch anspruchsvolle Druckereien,<br />
erzählt Müller. Mit ihrer hohen Qualität<br />
hätten sie sich halt einen Namen gemacht<br />
– zugleich aber auch mit ihrer Schlagkraft.<br />
Denn handwerklich fitte Buchbinder gebe<br />
es sicher hier und da noch einen, meist<br />
wirkten diese aber in kleinen Manufakturen,<br />
also ohne den Background einer potenten<br />
Industriebinderei mit dutzenden Beschäftigten.<br />
Geschäftsführer Robert Müller<br />
Mithin bewältigen die Sachsen einen Spagat,<br />
wie man ihn in ihrem Metier kaum<br />
noch findet: hier atemberaubende Handwerkskunst,<br />
dort Industriepower auf<br />
6.500 Quadratmetern Hallenfläche. „Wir<br />
können am Tag bis 200.000 Zeitschriften,<br />
Kataloge oder Broschüren sowie 20.000<br />
Bücher binden“, so der Geschäftsführer.<br />
Aber selbst in diesem Volumengeschäft<br />
beweist sich das Familienunternehmen –<br />
Bruder Felix ist Technischer Leiter – noch<br />
mit exklusivem Können. So fasst man<br />
halt auch die weltweit kleinsten industriell<br />
gebundenen Bücher zwischen zierliche<br />
Buchdeckel – etwa die 50 mal 62 Millimeter<br />
winzigen Miniaturbücher, die schon<br />
lange vor 1990 in Leipzig entstanden. Quasi<br />
unsterblich machte sich die Firma auch<br />
durch die Minibibliothek des BuchVerlages<br />
für die Frau: Deren pittoreske Back-, Garten-<br />
oder Brauchtumsbüchlein im Format<br />
62 mal 95 Millimeter binden Müllers ebenso<br />
seit Jahrzehnten. „Alles was knifflig ist,<br />
kommt bis heute zu uns“, schmunzelt der<br />
Chef. Und so gründete man für fingerfertige<br />
Exklusivsachen auch noch eine eigene<br />
Müller Buchmanufaktur. W+M<br />
Schon seit DDR-Zeiten<br />
werden durch die<br />
Leipziger Buchbinderei<br />
Müller – damals noch im<br />
Rahmen einer Produktionsgenossenschaft<br />
des<br />
Handwerks (PGH) – die<br />
berühmten Mini bücher<br />
gefertigt.<br />
Fotos: Harald Lachmann<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
LÄNDERREPORT BRANDENBURG | 15<br />
PASSGENAUE IMPFSTOFFE<br />
Dagmar Köhler-Repp gründete nach dem Biologiestudium 2003<br />
das RIPAC-LABOR. Inzwischen ist aus der Einzelunternehmerin die<br />
Chefin eines modernen Diagnostik-Unternehmens in Potsdam-Golm<br />
geworden – und Unternehmerin des Jahres. Von Dr. Ulrich Conrad<br />
Am Anfang stand – nein, keine Garage,<br />
sondern ein Labor im Keller.<br />
Dagmar Köhler-Repp ließ sich von<br />
ihrem Vater für den Gang in die Selbstständigkeit<br />
begeistern, das Elternhaus<br />
wurde ihr erster Firmenstandort. Heute<br />
arbeitet sie mit über 20 Mitarbeitern und<br />
eigener Forschungsabteilung im Technologiezentrum<br />
GO:IN. Dieses befindet<br />
sich in Sichtweite der Universität Potsdam,<br />
neben dem Fraunhoferinstitut für<br />
Zelltherapie und Immunologie und gegenüber<br />
dem Max-Planck-Campus. Der<br />
wirtschaftliche Erfolg hält an, und auch<br />
die gesellschaftliche Anerkennung blieb<br />
nicht aus: 2014 wurde die 40-Jährige als<br />
Unternehmerin des Jahres im Land Brandenburg<br />
ausgezeichnet.<br />
14.000 Liter Impfstoff verlassen pro Jahr<br />
das RIPAC-LABOR, Tendenz steigend.<br />
Geimpft werden Geflügel, Schweine,<br />
Rinder – kleine Landwirtschaftsbetriebe<br />
sind ebenso Kunden wie große Tierzuchtunternehmen.<br />
Die Impfungen zur Anregung<br />
der körpereigenen Abwehrstoffe<br />
werden sowohl zur Prophylaxe als auch<br />
bei notwendiger Therapie erkrankter Tiere<br />
eingesetzt. Aus der Nische hat sich<br />
das Potsdamer Biotechnologieunternehmen<br />
herausgearbeitet, die Leidenschaft<br />
für das Neue ist geblieben. „Wir waren<br />
Vorreiter beim Einsatz eines hochmodernen<br />
Massenspektrometrie-Gerätes in der<br />
Diagnostik, mit dem wir innerhalb von Sekunden<br />
wissen, welche Bakterien in der<br />
Probe enthalten sind“, erläutert Dagmar<br />
Köhler-Repp. „Die Tests dauerten vorher<br />
zum Teil lange und erforderten zudem<br />
jahrelange Erfahrung des Mikrobiologen.“<br />
Die Mitarbeiter sind Fachleute auf<br />
verschiedenen Gebieten – Veterinärmediziner,<br />
Biologen, Biochemiker, Medizinische,<br />
Veterinärmedizinische oder Biotechnologische<br />
Assistenten, Agrarwissenschaftler,<br />
sieben von ihnen promoviert.<br />
Ein hochkarätiges Team, das den<br />
Austausch mit Wissenschaftlern auf dem<br />
Campus pflegt und die eigenen Kompetenzen<br />
einbringt. „In diesem Klima entstehen<br />
neue Ideen und Kontakte, die für<br />
unsere Entwicklung wertvoll sind“, so<br />
Dagmar Köhler-Repp.<br />
Seit 2014 wird ein umfangreiches Forschungsprojekt<br />
mit Fördermitteln des<br />
Bundesforschungsministeriums umgesetzt.<br />
Der Markt ist riesig, nicht nur in<br />
Deutschland. Im Juni gründete die Unternehmerin<br />
mit einem polnischen Partner<br />
ein Tochter-Labor im polnischen Zielona<br />
Góra, die Tierproduktion im Nachbarland<br />
bietet interessante Perspektiven. W+M<br />
Foto: RIPAC-LABOR<br />
Die Geschäftsidee, von ihrem<br />
Vater mitentwickelt,<br />
der als Leiter der Bakteriologie<br />
im Landeslabor<br />
das Problem genau kannte,<br />
ist aktueller denn je.<br />
„Der Antibiotikaeinsatz in<br />
der Tierhaltung muss gesenkt<br />
werden, dazu leisten<br />
wir mit bestandsspezifischen<br />
Impfstoffen einen<br />
wichtigen Beitrag“,<br />
erklärt die Unternehmerin.<br />
„Rund 300 Proben erhalten<br />
wir im Monat aus<br />
Betrieben, bei denen die<br />
Tierärzte eine bakterielle<br />
Infektion vermuten. Die<br />
Analyse zeigt, ob und welche<br />
pathogenen Bakterien<br />
vorhanden sind. Auf dieser<br />
Basis stellen wir dann<br />
die jeweils passgenauen<br />
Impfstoffe zur Immunisierung<br />
der Tierbestände<br />
her.“<br />
Dagmar Köhler-Repp mit ihrem Mitarbeiter Dr. Martin Metzner im Labor.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
16 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Verladung von „Transition Pieces“ im<br />
Industriehafen Lubmin.<br />
INVESTITIONS- UND<br />
PRODUKTIONSSTANDORT<br />
MIT MARITIMER KOMPETENZ<br />
Vorpommern, die nordöstliche und<br />
sonnenreichste Region Deutschlands,<br />
bietet nicht nur die Ostsee<br />
vor der Haustür, sondern auch hervorragende<br />
wirtschaftliche Bedingungen.<br />
Nahe den Großräumen Hamburg<br />
und Berlin gelegen, verfügt der Standort<br />
mit seinen ausgebauten und modernisierten<br />
Ostseehäfen, die über die Küstenautobahn<br />
A20 und das Schienennetz<br />
gut erreichbar sind, über ideale Standortvorteile.<br />
Die zentrale Lage im Ostseeraum,<br />
attraktive und günstige Industrieund<br />
Gewerbeflächen, hohe Fördersätze<br />
von bis zu 40 Prozent der Investitionskosten,<br />
niedrige Gewerbesteuer-Hebesätze,<br />
schnelle Genehmigungsverfahren sowie<br />
einmalig schöne Wohn- und Lebensbedingungen<br />
– das sind nur einige Faktoren<br />
mit denen Vorpommern beeindruckt. Mit<br />
diesen Argumenten wirbt Rolf Kammann,<br />
Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
Vorpommern, für eine Ansiedlung<br />
in der Region.<br />
Durch vorausschauende Investitionen in<br />
die Infrastruktur hat das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />
optimale Bedingungen<br />
für die Ansiedlung von Unternehmen geschaffen.<br />
Voll erschlossene Industrie- und<br />
Gewerbeflächen in unmittelbarer Hafennähe<br />
stehen Investoren zur Verfügung<br />
und bieten Unternehmen hervorragende<br />
Voraussetzungen, um sich als Logistik-,<br />
Produktions- und Servicestützpunkte<br />
zu etablieren. Vor allem der Energie- und<br />
Technologiestandort Lubminer Heide bietet<br />
ideale Bedingungen für großflächige<br />
Ansiedlungen.<br />
„Die EWN GmbH hat in den letzten Jahren<br />
im Rahmen ihrer Aufgabe bei der<br />
Realisierung der Demontage und Rückbauarbeiten<br />
der Kernkraftwerksblöcke<br />
in Lubmin größere Flächen beräumt und<br />
entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen<br />
aus dem atomrechtlichen Bereich<br />
entwidmet. Diese Flächen wurden<br />
gemeinsam mit den umliegenden Kommunen<br />
für eine industrielle Nachnutzung<br />
vorbereitet. In den letzten Jahren ist es<br />
gelungen, eine Reihe von neuen Firmen<br />
anzusiedeln und damit auch neue, dringend<br />
benötigte industrielle Arbeitsplätze<br />
zu schaffen. Der Energie- und Technologiestandort<br />
Lubminer Heide bietet<br />
mit dem Industriehafen und dem Bahnanschluss<br />
sowie allen notwendigen infrastrukturellen<br />
Voraussetzungen beste<br />
Bedingungen für die Ansiedlung von<br />
neuen Investoren“, so Jürgen Ramthun,<br />
Geschäftsführer der Energiewerke Nord<br />
GmbH (EWN).<br />
Foto: Energiewerke Nord GmbH<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
MECKLENBURG-VORPOMMERN | 17<br />
Der Standort Lubmin ist vor allem durch<br />
seine Trimodalität attraktiv. Investoren<br />
steht die Wahl der Logistik- und Transportmöglichkeiten<br />
zwischen Wasserstraße,<br />
Schiene und Straße frei, weiß<br />
der Zweckverband Energie- und Technologiestandort<br />
Freesendorf. Die wasserseitige<br />
Anbindung über den direkt angrenzenden<br />
Industriehafen Lubmin öffnet<br />
den Weg für Seeschiffe bis 6,10 Meter<br />
Tiefgang in den Ostseeraum, bietet aber<br />
gleichzeitig auch einen Anlaufpunkt für<br />
den Binnenschiffsverkehr. Zusätzlich verfügt<br />
der Standort über einen circa 2,8 Kilometer<br />
langen Gleisanschluss, welcher<br />
im Hafen und parallel zu fünf der vorhandenen<br />
sechs Liegeplätze verläuft. Weiterhin<br />
überzeugt der Industrie- und Technologiestandort<br />
Lubminer Heide durch<br />
mögliche Synergien mit bereits angesiedelten<br />
Unternehmen, beispielsweise in<br />
Produktion, Transport oder angewandter<br />
Forschung. Mit der Gasanlandestation<br />
der GASCADE Gastransport GmbH<br />
INFOS FÜR INVESTOREN<br />
Zentrale Anlaufstelle für Investoren in<br />
Vorpommern ist die Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
Vorpommern mbH. Neben<br />
der Informationsermittlung für das Ansiedlungsvorhaben,<br />
der Objektrecherche<br />
und Standortberatung vermittelt<br />
die Gesellschaft Kontakte zu relevanten<br />
Partnern und Akteuren in der Region<br />
sowie Entscheidungsträgern.<br />
Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
Vorpommern mbH<br />
Karl Kuba<br />
Brandteichstraße 20<br />
17489 Greifswald<br />
Tel.: 03834 55<strong>06</strong><strong>06</strong><br />
kuba@invest-in-vorpommern.de<br />
www.invest-in-vorpommern.de<br />
wird die Schnittstelle zwischen der Offshore-Pipeline<br />
Nord Stream und den beiden<br />
Anschlussleitungen OPAL und NEL<br />
gebildet. Auch diese Station befindet sich<br />
in unmittelbarer Nähe.<br />
Diese Standortvorteile haben viele erfolgreich<br />
agierende Unternehmen in Lubmin<br />
für sich entdeckt. So nutzt Liebherr die<br />
Turbinenhalle des ehemaligen Kraftwerkes,<br />
um gewaltige Kranausleger für den<br />
maritimen Einsatz zu produzieren. Die Firma<br />
Lubminer Korrosionsschutz GmbH,<br />
welche zur Krebs-Gruppe zählt, reinigt<br />
und beschichtet am Standort große Stahlbauteile.<br />
Die Deutsche Ölwerke Lubmin GmbH<br />
ist ein international tätiges, mittelständisches<br />
Unternehmen, das hochwertige<br />
Schmierstoffe für die Industrie entwickelt,<br />
produziert und vertreibt. Die Firma<br />
hat im Jahr 2013 mit der Produktion<br />
von Motorenölen am Standort begonnen<br />
und erweitert sich ständig.<br />
<br />
Karl Kuba<br />
Energie, Technologie & Meer<br />
auf Deutschlands Sonnendeck<br />
Fotos: Janin Rieckert · EWN | made by WERK3.de<br />
Energie- und Technologiestandort Lubminer Heide<br />
Idealer Standort für energie- und flächenintensive Vorhaben<br />
Hoher Anteil regenerativ erzeugter Energie<br />
Schnelle Anbindung an A 20, Schiene und Wasserstraßennetz<br />
Attraktive Förderkulisse für Investitionen<br />
Lebensqualität eines beliebten Urlaubslandes<br />
www.invest-in-vorpommern.de
18 | W+M LÄNDERREPORT BRANDENBURG<br />
Das bislang größte Blockheizkraftwerk hat<br />
EWE 2013 im Brandenburgischen Viertel in<br />
Eberswalde installiert.<br />
REGIONAL VERANKERT<br />
Der klassische Gasversorger EWE mit seiner regionalen Ausrichtung<br />
im Nordwesten Deutschlands, in Brandenburg und Mecklenburg-<br />
Vorpommern hat sich immer stärker zu einem innovativen<br />
Dienstleister in den Geschäftsbereichen Energie, Telekommunikation<br />
und Informationstechnologie entwickelt. Von Frank Nehring<br />
Vorstandsvorsitzender der EWE Dr. Werner Brinker (l.) und<br />
Dr. Ulrich Müller, Leiter der Geschäftsregion Brandenburg/Rügen.<br />
Der Konzern verzeichnete ein operatives<br />
EBIT (EBIT steht für earnings<br />
before interest and taxes) von<br />
425,4 Millionen Euro (Vorjahr: 497,9 Millionen<br />
Euro) und einen Umsatz von 8,1 Milliarden<br />
Euro (Vorjahr: 8,9 Milliarden Euro).<br />
Mit Programmen zur Verbesserung der Ertragskraft<br />
und Wettbewerbsfähigkeit ist es<br />
dem Unternehmen nach eigenen Aussagen<br />
gelungen, die negativen Ergebniseffekte<br />
vor allem aufgrund der milden Witterung<br />
im letzten Winter abzufedern. Zudem<br />
trage der frühzeitige Einstieg in neue<br />
Geschäftsfelder Früchte und damit ebenfalls<br />
zur Stabilisierung bei. Man blicke daher<br />
zuversichtlich auf die nächsten Jahre:<br />
„EWE nutzt als erster Konzern in Deutschland<br />
konsequent das gemeinsame Potenzial<br />
von Energie, Telekommunikation und<br />
Informationstechnologie und hat damit die<br />
Basis für eine erfolgreiche Zukunft gelegt“,<br />
so der scheidende Vorstandsvorsitzende<br />
der EWE Dr. Werner Brinker. Nach seiner<br />
Aussage erwirtschaften schon heute die<br />
Dienstleistungen neben der reinen Gasund<br />
Stromversorgung rund ein Drittel des<br />
EBIT. In zehn Jahren sollen es fast 50 Prozent<br />
sein. „Als regional verankertes Unternehmen<br />
übernehmen wir aber auch weiterhin<br />
Verantwortung für die Energiewende<br />
vor Ort“, so Brinker.<br />
Ein erstes Windparkprojekt, das gemeinsam<br />
mit Landwirten und Kommune in<br />
Brandenburg in der Gemeinde Breydin im<br />
Brandenburger Landkreis Barnim entwickelt<br />
wird, soll 2017 in<br />
Betrieb gehen.<br />
Da die Energiewende<br />
aus EWE-Sicht nur im<br />
Zusammenspiel von<br />
Strom- und Wärmewende<br />
funktionieren kann,<br />
wird im Rahmen eines<br />
Forschungsvorhabens<br />
des Geoforschungszentrums<br />
Potsdam gemeinsam<br />
mit der Stadt<br />
Eberswalde und drei<br />
Brandenburger Hochschulen nach neuen<br />
Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung<br />
in Innenstädten gesucht.<br />
Ein weiteres Beispiel für eine zukunftsfähige<br />
Wärmeversorgung ist die Installation<br />
von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, bei<br />
denen gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt<br />
werden. So ging im letzten Herbst im<br />
Hotel Esplanade in Bad Saarow eine Anlage<br />
ans Netz, die zudem noch Kälte erzeugt.<br />
In Sellin auf der Insel Rügen hat EWE im<br />
Juni eine weitere Anlage in den Probebetrieb<br />
genommen.<br />
Brinker unterstrich in diesem Zusammenhang<br />
die Entwicklung des Unternehmens<br />
in den ostdeutschen Bundesländern: „Seit<br />
1990 haben wir die energetische Basis<br />
Ostbrandenburgs und der Insel Rügen entscheidend<br />
verbessert. Wir sind in 25 Jahren<br />
einer der leistungsstärksten Energiedienstleister<br />
und Gasnetzbetreiber in der Region<br />
geworden.“ Der Konzern bringe Beschäftigung,<br />
Wertschöpfung sowie Einkommen<br />
und engagiere sich für die zukunftsfähige<br />
Energieversorgung in der Region.<br />
Für Dr. Ulrich Müller, den Leiter der EWE-<br />
Geschäftsregion Brandenburg/Rügen,<br />
heißt das konkret: „Zuverlässige Energieversorgung,<br />
Entwicklung attraktiver und<br />
moderner Dienstleistungen über die klassische<br />
Versorgung mit Gas und Strom hinaus<br />
und ein klares Bekenntnis zur Region.<br />
Wir fühlen uns verantwortlich für die<br />
Attraktivität der Region, hier liegen unsere<br />
Netze, hier sind wir mit unserer Mannschaft<br />
vor Ort und deshalb engagieren wir<br />
uns auch in kulturellen und sportlichen Bereichen.<br />
Nicht zuletzt sind wir alleiniger Organisator<br />
von Jugend forscht in Ostbrandenburg.“<br />
W+M<br />
Fotos: EWE/Burkhardt (oben), W+M (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
LÄNDERREPORT SACHSEN-ANHALT | 19<br />
EXOTEN AUF DEM ACKER<br />
Biolandwirt Sven Gürth aus Thießen bei Wittenberg hat sich seltene<br />
Nischen erschlossen: Er produziert historische Getreidesorten für<br />
ökologische Müsli-Mischungen sowie glutenfreie Nahrungsmittel.<br />
Doch hierzu muss er einen außergewöhnlichen technischen Aufwand<br />
betreiben. Von Harald Lachmann<br />
Selbst für erfahrene Agrarunternehmer<br />
ist klar: Auf jedem Acker<br />
wächst nur eine Feldfrucht:<br />
Weizen, Raps, Kartoffeln, … Nicht<br />
so jedoch bei Sven Gürth in Thießen.<br />
Da stehen auf einen Schlag<br />
gleich einmal zwei Pflanzenarten –<br />
etwa Nackthafer und Goldlein. Und<br />
auf einem anderen sogar drei: Leindotter,<br />
Lupine und wieder Nackthafer.<br />
Die verdutzten Blicke kennt<br />
der 49-jährige Biolandwirt, klärt<br />
aber gern auf: Das sei vor allem<br />
eine Frage der Effizienz. Denn für<br />
jene Vollkornmüsli-Mischung, die<br />
er für ein Kreuzfahrtschiff produziert,<br />
benötigt er im Grunde zu wenig<br />
Nackthafer, um dafür die komplette<br />
Feldbaukette in Gang zu setzen.<br />
Also sät er jene zwei oder drei<br />
Kulturen gleich in einem Arbeitsgang<br />
– und er erntet sie auch in<br />
einem Zug.<br />
für Werkzeugmaschinenbau. Doch weil<br />
seinerzeit keiner im Osten einen jungen<br />
Foto: Harald Lachmann<br />
Technisch sei das kein Problem,<br />
versichert Gürth. Hans-Jörg Stolze,<br />
ein befreundeter Lohnunternehmer<br />
aus Brandenburg, der ihm den<br />
Drusch besorgt, müsse dazu nur<br />
eben den Mähdrescher entsprechend fein<br />
einstellen, damit auch etwa die sehr kleinen<br />
Körner des Leindotters nicht verloren<br />
gehen. Die große Kunst beginnt für Gürth<br />
jedoch nun in diesen Wochen, wenn er das<br />
durcheinander gewürfelte Erntegut aufwändig<br />
wieder trennen muss. Hierzu baute<br />
er sich auf seinem Vierseithof neben einer<br />
biologischen Schweinemast noch eine<br />
hochleistungsfähige Getreidereinigung auf.<br />
Sie bildet praktisch das Herzstück seiner<br />
„Exotenproduktion“, wie er berichtet.<br />
Zugute kam ihm dabei seine ursprüngliche<br />
Ausbildung als diplomierter Ingenieur<br />
Biolandwirt Sven Gürth (l.) mit Sohn Marlon und dem Lohnunternehmer Hans-Jörg Stolze.<br />
Ingenieur brauchte, verdingte er sich 1992<br />
bei einer Versicherung, spezialisierte sich<br />
auf agrarische Bereiche – und landete so<br />
schließlich ganz in dieser Branche.<br />
Besonders augenscheinlich werden<br />
Gürths maschinentechnische Fähigkeiten<br />
dabei an einer raffiniert eingestellten<br />
Siebreinigungsanlage. Laut ratternd puzzeln<br />
hier nun diverse Gebläse, Siebe und<br />
Trieure zunächst den Feldschmutz aus<br />
dem Erntegut und danach die verschiedenen<br />
Körner auseinander. In der Regel<br />
sind pro Feldpflanze drei Trennvorgänge<br />
nötig, ehe sie sortenrein sei, erläutert er.<br />
Gleichwohl es erstaunt, wie sauber damit<br />
etwa Lupine, Nackthafer und Leindotter<br />
auseinanderklamüsert werden, räumt<br />
der Agrarunternehmer ein: „Man kann<br />
nur mischen, was sich auch wieder trennen<br />
lässt – etwa Früchte mit langen und<br />
kurzen beziehungsweise kleinen und großen<br />
Körnern.“ Bei zwei Getreidesorten<br />
mit ähnlich geformten Korngrößen stoße<br />
man also an seine Grenzen. Zwar sei<br />
auch da manches noch möglich, doch die<br />
Investition in spezielle Technik übersteige<br />
dann leicht den Gewinn. Gerade im Osten<br />
müsse man als Bioproduzent genau<br />
kalkulieren, was sich lohne.<br />
Dennoch ist es eine beachtliche Vielfalt<br />
an biologischen Getreide-, Öl- und Futterkulturen,<br />
die sich in seinem Betrieb<br />
versammelt. Manch eine hat man bisher<br />
kaum gehört, etwa Schwarzen Emer, Einkorn<br />
oder Johanniroggen. Doch all jene<br />
historischen Getreidesorten erleben nun<br />
wieder eine Renaissance, seit glutenfreie<br />
Nahrungsmittel stärker nachgefragt werden.<br />
So liefert sie der clevere Anhalter<br />
etwa an spezialisierte Naturkornmühlen.<br />
<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
20 | W+M SERIE<br />
THÜRINGEN STELLT<br />
94 MARKTFÜHRER<br />
Nach dem Zusammenbruch der nicht wettbewerbsfähigen<br />
Wirtschaftsstrukturen aus DDR-<br />
Zeiten verlief der wirtschaftliche Entwicklungsprozess<br />
in Thüringen – ähnlich wie in den<br />
anderen ostdeutschen Ländern auch – ab<br />
1990 in drei Phasen. Von Karsten Hintzmann<br />
Auf den massiven Einbruch folgte<br />
bis Mitte der 1990er Jahre ein dynamischer<br />
Aufholprozess, der vor<br />
allem durch starke Investitionen im Baubereich<br />
getragen wurde. Durch den desolaten<br />
Zustand der öffentlichen Infrastruktur<br />
und der Wohngebäude gab es einen<br />
erheblichen Investitionsbedarf. Stimuliert<br />
wurde die Nachfrage nach Bauleistungen<br />
neben den hohen öffentlichen Investitionen<br />
durch umfangreiche staatliche Anreize<br />
wie Investitionszulagen und Sonderabschreibungen.<br />
Der Bausektor trug 1995 mit 16,2 Prozent<br />
deutlich mehr zur gesamten Thüringer<br />
Wertschöpfung bei als das verarbeitende<br />
Gewerbe, das sich zunächst nur<br />
langsam erholte. An diesen Bauboom<br />
schloss sich eine rund zehn Jahre anhaltende<br />
Phase an, die einerseits durch eine<br />
stetige Schrumpfung des überdimensionierten<br />
Bausektors und andererseits<br />
durch das dynamische Wachstum des<br />
verarbeitenden Gewerbes gekennzeichnet<br />
war. Durch die gegenläufigen Entwicklungen<br />
in den beiden Sektoren verlangsamte<br />
sich der gesamtwirtschaftliche<br />
Angleichungsprozess erheblich. Auch<br />
die Arbeitslosigkeit stagnierte auf hohem<br />
Niveau. Der Aufholprozess war zunächst<br />
zum Erliegen gekommen. Im mittelfristigen<br />
Vergleich zum Jahr 2005 blieb das<br />
Wirtschaftswachstum in Thüringen und<br />
ganz Ostdeutschland hinter dem in Westdeutschland<br />
zurück. Kapitalintensität,<br />
Produktivität und Löhne pendelten sich<br />
in den neuen Ländern bei 70 bis 80 Prozent<br />
des Bundesdurchschnitts ein.<br />
Diese Werte haben<br />
sich seither zwar nicht<br />
grundsätzlich verändert,<br />
jedoch sind inzwischen<br />
auch in Thüringen<br />
eine neue Dynamik<br />
und ein spürbar<br />
stärkeres wirtschaftliches<br />
Engagement zu<br />
verzeichnen. Der Freistaat<br />
gehört heute zu<br />
den Wachstumszentren<br />
in Deutschland.<br />
Die zahlreichen neuen<br />
wirtschaftspolitischen Initiativen machen<br />
sich zunehmend bemerkbar. So haben das<br />
Thüringer Wirtschaftsministerium und die<br />
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen<br />
(LEG) eine breite Angebotspalette in<br />
den Bereichen Fachkräftesicherung, Energie,<br />
Wirtschaftsförderung, Tourismus und<br />
Infrastruktur entwickelt. Es wurden Kompetenzzentren<br />
gegründet, klare Ziele formuliert<br />
und passende Förderpfade aufgezeigt.<br />
Die Zwischenbilanz kann sich sehen<br />
lassen: Bei Wachstum und Beschäftigung<br />
ist Thüringen der Primus unter den<br />
ostdeutschen Bundesländern. Zwar hatte<br />
auch die Thüringer Wirtschaft zuletzt mit<br />
den anhaltenden Problemen in der Euro-<br />
Zone, in der Solarbranche und beim Kfz-<br />
Absatz zu kämpfen. Zuvor war sie jedoch<br />
mit 3,1 Prozent überdurchschnittlich gewachsen.<br />
Und auch die aktuellen Aussichten<br />
sind erfolgversprechend.<br />
Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
im Freistaat ist und bleibt die Industrie.<br />
Mit einem Anteil von knapp 24<br />
Im Eisenacher Opel-Werk läuft der Kleinwagen ADAM vom Band.<br />
Prozent an der Bruttowertschöpfung hat<br />
das verarbeitende Gewerbe für den Wohlstand<br />
in Thüringen eine höhere Bedeutung,<br />
als es im bundesdeutschen Durchschnitt<br />
der Fall ist. Bei der Betriebsdichte<br />
erreicht Thüringen mit rund 40 Industriebetrieben<br />
je 100.000 Einwohner im<br />
Ländervergleich den Spitzenplatz – noch<br />
vor Baden-Württemberg, Bayern und<br />
Sachsen.<br />
Einen wesentlichen Anteil an der positiven<br />
Entwicklung in den letzten Jahren haben<br />
die Netzwerke und Cluster. Das neu gegründete<br />
Thüringer Cluster-Management<br />
leistet hier in puncto Organisation und Koordination<br />
wichtige Unterstützung. Dies<br />
gilt gerade mit Blick auf die Entwicklung<br />
der insgesamt elf hochwertschöpfenden<br />
Thüringer Wachstumsfelder, zu denen unter<br />
anderem die Bereiche Optik, Automotive,<br />
Life Sciences, Logistik und Maschinenbau<br />
zählen. Um die vorhandenen Potenziale<br />
in diesen Wachstumskernen so<br />
auszuprägen, dass noch mehr Thüringer<br />
Foto: Adam Opel AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
THÜRINGEN | 21<br />
Firmen mit ihren Produkten auf internationalen<br />
Märkten konkurrenzfähig werden,<br />
gründeten das Wirtschaftsministerium<br />
und die LEG Thüringen die Initiative<br />
„Stark am Markt“. Inzwischen gelten laut<br />
einer LEG-Studie 94 Thüringer Unternehmen<br />
als Markt- und Technologieführer, darunter<br />
32 Weltmarktführer und 62 Marktführer<br />
in Europa.<br />
pa und mitten in Deutschland gelegen, ist<br />
der Freistaat eine der gefragtesten Anlaufstellen<br />
für führende Logistiker geworden.<br />
Einen gewichtigen Anteil am wirtschaftlichen<br />
Aufschwung im Land hat die LEG<br />
Thüringen, die als One-Stop-Agency sowohl<br />
heimischen Firmen als auch ansiedlungswilligen<br />
Investoren dienstleistend<br />
zur Seite steht. Zwischen 1995 und<br />
<strong>2015</strong> begleitete sie 992 Unternehmen bei<br />
Ansiedlungs- und Erweiterungsprojekten.<br />
Dadurch entstanden im Freistaat 50.400<br />
neue Arbeitsplätze. Die Investitionen beliefen<br />
sich auf insgesamt neun Milliarden<br />
Euro.<br />
W+M<br />
Wenn von Thüringen die Rede ist, müssen<br />
auch Handwerk und Handel Erwähnung<br />
finden. Beide Branchen gehören<br />
zu den größten Arbeitgebern<br />
im Land. In den knapp 32.000<br />
Handwerksbetrieben arbeiten<br />
rund 148.000 Beschäftigte.<br />
Im stark mittelständisch geprägten<br />
Handel stehen mehr als<br />
92.000 Mitarbeiter in Lohn und<br />
Brot.<br />
THÜRINGENS WIRTSCHAFTSMINISTER SEIT 1990<br />
Name<br />
Amtsantritt<br />
Hans-Jürgen Schultz (FDP)<br />
08.11.1990<br />
Jürgen Bohn (FDP)<br />
31.10.1991<br />
Franz Schuster (CDU)<br />
30.11.1994<br />
Jürgen Reinholz (CDU)<br />
05.<strong>06</strong>.2003<br />
Matthias Machnig (SPD)<br />
04.11.2009<br />
Foto: W+M<br />
Inzwischen nutzt Thüringen<br />
konsequent die Chancen seiner<br />
zentralen Lage. Mitten in Euro-<br />
Wolfgang Tiefensee ist seit Dezember<br />
2014 Wirtschaftsminister in Thüringen.<br />
Uwe Höhn (SPD)<br />
Wolfgang Tiefensee (SPD)<br />
18.12.2013<br />
seit 05.12.2014<br />
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22 | W+M SERIE<br />
„Einiges ist schon richtig<br />
auf die Füße gestellt worden“<br />
W+M-Interview mit Thüringens Ministerpäsident Bodo Ramelow (DIE LINKE)<br />
W+M: Herr Ministerpräsident, Sie sind<br />
jetzt seit rund elf Monaten im Amt. Wie<br />
fühlt sich für Sie die Tatsache an, als erster<br />
Politiker der Linken Ministerpräsident<br />
eines deutschen Bundeslandes zu sein?<br />
Ist es für Sie Reiz oder Last und Bürde?<br />
Bodo Ramelow: Das werde ich häufig<br />
von außen gefragt. Mich bewegt das innerlich<br />
überhaupt nicht. Für mich war<br />
es ein Reiz, dieses Amt anzunehmen,<br />
da es mir die Chance eröffnet hat, Dinge<br />
umsetzen zu können, die ich ausprobieren<br />
wollte, seit ich 1999 erstmals für<br />
den Thüringer Landtag kandidierte. Jetzt<br />
habe ich die Möglichkeit, selbst die Dinge<br />
gestaltend zu verbessern.<br />
W+M: Sind Sie in dieser Hinsicht schon<br />
vorangekommen?<br />
Bodo Ramelow: Ich denke, dass einiges<br />
schon richtig auf die Füße gestellt<br />
worden ist. Das sind vielleicht nicht<br />
die spektakulären Highlights und auch<br />
nicht das große ideologische Paket,<br />
sondern es sind viele ganz praktische<br />
Dinge, die abgearbeitet werden.<br />
Ein paar Beispiele: In Sachen<br />
Energiepolitik haben<br />
wir alle wesentlichen<br />
Akteure an einen<br />
Tisch geholt und über<br />
eine andere Form der<br />
energiewirtschaftlichen<br />
Konzeption beraten.<br />
Unter der Fragestellung:<br />
Was heißt es<br />
eigentlich, den größten<br />
kommunalen Energieversorger<br />
Deutschlands<br />
zu haben? Es<br />
geht darum, zu all den<br />
Akteuren einen guten Draht zu haben und<br />
sie immer wieder zu motivieren, dass wir<br />
gemeinsam die Umgestaltung nach dem<br />
Prinzip Dezentral – Regional – Regenerativ<br />
vorantreiben. Oder es hat viel Freude<br />
gemacht, Volksbanken mit Dörfern in Verbindung<br />
zu bringen, die eine Energiegenossenschaft<br />
gründen wollten. Ich konnte<br />
die Kontakte herstellen und wir helfen bei<br />
derartigen Projekten dann über die Thüringer<br />
Aufbaubank. Für die Rennsteigentwicklung<br />
habe ich eine Ideenskizze in<br />
die zuständigen Ministerien und an viele<br />
gesellschaftliche Akteure gegeben und<br />
auf einmal bekomme ich Unterstützung<br />
aus vielen Ecken, auch von Herrn Trautvetter,<br />
einem CDU-Minister der Anfangsjahre,<br />
der zehn weitere praktische Hinweise<br />
zu meinem Papier<br />
hatte. Wir haben jetzt<br />
eine neue Arbeitsstruktur<br />
im Wirtschaftsministerium<br />
geschaffen,<br />
um diese Ideen<br />
alle zu bündeln<br />
und zu verstärken.<br />
W+M: Bereits als langjähriger Oppositionsführer<br />
im Thüringer Landtag haben<br />
Sie die Entwicklung im Land begleitet<br />
und mitgeprägt. Wie steht es heute, im<br />
25. Jahr der deutschen Einheit, um die<br />
Wirtschaft des Freistaates?<br />
Bodo Ramelow: Die Deindustrialisierung<br />
war ein schwerer Fehler und bestimmte<br />
industrielle Kerne hätten besser<br />
stabilisiert werden müssen. Am Beispiel<br />
Bischofferode wurde das besonders<br />
deutlich. Das kann ich einschätzen,<br />
weil ich die vergangenen 25 Jahre komplett<br />
dabei war und in viele dieser Konflikte<br />
direkt involviert war. In Bischofferode<br />
war ich es, der letztlich den Arbeitskampf<br />
geschlichtet hat. Aber: Heute<br />
stehe ich bei K+S und eröffne mit dem<br />
Vorstand des Unternehmens das neue<br />
Forschungszentrum und bin richtig positiv<br />
berührt davon, wie viel Geld K+S in<br />
die Forschung hier vor Ort bereits investiert<br />
hat.<br />
Aus heutiger Sicht sind wir gut aufgestellt<br />
was die Grundsubstanz angeht.<br />
Bei der letzten großen Wirtschaftskrise<br />
sind unsere Unternehmen weniger in die<br />
Knie gegangen als Betriebe in anderen<br />
Ländern. Dadurch waren auch die kommunalen<br />
Steuereinbrüche geringer, als<br />
es manche Städte im Westen aushalten<br />
mussten. Wir müssen uns aber im Klaren<br />
darüber sein, dass das Level bei uns wesentlich<br />
niedriger ist. Wir reden über ein<br />
schmuckes Bundesland, das aber eigentlich<br />
doch Provinz ist<br />
und keine Metropolen<br />
hat. Die Metropole,<br />
die wir<br />
Thüringens Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow.<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
THÜRINGEN | 23<br />
abbilden, ist Thüringen als Ganzes. Und<br />
das muss man als Ganzes entwickeln.<br />
Vom Arbeitsmarkt her sind wir zurzeit<br />
sehr stabil. Wir haben aktuell 5.000 unbesetzte<br />
Ausbildungsplätze. Das ist ein<br />
Indiz dafür, wie robust wir sind.<br />
W+M: Wo sehen Sie auf wirtschaftlichem<br />
Gebiet derzeit die größten Probleme?<br />
Foto: Veldemann Photo Brussels<br />
Bodo Ramelow: Unsere größte Herausforderung<br />
ist der demografische Wandel.<br />
Wir brauchen in den nächsten zehn Jahren<br />
280.000 gut ausgebildete Facharbeiter.<br />
Ein zweites Problem sind die zu hohen<br />
Energiekosten, die mit der Architektur<br />
der Netzentgelte zusammenhängen.<br />
Es ist nicht fair, dass die hohen Investitionskosten<br />
bei uns jetzt zu einer Belastung<br />
werden. Ungünstig ist auch, dass<br />
die Betriebsstruktur vieler Unternehmen<br />
zu kleinteilig ist. Nehmen wir den Automotive-Bereich,<br />
unseren größten industriellen<br />
Wirtschaftsträger. Der hat die Tücke,<br />
dass er in einer Sandwich-Position<br />
steckt, in der er zermahlen wird – zwischen<br />
den großen Automobilherstellern,<br />
die harte Vorgaben machen, und der eigenen<br />
Kleinteiligkeit, die keine Spielräume<br />
mehr bietet. Wir haben ausgesprochen<br />
leistungsfähige Betriebe, etwa MDC von<br />
Mercedes-Benz in Kölleda oder Opel in<br />
Eisenach. Aber am Ende sind sie doch leider<br />
nur verlängerte Werkbänke, die zum<br />
Teil auch nicht nachhaltig zum kommunalen<br />
Steueraufkommen beitragen.<br />
W+M: In diversen Berichten über die wirtschaftliche<br />
Entwicklung wird immer wieder<br />
auf den erheblichen Produktivitätsund<br />
Investitionsrückstand speziell im produzierenden<br />
Gewerbe hingewiesen. Wo<br />
sehen Sie die Ursachen dafür?<br />
Bodo Ramelow (l.) mit Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments.<br />
Bodo Ramelow: Es war ein völlig anderes<br />
Wirtschaftssystem, das vor 25 Jahren<br />
abgewickelt wurde und zuvor ganz andere<br />
Prioritäten gesetzt hatte. Wer damals ein<br />
großer Wirtschaftsplayer war, hatte gleichzeitig<br />
ein riesiges Ferienzentrum, Kantinen,<br />
Krankenhaus, Sportförderung zu betreiben.<br />
Selbst ein Teil der Orchester- und<br />
Theaterlandschaft wurde von den Kombinatsstrukturen<br />
mitfinanziert. Darauf konnte<br />
man 1990 schlecht aufsetzen. Aber dadurch,<br />
dass vorhandene industrielle Zentren<br />
nicht zu neuen Konzernsitzen geführt<br />
haben, fehlten wichtige wirtschaftliche<br />
Impulse. In Thüringen gibt es heute nur<br />
einen DAX-notierten großen Player. Das<br />
macht deutlich, welche Schwierigkeiten<br />
wir haben. So sehr ich dankbar bin, dass<br />
wir Schott und ZEISS haben und sich Jena<br />
prächtig entwickelt, aber es hat natürlich<br />
nicht die Ausstrahlung, die man mit einem<br />
Konzernsitz von Daimler oder VW hätte.<br />
W+M: Worauf setzen Sie in Sachen Wirtschaftsentwicklung<br />
besondere Hoffnungen?<br />
Bodo Ramelow: Wir haben in Thüringen<br />
auch weltweit agierende Player. Das sind<br />
keine Riesen, sondern sie sind in ihrer<br />
Wirkungsweise eher kleinteilig. Das ist<br />
Chance und Nachteil zugleich. Aber ich<br />
glaube, wir müssen die Chance stärker<br />
betonen. Mir wird zu wenig darüber geredet,<br />
welche erfolgreichen Marktführer<br />
wir haben. Die meisten Leute wissen gar<br />
nicht, dass etwa einige der teuersten Autos<br />
der Welt bei Dagro in Gera mit hochwertigem<br />
Leder ausgestattet werden.<br />
Oder: Die teuersten Flügel der Welt erhalten<br />
ihr Innenleben aus Meuselwitz.<br />
W+M: Das Land wurde vor Ihrem Amtsantritt<br />
im Dezember 2014 fast ein Vierteljahrhundert<br />
von der CDU gelenkt. Was<br />
machen Sie in Sachen Wirtschaftsförderung<br />
anders als die Christdemokraten?<br />
Bodo Ramelow: Zunächst einmal sehen<br />
wir eines genauso wie die vorherigen Regierungen:<br />
Unsere mittelständischen Betriebe<br />
sind unsere Konzernzentralen der<br />
Zukunft und unser Handwerk ist die Wirtschaftsmacht<br />
von nebenan. Wir haben<br />
Forschung, wir haben Wissenschaft, wir<br />
haben Ilmenau, wir haben Bauhaus, wir<br />
haben Jena – das sind einige unserer Hotspots.<br />
Und um diese Hotspots muss sich<br />
der Mittelstand entwickeln. Das fördern<br />
wir ganz gezielt.<br />
Es gibt allerdings auch Dinge, die wir<br />
nicht fortsetzen: Beispielsweise fördern<br />
wir keine Spaßbäder mehr. Die Zeit, als<br />
man goldene Löffel verteilen konnte, ist<br />
vorbei. Und auch die Zeit, als man mit der<br />
Gießkanne Politik machen konnte, ist vorbei.<br />
Wir sind viel zu klein, als dass jede<br />
Region ihre eigene Hochschule und eigene<br />
Forschung und Entwicklung fördern<br />
könnte. Das geht nicht. Wir müssen Thüringen<br />
als Ganzes präsentieren.<br />
W+M: Nachgefragt: Gibt es nach einem<br />
Jahr rot-rot-grüner Regierungsverantwortung<br />
schon Erfolge, auf die Sie verweisen<br />
können und die über Thüringen hinaus<br />
bekannt geworden sind?<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
24 | W+M SERIE THÜRINGEN<br />
Bodo Ramelow: Ich weiß nicht, ob da<br />
etwas über Thüringen hinaus bekannt geworden<br />
ist. Rainald Grebe hat ja das berühmte<br />
Lied über Brandenburg und Thüringen<br />
gesungen. Bei Thüringen kommt<br />
die Textzeile vor: ‚Das Land ohne Prominente.‘<br />
Jetzt unterbricht er mittlerweile<br />
sein Konzert an dieser Stelle und sagt:<br />
‚Ach nee, stimmt nicht, Bodo Ramelow.‘<br />
Und bekommt dafür jedes Mal Applaus.<br />
Offenkundig hat sich zumindest etwas<br />
geändert durch die Form der Regierung.<br />
Mein Parteibuch und meine Art, wie ich<br />
als Ministerpräsident arbeite, hat in anderen<br />
Bundesländern offensichtlich Neugier<br />
ausgelöst.<br />
W+M: Im Zusammenhang mit ihrem<br />
Wahlsieg gab es deutschlandweit Stimmen,<br />
die vor negativen Folgen für die<br />
wirtschaftliche Entwicklung Thüringens<br />
unter einer von den Linken geführten<br />
Landesregierung warnten. Sind Investitionen<br />
ausgeblieben, weil Sie Ministerpräsident<br />
sind?<br />
Bodo Ramelow: Ich denke, die anfänglich<br />
in Westdeutschland verbreitete<br />
Angst, dass hier jetzt die große Ideologie<br />
ausbricht, hat sich gelegt. In Thüringen<br />
gab es diese Angst gar nicht, denn unsere<br />
heimischen Unternehmer kannten mich<br />
ja und die Kammern hielten mich schon<br />
bei meinem Amtsantritt für einen verlässlichen<br />
Partner, der ja in kritischen Situationen<br />
bereits mehrfach geholfen hatte.<br />
Ich habe mit vielen Investoren in den vergangenen<br />
Monaten persönlich gesprochen<br />
und deren Anliegen vorangebracht.<br />
Die, die von außen kamen, haben sich alle<br />
sehr positiv und optimistisch mir gegenüber<br />
gezeigt.<br />
W+M: Muss die Sonderförderung Ost<br />
nach Ablauf des Solidarpaktes Ende 2019<br />
fortgesetzt werden?<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow empfing W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann (r.) zum Interview.<br />
ZUR PERSON<br />
Bodo Ramelow wurde am 16. Februar<br />
1956 in Osterholz-Scharmbeck geboren.<br />
Nach dem Hauptschulabschluss<br />
erlernte er den Beruf des Einzelhandelskaufmanns.<br />
Von 1981 bis 1990<br />
war er Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen,<br />
von 1990 bis 1999 Landesvorsitzender<br />
der Gewerkschaft HBV<br />
in Thüringen. 1999 trat er der PDS bei<br />
und zog im selben Jahr erstmals in den<br />
Thüringer Landtag ein. 2004 und 2009<br />
nominierte ihn seine Partei jeweils zum<br />
Spitzenkandidaten für die Wahlen in<br />
Thüringen. Seit Dezember 2014 steht<br />
Ramelow als Ministerpräsident an der<br />
Spitze der rot-rot-grünen Landesregierung<br />
im Freistaat. Er ist in dritter Ehe<br />
verheiratet und Vater zweier Söhne.<br />
Bodo Ramelow: Im Moment ist es ja<br />
schon so, dass die Hälfte dieser Mittel<br />
an den Bund fließt. 16 Milliarden Euro<br />
kassiert er in diesem Jahr, im Jahr 2019<br />
wird er aus dieser Quelle 19 Milliarden<br />
Euro einnehmen und sie ganz allein behalten.<br />
Das ist das Gegenteil von Solidarfinanzierung.<br />
Die Menschen denken,<br />
das Geld ist für den Osten da, aber am<br />
Ende ist es in Wirklichkeit eine Finanzierung<br />
für den Bund. Deswegen schlage<br />
ich vor, dass die Solidarpaktmittel, die<br />
nicht für die neuen Länder gebunden<br />
sind, in ganz Deutschland für die Integration<br />
von Flüchtlingen genutzt werden.<br />
Wenn wir dieses Jahr schon die acht Milliarden<br />
Euro nehmen und nach dem Königsteiner<br />
Schlüssel verteilen würden,<br />
hätten alle Länder die notwendigen Voraussetzungen,<br />
um ihre Haushalte wieder<br />
in Ordnung zu bringen. Und wenn<br />
wir im Jahr 2019 die 19 Milliarden Euro<br />
dafür ausgeben würden, die Flüchtlinge<br />
tatsächlich in unserem Land zu integrieren,<br />
wäre das nach knapp 30 Jahren deutscher<br />
Einheit der größte Impuls, gesamtdeutsch<br />
zu werden, weil es dann nicht<br />
mehr um Ost und West ginge, sondern<br />
um eine gemeinsame Aufgabe.<br />
W+M: Eine persönliche Frage zum Abschluss:<br />
Sie wurden in Osterholz-<br />
Scharmbeck geboren, wuchsen später<br />
im Rheinland auf. Was war der Grund für<br />
Sie, Ihre politische Heimat in Thüringen<br />
zu suchen?<br />
Bodo Ramelow: Ganz einfach, die Städtepartnerschaft<br />
zwischen Marburg und<br />
Eisenach. Da ergaben sich die ersten<br />
intensiven Kontakte. Dann erhielt ich<br />
den ersten Dienstauftrag, zu einer Beratung<br />
der Betriebsgewerkschaftsleitung<br />
ins Centrum-Warenhaus nach Erfurt<br />
zu fahren – am 28. Februar 1990.<br />
Daran schloss sich die Überlegung meiner<br />
Gewerkschaft an, in der DDR ein Beratungsbüro<br />
einzurichten. Und da fragte<br />
mich mein Dienstherr, ob ich das für drei<br />
Monate übernehmen könnte. Zur Auswahl<br />
standen Sachsen-Anhalt, wo ich<br />
familiäre Wurzeln habe, oder Thüringen.<br />
Da ich zu jener Zeit kleine Kinder hatte,<br />
war mir das Pendeln nach Magdeburg zu<br />
weit und so entschied ich mich spontan<br />
für Erfurt. Das wurde die wichtigste Entscheidung<br />
meines Lebens.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
Titel_WuM_0415.indd 1<br />
18.<strong>06</strong>.15 13:16 Uhr<br />
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Titel_WuM_<strong>06</strong>15.indd 1<br />
21.10.15 11:32 Uhr<br />
W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 3/2014<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
25. Jahrgang | Heft 3 | Juni/Juli 2014 | e 3,50 | ZKZ 84618<br />
Wirtschaft+<br />
Markt<br />
Das OstD eutsche u nternehM erM agazin<br />
Tourismusboom<br />
stärkt<br />
Wirtschaft<br />
im Osten<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 4/2014<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
25. Jahrgang | Heft 4 | August/September 2014 | e 3,50 | ZKZ 84618<br />
W I rtsC haft+<br />
Markt<br />
Das OstDEutsC h E u ntE rnE h MEr M a G azI n<br />
Energiewende<br />
auf dem<br />
Prüfstand<br />
Gründerzeit<br />
im Osten<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 5/2014<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Aufbruch<br />
Wende<br />
Im<br />
Interview:<br />
Christine<br />
Lieberknecht<br />
Blühende Landschaften?<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
26. Jahrgang | Heft 1-2 | März/April <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
26. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
SACHSEN-ANHALT<br />
MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
BERLIN<br />
RÜCKKEHR ZUR<br />
INDUSTRIE<br />
BRAUNKOHLE<br />
UNVERZICHTBAR<br />
FÜR DEN OSTEN<br />
RATGEBER<br />
DAS BÜRO ZUM<br />
MITNEHMEN<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Erwin Sellering<br />
UNTERNEHMEN<br />
ORWO – eine<br />
Tradition lebt auf<br />
RATGEBER<br />
Tagungen und<br />
Geschäftsreisen<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft 5 | September/Oktober Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
BRANDENBURG<br />
ENERGIE<br />
ELEKTRISIERT<br />
DIE<br />
WIRTSCHAFT<br />
GRÜNT<br />
THÜRINGEN<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
IM INTERVIEW<br />
Bodo Ramelow<br />
Ministerpräsident<br />
Dietmar Woidke<br />
STUDIE<br />
SACHSEN<br />
REPORT<br />
Rivalität auf<br />
der Ostsee<br />
Mittelstand im<br />
digitalen Wandel<br />
UMFRAGE<br />
Welches Auto<br />
passt zu Ihnen?<br />
Kraftakt<br />
Firmenübergabe<br />
EXKLUSIVE INTERVIEWS<br />
Bundeswirtschaftsminister<br />
Sigmar Gabriel<br />
Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich<br />
RATGEBER<br />
Betriebliche<br />
Altersvorsorge<br />
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Opel-Chef Karl-Thomas Neumann feierte mit<br />
der Eisenacher Belegschaft den neuen Corsa.<br />
Cluster Automotive<br />
THÜRINGENS UMSATZSTÄRKSTE SPARTE<br />
Jeder zehnte Industriebeschäftigte<br />
des Freistaates arbeitet in der Automobil-<br />
und Automobilzulieferindustrie.<br />
Diese setzt über sieben Milliarden<br />
Euro im Jahr um und befördert zugleich<br />
die Prosperität anderer Branchen.<br />
Mit vollen Auftragsbüchern und 60 Neueinstellungen<br />
war der Eisenacher Automobilzulieferer<br />
Mitec Automotive AG in<br />
dieses Jahr gestartet. Was immer Firmengründer<br />
und Vorstandschef Dr.-Ing.<br />
Michael Militzer anpackt, scheint dem findigen<br />
Ingenieur zu gelingen. Allein 2014<br />
investierte sein familiengeführtes Unternehmen<br />
zehn Millionen Euro am Hauptstandort<br />
im heimatlichen Thüringen, wo<br />
auch 2.100 der weltweit gut 2.900 Beschäftigten<br />
der Mitec-Gruppe tätig sind.<br />
Neu ist hier etwa eine Fertigungslinie für<br />
Michael Militzer ist Vorstandsvorsitzender<br />
der Mitec Automotive AG in Eisenach.<br />
Stangendrehteile mit elf verketteten Maschinen,<br />
dank der man „von Zukauf auf<br />
Eigenfertigung“ umstellen und damit<br />
die Wirtschaftlichkeit am Standort weiter<br />
verbessern könne, so Militzer.<br />
Inzwischen sieht er sich mit der 1991 aus<br />
dem Getriebebau und der Härterei des Automobilwerkes<br />
Eisenach hervorgegangenen<br />
Unternehmensgruppe als einen weltweit<br />
führenden Zulieferer für Automobilantriebstechnik.<br />
Kein großer Konzern kommt<br />
heute mehr an den Thüringern vorbei.<br />
Kein Wunder, dass der 66-Jährige zugleich<br />
als Vorstandsvorsitzender des Vereins<br />
automotive thüringen e. V. (at) auch<br />
das personifizierte Aushängeschild der<br />
gesamten Thüringer Automobilzulieferbranche<br />
ist. Im Sommer 2000 war diese<br />
Vereinigung zunächst von neun Unternehmen<br />
als Automobilzulieferer Thüringen<br />
e. V. (AZT) gegründet worden. Heute<br />
zählt sie 102 Mitglieder, die rund 30.000<br />
Mitarbeiter beschäftigen und einen Umsatz<br />
von 4,19 Milliarden Euro generieren.<br />
Allein das Exportvolumen beläuft sich auf<br />
1,16 Milliarden Euro.<br />
Doch bildet der at im Grunde nur eine<br />
Art Speerspitze dieses expandierenden<br />
Wirtschaftszweiges. Alles in allem sind<br />
über 500 Unternehmen und gut 51.000<br />
Mitarbeiter in Thüringens Automobil- und<br />
Automobilzulieferindustrie tätig. Sie erzeugen<br />
einen jährlichen Umsatz von über<br />
7,2 Milliarden Euro und bilden damit die<br />
beschäftigungsstärkste Industriesparte<br />
des Landes. Jeder zehnte Thüringer Angestellte<br />
des verarbeitenden Gewerbes<br />
steht hier in Lohn und Brot. 21 Branchenfirmen<br />
gehören zu den 100 größten Unternehmen<br />
des Landes.<br />
Bei alledem ist dieser Zweig wie viele andere<br />
im Freistaat auch durch eine kleinteilige<br />
Struktur geprägt. Innerhalb der Zulieferpyramiden<br />
der großen Fahrzeugkonzerne<br />
(OEM) rangieren sie gewissermaßen als<br />
Zulieferer der Zulieferer, im Branchenjargon<br />
als Tier-2- und Tier-3-Lieferanten bezeichnet.<br />
Doch einige jener OEM schlugen<br />
längst auch in Thüringen Wurzeln. Hierzu<br />
gehören die BMW Fahrzeugtechnik<br />
GmbH in Eisenach, Multicar Waltershausen<br />
(heute Hako-Gruppe), die MDC Power<br />
GmbH in Kölleda (Daimler AG) und nicht<br />
zuletzt Opel in Eisenach. Und trotz der hohen<br />
Konzentration im Raum Eisenach–Gotha<br />
finden sich die Unternehmen der Branche<br />
in allen Teilen Thüringens.<br />
Die Zulieferer decken nicht nur sämtliche<br />
Segmente des Automobilbaus als Modul-,<br />
System-, Baugruppen- und Teilelieferanten<br />
ab. Sie besitzen zugleich für<br />
viele Querschnittsbranchen in Thüringen<br />
auch Bedeutung als Abnehmer, etwa in<br />
den Bereichen Kunststofftechnik und Maschinenbau.<br />
Einen starken Forschungspartner<br />
bildet zudem die Technische Universität<br />
Ilmenau mit ihrem Fachgebiet<br />
Fahrzeugtechnik.<br />
<br />
Harald Lachmann<br />
Fotos: obs/Adam Opel AG/Andreas Liebschner (oben), Mitec AG (unten)v<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
SERIE THÜRINGEN | 27<br />
Cluster Optik<br />
JENA BESTIMMT WELTSPITZE MIT<br />
Fotos: Carl Zeiss Jena (oben), JENOPTIK (unten)<br />
Kaum ein ostdeutscher Industriebereich<br />
kann auf eine größere Zahl an<br />
Erfolgsstories verweisen wie die<br />
Optik/Optoelektronik in Thüringen. Hierzu<br />
gehören etwa die acht Unternehmen<br />
und zwei Forschungseinrichtungen der<br />
Thüringer Photonikbranche, die sich beim<br />
Projekt ƒo + an der Entwicklung und Vermarktung<br />
innovativer freiformoptischer<br />
Systeme engagieren: Sie werden künftig<br />
wesentlich kleiner, leichter und funktionaler<br />
sein. Oder auch die sich „Zwanzig20-Konsortium<br />
3Dsensation“ nennende<br />
Partnerschaft, die sich um das Jenaer<br />
Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik<br />
und Feinmechanik (IOF) gruppiert –<br />
mit dem Ziel, die Interaktion von Mensch<br />
und Maschine grundlegend zu verändern.<br />
Nicht zu vergessen das Innovationscluster<br />
„Green Photonics“, das in Thüringen<br />
die Kräfte von Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik bündelt, um unter anderem<br />
Lichtlösungen für die energieeffiziente<br />
Beleuchtung oder optische Systeme für<br />
die Energietechnik zu entwickeln.<br />
Optik-Fertigung bei JENOPTIK in Jena.<br />
Fraglos gehört das Land zu den weltweit<br />
führenden Zentren der Optik/Optoelektronik.<br />
Im Grunde deckt die Branche in<br />
Thüringen ein sehr breites Produktspektrum<br />
über alle wichtigen Optiksegmente<br />
ab. Die Kernkompetenzen der Unternehmen<br />
liegen auf Glaswerkstoffen, Lasertechnik,<br />
Mikroskopie, Optiksysteme-Design<br />
und -Fertigung sowie Systemintegration.<br />
Als Dach für rund hundert Akteure der<br />
Thüringer Photonikbranche wurde 1999<br />
der Verein OptoNet e. V. gegründet. Er<br />
dient als lebendige Plattform für Vernetzung,<br />
Austausch und Kooperation. Zu den<br />
Mitgliedsunternehmen gehören neben<br />
Zeiss Jena und JENOPTIK eine Vielzahl<br />
kleiner und mittelständischer<br />
Technologieunternehmen,<br />
die mit ihren Produkten und<br />
Dienstleistungen den Weltmarkt<br />
anführen oder mitbestimmen.<br />
Rund ein Zehntel<br />
ihres jährlichen Umsatzes investieren<br />
sie wieder in Forschung<br />
und Entwicklung.<br />
Insgesamt sind thüringenweit<br />
sogar 175 Unternehmen in<br />
der Optik/Optoelektronik beheimatet.<br />
Seit Jahren befinden<br />
sie sich stabil auf Wachstumskurs<br />
und steigern ihre<br />
Umsätze. Die gesamte Thüringer<br />
Branche erlöst derzeit<br />
jährlich rund 2,85 Milliarden<br />
Euro und beschäftigt aktuell 15.200 Mitarbeiter.<br />
Als besonders erfreulich gilt nach<br />
einigen Jahren einer diesbezüglichen Stagnation,<br />
dass sich nun auch im Gründerbereich<br />
eine neue Dynamik spürbar macht.<br />
Laut OptoNet-Geschäftsführer Klaus<br />
Schindler ist vor allem bei den Herstellern<br />
von Medizintechnik sowie in der Produktionstechnik<br />
die Auftragslage sehr gut.<br />
Der Exportanteil am Umsatz macht zudem<br />
über die gesamte Branche hinweg rund<br />
zwei Drittel aus. Er erreicht damit die doppelten<br />
Werte der durchschnittlichen Ausfuhrrate<br />
des verarbeitenden Gewerbes in<br />
Thüringen.<br />
Klarer Klassenprimus ist natürlich Jena.<br />
Mit 99 Unternehmen und einer Vielzahl<br />
von universitären und außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen sind in der<br />
Saalestadt mehr als die Hälfte der Akteure<br />
des OptoNet-Clusters angesiedelt.<br />
Rund 8.000 Beschäftigte erwirtschaften<br />
hier in Branchenunternehmen einen Umsatz<br />
von 1,6 Millarden Euro. Damit hat die<br />
Saalestadt ihre Stellung als Photonikzentrum<br />
in den letzten Jahren weiter ausgebaut.<br />
Wichtige Standorte sind darüber hinaus<br />
Erfurt, Ilmenau und der Ilmkreis sowie<br />
der Landkreis Schmalkalden-Meiningen.<br />
<br />
Montage-Arbeiten an der Beleuchtung<br />
einer Starlith®-Optik von Carl Zeiss.<br />
Harald Lachmann<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
28 | W+M SERIE<br />
Cluster Logistik<br />
DIE MITTE EUROPAS<br />
Steigende Kosten für Transport und<br />
Lagerung stellen Logistiker vor immer<br />
neue Herausforderungen. Ihre<br />
Kunden verlangen zudem eine schnelle<br />
und verlässliche Belieferung. Thüringen<br />
punktet hier mit entscheidenden Standortvorteilen.<br />
Mitarbeiterin von Redcoon in Erfurt.<br />
Die zentrale Lage Thüringens in der Mitte<br />
Deutschlands und Europas, ein modernes<br />
Straßennetz mit fünf Autobahnen und das<br />
mit 1.550 Kilometern dichteste Schienennetz<br />
Europas waren und sind wichtige Argumente<br />
für viele namhafte Logistik- und<br />
Handelsunternehmen wie beispielsweise<br />
Zalando oder DB Schenker, sich in Thüringen<br />
anzusiedeln. Innerhalb von fünf Stunden<br />
kann durch die mehr als 500 Logistikunternehmen<br />
mit über 30.000 Beschäftigten<br />
jeder Standort in Deutschland angefahren<br />
werden.<br />
Der Flughafen Erfurt-Weimar dient als<br />
Drehkreuz für den internationalen Luftfrachtverkehr.<br />
TNT Express schlägt hier<br />
Sendungen für den Weitertransport per<br />
Flugzeug oder Lkw aus ganz Deutschland<br />
um und DB Schenker bietet eine tägliche<br />
Anbindung für Luftfracht zu den wichtigsten<br />
Zielflughäfen weltweit an. Zudem führt<br />
eine der wichtigsten europäischen Verbindungslinien<br />
für Personen- und Güterverkehr,<br />
die Strecke Paris–Frankfurt/Main–<br />
Berlin–Warschau–Moskau, durch Thüringen<br />
und der Erfurter Hauptbahnhof soll ab<br />
2017 zum Knotenpunkt für den ICE-Verkehr<br />
in alle Himmelsrichtungen werden.<br />
Thüringen punktet auch mit zahlreichen engagierten<br />
und flexiblen Fachkräften in der<br />
Branche. Hochschulen wie die Fachhochschule<br />
Erfurt, die Adam-Ries-Fachhochschule<br />
ebenfalls in Erfurt und die Berufsakademie<br />
Thüringen in Gera und Eisenach<br />
bieten mehrere auf Logistik und Intralogistik<br />
spezialisierte Studiengänge an.<br />
DB Schenker, der führende deutsche Anbieter<br />
für integrierte Logistik, betreibt am<br />
Erfurter Kreuz auf mehr als 38.500 Quadratmetern<br />
ein großes Logistikterminal und<br />
verteilt von hier aus Stückgut, Teil- und<br />
Komplettladungen in alle Regionen Europas.<br />
Nebenan in Erfurt-Mittelhausen hat<br />
der Buchgroßhändler KNV Logistik für über<br />
150 Millionen Euro eines der größten Medienlogistikzentren<br />
Europas errichtet. Derzeit<br />
beliefert das Unternehmen mehr als<br />
7.000 Buchhändler in Deutschland, Österreich,<br />
der Schweiz und Südtirol. Ebenfalls<br />
in Erfurt hat Zalando 2012 den Bau eines<br />
eigenen Logistikzentrums realisiert. Mit einer<br />
Lagerfläche von 120.000 Quadratmetern<br />
ist das Zentrum das größte Warenlager<br />
für Schuhe und Mode in ganz Europa.<br />
Und auch das 2003 gegründete Unternehmen<br />
redcoon, einer der größten Fachdiscounter<br />
für Elektronik im Onlinehandel, hat<br />
2012 sein Logistikzentrum in Erfurt erbaut<br />
– mit insgesamt über 50.000 Quadratmetern<br />
und Baukosten von 58 Millionen Euro.<br />
Janine Pirk-Schenker<br />
LOGISTIK NETZWERK THÜRINGEN E. V.<br />
Mit dem Logistik Netzwerk Thüringen<br />
erwartet Unternehmen eine Kooperationsgemeinschaft<br />
von Spezialisten aus<br />
allen Bereichen der Branche. Neben<br />
Speditionen, Verladern und Kontraktlogistikern<br />
vereint das Netzwerk auch<br />
Unternehmen beispielsweise aus den<br />
Bereichen Beratung, IT, Forschung und<br />
Entwicklung, Personaldienstleistungen<br />
sowie logistiknahe Dienstleistungen,<br />
Verbände und öffentliche Verwaltung.<br />
Ziel des Vereins ist die Stärkung des<br />
Standorts Thüringen als europäische<br />
Distributions-Drehscheibe.<br />
www.logistik-netzwerk-thueringen.de<br />
Foto: Deutsche Bahn AG (oben), Redcoon (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
THÜRINGEN | 29<br />
Cluster Ernährung<br />
MEHR ALS THÜRINGER KLÖSSE<br />
Foto: Pierre Kamin<br />
Die Ernährungswirtschaft Thüringens<br />
gilt vom Umsatz und von den Beschäftigtenzahlen<br />
her als die zweitstärkste<br />
Branche im Land. Über 200 Unternehmen<br />
mit knapp 19.000 Beschäftigten<br />
erwirtschaften einen Jahresumsatz von<br />
mehr als vier Milliarden Euro. Dank der<br />
zentralen Lage und moderner Verkehrsinfrastruktur<br />
sind alle wichtigen deutschen<br />
Handelszentren binnen fünf Stunden per<br />
Lkw erreichbar. Bekannte Thüringer Marken<br />
und Produkte sind beispielsweise die<br />
Thüringer Rostbratwurst und die Thüringer<br />
Klöße, das Mühlhäuser Pflaumenmus<br />
oder der Nordhäuser Doppelkorn.<br />
Durch sechs universitäre und private Forschungseinrichtungen<br />
erhalten die Unternehmen<br />
der Branche Unterstützung<br />
bei Forschung und Entwicklung. Die großen<br />
Universitäten in Jena und Erfurt bieten<br />
Studiengänge für die Ernährungswirtschaft<br />
an und zählen<br />
derzeit fast 3.000 Studierende in einem<br />
Studiengang mit Bezug zur Ernährungsbranche.<br />
Um diese auch weiterhin wettbewerbsfähig<br />
zu halten und ihr eine bis dato fehlende<br />
Interessenvertretung zu gewährleisten,<br />
haben sich vor vier Jahren 15 Unternehmen<br />
– unterstützt durch das Thüringer<br />
Wirtschafts- und das Landwirtschaftsministerium<br />
– zum Thüringer Ernährungsnetzwerk<br />
zusammengeschlossen. Mittlerweile<br />
zählt das Netzwerk 26 Mitglieder,<br />
bestehend aus Lebensmittel produzierenden<br />
Unternehmen und privaten<br />
Forschungseinrichtungen.<br />
Große Namen haben sich seit der Wende<br />
in Thüringen angesiedelt. So bereits 1993<br />
Das Traditionsunternehmen Viba – bekannt für<br />
seine Nougatstangen – ist deutscher Nougat-<br />
Marktführer.<br />
Griesson mit einem Werk in Kahla, die<br />
Dr. Schär Deutschland GmbH als europäischer<br />
Marktführer im Bereich glutenfreier<br />
Produkte oder das aus Liechtenstein stammende<br />
Unternehmen Ospelt food, welches<br />
in Apolda Tiefkühlpizzen produziert.<br />
Das Traditionsunternehmen Viba sweets<br />
mit Sitz in Floh-Seligenthal stellt das bekannte<br />
Nougat und andere Süßwaren her<br />
und ist deutscher Nougat-Marktführer.<br />
<br />
Janine Pirk-Schenker<br />
© Stefan Militzer<br />
© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />
© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />
© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag<br />
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30 | W+M SERIE<br />
„ALS ÖFFENTLICH-RECHTLICHE BANK FÜHLEN WIR UNS<br />
AUCH FÜR UNSERE KERNREGIONEN VERANTWORTLICH“<br />
W+M-Interview mit Klaus-Jörg Mulfinger, Mitglied des Vorstands der Helaba<br />
Die Helaba hat bereits mit der Wiedervereinigung ihre<br />
Geschäftstätigkeit in Thüringen aufgenommen. Seit Juli 1992<br />
firmiert die Bank als Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale<br />
und hat einen zweiten Hauptsitz in Erfurt. Sie war damit die erste<br />
über Ländergrenzen hinaus bestehende Landesbank. Von dieser<br />
gemeinsamen Landesbank profitieren sowohl die Sparkassen in<br />
Thüringen und die Wirtschaft der Region als auch die Helaba.<br />
W+M: Die Helaba ist inzwischen Zentralbank<br />
für 40 Prozent der Deutschen Sparkassen,<br />
insgesamt mehr als 160 Institute.<br />
Welche Rolle spielen für die<br />
Helaba die Thüringer Sparkassen?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Die 16<br />
Thüringer Sparkassen sind über<br />
den Sparkassen- und Giroverband<br />
Hessen-Thüringen Miteigentümer<br />
der Helaba. Wir haben<br />
eine gemeinsame Rechnungslegung,<br />
Risikostrategie<br />
und Reservefonds. Thüringen gehört<br />
zu den erklärten Kernregionen<br />
der Helaba. Nicht zuletzt haben<br />
wir eine gemeinsame Geschäftsstrategie<br />
und Marktauftritt mit den Thüringer<br />
Sparkassen.<br />
W+M: Gemeinsame Geschäftsstrategie<br />
und gemeinsamer Marktauftritt –<br />
was haben wir uns darunter vorzustellen?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger, Mitglied des Vorstands<br />
der Helaba.<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Die Helaba ist<br />
wichtiger Produktlieferant und Dienstleister<br />
für die Sparkassen, die sogenannte<br />
Verbundquote liegt in vielen Geschäftsfeldern<br />
bei mehr als 70 Prozent. Die Verankerung<br />
im Sparkassengeschäft ist bei<br />
keiner anderen Landesbank so ausgeprägt.<br />
Ansonsten gib es eine klare Verteilung<br />
der Zuständigkeiten. Die Helaba<br />
fokussiert sich auf das Großkundengeschäft.<br />
Mittelständische Firmenkunden<br />
und Privatkunden werden nur gemeinsam<br />
mit den Sparkassen betreut. So beteiligen<br />
wir uns regelmäßig an Großkrediten<br />
der Sparkassen und schaffen damit<br />
den Freiraum, der es Sparkassen ermöglicht,<br />
mit den wachsenden Finanzierungsbedürfnissen<br />
ihrer Firmenkunden Schritt<br />
zu halten. Eines ist uns dabei ganz wichtig:<br />
Die Sparkasse bleibt Herr der Kundenverbindung<br />
und in aller Regel auch<br />
kontoführendes Institut.<br />
W+M: Für die thüringische Wirtschaft<br />
hat das Auslandsgeschäft über die Jahre<br />
zunehmend an Bedeutung gewonnen.<br />
Wie unterstützt die Helaba Firmenkunden,<br />
die sich im Ausland engagieren?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Aktuell richten<br />
wir unseren Geschäftsbereich Außenhandelsfinanzierung<br />
neu aus. Unser Ziel<br />
ist es, die Leistungsfähigkeit der Helaba<br />
für die Sparkassen und die Kunden der<br />
Bank nochmals deutlich zu erhöhen und<br />
alle relevanten Produkte der Außenhandelsfinanzierung<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Mit Korrespondenzbankverbindungen<br />
in 120 Ländern begleiten wir bereits<br />
heute unsere Kunden und die Kunden<br />
der Sparkassen in Regionen mit hohen<br />
deutschen Außenhandelsvolumina.<br />
Darüber hinaus haben wir ergänzend<br />
zu unseren Auslandsstandorten<br />
London, New York, Paris,<br />
Madrid, Moskau und Shanghai im<br />
Mai eine Repräsentanz in Singapur<br />
eröffnet.<br />
Im Übrigen begleiten wir bereits<br />
seit 2007 die Kunden der thüringischen<br />
Sparkassen über das Kompetenz-Center<br />
„S-Thüringen International“<br />
bei ihren Auslandsaktivitäten. Gemeinsam<br />
mit den Firmenkundenbetreuern<br />
der Sparkassen betreuen und beraten<br />
die Mitarbeiter des Kompentenz-Centers<br />
die Kunden in allen Fragen des Auslandsgeschäfts.<br />
W+M: Die Thüringer Industrieunternehmen<br />
sind investitionsfreudiger als der gesamtdeutsche<br />
Durchschnitt. In den Jahren<br />
2011 bis 2013 haben 83 Prozent der<br />
Unternehmen investiert. Spüren Sie diesen<br />
Trend auch bei den kommunalen und<br />
kommunalnahen Unternehmen?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Durch die hohen<br />
Anfangsinvestitionen in die öffentliche<br />
und speziell die kommunale Infrastruktur<br />
in den Jahren der Wiedervereinigung<br />
ist es in den Jahren danach ruhiger<br />
zugegangen. Jetzt stehen zunehmend<br />
Foto: Helaba<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
THÜRINGEN | 31<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Das Bausparen<br />
fand bei den Thüringern von Anfang an<br />
große Resonanz. Schon im ersten Geschäftsjahr<br />
wurden mehr als 25.000 Verträge<br />
abgeschlossen. 1995 überschritt die<br />
Bausparsumme der thüringischen Verträge<br />
im Bestand zwei Milliarden D-Mark.<br />
Seitdem hat sich das Bauspargeschäft im<br />
Freistaat weiterhin sehr gut entwickelt. Im<br />
Geschäftsjahr 2014 gelangten in Thüringen<br />
fast 27.000 Verträge über 638 Millionen<br />
Euro Bausparsumme zur Unterschrift.<br />
W+M: Und wie sieht die zukünftige Ausrichtung<br />
der LBS Hessen-Thüringen aus?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Die LBS Hessen-<br />
Thüringen wird mit einer konsequenten<br />
Ausrichtung auf das Finanzierungsgeschäft<br />
den Kernnutzen des Bausparens<br />
als zinssichere Baufinanzierung weiter<br />
stärken. Denn Planbarkeit ist für viele<br />
Bauherren und Immobilienkäufer sehr<br />
wichtig, gerade in Zeiten des aktuellen<br />
Niedrigzinses. Aber auch Jugendliche<br />
und junge Erwachsene bleiben im Fokus<br />
der Aktivitäten. Denn die jungen Bausparer<br />
sind die Finanzierer von morgen.<br />
Foto: Helaba<br />
Die Landesbank Hessen-Thüringen hat in Frankfurt ihren Hauptsitz im MAIN TOWER.<br />
Ersatzinvestitionen an. Gerade die kommunalen<br />
Unternehmen investieren in Zukunftstechnologien<br />
wie zum Beispiel den<br />
Ausbau von Breitbandnetzen. Dies ist unverzichtbar<br />
für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
des Thüringer Wirtschaftsraums.<br />
Als Landesbank für Thüringen<br />
begleiten wir die kommunalnahen<br />
Unternehmen sehr eng, die als Stadtwerke<br />
im Energiebereich vor den Herausforderungen<br />
der Energiewende stehen. Wir<br />
fördern und engagieren uns auch bei dezentralen<br />
und bürgernahen Lösungen<br />
und stehen im Rahmen des Verbundes<br />
mit unserer umfassenden Erfahrung und<br />
Kompetenz den kommunalen Unternehmen<br />
zur Seite.<br />
W+M: Rekommunalisierung ist derzeit<br />
ein Schlagwort im Umfeld der kommunalen<br />
Gebietskörperschaften. Wie sieht<br />
die Helaba die Entwicklung und welche<br />
Rolle strebt sie an?<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Die Bemühungen<br />
zahlreicher Städte und Gemeinden,<br />
bei Neuausschreibung der jeweiligen Konzessionen<br />
wieder Eigentümer der eigenen<br />
Strom- und Gasnetznetze zu werden,<br />
sind unverkennbar. Wir stehen dieser Entwicklung<br />
offen gegenüber und begleiten<br />
die Kommunen beziehungsweise deren<br />
Gesellschaften im Rahmen der Prozesse<br />
mit Beratungs- und Finanzierungs-Knowhow.<br />
Im vergangenen Jahr haben wir auch<br />
im Freistaat einige Finanzierungen als führende<br />
Bank arrangiert und im Rahmen der<br />
Verbundzusammenarbeit mehrere Sparkassen<br />
an der Endfinanzierung beteiligt.<br />
Hier sehen wir uns als Partner der Kommunen<br />
gut aufgestellt.<br />
W+M: Herr Mulfinger, Sie sind auch für<br />
die Landesbausparkasse (LBS) Hessen-<br />
Thüringen verantwortlich. Wie hat sich<br />
das Bauspargeschäft im Freistaat nach<br />
der Wiedervereinigung entwickelt?<br />
W+M: Wir haben jetzt ausführlich über<br />
die geschäftlichen Aktivitäten der Helaba<br />
in Thüringen gesprochen. Das Helaba-Engagement<br />
in der Region geht aber<br />
darüber hinaus.<br />
Klaus-Jörg Mulfinger: Als öffentlichrechtliche<br />
Bank fühlen wir uns auch für<br />
unsere Kernregionen verantwortlich. Diese<br />
regionale Verankerung gehört ganz<br />
wesentlich zur Identität unseres Hauses.<br />
Dementsprechend engagieren wir<br />
uns für kulturelle, sportliche und wissenschaftliche<br />
Projekte – in Hessen, Thüringen,<br />
Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.<br />
Unsere Aktivitäten sind – wie unsere<br />
Geschäfte und unsere Kundenbeziehungen<br />
auch – auf Qualität, Kontinuität<br />
und dauerhafte Partnerschaften ausgerichtet.<br />
So unterstützen wir in Thüringen<br />
zum Beispiel die Domstufen-Festspiele<br />
in Erfurt bereits seit 1994 als Generalsponsor<br />
gemeinsam mit anderen Partnern<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe.<br />
Interview: Frieda Neurich<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
32 | W+M SERIE<br />
EU-Hilfen für Thüringen<br />
Eine Milliarde Euro<br />
für den Aufschwung<br />
Glänzende Fassaden: Erfurts Fischmarkt<br />
wurde mit EU-Mitteln saniert.<br />
Wer durch Thüringens Kapitale<br />
Erfurt flaniert, begegnet der<br />
Europäischen Union praktisch<br />
auf Schritt und Tritt, wenn auch vielfach<br />
unbewusst. Denn der historische Altstadtkern,<br />
ein Anziehungspunkt für Touristen<br />
aus aller Welt, verdankt seine glänzenden<br />
Fassaden nicht zuletzt zahlreicher<br />
Finanzspritzen aus Brüssel.<br />
Der Willy-Brandt-Platz mit der Tiefgarage<br />
am Hauptbahnhof, der Anger, die alte Synagoge,<br />
der Hirschgarten oder der Fischmarkt<br />
– viele zentrale Plätze und Altstadtviertel<br />
wurden seit 1994 mit Fördergeldern<br />
des Europäischen Fonds für regionale<br />
Entwicklung (EFRE) aufwendig saniert.<br />
Mehr als die Hälfte der Kosten trug<br />
Brüssel zur nachhaltigen Stadtentwicklung<br />
in der größten Stadt Thüringens bei.<br />
Immerhin 35 Millionen Euro an EFRE-<br />
Mitteln konnten Erfurts Stadtväter für<br />
die Aufwertung der Altstadt und innenstadtnaher<br />
Quartiere einsetzen. Investitionen,<br />
von denen nicht nur die Bürger,<br />
sondern auch die Tourismuswirtschaft<br />
und der Einzelhandel in der Blumenstadt<br />
profitieren.<br />
Erfurt ist aber nur eines von vielen Beispielen,<br />
in denen Thüringens Kommunen<br />
durch gezielte städtebauliche Maßnahmen<br />
mit EU-Geldern ein Plus an Lebensqualität<br />
erhielten. Ilmenau etwa erfuhr<br />
finanzielle Unterstützung für den<br />
Neubau einer mittlerweile für ihre Architektur<br />
preisgekrönten Fußgängerbrücke,<br />
die die Altstadt, den Campus<br />
der Technischen Universität sowie ein<br />
Naherholungsgebiet miteinander verbindet.<br />
In Weimar wurde beispielsweise<br />
der historische Herderplatz mit<br />
neuen Kanal-, Gas- und Elektronetzen<br />
ausgestattet.<br />
Bis 2020 unterstützt Brüssel den Freistaat<br />
mit EFRE-Mitteln in Höhe von rund<br />
1,17 Milliarden Euro. 333 Millionen Euro<br />
fließen in Projekte der Forschung und der<br />
technologischen Entwicklung. Bereits in<br />
den vergangenen Förderperioden konnten<br />
Innovationen made in Thüringen mit<br />
Brüsseler Hilfe verwirklicht werden. So<br />
zum Beispiel das multifunktionale Sicherheitsglas<br />
PYRANOVA® secure der<br />
Schott AG. Die Spezialgläser aus Jena<br />
schützen optimal vor Feuer und Rauch<br />
und verhindern im Objekt- und Personenschutz<br />
beispielsweise das Durchdringen<br />
von Projektilen. Diese innovative Verbindung<br />
zweier Sicherheitsfunktionen gilt<br />
weltweit als Novum.<br />
Auch der universitären Forschung kam<br />
EFRE zugute. So entstand an der Friedrich-<br />
Schiller-Universität in Jena ein Forschungszentrum<br />
für angewandte Forschung in den<br />
Bereichen Innovative Materialien & Technologien<br />
sowie Photonik. Rund 20 Millionen<br />
Euro umfasste die Investition, rund 13 Millionen<br />
Euro davon stammten aus dem Europäischen<br />
Fonds für regionale Entwicklung.<br />
Für die Umsetzung der Energiewende<br />
kann Thüringen über rund 230 Millionen<br />
Euro aus dem EFRE-Topf verfügen, die in<br />
eine verbesserte Energieeffizienz in Unternehmen<br />
und öffentlichen Gebäuden<br />
fließen sollen. Auch die unternehmerische<br />
Wettbewerbsfähigkeit des thüringischen<br />
Mittelstands steht im Fokus der<br />
EFRE-Förderung. Dies soll über die Außenwirtschaftsförderung<br />
wie auch über<br />
die Investitionsförderung für kleine und<br />
mittelständische Unternehmen geschehen.<br />
Rund 283 Millionen Euro können bis<br />
2020 dafür aufgewendet werden. Die<br />
Zielsetzung: Private Ausgaben für Forschung<br />
und Entwicklung sollen auf zwei<br />
Prozent des Bruttoinlandsprodukts und<br />
die Exportquote der Thüringer Industrie<br />
auf 37,5 Prozent gesteigert werden.<br />
Matthias Salm<br />
Foto: Stadtverwaltung Erfurt<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
THÜRINGEN | 33<br />
Ragnitz<br />
analysiert<br />
THÜRINGEN – AUCH EIN MUSTERLAND!<br />
Foto: Torsten George<br />
Lange stand Thüringen im Schatten<br />
des Nachbarlands Sachsen, dem vermeintlichen<br />
„Musterland“ unter den<br />
ostdeutschen Bundesländern. Tatsächlich<br />
aber weist auch Thüringen bei vielen<br />
wirtschaftlichen Grunddaten gute bis sehr<br />
gute Werte auf: Ein sogar im gesamtdeutschen<br />
Vergleich überdurchschnittlicher Industrialisierungsgrad,<br />
eine hohe Exportquote,<br />
ein verhältnismäßig hohes Forschungspotenzial<br />
auch in der Wirtschaft.<br />
Zudem ist Arbeitslosigkeit in Thüringen<br />
kaum ein Thema, nicht zuletzt weil viele<br />
Erwerbspersonen in den benachbarten<br />
Bundesländern Bayern und Hessen<br />
eine Arbeitsstelle gefunden haben. Sicherlich<br />
gibt es regionale Differenzierungen<br />
– so stehen die zentralen Standorte<br />
entlang der Bundesautobahn A4 besser<br />
da als die eher peripher gelegenen Regionen<br />
im Harzvorland und im Thüringer<br />
Wald –, doch im Ganzen hat sich der Freistaat<br />
in den vergangenen 25 Jahren gut<br />
entwickelt.<br />
Dies kann nicht nur oder auch primär einer<br />
erfolgreichen Wirtschaftspolitik zugeschrieben<br />
werden; hier gab es – wie anderswo<br />
auch – in den vergangenen Jahrzehnten<br />
so manche Irrwege. Thüringen<br />
profitiert vor allem von seiner günstigen<br />
Lage „im Herzen Deutschlands“, was das<br />
Land attraktiv für Unternehmen gemacht<br />
hat, die von hier aus Märkte im Süden und<br />
Norden, im Osten und im Westen beliefern<br />
wollen. So manch eine Ansiedlungsentscheidung<br />
zugunsten Thüringens ist<br />
hierauf zurückzuführen. Günstig wirkte<br />
sich aber auch aus, dass es unmittelbar<br />
nach der Vereinigung gelungen ist, wichtige<br />
industrielle Kerne – zu nennen ist der<br />
Automobilbau in Thüringen oder die optoelektronische<br />
Industrie in Jena – zu erhalten<br />
und zu neuer Blüte zu erwecken. Gerade<br />
Jena hat sich auf dieser Grundlage zu<br />
einem der wenigen echten Wachstumspole<br />
in Ostdeutschland entwickeln können.<br />
Hinzu kommt schließlich, dass sich<br />
im Umfeld der Thüringer Hochschulen und<br />
der vielen industrienahen Forschungseinrichtungen<br />
eine enorme Dynamik herausbilden<br />
konnte – mit technologischen<br />
Schwerpunkten gerade auch in Feldern,<br />
die gemeinhin als zukunftsträchtig angesehen<br />
werden.<br />
Die im Ganzen positive Entwicklung im<br />
Freistaat wäre zudem nicht möglich gewesen<br />
ohne die ausgeprägte unternehmerische<br />
Initiative, die auch in 40 Jahren Sozialismus<br />
nicht unterdrückt wurde. Thüringen<br />
ist deswegen heute ein stark mittelständisch<br />
geprägtes Land, mit allen Vorteilen<br />
hinsichtlich Flexibilität und Einsatzbereitschaft,<br />
die typisch für inhabergeführte<br />
kleinere und mittlere Unternehmen sind.<br />
Allerdings fehlt es wie anderswo auch an<br />
Großunternehmen mit Hauptsitz im Land<br />
(lediglich der Standort Jena ist auch hier<br />
eine Ausnahme), was sich negativ auf das<br />
Niveau der wirtschaftlichen Leistung auswirkt<br />
– der Abstand bei Indikatoren wie<br />
der gesamtwirtschaftlichen Produktivität<br />
gegenüber den wirtschaftlich führenden<br />
westdeutschen Ländern ist daher nach<br />
wie vor groß. Das ist nicht anders als in<br />
den übrigen ostdeutschen Ländern, bedingt<br />
aber niedrige Löhne, eine niedrige<br />
Steuerkraft und nicht zuletzt auch ungünstige<br />
Arbeitsmarktchancen gerade für gut<br />
ausgebildete junge Menschen, die eine<br />
Karriere in der Wirtschaft machen wollen.<br />
Gleichwohl: Angesichts der auch objektiv<br />
vorhandenen Standortvorteile bestehen<br />
jedoch gute Chancen, dass Thüringen<br />
sich auch künftig weiterhin gut entwickeln<br />
wird. Hierfür ist jedoch erforderlich,<br />
dass auch die neue Landesregierung<br />
– seit 2014 wird Thüringen als erstes und<br />
bisher einziges Bundesland von einer rotrot-grünen<br />
Koalition unter einem Ministerpräsidenten<br />
der Partei DIE LINKE regiert<br />
– an der bisherigen Linie einer liberalen,<br />
wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik<br />
festhält. Bislang gibt es entgegen mancherlei<br />
im Vorfeld geäußerter Bedenken<br />
hieran auch keine Zweifel. Nicht nur Sachsen<br />
– auch Thüringen hat insoweit das Potenzial,<br />
zu einem ostdeutschen „Musterland“<br />
zu werden.<br />
Prof. Dr. Joachim Ragnitz,<br />
Stellvertretender Leiter der ifo<br />
Niederlassung Dresden<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
34 | W+M POLITIK<br />
Wird der Osten Deutschlands wirtschaftlich<br />
jemals so stark wie der Westen?<br />
Iris Gleicke, Staatssekretärin beim<br />
Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie<br />
Beauftragte der Bundesregierung für die neuen<br />
Bundesländer, für Mittelstand und Tourismus<br />
Prof. Dr. Joachim Ragnitz, Stellvertretender Leiter der<br />
ifo Niederlassung Dresden<br />
Ostdeutschland kann in Zukunft so stark<br />
werden wie der Westen – wenn dieses<br />
Ziel konsequent weiterverfolgt wird! Natürlich<br />
verläuft der wirtschaftliche Aufholprozess<br />
schon seit Jahren trotz eines durchaus beachtlichen<br />
Wirtschaftswachstums nur noch äußerst langsam.<br />
Die West-Wirtschaft wächst ebenso schnell wie die<br />
im Osten, wir verfolgen ein Ziel, das sich so schnell<br />
bewegt wie wir selbst, und können deshalb die Distanz<br />
derzeit nicht verringern. Der Osten hinkt bei der<br />
Wirtschaftskraft und bei den Steuereinnahmen klar<br />
hinterher, die Arbeitslosigkeit ist höher als im Westen<br />
und die Löhne niedriger. Zum anderen haben wir im<br />
Osten eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur, es fehlen<br />
die Großunternehmen und Konzerne mit ihren Forschungs-<br />
und Entwicklungsabteilungen. Aber auch<br />
dank einer intelligenten Förderpolitik, die auf Investitionen,<br />
Innovationen und Internationalisierung setzt,<br />
zeigen sich heute in allen neuen Ländern Ansätze<br />
für künftige Wachstumskerne, die dem Wachstum<br />
neuen Schub verleihen können. Wem angesichts<br />
dessen nicht mehr einfällt als die Feststellung, der<br />
Osten könne sowieso nie aufholen, betreibt nolens<br />
volens das Geschäft derer, die aus der Förderung<br />
der flächendeckend strukturschwachen<br />
Region Ostdeutschland aussteigen wollen. Das<br />
würde bedeuten, einen Motor abzuwürgen, den<br />
man gerade mit viel Aufwand zum Laufen gebracht<br />
hat. Wir brauchen keine Schwanengesänge,<br />
sondern einen langen Atem und eine zuverlässige<br />
Förderung der strukturschwachen Regionen<br />
in Ost und West.<br />
Die Vorstellung, dass „der Osten“ wirtschaftlich<br />
„zum Westen“ aufholen könne und solle,<br />
war von Anfang an eine Illusion. Dabei<br />
wird nämlich übersehen, dass die wirtschaftliche<br />
Entwicklung von wirtschafts- und siedlungsstrukturellen<br />
Rahmenbedingungen abhängig ist, die eben<br />
nicht überall gleich sind. Auch in Westdeutschland<br />
gibt es deshalb enorme wirtschaftliche Unterschiede,<br />
beispielsweise zwischen ländlichen und städtischen<br />
Regionen.<br />
Natürlich gibt es eine Reihe von Standorten in<br />
Ostdeutschland, die auf mittlere Sicht gute Chancen<br />
haben, ein ähnliches Niveau zu erreichen wie<br />
die wirtschaftlich starken Regionen im Westen.<br />
Aber es gibt auch viele, vor allem ländlich geprägte<br />
Räume, die nach aller Erfahrung auch dauerhaft<br />
eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft aufweisen<br />
werden. Man sollte daher darauf verzichten,<br />
das „Konvergenzziel“ weiterhin zum alleinigen<br />
Maßstab für den Erfolg oder auch Misserfolg<br />
der deutschen Einheit zu machen: Für die Qualität<br />
der Lebensbedingungen in Ostdeutschland ist es<br />
ohnehin zweitrangig, ob es zu einer Angleichung<br />
der Wirtschaftskraft kommt oder nicht.<br />
Dies heißt nicht, dass nicht weitere wirtschaftspolitische<br />
Anstrengungen notwendig sind, Ostdeutschland<br />
weiter voranzubringen. Die Förderung<br />
von Innovationen, Maßnahmen zur Vermeidung<br />
von Fachkräftemangel, die Stärkung regionaler<br />
Eigeninitiative bleiben weiterhin notwendig. Bleibt<br />
man auf einem solchen Weg, dann wird es auch weiter<br />
aufwärts gehen. Und nur darauf kommt es an.<br />
Foto: Büro Gleicke/Sandra Ludewig (links), ifo Dresden (rechts)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
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36 | W+M POLITIK<br />
INDEX<br />
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im September <strong>2015</strong><br />
TROTZ INTERNATIONALER TURBULENZEN<br />
WÄCHST OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFT<br />
Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft*<br />
Ostdeutschlands ist im September merklich gestiegen.<br />
Maßgeblich für die erneute Verbesserung sind die Geschäftserwartungen<br />
für die kommenden sechs Monate, welche<br />
insgesamt günstiger durch die befragten Unternehmen eingestuft<br />
werden. Zudem sind die ostdeutschen Befragungsteilnehmer zufriedener<br />
mit ihren laufenden Geschäften. Damit blickt die Wirtschaft<br />
der ostdeutschen Bundesländer insgesamt auf ein starkes<br />
drittes Quartal zurück. Im Einklang mit dem Geschäftsklima<br />
ist das ifo Beschäftigungsbarometer ebenfalls spürbar gestiegen.<br />
Besonders die hiesigen Handelsfirmen wollen ihre Mitarbeiterzahl<br />
in den kommenden Monaten erhöhen. Die Industrie- und<br />
Baufirmen hingegen erwarten einen kräftigeren Rückgang ihres<br />
Personalbestandes in der nahen Zukunft.<br />
Mit Ausnahme des ostdeutschen Großhandels sind die Klimaindikatoren<br />
in allen Wirtschaftsbereichen nach oben gerichtet,<br />
jedoch mit unterschiedlicher Intensität. Während sich die Stimmung<br />
im ostdeutschen Einzelhandel und Bauhauptgewerbe<br />
merklich verbesserte, ist der Geschäftsklimaindex im Verarbeitenden<br />
Gewerbe Ostdeutschlands nur geringfügig gestiegen.<br />
ifo Geschäftsklima<br />
Robert Lehmann und<br />
Prof. Joachim Ragnitz<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
8,01<br />
9,83<br />
Verarbeitendes Gewerbe<br />
VORMONAT 14,3<br />
SEPTEMBER 14,8<br />
ifo Beschäftigungsbarometer<br />
Bauhauptgewerbe<br />
VORMONAT - 5,7<br />
SEPTEMBER - 1,3<br />
Groß- und Einzelhandel<br />
VORMONAT 5,0<br />
SEPTEMBER 8,3<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
- 2,93<br />
- 1,04<br />
* Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel verstanden.<br />
Foto: industrieblick/Fotolia.com<br />
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<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/<strong>2015</strong><br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
DIE<br />
WIRTSCHAFT<br />
GRÜNT<br />
26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August <strong>2015</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
THÜRINGEN<br />
W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
okt feb<br />
<strong>2015</strong><br />
<strong>2015</strong><br />
MAGAZIN<br />
W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>-SONDERHEFT<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow<br />
REPORT<br />
Rivalität auf<br />
der Ostsee<br />
RATGEBER<br />
Betriebliche<br />
Altersvorsorge<br />
NEWS & TERMINE +++ KONJUNKTUR-NEWS +++ WUSSTEN SIE SCHON +++<br />
OSTDEUTSCHE BESTSELLERLISTE +++ IMPRESSIONEN +++ W+M CLUB ...<br />
Thüringen<br />
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38 | W+M TITEL<br />
Grüner Motor<br />
Ostdeutschland<br />
Weltweit nimmt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen<br />
der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz zu. 2013 lag der<br />
deutsche Weltmarktanteil bereits bei 14 Prozent. Eine Chance auch<br />
für die ostdeutschen Mittelständler der Branche. Von Matthias Salm<br />
Die Berliner Pflanze blüht – oder korrekt<br />
formuliert: Dank der Berliner<br />
Pflanze blüht und grünt es. Denn<br />
die Berliner Pflanze ist nichts weniger als<br />
ein hochwertiger mineralischer Pflanzendünger.<br />
Produziert wird er aber nicht, wie<br />
zu erwarten wäre, von einem Chemiekonzern,<br />
sondern in einem anspruchsvollen<br />
Projekt zur Gewinnung von Magnesium-<br />
Ammonium-Phosphat aus Klärschlamm<br />
von den Berliner Wasserbetrieben. Dabei<br />
gewinnt das Unternehmen in einem<br />
chemisch-physikalischen Prozess im Klärwerk<br />
Waßmannsdorf den wertvollen Rohstoff<br />
Phosphor.<br />
Die zur Neige gehenden weltweiten<br />
Phosphorressourcen belasten zunehmend<br />
die Agrar- und Lebensmittelindustrie.<br />
Als Ende Mai in Berlin der GreenTec-<br />
Award, Europas größter Umwelttechnologiepreis,<br />
verliehen wurde, stand der Wasserver-<br />
und -entsorger aus der Hauptstadt<br />
in der Kategorie Recycling & Ressourcen<br />
deshalb nicht zu Unrecht auf dem Siegerpodium.<br />
Preiswürdige GreenTech-Innovationen<br />
aus Ostdeutschland wie der Berliner<br />
GREENTECH LOCKT JUNGE<br />
UNTERNEHMEN<br />
Anteil grüner Gründungen an allen<br />
Gründungen 20<strong>06</strong>–2013<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Brandenburg<br />
Sachsen<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Thüringen<br />
Berlin<br />
12 %<br />
14 %<br />
19 %<br />
18 %<br />
22 %<br />
21 %<br />
Pflanzendünger sind längst keine Seltenheit<br />
mehr. Im Gegenteil: Der Osten der<br />
Republik gilt vielen Experten längst als<br />
Labor der Energiewende. Das birgt Risiken,<br />
wie etwa die hohen Energiepreise<br />
zwischen Ostsee und Erzgebirge belegen,<br />
viel mehr noch aber Chancen, an<br />
einem der wichtigsten globalen Wachstumsmärkte<br />
überdurchschnittlich partizipieren<br />
zu können.<br />
Denn GreenTech boomt: Nicht nur global,<br />
sondern auch auf den heimischen<br />
Märkten prophezeien verschiedene Studien<br />
den Produzenten von Umwelttechnik<br />
eine rosige Zukunft.<br />
Hierzulande beflügelt das ehrgeizige Ziel<br />
der Energiewende die Wachstumsfantasien.<br />
Dazu füllen weltweite Megatrends<br />
wie der Klimawandel, der Ressourcenmangel<br />
oder die Urbanisierung die Auftragsbücher<br />
der heimischen Produzenten<br />
von Umwelttechnik. Aber auch die in<br />
vielen ostdeutschen Regionen spürbaren<br />
Folgen des demografischen Wandels erfordern<br />
innovative Lösungsansätze im<br />
Energiesektor, in der Wasserwirtschaft<br />
oder im Verkehrswesen.<br />
Der vom Bundesministerium für Umwelt,<br />
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />
herausgegebene Umwelttechnologie-At-<br />
Foto: Yevhen Vitte/shutterstock.com, Quelle Schaubild: Green Economy Gründungsmonitor 2014<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
GREENTECH | 39<br />
Illustration: Alexandr III/shutterstock.com, Quelle Schaubild: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />
las zeigt sich in seiner Marktanalyse deshalb<br />
uneingeschränkt optimistisch: Summierte<br />
sich das GreenTech-Marktvolumen<br />
in Deutschland 2013 noch auf 344<br />
Milliarden Euro, so sollen im Jahr 2025<br />
bereits Produkte und Dienstleistungen<br />
im Wert von 740 Milliarden Euro in den<br />
Markt gebracht werden.<br />
Das schillernde Schlagwort GreenTech –<br />
zum Teil auch als CleanTech bezeichnet –<br />
vereint sechs unterschiedliche Leitmärkte:<br />
Zu diesen zählen die Steigerung der<br />
Energieeffizienz von Geräten, Gebäuden<br />
und in der Produktion, die umweltfreundliche<br />
Erzeugung, Speicherung und Verteilung<br />
von Energie sowie die Rohstoff- und<br />
Materialeffizienz. Darüber hinaus firmieren<br />
auch die Kreislaufwirtschaft sowie die<br />
nachhaltige Wasserwirtschaft unter dem<br />
Sammelbegriff GreenTech.<br />
Schließlich gelten alternative Antriebstechnologien<br />
gepaart mit neuen Verkehrskonzepten<br />
für eine nachhaltige Mobilität<br />
als ein weiterer grüner Zukunftsmarkt.<br />
In all diesen Leitmärkten nehmen ostdeutsche<br />
Hersteller ebenso wie Forschungseinrichtungen<br />
längst Spitzenplätze<br />
ein. Ein Standortgutachten im Auftrag<br />
der Bundesregierung über die Potenziale<br />
der GreenTech-Industrie in Ostdeutschland<br />
errechnete bereits 2013 für die ostdeutschen<br />
Produzenten von Umwelttechnik<br />
einen Anteil von 10,3 Prozent am gesamtdeutschen<br />
GreenTech-Umsatz. Getrieben<br />
wird das Wachstum vor allem<br />
durch kleine und mittelständische Unternehmen.<br />
So wurden laut Standortgutachten<br />
42 Prozent des Umsatzes durch Unternehmen<br />
mit einem maximalen Umsatz<br />
von 50 Millionen Euro bestritten.<br />
Die umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung<br />
und Verteilung von Energie ist<br />
mit mehr als der Hälfte der GreenTech-<br />
Beschäftigten der mit Abstand größte<br />
Leitmarkt für grüne Technologien im Osten<br />
Deutschlands. Knapp ein weiteres<br />
Drittel der Arbeitnehmer stand 2012 in<br />
der Kreislaufwirtschaft und der nachhaltigen<br />
Wasserwirtschaft in Lohn und Brot.<br />
MARKTVOLUMEN GREENTECH<br />
Das Marktvolumen der einzelnen GreenTech-Märkte 2013 in Deutschland<br />
Markt<br />
Milliarden<br />
Euro<br />
Weltmarktanteil<br />
in %<br />
Energieeffizienz 100 12<br />
Umweltfreundliche Erzeugung,<br />
Speicherung und Verteilung von Energien<br />
73 17<br />
Nachhaltige Mobilität 53 17<br />
Nachhaltige Wasserwirtschaft 53 11<br />
Rohstoff- und Materialeffizienz 48 13<br />
Kreislaufwirtschaft 17 17<br />
Als Wachstumskern gilt aber auch die<br />
Produktion und Forschung im Bereich der<br />
Brennstoffzellen. Unternehmen wie die<br />
Riesaer Brennstoffzellentechnik GmbH<br />
oder die Dresdner FuelCell Energy Solutions<br />
sind am Markt etabliert, geforscht<br />
wird am Hydrogen and Informatics Institute<br />
of Applied Technologies (HIAT) in<br />
Schwerin, dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung<br />
und Technologie in Greifswald<br />
oder an der Technischen Universität<br />
Freiberg.<br />
Berlin als Ballungsraum mit hohem Pendleraufkommen<br />
bietet laut Standortgutachten<br />
alle Voraussetzungen für Lösungen<br />
rund um die nachhaltige Mobilität und<br />
eine intelligente Verkehrssteuerung. In<br />
der energieeffizienten Produktion profiliert<br />
sich Sachsen rund um die neue „E³-<br />
Forschungsfabrik Ressourceneffiziente<br />
Produktion“ in Chemnitz. Die mittelständische<br />
Wirtschaft in Sachsen und Thüringens<br />
verfügt darüber hinaus über besonderes<br />
Know-how im Bereich des Maschinenbaus<br />
in der Kreislaufwirtschaft.<br />
Die ostdeutschen GreenTech-Branchen<br />
werden auch von einer forcierten Gründungsdynamik<br />
getrieben. Dies belegt<br />
der vom Borderstep Institut in Zusammenarbeit<br />
mit der EXIST-Gründerhochschule<br />
Universität Oldenburg berechnete<br />
Green Economy Gründungsmonitor, der<br />
das bundesweite Gründungsgeschehen<br />
in den Bereichen GreenTech, Erneuerbare<br />
Energien, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft<br />
und Klimaschutz analysiert.<br />
Demnach gingen in der Green Economy<br />
im Zeitraum von 20<strong>06</strong> bis 2013 in<br />
Deutschland rund 170.000 neue Unternehmen<br />
mit nahezu 1,1 Millionen Arbeitsplätzen<br />
an den Start. Mit rund 85.000 Unternehmensgründungen<br />
sind die Erneuerbaren<br />
Energien das größte Feld für grüne<br />
Start-ups (50 Prozent). Fast 73.000 Gründungen<br />
(43 Prozent) entfallen auf den Bereich<br />
Energieeffizienz.<br />
In 2013, dem letzten aktuellen Erhebungsjahr,<br />
entstanden in Deutschlands<br />
grüner Wirtschaft rund 16.700 neue Unternehmen,<br />
dies entspricht einem Anteil<br />
von 14 Prozent an allen Gründungen bundesweit.<br />
Besonders in Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Brandenburg belebt Green-<br />
Tech der Studie zu Folge das gesamte<br />
Gründungsgeschehen. Hier beträgt der<br />
Anteil der grünen Start-ups über 20 Prozent<br />
am gesamten Gründungsgeschehen.<br />
Auf überdurchschnittliche Anteile<br />
kommen GreenTech-Gründungen auch<br />
in Sachsen und Sachsen-Anhalt. W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
40 | W+M TITEL GREENTECH<br />
Der Windpark Baltic 1 der EnBW produziert<br />
Strom auf hoher See.<br />
Leitmarkt Umweltfreundliche Erzeugung und Speicherung von Energie<br />
DIE VORREITER DER WENDE<br />
Wind, Sonne, Biomasse – die ostdeutschen<br />
Bundesländer gelten<br />
als treibende Kraft sowohl<br />
beim Ausbau der Erneuerbaren Energien<br />
als auch bei der Forschung zu neuen Speichertechnologien.<br />
Nach zwei Jahren Bauzeit war es Mitte<br />
September endlich soweit: Vor Rügens<br />
Küste nahm der Ostsee-Windpark Baltic<br />
2 des Energiekonzerns EnBW seinen Betrieb<br />
auf. Strom für 340.000 Haushalte soll<br />
der größte Windpark im Ostseeraum künftig<br />
auf hoher See erzeugen. Und dies ist<br />
nur der Anfang, denn in der Ostsee stehen<br />
noch vier weitere Offshore-Projekte in den<br />
Startlöchern. Ein Konjunkturprogramm<br />
nicht nur für die Betreiber der Windparks,<br />
sondern auch für die traditionelle maritime<br />
Industrie des Landes ebenso wie für die<br />
Zuliefererindustrie, die Dienstleister und<br />
die Häfen Mecklenburg-Vorpommerns.<br />
Auch an Land ist die Erneuerbare-Energien-Branche<br />
zum Hoffnungsträger für<br />
Deutschlands Nordosten aufgestiegen.<br />
Schon heute resultiert mehr als jeder 40.<br />
Arbeitsplatz in Mecklenburg-Vorpommern<br />
aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien,<br />
mehr als in jedem anderen deutschen<br />
Bundesland.<br />
Ein Ende des Booms ist nicht absehbar: Die<br />
Ökostrom-Erzeugung in Mecklenburg-Vorpommern<br />
wuchs allein 2014 um weitere<br />
14 Prozent. Zwei Drittel des gesamten im<br />
Nordosten produzierten Stroms stammen<br />
mittlerweile aus Windkraft, Sonnenenergie<br />
oder Biogasanlagen, meldete im September<br />
das Statistische Landesamt Mecklenburg-Vorpommerns.<br />
1.707 Windturbinen,<br />
rund 14.000 Photovoltaik-Anlagen und 540<br />
Biogasanlagen sorgen zwischen Müritz und<br />
Ostseestrand mittlerweile für den bundesweit<br />
höchsten Anteil Erneuerbarer Energien<br />
am Primärenergieverbrauch.<br />
Die Energiewende mutiert so zum Jobmotor<br />
für das weitenteils eher strukturschwache<br />
Land. Der Jahresreport 2014/<strong>2015</strong> der<br />
Agentur für Erneuerbare Energien bezifferte<br />
die Zahl der durch den Betrieb und die<br />
Wartung der bisher gebauten Anlagen neu<br />
geschaffenen Jobs im Jahr 2013 in Mecklenburg-Vorpommern<br />
auf 3.000.<br />
Aber nicht nur an der Ostsee weht ein frischer<br />
Wind: Bei der installierten Windenergie-Leistung<br />
– so ermittelten jüngst das<br />
Deutsche Windenergie Institut und die<br />
Deutsche WindGuard GmbH – nehmen<br />
auch Brandenburg (zweite Position) und<br />
Sachsen-Anhalt (vierte Position) Führungspositionen<br />
im bundesweiten Ländervergleich<br />
ein. Bei der neu installierten Leistung<br />
2014 lag Brandenburg auf dem dritten<br />
Platz.<br />
Und in Brandenburg drehen sich nicht nur<br />
die Windränder in immer größerer Zahl.<br />
Das Land treibt auch den Bau großer Batteriekraftwerke<br />
und die Aufnahme von Pilotprojekten<br />
zu neuen Speichertechnologien<br />
voran. Sie gelten schließlich als unverzichtbarer<br />
Baustein für das Gelingen<br />
der Energiewende, weil sie helfen, Netzschwankungen<br />
zu stabilisieren.<br />
So ging beispielsweise im September im<br />
energieautarken Dorf Feldheim bei Treuenbrietzen<br />
Europas größter Energiespeicher<br />
ans Netz. Die Lithium-Ionen-Batterieanlage<br />
soll bei einer Kapazität von zehn<br />
Megawatt die im benachbarten Windpark<br />
Feldheim erzeugte Energie speichern. Bei<br />
einem Stromüberangebot dient das Regelkraftwerk<br />
dazu, innerhalb kurzer Zeit das<br />
Netz zu entlasten. Bei erhöhter Nachfrage<br />
wird dagegen in Sekundenschnelle Leistung<br />
abgegeben. Für das Projekt steuerte<br />
Brandenburg fünf Millionen Euro aus Mitteln<br />
der EU zur Förderung Erneuerbarer<br />
Energien bei.<br />
Matthias Salm<br />
Foto: EnBW<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
42 | W+M TITEL<br />
Leitmarkt Energieeffizienz<br />
INVESTITIONEN IN DIE SPARSAMKEIT<br />
Thüringens Umwelt- und Energieministerin<br />
Anja Siegesmund (Bündnis<br />
90/Die Grünen) ist sich sicher:<br />
„Energieeinsparung, Effizienz und Green-<br />
Tech – das sind Treiber des Wachstums.“<br />
Und ließ im Namen der thüringischen<br />
Landesregierung den Worten Taten folgen.<br />
Denn die Erfurter Koalitionäre haben<br />
die bisherige Energieeffizienzförderung<br />
des Landes sowohl vom Fördervolumen<br />
als auch inhaltlich massiv ausgeweitet.<br />
Mit einem Gesamtvolumen von<br />
fast 59 Millionen Euro im Rahmen des<br />
Programms „GREEN invest“ will der Freistaat<br />
bis zum Jahr 2020 Energieeffizienzmaßnahmen<br />
und innovative Pilotprojekte<br />
zur Nutzung Erneuerbarer Energien in<br />
Thüringer Unternehmen fördern.<br />
Die forcierte Unterstützung beim Thema<br />
Energieeffizienz dürfte beim Mittelstand<br />
des Landes auf offene Ohren stoßen.<br />
In einer Mittelstandsbefragung der<br />
Commerzbank AG erkannten jüngst 56<br />
Prozent der Thüringer Unternehmen Einsparpotenziale<br />
beim betrieblichen Energieverbrauch.<br />
Im benachbarten Sachsen-<br />
Anhalt waren es gar 62 Prozent, in Sachsen<br />
setzen 55 Prozent der befragten mittelständischen<br />
Firmen das Thema auf die<br />
Agenda.<br />
Denn längst haben auch die kleinen und<br />
mittleren Unternehmen in Ostdeutschland<br />
erkannt, dass sich mittels Energieeinsparungen<br />
die eigene Wettbewerbsfähigkeit<br />
steigern lässt. Wie beispielsweise<br />
die KTB Transformatorenbau<br />
GmbH aus dem thüringischen Dingelstädt.<br />
Das Unternehmen analysierte seine<br />
gesamten Energieverbrauchsdaten<br />
und konnte durch die konsequente Umsetzung<br />
von einzelnen Effizienzprojekten<br />
ein beachtliches Einsparpotenzial<br />
verwirklichen.<br />
Wie ostdeutsche Betriebe künftig mit<br />
erheblich reduziertem Energie- und Materialeinsatz<br />
produzieren können, ohne<br />
bei der Wertschöpfung Abstriche machen<br />
zu müssen, wird aber nicht nur in<br />
den Unternehmen selbst erprobt. Denn<br />
in der Forschung zu energieeffizienteren<br />
Produkten und ressourcenschonenden<br />
Produktionsverfahren sind ostdeutsche<br />
Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />
führend.<br />
So eröffnete 2014 in Chemnitz die neue<br />
„E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente<br />
Produktion“. Die drei E stehen<br />
für die Entwicklung neuer Maschinen,<br />
Technologien und Prozesse mit dem<br />
Ziel, Energie und Ressourcen einzusparen<br />
und eine emissionsneutrale Fabrik zu<br />
konzipieren. Das Chemnitzer Fraunhofer-<br />
Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik<br />
IWU arbeitet bereits seit fast<br />
20 Jahren mit der Technischen Universität<br />
(TU) Chemnitz und der regionalen<br />
Wirtschaft gemeinsam an Lösungen für<br />
die energie- und ressourcenschonende<br />
Produktion.<br />
Die neue Chemnitzer Modellfabrik baut<br />
dabei auf vorherige Forschungsprojekte in<br />
Sachsen auf. So startete das Fraunhofer<br />
IWU 2009 gemeinsam mit der TU Chemnitz<br />
bereits das sächsische Spitzentechnologiecluster<br />
„Energieeffiziente Produktund<br />
Prozessinnovationen in der Produktionstechnik“.<br />
Von 2010 bis 2012 forschte<br />
zudem die Innovationsallianz Green Carbody<br />
Technologies zu der Frage, wie der<br />
Energieeinsatz im Karosseriebau um 50<br />
Prozent reduziert werden kann.<br />
Die „E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente Produktion" in Chemnitz.<br />
Und ebenfalls 2009 wurde im benachbarten<br />
Dresden das „Dresdner Innovationszentrum<br />
Energieeffizienz“ gegründet.<br />
Hier arbeiten Wissenschaftler der<br />
TU Dresden und der Dresdner Fraunhofer-Institute<br />
unter anderem zu den Themen<br />
Leichtbau und energieeffiziente Fertigung<br />
sowie energiesparende Displays.<br />
Matthias Salm<br />
Foto: Fraunhofer IWU<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
GREENTECH | 43<br />
Leitmarkt Nachhaltige Mobilität<br />
Noch ist es Wunschdenken und daran<br />
scheint sich in allzu naher Zukunft<br />
auch nichts zu ändern: eine<br />
Million Elektroautos auf deutschen Straßen<br />
im Jahr 2020. Dieses hehre Ziel hatte<br />
die Bundesregierung vor zwei Jahren<br />
im Rahmen der Energiewende ausgerufen.<br />
Inzwischen gibt man sich angesichts<br />
schleppender Zulassungszahlen zurückhaltender.<br />
Einen entscheidenden Schub für die nachhaltige<br />
Mobilität erhofft man sich dabei<br />
auch aus der Hauptstadt. Schließlich wird<br />
in der Region Berlin–Brandenburg im<br />
Rahmen des Bundesförderprogramms<br />
„Schaufenster Elektromobilität“ in mehr<br />
als 130 Projekten an zukunftsweisenden<br />
Antriebstechnologien gearbeitet. Rund 83<br />
Millionen Euro stehen für die Schaufensterprojekte<br />
bereit.<br />
Im Einsatz: Der E-Bus der BVG.<br />
BERLIN MACHT ELEKTROMOBIL<br />
Elektromobilität beschränkt sich aber keineswegs<br />
auf private Pkw. So unterhalten<br />
die Berliner Verkehrsbetriebe etwa zwischen<br />
den Haltepunkten Bahnhof Zoo und<br />
Südkreuz die E-Bus-Linie 204, und die Berliner<br />
Stadtreinigung verfügt über ein elektrisch<br />
betriebenes Sperrmüllfahrzeug im<br />
Fuhrpark. Auch Großunternehmen nutzen<br />
die Hauptstadt als Testlabor. Wie der Paketzustelldienst<br />
Hermes, der im Rahmen des<br />
Schaufensters Elektromobilität erstmals<br />
ein elektrifiziertes Lieferfahrzeug einsetzt.<br />
Projekte wie diese befeuern auch die<br />
Hoffnung, die nachhaltige Mobilität könne<br />
sich in Berlin als zukunftsfähiger Wirtschaftszweig<br />
etablieren. Allein in 2014 haben<br />
Berliner Unternehmen nach Angaben<br />
von Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia<br />
Yzer (CDU) mehr als 20 Millionen Euro in<br />
den Bereich E-Mobilität investiert.<br />
Nachhaltige Mobilitätslösungen umfassen<br />
aber mehr als nur den erhofften Siegeszug<br />
der Elektromobilität. Gefragt ist das Miteinander<br />
verschiedenster nachhaltiger Verkehrsmittel.<br />
Das treibt vor allem die Berliner<br />
Start-up-Szene um, wie etwa das<br />
2008 gegründete Unternehmen ubitricity.<br />
Eine seiner Ideen: Straßenlaternen im<br />
Zuge ihrer Modernisierung als Ladepunkte<br />
für Elektrofahrzeuge aufzurüsten. Dabei<br />
kommen mobile intelligente Stromzähler<br />
im Ladekabel zum Einsatz, mittels derer<br />
die Nutzer den Ladepunkt freischalten, laden<br />
und den Strom mit einem Stromlieferanten<br />
ihrer Wahl abrechnen können.<br />
Neue Wege gehen junge Berliner Unternehmen<br />
auch beim Car-Sharing. So vereint<br />
das jüngst von einem Investor übernommene<br />
Start-up CarJump, alle Carsharing-Angebote<br />
in einer App. Die CarJump-<br />
App ermöglicht das Finden, Reservieren<br />
und Buchen von Autos der meistgenutzten<br />
Carsharing-Anbieter in Deutschland,<br />
wie beispielsweise DriveNow, car2go<br />
oder multicity.<br />
Auch das Start-up-Projekt eMio versucht,<br />
eine Lücke im Markt zukünftiger Mobilität<br />
zu finden: Statt auf Car- oder Bike-Sharing<br />
setzen die eMio-Gründer auf Elektroroller.<br />
150 Fahrzeuge sind bereits in Berlin unterwegs.<br />
Die Handy-App verrät, wo das<br />
nächste Fahrzeug steht, die Freischaltung<br />
erfolgt über das Smartphone. Die Akkus<br />
reichen für eine Strecke von 120 Kilometern.<br />
Mit dieser Idee gewann eMio <strong>2015</strong><br />
den Innovationswettbewerb der Hauptstadtkonferenz<br />
Elektromobilität.<br />
Matthias Salm<br />
Fotos: BVG, Oliver Lang (oben), Matthias Salm (unten)<br />
2.000 E-Autos rollten Mitte <strong>2015</strong> auf den<br />
Straßen der Hauptstadt, die meisten davon<br />
allerdings im gewerblichen Bereich,<br />
bei Mietwagenfirmen und im Bestand der<br />
Car-Sharing-Anbieter. Zu wenig, monieren<br />
die Kritiker, deren Blick vor allem den privaten<br />
Nutzerzahlen gilt.<br />
E-Roller des Start-ups eMio.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
44 | W+M TITEL GREENTECH<br />
Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />
KNOW-HOW MIT TRADITION<br />
Prozent aller Firmen Dienstleister sind, lediglich<br />
zwei Prozent sind Hersteller von<br />
Maschinen und Anlagen.<br />
Laut CleanTech-Standortgutachten liegt<br />
der jährliche Gesamtumsatz aller Unternehmen<br />
im Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />
bei rund 5,2 Milliarden Euro. Die Branche<br />
ist geprägt von kleinen und mittleren Unternehmen<br />
sowie einigen wenigen Großunternehmen,<br />
die einen vergleichsweise<br />
großen Anteil am Gesamtumsatz tragen.<br />
So entfallen etwa 27 Prozent des Umsatzes<br />
auf Unternehmen mit bis zu zehn<br />
Millionen Euro Jahresumsatz. 29 Prozent<br />
des Umsatzes erarbeiten Firmen, die pro<br />
Jahr Umsätze zwischen elf und 50 Millionen<br />
Euro erzielen. Großunternehmen<br />
verbuchen 44 Prozent der Umsätze für<br />
sich. Ganz klar dominiert wird der Leitmarkt<br />
Kreislaufwirtschaft in den neuen<br />
Ländern von den Bereichen Abfallsammlung<br />
und -transport sowie Abfallverwertung,<br />
in denen insgesamt 4,3 Milliarden<br />
Euro bilanziert werden.<br />
In ihrer modernen Sortieranlage in Berlin bereitet die ALBA Group Wertstoffe auf.<br />
Dem Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />
kommt wegen der weltweit knapper<br />
werdenden Primärrohstoffe<br />
perspektivisch eine zentrale Rolle im<br />
CleanTech-Bereich zu. Da Rohstoffengpässe<br />
schon zu DDR-Zeiten ein ständiges<br />
volkswirtschaftliches Problem waren<br />
und daher frühzeitig flächendeckend<br />
Sekundärrohstofferfassungssysteme für<br />
Papier, Glas und Altmetalle eingeführt<br />
wurden, können die neuen Bundesländer<br />
heute auf erhebliches Know-how und<br />
eine in Teilen führende Forschungslandschaft<br />
zurückgreifen.<br />
Speziell in Thüringen und Sachsen agieren<br />
Unternehmen, die sich auf den Maschinenbau<br />
für Anwendungen in der Entsorgungs-<br />
und Kreislaufwirtschaft spezialisiert<br />
haben. Da die Menschen zwischen<br />
Ostsee und Thüringer Wald seit<br />
Jahrzehnten aktiv Mülltrennung praktizieren,<br />
werden hier oft höhere Wertstoffsammelquoten<br />
erreicht als in den<br />
alten Bundesländern. Berlin gilt heute<br />
als Hochburg für innovative Recyclinglösungen.<br />
Vor allem, weil hier die Nummer<br />
zwei der deutschen Recyclingunternehmen,<br />
die ALBA Group, ihren Hauptsitz<br />
hat und sich darüber hinaus die kommunale<br />
Berliner Stadtreinigung (BSR) und<br />
Recycling-Marktführer Remondis stark<br />
engagieren.<br />
In einem CleanTech-Standortgutachten<br />
für das Jahr 2013, das die Wirtschaftsprüfergesellschaft<br />
KPMG, das Deutsche<br />
CleanTech Institut sowie das Forschungsinstitut<br />
EuPD Research im Auftrag der<br />
Bundesregierung erarbeiteten, wurden<br />
in Ostdeutschland knapp 700 Unternehmen<br />
identifiziert, die in der Kreislaufwirtschaftsbranche<br />
aktiv sind. 29 Prozent dieser<br />
Firmen sind in Sachsen ansässig, je<br />
18 Prozent in Brandenburg und Sachsen-<br />
Anhalt, 16 Prozent in Thüringen, 13 Prozent<br />
in Berlin und sechs Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Bei der Betrachtung<br />
der Unternehmensstruktur nach<br />
Wertschöpfungsstufen fällt auf, dass 98<br />
In der ostdeutschen Kreislaufwirtschaft<br />
stehen rund 28.700 Arbeitnehmer in<br />
Lohn und Brot, 72 Prozent davon in kleinen<br />
und mittleren Betrieben.<br />
Die Forschungslandschaft ist nach Einschätzung<br />
der von der Bundesregierung<br />
beauftragten Gutachter „insgesamt sehr<br />
klein und verstreut auf viele Regionen“.<br />
Forschungsschwerpunkte liegen in Berlin,<br />
Mittelsachsen, Nordthüringen und<br />
Vorpommern. Etwa 1.400 Beschäftigte<br />
sind in ostdeutschen Forschungseinrichtungen<br />
für den Leitmarkt Kreislaufwirtschaft<br />
tätig. Allerdings gibt es durchaus<br />
wissenschaftliche Leuchttürme, die<br />
für Innovationen sorgen. So forschen die<br />
Technischen Universitäten Dresden und<br />
Ilmenau sowie die Universität Magdeburg<br />
an modernen Maschinenbaulösungen<br />
für die Kreislaufwirtschaft. Die Bergakademie<br />
Freiberg, das Helmholtz-Institut<br />
Freiberg für Ressourcentechnologie<br />
sowie das Thüringische Institut für Textil-<br />
und Kunststoffforschung engagieren<br />
sich erfolgreich bei der Entwicklung von<br />
neuartigen Recyclingverfahren.<br />
Karsten Hintzmann<br />
Foto: ALBA Group<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
Partnerschaft verbindet.<br />
Die Helaba ist Sparkassenzentralbank in Hessen, Thüringen,<br />
Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Als Partner von 40 %<br />
aller deutschen Sparkassen sind wir die Verbundbank der<br />
deutschen Sparkassenorganisation. Mit unserem bundesweiten<br />
Dienstleistungsangebot stehen wir nicht nur für Kompetenz und<br />
Professionalität, sondern auch für individuelle Lösungen und<br />
nachhaltige Strategien.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.helaba.de<br />
Banking auf dem Boden der Tatsachen.
46 | W+M TITEL<br />
„GREENTECH IST UND BLEIBT<br />
EIN DYNAMISCHER MARKT“<br />
W+M-Interview mit DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer<br />
W+M: Herr Dr. Schweitzer, wie ist es<br />
um den Bereich GreenTech aktuell in<br />
Deutschland bestellt?<br />
Eric Schweitzer: GreenTech ist und<br />
bleibt ein dynamischer Markt mit zukunftsfähigen<br />
Produkten und Arbeitsplätzen.<br />
Aktuelle Zahlen verdeutlichen dies:<br />
In Deutschland lag das Marktvolumen für<br />
Umwelttechnik und Ressourceneffizienz<br />
vor zwei Jahren bei fast 350 Milliarden<br />
Euro – und es wird sich bis 2025 voraussichtlich<br />
verdoppeln. Schon 2012 hatten<br />
wir rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze auf<br />
diesem Gebiet.<br />
W+M: Warum hat GreenTech aus Ihrer<br />
Sicht eine strategisch hohe Bedeutung<br />
für unser Land?<br />
Eric Schweitzer: Deutschland ist ein<br />
rohstoffarmes Land. GreenTech bietet<br />
die Chance, diesen Standortnachteil<br />
auszugleichen. Aber auch international<br />
ist GreenTech ein Wachstumsmarkt. Experten<br />
schätzen, dass der globale Markt<br />
im Jahr 2025 bei über fünf Billionen Euro<br />
liegen wird.<br />
W+M: Kommen wir zu den neuen Bundesländern.<br />
Wo gibt es regionale Hochburgen<br />
in Sachen GreenTech?<br />
Eric Schweitzer: GreenTech-Hochburgen<br />
gibt es in allen neuen Bundesländern.<br />
In Sachsen zum Beispiel sind<br />
rund 650 Unternehmen mit mehr als<br />
12.000 Mitarbeitern in der Umwelttechnikbranche<br />
aktiv. Der Exportanteil<br />
liegt mit 35 Prozent deutlich<br />
über dem Bundesdurchschnitt.<br />
In Brandenburg boomt der<br />
Markt mit der Erzeugung,<br />
Speicherung und Verteilung<br />
der Energie. In<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
wurde das führende Unternehmensnetzwerk<br />
für Windenergie gegründet.<br />
In Thüringen wird viel in die Energieforschung<br />
investiert.<br />
W+M: Auf welchen der sechs Green-<br />
Tech-Leitmärkten kommen Unternehmen<br />
aus Ostdeutschland besonders gut<br />
voran?<br />
Eric Schweitzer: Die Erfolgsgeschichten<br />
ziehen sich durch alle Bereiche. In<br />
Sachsen-Anhalt hat einer der führenden<br />
Windkraftanlagenhersteller Deutschlands<br />
seinen größten Produktionsstandort<br />
mit 4.500 Mitarbeitern. In Mecklenburg-Vorpommern<br />
ist insbesondere<br />
die On- und Offshore-Windenergieerzeugung,<br />
in Thüringen der Energiebereich<br />
insgesamt stark ausgeprägt.<br />
In Sachsen dominiert neben der<br />
Energietechnik die Kreislaufwirtschaft<br />
sowie die Wasser- und<br />
Abwassertechnik.<br />
W+M: Wo sehen Sie die Ursachen<br />
dafür?<br />
Eric Schweitzer:<br />
Familienunter nehmer und<br />
DIHK-Präsident.<br />
Eric Schweitzer: Als die Unternehmen<br />
in den neuen Bundesländern sich nach<br />
der Wiedervereinigung eine Nische im<br />
Markt suchten, lag es nahe, auf sparsame<br />
Energie- und Rohstoffnutzung zu setzen.<br />
Sachsen und Thüringen haben eine<br />
lange Tradition als Industriestandort, auf<br />
der aufgebaut werden konnte. Die relativ<br />
niedrige Einwohnerdichte in manchen Regionen<br />
Ostdeutschlands ist in diesem Fall<br />
ein Vorteil, weil für die Entwicklung und<br />
Nutzung von Erneuerbaren Energien viel<br />
Raum vorhanden ist.<br />
W+M: Was sollte die Politik zusätzlich<br />
tun, um die Entwicklung von GreenTech<br />
in unserem Land noch stärker nach vorn<br />
zu bringen?<br />
Eric Schweitzer: Auch Green Economy<br />
ist Economy! Nur leistungsstarke Unternehmen<br />
können im globalen Markt erfolgreich<br />
sein. Deshalb brauchen wir einen<br />
Rahmen, der Innovationen und neue<br />
Produkte fördert. Gut finde ich, dass die<br />
Bundesregierung auf dem Gebiet der Umweltforschung<br />
gerade anwendungsbezogene<br />
Projekte fördert. Die geplante<br />
Exportinitiative<br />
für Umwelttechnologie<br />
kann wichtige<br />
Impulse schaffen.<br />
W+M: Ist die politische<br />
Fokussierung<br />
auf Erneuerbare<br />
Energien<br />
aufgrund der damit<br />
verbundenen<br />
höheren Stromkosten<br />
ein Wettbewerbsnachteil<br />
für die heimische<br />
Wirtschaft?<br />
Foto: HC Plambeck<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
GREENTECH | 47<br />
Gemeinsam mit seinem Bruder Axel führt Eric Schweitzer die auf Recycling spezialisierte ALBA Group.<br />
Foto: ALBA Group<br />
Eric Schweitzer: Eindeutig ja. Ziel<br />
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />
war es, Innovationen anzuregen. Daraus<br />
wurde die Finanzierung eines breiten<br />
Rollouts längst etablierter Technologien<br />
wie Windkraft und Photovoltaik,<br />
den die Stromabnehmer teuer bezahlen.<br />
Das wirkt sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen in<br />
Deutschland aus: Die Stromkosten sind<br />
hierzulande höher als die der Mitbewerber<br />
im Ausland.<br />
W+M: Als Inhaber der auf Recycling und<br />
Kreislaufwirtschaft spezialisierten ALBA<br />
Group engagieren Sie sich auch persönlich<br />
in Sachen GreenTech. Verraten Sie<br />
uns, wie Ihr Unternehmen ganz konkret<br />
GreenTech lebt?<br />
Eric Schweitzer: Modernste Umwelttechnologien<br />
kommen bei uns in vielen<br />
Bereichen zum Einsatz, zum Beispiel in<br />
der Wertstoffsortierung. Bundesweit betreiben<br />
wir mehrere hocheffiziente Anlagen<br />
zur Sortierung von Leichtverpackungen<br />
und anderen Wertstofffraktionen<br />
aus dem System Gelbe Tonne/Gelber<br />
Sack. Diese Anlagen, unter anderem<br />
in Leipzig und Berlin, bieten technisch innovativste<br />
Verfahren unter Einsatz von<br />
Optoelektronik und Nah-Infrarot-Kameras.<br />
Wir erreichen dadurch eine präzise<br />
Trennung in zwölf verschiedene Fraktionen<br />
und Sortierquoten von 95 Prozent.<br />
W+M: Im Bereich Recycling hat ALBA<br />
etliche Verfahren entwickelt, mit denen<br />
die Kreislaufkette bei bestimmten Stoffen<br />
tatsächlich geschlossen wird. Worauf<br />
sind Sie besonders stolz?<br />
ZUR PERSON<br />
Eric Schweitzer wurde 1965 in Ipoh<br />
(Malaysia) geboren. Gemeinsam mit<br />
seinem Bruder Axel führt er die ALBA<br />
Group. Das Recyclingunternehmen beschäftigt<br />
etwa 9.000 Mitarbeiter und<br />
erwirtschaftet einen Jahresumsatz von<br />
rund drei Milliarden Euro. Seit 2004 ist<br />
Schweitzer Präsident der Berliner IHK.<br />
Im März 2013 wurde er zum Präsidenten<br />
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />
(DIHK) gewählt.<br />
Eric Schweitzer: Beim Kunststoffrecycling<br />
bilden wir heute die gesamte Kette ab:<br />
Wir sammeln Altkunststoffe, sortieren sie<br />
und schenken ihnen schließlich als qualitativ<br />
hochwertige Sekundärrohstoffe ein<br />
zweites Leben. Das geschieht zum Beispiel<br />
in Eisenhüttenstadt, wo wir eine Anlage<br />
zur Kunststoffaufbereitung betreiben.<br />
Altkunststoffe werden hier mit Hilfe ausgereifter<br />
Technologien zu unserem Recyclingkunststoff<br />
Procyclen verarbeitet. Procyclen<br />
ist ein vollwertiges Neuwaresubstitut, das<br />
in Qualität und Eigenschaften neuen Kunststoffen<br />
ebenbürtig ist. Dafür wurde es bereits<br />
mehrfach ausgezeichnet. Es gibt keinen<br />
Grund mehr, warum Kunststoffe heute<br />
noch auf Rohöl basieren müssen.<br />
W+M: Ihr Unternehmen ist in ganz<br />
Deutschland sowie international aktiv.<br />
Gibt es unter dem Blickwinkel GreenTech<br />
einen ALBA-Leuchtturm zwischen Warnemünde<br />
und dem Fichtelberg, den Sie<br />
hier erwähnen möchten?<br />
Eric Schweitzer: Dazu zählen sicher die<br />
beiden MPS-Anlagen in Berlin, die wir<br />
gemeinsam mit den Berliner Stadtreinigungsbetrieben<br />
(BSR) betreiben. Mit einem<br />
speziell entwickelten Verfahren werden<br />
dort aus Haushaltrestabfällen Wertstoffe<br />
wie Metalle und Inerte gewonnen<br />
und ein klimafreundlicher Ersatzbrennstoff<br />
– Grüne Kohle – produziert, der anschließend<br />
zum Beispiel in Kraftwerken<br />
eingesetzt wird. Derzeit erlebt die Grüne-<br />
Kohle-Technologie eine enorme internationale<br />
Nachfrage, vor allem aus Ländern<br />
wie China, die eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft<br />
auf technisch hohem Niveau<br />
aufbauen wollen.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
48 | W+M RATGEBER<br />
MUT ZUR RENDITE<br />
Durch die Umstellung auf Erneuerbare Energien allein kann die<br />
Energiewende nicht gelingen. Eine Steigerung der Energieeffizienz<br />
ist nötig, um den Energieverbrauch zu senken. Deshalb hat die<br />
Förderbank KfW ihre Kredite noch einmal verbilligt. Die Zinssätze<br />
starten bei nur einem Prozent – auch für sehr langfristige Kredite.<br />
Von Axel Mörer-Funk<br />
Um Geld zu sparen, hat Wolfgang<br />
Deiß erstmal ordentlich investiert.<br />
800.000 Euro KfW-Kredit steckte<br />
der Chef der Berliner Möbelfabrik Artis in<br />
Gebäude- und Heiztechnik, um die Heizkosten<br />
auf null zu bringen. „Wir hätten<br />
nie gedacht, dass sich die Abfallprodukte<br />
unserer Arbeit nutzen lassen, um damit<br />
ein Gebäude von diesem Ausmaß zu<br />
beheizen“, so Deiß.<br />
Sämtliche Holzabfälle werden in dem<br />
Berliner Unternehmen aufgefangen, zerkleinert<br />
und gelagert. Damit wird der<br />
Heizkessel befeuert. Im Sommer entstehen<br />
so große Mengen Holzschnipsel,<br />
dass das Unternehmen nicht nur bequem<br />
über den Winter kommt. Es ist sogar<br />
noch genug Heizenergie übrig, um<br />
eine benachbarte Bürofläche von 500<br />
Quadratmetern mitzuheizen. „Als wir<br />
unseren Nachbarn, ebenfalls Gewerbetreibenden,<br />
angeboten haben, etwas<br />
von unserer überschüssigen Wärme abzugeben,<br />
waren sie sofort begeistert.“<br />
„Die Energieeffizienzpotenziale in den<br />
Unternehmen in Deutschland sind<br />
enorm“, sagt Katrin Leonhardt, Direktorin<br />
der KfW Mittelstandsbank. Das ist<br />
auch der Grund, warum die Bundesregierung<br />
im Rahmen der Energiewende weitere<br />
Mittel zur Verfügung stellt. Denn allein<br />
durch Abschalten der Atomkraftwerke<br />
und die Umstellung der Energieerzeugung<br />
auf Erneuerbare Energie kann die<br />
Energiewende nicht gelingen. Die zweite<br />
Säule ist die Steigerung der Energieeffizienz,<br />
um den Energieverbrauch zu senken.<br />
Dabei sind Industrie und Handwerk ein<br />
wesentlicher Faktor. „Die Unternehmen<br />
spielen eine sehr große Rolle, weil ei-<br />
Einsparpotenzial durch energetische Sanierung<br />
Um bis zu 80 % kann der Endenergieverbrauch durch eine energetische Sanierung reduziert werden.<br />
Davon rund 40 % durch Dämmung. Die reale Einsparung ist vom Nutzerverhalten und dem<br />
Ausgangszustand abhängig. Die Grafik zeigt Einsparungen am Beispiel eines Zweifamilienhauses<br />
aus dem Baujahr 1972.<br />
Endenergiebedarf vor Sanierung: 78.000 kWh (290 kWh/m²)<br />
Endenergiebedarf nach Sanierung: 18.000 kWh (67 kWh/m²)<br />
Dämmung Dach:<br />
13 % Einsparung<br />
Dreischeibenverglasung:<br />
10 % Einsparung<br />
Fassadendämmung:<br />
22 % Einsparung<br />
Modernisierung Heizungsanlage:<br />
15 % Einsparung<br />
Erneuerung der Warmwasserbereitung<br />
und Dämmung der Leitung:<br />
12 % Einsparung<br />
Dämmung Keller:<br />
5 % Einsparung<br />
Quelle Schaubild: KfW <strong>2015</strong><br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
FINANZEN | 49<br />
nerseits etwa 30 Prozent des Energieverbrauchs<br />
auf die Produktion der Unternehmen<br />
und weitere 15 Prozent auf<br />
Gewerbe, Handel und Dienstleistungen<br />
entfallen“, so Leonhardt. „Andererseits<br />
benötigen Nichtwohngebäude wie Produktionshallen<br />
und Bürohäuser ein Drittel<br />
der gesamten Energie, die überhaupt<br />
in Gebäuden verbraucht wird.“ Das heißt:<br />
Investitionen in Produktionsanlagen und<br />
Gebäude haben enorme Hebelkraft. Leonhardt:<br />
„Energie, die nicht produziert<br />
werden muss, hilft nicht nur der Energiewende,<br />
sie steigert auch die Wettbewerbsfähigkeit<br />
unserer Unternehmen,<br />
die dadurch günstiger produzieren können.“<br />
Nun hat auch die Staatsbank KfW ihr<br />
Energieeffizienzprogramm für Unternehmen<br />
verbessert. Obwohl Baugeld im Moment<br />
auch bei den Hausbanken günstig<br />
zu haben ist, bieten die KfW-Mittel den<br />
Unternehmen einen weiteren Vorteil: Der<br />
günstige Zinssatz von im niedrigsten Fall<br />
nur einem Prozent gilt nicht nur für kurzfristige<br />
Kredite, sondern auch bei Laufzeiten<br />
von bis zu 20 Jahren. Dabei ist der<br />
Zinssatz umso günstiger, je mehr die eingesetzten<br />
Mittel zur Effizienzsteigerung<br />
beitragen. Gleichzeitig bietet die KfW Tilgungszuschüsse<br />
von bis zu 17,5 Prozent<br />
der Investitionssumme für energieeffiziente<br />
Gebäude. „So lukrativ wie jetzt<br />
war es noch nie, Maschinen und Gebäude<br />
energetisch zu verbessern“, so KfW-<br />
Expertin Leonhardt.<br />
bauten oder die Sanierung vorhandener<br />
Produktions- und Bürogebäude nutzen“,<br />
so Leonhardt. Damit kann praktisch jedes<br />
energieeffiziente Gebäude in Deutschland<br />
von der KfW gefördert werden.<br />
Die Berliner Möbelschreinerei Artis ist<br />
ein gutes Beispiel dafür, dass die Investition<br />
sich lohnt. Der Betrieb wollte<br />
in ein altes Fabrikgebäude mit fast<br />
2.000 Quadratmetern Fläche umziehen.<br />
Die acht Meter hohe Fabrikhalle<br />
im Winter auf Betriebstemperatur<br />
zu bringen, hätte<br />
Unsummen verschlungen.<br />
Doch Deiß und Mitinhaber<br />
Holger Meyer zogen alle<br />
Register.<br />
Die Wände wurden mit<br />
Cellulose gedämmt,<br />
das Dach zur Wärmeisolierung<br />
begrünt,<br />
eine Solaranlage erzeugt<br />
den Strom,<br />
den die Möbelbauer<br />
für Beleuchtung,<br />
EDV, Pumpen und<br />
Belüftung brauchen.<br />
Die größte Ersparnis<br />
stellt sich mit dem Wintereinbruch<br />
ein, wenn die<br />
gelagerten Holzschnipsel<br />
zum Einsatz kommen: Deiß<br />
braucht keinen einzigen Euro<br />
zusätzlich, um die Produktionshalle<br />
und Büros zu heizen.<br />
Foto: 29mokara/fotolia.com<br />
INFORMATIONEN ZUM<br />
KFW-EFFIZIENZPROGRAMM<br />
Die wichtigsten Informationen bietet<br />
die KfW im Internet unter<br />
www.kfw.de/energieeffizienz oder<br />
telefonisch unter 0800 5399001.<br />
Zusätzlich hat die KfW ihr Programm<br />
„Energieeffizient Bauen und Sanieren“,<br />
das sich bislang allein auf Wohngebäude<br />
konzentrierte, auch für gewerblich genutzte<br />
Gebäude geöffnet. „Jetzt können<br />
auch Unternehmen günstige Kredite und<br />
Tilgungszuschüsse der KfW für ihre Neu-<br />
Allerdings gehört das Berliner Unternehmen<br />
zu den wenigen, die ihre Energieeffizienz<br />
verbessert haben. Wie groß<br />
das Potenzial ist, zeigt auch das Mittelstandspanel<br />
der KfW, für das die Aussagen<br />
von 2.000 mittelständischen Unternehmen<br />
berücksichtig wurden. Danach<br />
halten 43 Prozent der kleinen Unternehmen<br />
mit weniger als zehn Beschäftigten<br />
Energieeinsparung für wichtig, aber<br />
nur jedes dritte kleine Unternehmen<br />
hat bislang in Effizienzmaßnahmen investiert.<br />
Bei den mittleren Unternehmen<br />
mit bis zu 50 Beschäftigten haben<br />
in den vergangenen drei Jahren 48<br />
Prozent investiert, obwohl 61 Prozent<br />
Energieeinsparung für relevant halten.<br />
Immerhin<br />
ist die Bereitschaft der<br />
Unternehmen da, mehr für den effizienteren<br />
Einsatz von Energie zu tun. Das ergab<br />
eine aktuelle Umfrage der DZ Bank<br />
unter 1.000 Mittelständlern. Demnach<br />
will gut die Hälfte der Mittelständler in<br />
den nächsten zwei Jahren in Energieeffizienz<br />
investieren. „Wir hoffen, dass wir<br />
mit dem verbesserten Energieeffizienzprogramm<br />
der KfW die Zahl dieser Unternehmen<br />
steigern können“, so KfW-<br />
Direktorin Leonhardt.<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
50 | W+M RATGEBER<br />
ALTERNATIVE MITTEL-<br />
STANDSFINANZIERUNG<br />
Vier Fragen an …<br />
Dr. Michael Bormann<br />
Warum sollten sich Unternehmer mit<br />
alternativen Finanzierungen beschäftigen?<br />
Unter alternativer Unternehmensfinanzierung<br />
versteht man Finanzierungsformen<br />
abseits des klassischen Bankkredites.<br />
Die Zeiten, in denen ein Unternehmer<br />
zu seiner Hausbank ging, um sich<br />
für sein Unternehmen die notwendige Liquidität<br />
für Wachstum oder Konsolidierung<br />
zu beschaffen, sind längst vorüber.<br />
Heute müssen die Unternehmer alternativ<br />
denken und neue Wege bei der Finanzierung<br />
gehen.<br />
Was gibt es für Alternativen zum klassischen<br />
Bankkredit?<br />
Das Spektrum ist vielfältig. So sollte man<br />
zunächst die Möglichkeiten betrachten,<br />
die die Förderbanken und der öffentliche<br />
Sektor anbieten. Dies sind beispielsweise<br />
Förderkredite der staatlichen KfW-Bank.<br />
Daneben gibt es die Bürgschaftsbanken,<br />
die Kredite verbürgen und damit Sicherheiten<br />
bereitstellen. Die mittelständischen<br />
Beteiligungsgesellschaften in den einzelnen<br />
Bundesländern investieren zumeist in<br />
Minderheitsbeteiligungen in die Unternehmen<br />
und erhöhen so die Eigenkapitalquote.<br />
Daneben gibt es länderspezifische Programme<br />
etwa bei Mezzaninen, die zur Zwischenfinanzierung<br />
genutzt werden können.<br />
Das ist die eine Seite. Darüber hinaus<br />
gibt es die Möglichkeit, privates Kapital zu<br />
akquirieren. Dies kann beispielsweise dadurch<br />
geschehen, dass das Unternehmen<br />
ZUR PERSON<br />
Dr. Michael Bormann ist Gründungspartner<br />
der Sozietät bdp Bormann, Demant<br />
& Partner mit Büros unter anderem<br />
in Berlin, Dresden, Rostock sowie<br />
in Tianjin (China). Er berät Unternehmer<br />
in Fragen der Finanzierung, Restrukturierung,<br />
M&A und Unternehmensnachfolge<br />
sowie beim Aufbau von Produktionsstätten<br />
in China. Den Lesern von<br />
W+M wird er in diesem Jahr als Experte<br />
für Finanzierungsfragen zur Verfügung<br />
stehen. www.bdp-team.de<br />
eine Anleihe auflegt, einen Risikokapitalgeber<br />
mit ins Boot nimmt oder einen Börsengang<br />
plant. Für Start-ups gibt es die Möglichkeit,<br />
auf Crowdfunding-Plattformen im<br />
Internet Geld für ihre Ideen zu generieren.<br />
Weitere Möglichkeiten, die Liquidität im<br />
Unternehmen zu stärken, sind beispielsweise<br />
Lieferantenkredite oder veränderte<br />
Zahlungsziele mit den Kunden. Auch das<br />
sollte im Zuge von alternativen Finanzierungen<br />
betrachtet werden.<br />
Wie findet der Unternehmer heraus,<br />
welche Finanzierungsform für ihn geeignet<br />
ist?<br />
Anknüpfend an seine Unternehmensstrategie<br />
sollte der Unternehmer über die dazugehörige<br />
Finanzierungsstrategie nachdenken<br />
und dabei die Hilfe von Beratern<br />
in Anspruch nehmen, um diese professionell<br />
umzusetzen. Dabei geht es um solche<br />
Fragen wie: Wozu brauche ich die<br />
Liquidität? Will ich im In- oder Ausland<br />
weiter wachsen? Suche ich einen strategischen<br />
Investor? Muss das Unternehmen<br />
restrukturiert werden? Oder steht<br />
eine Nachfolgeregelung an?<br />
Ab welcher Unternehmensgröße<br />
lohnt es sich, über alternative Finanzierungen<br />
nachzudenken?<br />
Je größer das mittelständische Unternehmen,<br />
desto mehr muss dieses Thema<br />
auf die Agenda gesetzt werden. Entscheidend<br />
ist aber nicht die Größe, sondern<br />
der Zeitpunkt, wo man anfängt, darüber<br />
intensiv nachzudenken. Hier gilt: je<br />
eher, desto besser. Geld zur Finanzierung<br />
von Unternehmen ist genug da. W+M<br />
Foto: bdp<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
FINANZEN | 51<br />
Foto: Kirsten Mittelsteiner<br />
BETRIEBLICHE ALTERSVORSORGE<br />
SCHLIESST RENTENLÜCKE<br />
Über drohende Altersarmut wird in Deutschland häufig diskutiert.<br />
Aktuell liegt das durchschnittliche Rentenniveau bei rund 50 Prozent<br />
zum letzten Nettogehalt. Experten rechnen damit, dass es bis zum<br />
Jahr 2030 auf 43 Prozent absinken wird. Allein von der staatlichen<br />
Rente kann in Zukunft also kaum noch jemand leben. Jeder Einzelne<br />
sollte daher rechtzeitig beginnen, privat für das Alter vorzusorgen.<br />
Seit 2002 hat jeder Arbeitnehmer<br />
in Deutschland Anspruch<br />
auf eine betriebliche<br />
Altersvorsorge. Gut jeder<br />
zweite Beschäftigte nutzt<br />
dieses Renten-Instrument inzwischen.<br />
Michael Reizel,<br />
Geschäftsführer der auf betriebliche<br />
Vergütungs- und<br />
Versorgungssysteme für Unternehmen<br />
und Kommunen spezialisierten<br />
BVUK.Gruppe, erläutert,<br />
warum es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />
gleichermaßen Sinn macht,<br />
die betriebliche Altersvorsorge in Anspruch<br />
zu nehmen.<br />
W+M: Worin besteht der Vorteil der betrieblichen<br />
Altersvorsorge?<br />
Michael Reizel: Bei diesem System<br />
werden Kollektivverträge abgeschlossen.<br />
Und da in Kollektivverträgen größere<br />
Menschengruppen aufgenommen<br />
werden können, lässt sich schon durch<br />
die Anzahl der Personen ein viel besseres<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis für die Arbeitnehmer<br />
erreichen. Ein weiterer wichtiger<br />
Pluspunkt ist, dass bei der betrieblichen<br />
Altersvorsorge das Prinzip der Entgeltumwandlung<br />
zur Anwendung kommt.<br />
Das heißt, der Arbeitnehmer entscheidet<br />
sich dafür, einen Teil seines Bruttogehaltes<br />
über den Arbeitgeber in das Versorgungssystem<br />
einzuzahlen. Ein Beispiel:<br />
Ein Arbeitnehmer zahlt 100 Euro von seinem<br />
Bruttogehalt in das Versorgungssystem<br />
ein. Das Nettogehalt reduziert sich<br />
Michael Reizel, Geschäftsführer der<br />
BVUK.Gruppe, erläutert die Vorteile der<br />
betrieblichen Altersvorsorge.<br />
dadurch jedoch nur um rund 50 Euro.<br />
Der Arbeitnehmer hat quasi 50 Euro an<br />
Steuer- und Sozialversicherungsersparnis.<br />
Das ist – nicht nur in Zeiten geringer<br />
Zinsen – eine höchst rentable Möglichkeit<br />
der Vorsorge.<br />
W+M: Hat auch der Arbeitgeber einen<br />
Nutzen?<br />
Michael Reizel: Beide Seiten profitieren.<br />
Der Arbeitnehmer durch den gerade<br />
erläuterten Brutto-Netto-Effekt und die<br />
günstigen Kollektivrahmenbedingungen.<br />
Der Arbeitgeber spart bei diesem Modell<br />
Sozialversicherungsbeiträge sowie weitere<br />
Lohnnebenkosten. Und er gewinnt<br />
an Attraktivität. Das ist gerade in Zeiten<br />
des Fach- und Führungskräftemangels ein<br />
nicht zu unterschätzender Aspekt.<br />
W+M: Aber viele Unternehmen haben<br />
doch schon Altersvorsorgesysteme,<br />
oder nicht?<br />
Michael Reizel: Das stimmt. Aber im<br />
Regelfall wurden dort in der Vergangenheit<br />
entweder Direktversicherungen<br />
oder vereinzelt Pensionskassen angeboten.<br />
Ein wirklich attraktives betriebliches<br />
Versorgungsmodell geht über eine simple<br />
Versicherung weit hinaus. Es gehört<br />
zu den Stärken der BVUK.Gruppe, dass<br />
wir bestehende Systeme nicht auflösen,<br />
sondern wir integrieren und optimieren<br />
diese Systeme und machen<br />
sie so passgenau für jedes<br />
einzelne Unternehmen.<br />
W+M: Was geschieht mit den<br />
erworbenen Ansprüchen aus<br />
der betrieblichen Altersvorsorge,<br />
wenn der Arbeitnehmer<br />
das Unternehmen wechselt?<br />
Michael Reizel: In unseren Kollektivverträgen<br />
achten wir darauf,<br />
dass der Arbeitnehmer die betriebliche<br />
Altersvorsorge zu unveränderten<br />
Konditionen weiterführen kann. Er büßt<br />
also keine Ansprüche ein. Das ist insbesondere<br />
dann von Bedeutung, wenn –<br />
wie bei den von uns gestalteten Verträgen<br />
– die Berufsunfähigkeit mit abgesichert<br />
ist.<br />
Interview:<br />
Karsten Hintzmann<br />
BVUK.GRUPPE<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Ebertsklinge 2a<br />
97074 Würzburg<br />
Tel. 0931 359096–0<br />
Fax. 0931 359096–93<br />
info@bvuk.de<br />
www.bvuk.de<br />
Die BVUK.Gruppe unterhält darüber hinaus<br />
Büros in Berlin, Dresden, Hamburg,<br />
Nürnberg und Baden-Baden.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
52 | W+M RATGEBER<br />
„DES UNTERNEHMERS LIEBLINGSAUTO“<br />
… IST EIN AUDI AVANT!<br />
In der Juli-Ausgabe von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hatten wir Sie nach Ihren Nutzungsgewohnheiten für<br />
Pkw befragt. Erfreulich viele Leser haben sich an unserer Umfrage beteiligt. Die Ergebnisse wollen wir<br />
Ihnen nun vorstellen. Wie also tickt der ostdeutsche Unternehmer, wenn es um seinen Firmenwagen<br />
geht? Worauf legt er Wert und worauf nicht? Wie beurteilt er die einzelnen Marken und wie steht es mit<br />
der Akzeptanz von E-Mobilen? Von Frank Nehring<br />
Favorisiert von Unternehmern:<br />
der Audi S6 Avant.<br />
Ich entscheide selbst<br />
Ostdeutsche Unternehmer kaufen mit<br />
55,5 Prozent häufiger einen Firmenwagen<br />
als sie ihn leasen. Dabei nutzen fast<br />
zwei Drittel die Möglichkeit der Finanzierung<br />
und rund 72 Prozent der Befragten<br />
bevorzugen einen Neuwagen. Die Mehrheit<br />
der Umfrageteilnehmer verzichtet zudem<br />
auf Anregungen beim Fahrzeugkauf<br />
und recherchiert selbst; knapp die Hälfte<br />
der Befragten lässt sich für die Wahl des<br />
Fahrzeugs beim Händler seines Vertrauens<br />
inspirieren (43,2 Prozent). Aber nur<br />
zehn Prozent der Unternehmer gaben an,<br />
dass sie sich von Werbung beeinflussen<br />
ließen. Die vorliegenden Antworten spiegeln<br />
die charakteristischen Züge des ostdeutschen<br />
Unternehmers wider, die es<br />
auch in anderen Bereichen zu erfahren<br />
gilt: Konservativ im Agieren, vornehmlich<br />
den eigenen Erfahrungen und Recherchen<br />
vertrauend, werden Entscheidungen<br />
getroffen.<br />
Keine Unterschiede<br />
Bei unserer Befragung war das tatsächliche<br />
Markenbewusstsein, das in<br />
der Regel gerade im Pkw-Marken-Segment<br />
besonders stark ausgeprägt ist,<br />
von zentraler Bedeutung. Die Ergebnisse<br />
der Fragen nach Marken-Image und<br />
persönlicher Bevorzugung waren dabei<br />
nicht sonderlich überraschend. Die bekannten<br />
deutschen Marken führen die<br />
jeweiligen Rankings an. Gesamtsieger<br />
unserer Umfrage ist Audi. Diese Marke<br />
führt nicht nur vor Porsche, BMW und<br />
Mercedes das Image-Ranking an, sondern<br />
auch das Ranking der persönlich<br />
bevorzugten Marken der befragten Unternehmer.<br />
Beim Markengeschmack für<br />
Firmenwagen gibt es in der Spitze daher<br />
keine Unterschiede zwischen Ost und<br />
West. Die Ergebnisse widerlegen zudem<br />
die Mainstream-Einschätzung, wonach<br />
im Osten mehr auf Škoda als auf BMW<br />
geschaut wird.<br />
Lediglich die Tatsache, dass Porsche<br />
zwar ein hohes Marken-Image zugestanden<br />
wird, aber bei den persönlichen Bevorzugungen<br />
als Firmenwagen nur noch<br />
Foto: Audi AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
AUTO | 53<br />
WOHER NEHMEN SIE ANREGUNGEN<br />
FÜR DIE AUSWAHL DES FAHRZEUGS?<br />
AUDI<br />
[Bei dieser Frage waren<br />
Mehrfachnennungen möglich.]<br />
Händler meines Vertrauens<br />
Bekannte<br />
17,5 %<br />
Werbung<br />
9,4 %<br />
Eigenrecherche<br />
43,2 %<br />
62,3 %<br />
WELCHE MARKE HAT<br />
IHRER MEINUNG NACH<br />
DAS BESTE IMAGE ?<br />
1<br />
PORSCHE<br />
Sonstiges<br />
14,9 %<br />
WERDEN SIE INNERHALB DER<br />
NÄCHSTEN FÜNF JAHRE AUF EIN<br />
E-MOBIL UMSTEIGEN?<br />
40,7 %<br />
3,7 %<br />
Sicher<br />
Sicher nicht<br />
Die gute Ausstattung, der absolute Kaufpreis,<br />
gefolgt von einem guten Preis-<br />
Leistungs-Verhältnis sind die Favoriten<br />
der Befragten. Hervorzuheben ist, dass<br />
dem Service der Werkstatt eine hohe Bedeutung<br />
beigemessen wird, aber nicht<br />
so sehr der Nähe zur Werkstatt oder<br />
der Größe des Werkstattnetzes. Wenn<br />
die PS-Zahl und die Umweltverträglichkeit<br />
nur nachgeordnete Auswahlkriterien<br />
sind, stehen doch die Pferdestärken<br />
vor der Liebe zur Natur.<br />
2<br />
BMW<br />
3<br />
Fotos: Audi, Porsche, BMW, Daimler, Volkswagen (von oben nach unten)<br />
Vielleicht<br />
55,6 %<br />
oder immerhin noch auf Platz sieben landet,<br />
sei hervorzuheben. Eine weitere Differenz<br />
in den Rankings findet sich beim<br />
Dacia. Beim Marken-Image auf Platz 22<br />
steht er bei der persönlichen Bevorzugung<br />
als Firmenwagen auf Platz neun<br />
– noch vor Toyata, Mitsubishi, Peugeot,<br />
Opel und Renault.<br />
Preis-Leistung schlägt Marke<br />
Bei den konkreten Auswahlkriterien kam<br />
das Image der Marke nur auf Platz fünf.<br />
E-Mobil. Wieso nicht?<br />
Verwundert hat uns die Antwort zur Nutzung<br />
von E-Mobilen. Fast 60 Prozent können<br />
sich einen Umstieg auf ein E-Mobil<br />
innerhalb der nächsten fünf Jahre vorstellen.<br />
Bei einigen Kommentaren wurde allerdings<br />
darauf verwiesen, dass ein E-<br />
Mobil vermutlich auch als Zweitwagen<br />
genutzt werden würde.<br />
Carsharing hingegen ist unter ostdeutschen<br />
Unternehmern noch nicht weit verbreitet.<br />
Lediglich etwas mehr als zehn<br />
Prozent nutzen für sich selbst oder für<br />
ihre Mitarbeiter Angebote wie Flinkster,<br />
DriveNow oder Car2go. Dies mag vermutlich<br />
auch dadurch bedingt sein, dass<br />
diese Angebote derzeit lediglich in Großstädten<br />
und vor allem im Westen der Republik<br />
zu finden sind.<br />
W+M<br />
MERCEDES-BENZ<br />
4<br />
VOLKSWAGEN<br />
5<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
54 | W+M RATGEBER LITERATUR<br />
W+M präsentiert:<br />
DIE OSTDEUTSCHE BESTSELLERLISTE<br />
FÜR WIRTSCHAFTSLITERATUR<br />
1<br />
2<br />
3<br />
5<br />
4<br />
Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur<br />
wird aus den Verkaufszahlen<br />
großer Buchhandlungen in Brandenburg,<br />
Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />
erstellt. Beteiligt haben sich:<br />
7<br />
6<br />
Dirk Müller<br />
CASHKURS<br />
So machen Sie das Beste aus Ihrem Geld:<br />
Aktien, Versicherungen, Immobilien<br />
8<br />
9<br />
10<br />
• Hugendubel Cottbus,<br />
Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />
• Hugendubel Erfurt,<br />
Anger 62, 99084 Erfurt<br />
• Hugendubel Greifswald,<br />
Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />
• Hugendubel Leipzig,<br />
Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />
• Hugendubel Potsdam,<br />
Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />
• Hugendubel Schwerin,<br />
Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />
• Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung,<br />
Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/Oder<br />
Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen<br />
jederzeit offen. Schreiben Sie bei<br />
Interesse eine E-Mail an JP@WundM.info.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
NETZWERK GESELLSCHAFT | 55<br />
W+M Lounge im Berlin Capital Club<br />
VALUE OF SPEED – DIE FINANZWELT<br />
IM DIGITALEN WANDEL<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> lud am 1. Oktober Leser und Partner<br />
in den renommierten Berlin Capital Club ein. Holger Werner,<br />
Bereichsvorstand Corporate Banking & Mittelstandsbank<br />
Ost, brachte den knapp 50 Teilnehmern auf anschauliche Art nahe, wie<br />
die Digitalisierung in alle Lebensbereiche eingreift und die Prozesse beschleunigt.<br />
Das stellt auch die Banken vor enorme Herausforderungen.<br />
Wie Moderator Frank Nehring betonte, sind auch die Großbanken gefordert<br />
umzudenken, da die Fintechs mit ihren speziellen Diensten ein<br />
neues Tempo vorgeben. Die Commerzbank stellt sich dieser Herausforderung.<br />
Dafür hatte Holger Werner zahlreiche Beispiele mitgebracht.<br />
Fazit des Vortrags: Chancen erkennen und nutzen – was allerdings<br />
auch bedeutet, nicht auf jeden Zug aufzuspringen. W+M<br />
Stefan Streil, Markus Georg Lukasson und Robert Mallison (v. l.)<br />
Holger Werner, Bereichsvorstand der Commerzbank, referierte<br />
über die Finanzwelt im digitalen Wandel.<br />
Moritz Claussen, Oliver Neumann, Jörg Drischmann und Matthias Salm (v. l.).<br />
Bettina Frenzel (l.) und Ramona Becker.<br />
Fotos: W+M, Berlin Capital Club (oben rechts)<br />
Christian Quilitz und Andrea Grandjean.<br />
Christiane Kvarics mit Bernd Herrmann.<br />
Götz-Albrecht von Förster (l.) mit<br />
Anton Voglmaier.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
56 | W+M NETZWERK<br />
4. Ostdeutsches Energieforum<br />
DIE ENERGIEWENDE IM VISIER<br />
Mehr als 300 Vertreter ostdeutscher<br />
Unternehmen trafen sich am 16. und<br />
17. September in Leipzig mit Experten<br />
aus der Energiewirtschaft zum 4. Ostdeutschen<br />
Energieforum. Eingeladen hatten die<br />
Unternehmerverbände Ostdeutschlands und<br />
die IHK Leipzig. Diskutiert wurden die Themen<br />
der Energiewende mit all den damit einhergehenden<br />
Veränderungen. In einem Abschlusskommuniqué<br />
wandten sich die Veranstalter mit<br />
konkreten Forderungen und Erwartungen an<br />
die Politik. Das Kommuniqué finden Sie unter<br />
www.WundM.info/Kommunique.pdf W+M<br />
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner<br />
Haseloff referierte zur Energiewende.<br />
Zwischen den Referaten blieb Zeit für<br />
Netzwerkarbeit. Politik und Wirtschaft trafen sich auf dem Energieforum.<br />
Bodo Rodestock, Tim Hartmann, Ministerpräsident Dietmar Woidke und Hartmut Bunsen (v. l.).<br />
Fotos: Andreas Koslowski<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
GESELLSCHAFT | 57<br />
9. enviaM-Energiekonvent in Leipzig<br />
NETZE DER ZUKUNFT<br />
Netze der Zukunft – Erfolgsfaktor oder<br />
Engpass? Unter dieser Überschrift<br />
stand der 9. Energiekonvent von enviaM<br />
Ende September in Leipzig. Mehr als<br />
300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />
nuzten das Angebot, um über die<br />
Entscheidungen in der Energiepolitik zu diskutieren.<br />
Welche Netzstruktur wird benötigt,<br />
um eine sichere und wirtschaftliche Versorgung<br />
auch in Zukunft garantieren zu können?<br />
Welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?<br />
Brauchen wir überhaupt so viel<br />
Netzausbau? Wie muss sich die Netztechnik<br />
weiterentwickeln und welchen technischen<br />
Fortschritt gibt es schon heute? Diesen und<br />
weiteren Fragen stellten sich namhafte Experten<br />
der Energiewirtschaft wie Thomas<br />
Benz (Leiter Energiepolitik ABB AG und Mitglied<br />
des Vorstands VDE/ETG), Jens Büchner<br />
(Geschäftsführer der E-Bridge Consulting<br />
GmbH), Andreas Kuhlmann (Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der dena), Harry Lehmann<br />
(Leiter Fachbereich I – Umweltplanung und<br />
Nachhaltigkeitsstrategien des Umweltbundesamtes)<br />
sowie Tim Hartmann (Vorsitzender<br />
des Vorstands der enviaM) in einer Podiumsdiskussion.<br />
Die Moderation übernahm Wirtschaftsjournalistin<br />
Dr. Ursula Weidenfeld.<br />
Während der Veranstaltung wurden auch<br />
die Teilnehmer zum Thema Netze befragt. Die<br />
Ergebnisse der von enviaM gemeinsam mit<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> durchgeführten Befragung<br />
werden in W+M Kompakt November<br />
veröffentlicht und sind zudem zu finden auf:<br />
www.WundM.info/Energiekonvent.pdf W+M<br />
Gastgeber Tim Hartmann begrüßte die<br />
mehr als 300 Gäste.<br />
Jens Büchner, Geschäftsführer der E-Bridge<br />
Consulting GmbH, während seines Vortrags.<br />
Das Publikum sparte nicht mit Beifall.<br />
enviaM-Vorstandschef Tim Hartmann mit<br />
W+M-Verleger Frank Nehring und Jörg Winkler,<br />
W+M Sachsen, (v. l.).<br />
Foto: XXX Michael Setzpfandt<br />
Das Podium des Energiekonvents.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
58 | W+M NETZWERK<br />
VBKI-Sommerfest der Wirtschaft <strong>2015</strong><br />
BERLINS SCHÖNSTE UND<br />
WICHTIGSTE PARTY<br />
Beim diesjährigen Sommerfest der Wirtschaft feierten mehr als<br />
1.000 Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft<br />
im Kronprinzenpalais eine ausgelassene Party und<br />
nutzten die Gelegenheit, um in entspannter Atmosphäre miteinander<br />
ins Gespräch zu kommen.<br />
Neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller konnte der<br />
VBKI unter anderem Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft und Technologie,<br />
Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt,<br />
Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, und Ramona<br />
Pop, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus,<br />
begrüßen.<br />
Die Auktion des Abends brachte einen Erlös von über 40.000 Euro,<br />
welche dem VBKI-Projekt „Sport macht Schule“ zugutekommen.<br />
<br />
W+M<br />
VBKI-Präsident Markus Voigt (r.) eröffnete das Sommerfest im<br />
Beisein des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (l.).<br />
Im Blitzlichtgewitter:<br />
Innensenator<br />
Frank Henkel und<br />
Lebensgefährtin<br />
Kathrin Bernikas.<br />
Gute Unterhaltung<br />
für die<br />
Gäste: Fotoshooting<br />
ohne<br />
Fotografen.<br />
Wiedersehen unter Freunden: Der Regierende Bürgermeister<br />
Michael Müller (l.) traf seinen Amtsvorgänger Klaus Wowereit (r.).<br />
Wurde für sein langjähriges Engagement für den VBKI geehrt:<br />
Geschäftsführer Udo Marin.<br />
Fotos: Eva Ortwig (oben rechts, oben links), Dominic Blewett<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
GESELLSCHAFT XXX | 59<br />
25-jähriges Verbandsjubiläum<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
BIOTOP FÜR FEIERNDE<br />
UNTERNEHMER<br />
Starke Frauen: Die Unternehmerinnen des UV Brandenburg-Berlin.<br />
Unter dem Motto „WillkommenWirtschaftsWunder“ beging der<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V. am 25. September<br />
sein 25-jähriges Bestehen. Der Unternehmerverband hatte<br />
in die Biosphäre Potsdam geladen, um auf erfolgreiche Jahre zurückzuschauen<br />
und dieses Ereignis gebührend zu feiern. Zu den zahlreichen<br />
Gästen des Abends gehörten unter anderem Brandenburgs Wirtschaftsminister<br />
Albrecht Gerber (SPD) und Finanzminister Christian<br />
Görke (DIE LINKE). Zwischen Kabarett- und Tanzeinlagen war für die<br />
etwa 150 Gäste ausreichend Gelegenheit, selbst das Parkett zu erobern<br />
und nebenbei die tropische Vielfalt der Biosphäre Potsdam zu erkunden.<br />
<br />
W+M<br />
Für Show und<br />
Unterhaltung war<br />
bestens gesort.<br />
UV-Präsident<br />
Burkhardt<br />
Greiff begrüßte<br />
die Gäste.<br />
Stimmungsvolles<br />
Ambiente in der<br />
Biosphäre<br />
Potsdam.<br />
Fotos: Stefan Specht<br />
Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (2. v. r.) im Gespräch.<br />
Wirtschaftsminister<br />
Albrecht<br />
Gerber hielt eine<br />
launige Rede.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
60 | W+M NETZWERK<br />
VIERTE TECHNISCHE<br />
REVOLUTION?<br />
Das Interesse der VBIW-Mitglieder war so groß,<br />
dass die Demonstration eines 3D-Druckers an der<br />
Technischen Hochschule Wildau ein zweites Mal<br />
durchgeführt werden musste. Markus Lahr vom<br />
Kreativlabor der Hochschule erläuterte das Wesen<br />
des 3D-Drucks und demonstrierte das Drucken aus<br />
einem Kunststoffdraht. Aber auch Metalle werden<br />
zunehmend als Ausgangsmaterial verwendet.<br />
Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />
3D-gedruckter<br />
gefäßartiger Körper und<br />
kleine siebartige Objekte<br />
mit verschiedenen<br />
Füllgraden.<br />
Hier wurde zur<br />
Anschauung das<br />
Stützmaterial<br />
sukzessive entfernt.<br />
Eigentlich ist es kein Drucken im klassischen<br />
Sinn, resümierte Dr. Bernd<br />
Thomas vom VBIW nach der Veranstaltung.<br />
Vielmehr handelt es sich um<br />
ein additives Fertigungsverfahren. In<br />
der Literatur wird es Schmelzschichten<br />
oder Sprühkompaktieren und international<br />
FDM (Fused Deposition Modeling)<br />
genannt. Hauptsächlich werden Kunststoffe<br />
als Draht zugeführt, aufgeschmolzen<br />
und durch eine Düse schichtweise<br />
aufgetragen. Die Düse kehrt numerisch<br />
gesteuert zyklisch an dieselbe Stelle zurück,<br />
nur etwas höher, um zu dem bereits<br />
aufgetragenen Material noch etwas<br />
hinzuzufügen. Es überraschte, dass die<br />
folgende Naht auch – wie im Bild zu sehen<br />
– bis zu einem gewissen Grad versetzt<br />
aufgetragen werden kann, um so<br />
hinterschnittene Partien oder Hohlräume<br />
zu erzeugen, jedoch sind bei größerem<br />
Versatz der Naht Stützkörper erforderlich,<br />
die später abgetrennt oder mit einer<br />
Lauge abgelöst werden. Die Stützkörper<br />
muss der 3D-Drucker vor dem<br />
eigentlichen 3D-Druck aufbauen. Dabei<br />
können Sollbruchstellen zwischen dem<br />
Supportmaterial und dem 3D-Objekt vorgesehen<br />
werden, damit dieses nach erfolgreichem<br />
3D-Druck leicht weggebrochen<br />
werden kann. Es ist dann Abfall, der<br />
aber vergleichsweise minimal ist.<br />
Seit der Antike werden Metalle gegossen,<br />
aber jetzt gibt es zum ersten Mal ein<br />
Urformverfahren, das ohne aufwändige<br />
Gießformen auskommt. Spritzguss- oder<br />
Druckgussformen sind<br />
sehr teuer; ihre Kosten<br />
liegen im fünfstelligen Bereich. Daher<br />
kommen sie für einmalige Anwendungen<br />
oder kleine Stückzahlen nicht in Betracht.<br />
Mit der neuen Technologie ist es<br />
jetzt möglich, Ersatzteile leicht herzustellen,<br />
die beispielsweise für die Restaurierung<br />
eines Oldtimers nur einmal gebraucht<br />
werden.<br />
Gesteuert werden die Drucker mittels<br />
CAD*-erzeugter Dateien. Dafür ist ein<br />
CAD-Volumenmodell erforderlich. Im<br />
Internet werden solche Modelle angeboten,<br />
aber das Kreativlabor der Hochschule<br />
bietet Bastlern, Erfindern, Künstlern<br />
und allen Interessierten seine Unterstützung<br />
für eigene Kreationen an.<br />
Eine vierte technische Revolution? Wohl<br />
nicht. Eher ein sich neu herausgebildeter<br />
Zweig der zweiten technischen Revolution.<br />
Rasant breitet sich das Anwendungsspektrum<br />
des 3D-Drucks<br />
aus. Schon werden Prototypen und Modelle,<br />
Anschauungsobjekte, Lehrmittel,<br />
funktionstüchtige Maschinenteile, Souvenirs,<br />
Spielzeug, Prothesen und vieles<br />
mehr gedruckt. Inzwischen werden<br />
kleinere Stückzahlen schon in Serienproduktionen<br />
hergestellt. Und wer weiß, ob<br />
die Entwicklung nicht noch zu größeren<br />
Stückzahlen führen wird, in dem Maße,<br />
wie das Drucken schneller und günstiger<br />
wird.<br />
* CAD ist ein Programm zur rechnerunterstützten<br />
Konstruktion.<br />
Fotos: Rudolf Miethig (VBIW, oben), Rollis Igel/Wikimedia Commons (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
VBIW | 61<br />
TECHNIK AUF DER BUGA<br />
Das spektakulärste Bauwerk der<br />
BUGA im Havelland ist zweifellos<br />
die leicht und schwungvoll wirkende<br />
Weinbergbrücke in Rathenow. Auf ihr<br />
lässt es sich genussvoll vom Weinberg aus<br />
über zwei Havelarme hinweg zum Optikpark<br />
spazieren. Dort steht unter anderem<br />
das elf Meter hohe Brachymedial-Fernrohr.<br />
Das Technikdenkmal wurde 1949–<br />
1953 vom Rathenower Ingenieur Edwin<br />
Rolf konstruiert und gebaut, ist funktionstüchtig<br />
und das größte seiner Art weltweit.<br />
Daneben steht ein Cassegrain-Spiegelteleskop,<br />
in den 30er Jahren vom Astro-Optiker<br />
Alfred Wilke in Falkensee erbaut – auch<br />
ein sehenswertes Exponat.<br />
Am nächsten BUGA-Standort, der Gemeinde<br />
Stölln, überragt das Gedenken<br />
an einen Flugpionier beinahe die Gartenschau.<br />
Am Gollenberg führte Otto Lilienthal<br />
seine Flugversuche mit<br />
dem von ihm konstruierten<br />
Gleiter durch, und hier stürzte<br />
er auch 1896 ab, woraufhin<br />
er seinen Verletzungen<br />
in Berlin erlag. Im Ort selbst<br />
Lilienthals Gleiter mit<br />
Seiten- und Höhenleitwerk,<br />
einer Stange als Rumpf und<br />
Tragflächen.<br />
Größtes Bauwerk der BUGA:<br />
die Weinbergbrücke.<br />
werden im Lilienthal-Centrum Modelle<br />
von Flugapparaten, Versuchseinrichtungen,<br />
historische Fotos und Literatur ausgestellt.<br />
Die Gebrüder Wright bekannten,<br />
dass sie auf Lilienthals Auftriebmessungen<br />
mit verschiedenen Flügelformen aufbauten,<br />
als sie nur sieben Jahre später<br />
einen Motor mit Propeller in einen Gleiter<br />
einbauten.<br />
Rudolf Miethig (VBIW)<br />
TECHNIK IM URLAUB: MEILENSTEINE DER MOBILITÄT<br />
Fotos: Rudolf Miethig (VBIW) (oben), FAHRTRAUM GmbH (unten)<br />
Heute werden Porsche-Fahrzeuge<br />
in Stuttgart und Leipzig produziert.<br />
Ernst Piëch, ein Enkel des Autopioniers<br />
Ferdinand Porsche, stellt in Mattsee<br />
bei Salzburg deren Vorläufer aus, die noch<br />
gar nicht Porsche hießen. Piëch nennt seine<br />
Privatsammlung nicht Museum, sondern<br />
„fahr(T)raum“. „Ein Museum ist tot,<br />
aber meine Oldtimer fahren alle“, argumentiert<br />
er. Und die ersten, oft bahnbrechenden<br />
Konstruktionen seines Großvaters<br />
nennt er „Meilensteine der Mobilität“.<br />
Sie fuhren unter den Namen Lohner, Austro-Daimler,<br />
Steyr und Volkswagen und<br />
schrieben Automobilgeschichte.<br />
Die Exponate führen zurück bis ins Jahr<br />
1901. Ferdinand Porsche war 24 Jahre<br />
alt, als er bei den Lohner-Werken in<br />
Wien Elektromotoren in die Vorderräder<br />
einbaute, wodurch erstmals ein fahrstabiler<br />
Vorderradantrieb und zusätzlich ein<br />
Vierrad-Bremssystem entstand, da sich<br />
der Wagen mit den Nabenmotoren auch<br />
vorn abbremsen ließ. Hinten hatten die<br />
Autos Bremsriemen aus Leder. Bald baute<br />
Porsche Nabenmotoren auch in die<br />
Hinterräder ein – der erste Allradantrieb<br />
war geboren.<br />
Um die Reichweite von Elektroautos zu<br />
verlängern, konstruierte Porsche um<br />
1901 den Lohner-Porsche Mixte, bei<br />
dem ein Benzinmotor den Stromgenerator<br />
antrieb. Anstatt „Mixte“ (französisch<br />
für „gemischt“) sagen wir heute „Hybrid“.<br />
Insofern ist die Besinnung auf Porsches<br />
Konstruktionen der Zeit um 1900<br />
hochaktuell.<br />
Jutta Scheer (VBIW) und<br />
Rudolf Miethig (VBIW)<br />
VBIW – Verein Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />
Landesgeschäftsstelle:<br />
Fürstenwalder Str. 46,<br />
15234 Frankfurt (Oder),<br />
Tel.: 0335 8692151<br />
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />
Internet: www.vbiw-ev.de<br />
Ferdinand Porsche konstruierte für Austro-<br />
Daimler den Prinz-Heinrich-Rennwagen.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
62 | W+M NETZWERK<br />
UV Brandenburg-Berlin/UV Sachsen<br />
STRUKTURWANDEL GEFORDERT<br />
Termine<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
02.11.<strong>2015</strong>, 18:00 Uhr<br />
Potsdamer Gespräche<br />
VCAT Consulting GmbH, August-Bebel-<br />
Str. 26–53, 14482 Potsdam<br />
UV Rostock<br />
12.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />
„Warnemünder Gespräche“ mit<br />
Stephan Gustke (Spedition Gustke)<br />
Ringelnatz, Alexandrinenstraße 60,<br />
18119 Rostock-Warnemünde<br />
Die Präsidenten Dr. Burkhardt Greiff und Hartmut Bunsen (Mitte) unterzeichneten die Erklärung.<br />
UV Vorpommern<br />
UV Vorpommern<br />
BRANCHENTAG TOURISMUS<br />
Der Spreewald ist bei Touristen beliebt.<br />
Die Qualifizierung des Strukturwandels ist<br />
die aktuelle Herausforderung für die Wirtschaftsregion<br />
Lausitz. Dies betonen die<br />
Unternehmerverbände Brandenburg-Berlin<br />
und Sachsen in einer gemeinsamen Erklärung<br />
und verdeutlichen darin, dass dieser<br />
mittelfristig nur mit der Braunkohle erfolgreich<br />
sein könne. „Die Lausitz war und<br />
ist durch Braunkohlegewinnung und -verstromung<br />
geprägt. Einen erneuten Strukturbruch<br />
darf es nicht geben“, heißt es in<br />
dem vom 27. August unterzeichneten Papier.<br />
Beide Unternehmerverbände unterstützen<br />
die Bildung einer von der Wirtschaft<br />
getragenen „Plattform Lausitz“<br />
und wollen diese tragen und mitgestalten.<br />
Die Lausitz brauche eine kompetente,<br />
leistungsfähige, politisch neutrale und<br />
verwaltungsunabhängige Struktur, in der<br />
sich alle Akteure wiederfinden.<br />
Beim dritten Branchentag der regionalen<br />
Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommerns<br />
dreht sich in diesem Jahr alles<br />
um das Thema „Tourismuswirtschaft“.<br />
Dabei richtet sich der Fokus nicht nur<br />
auf Hotels und Gaststätten, sondern<br />
auch auf deren Zulieferer, Reiseveranstalter,<br />
Event- und Festspieldienstleister,<br />
Verkehrsbetriebe und Anbieter aus<br />
dem touristischen Hinterland. Ziel des<br />
Branchentages am 12. November ist es,<br />
Unternehmer der Tourismusbranche zusammenzubringen,<br />
nützliche Inputs fürs<br />
Geschäft zu geben und Handlungsempfehlungen<br />
für Politik und Wirtschaftsförderung<br />
abzuleiten.<br />
12.11.<strong>2015</strong>, 10:00 Uhr<br />
Branchentag Tourismuswirtschaft<br />
Wirtschaftsakademie Nord,<br />
Puschkinring 22a, 17491 Greifswald<br />
UV Sachsen<br />
10.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />
Traditionelles Gespräch mit dem<br />
Oberbürgermeister von Leipzig<br />
Historischer Sitzungssaal der<br />
Deutschen Bank, Martin-Luther-Ring 2,<br />
04109 Leipzig<br />
11.11.<strong>2015</strong>, 9:00 Uhr<br />
Leipziger Personalforum<br />
ZAW Leipzig, Am Ritterschlößchen 22,<br />
04179 Leipzig<br />
14.11.<strong>2015</strong>, 19:00 Uhr<br />
25. Sächsischer Unternehmerball<br />
Hotel The Westin Leipzig,<br />
Gerberstraße 15, 04105 Leipzig<br />
Veränderungen von Themen, Terminen<br />
und Veranstaltungsorten können nicht<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Foto: UV Mecklenburg-Schwerin (oben), Joujou/pixelio.de (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
UNTERNEHMERVERBÄNDE | 63<br />
Fotos: Koslowski (oben), David Müller (unten)<br />
UV Ostdeutschland<br />
POLITIK MUSS HANDELN<br />
Präsidenten der Unternehmerverbände unterzeichnen den Aufruf.<br />
UV Sachsen<br />
ENERGIEMANAGEMENT<br />
Mit einem eigens verfassten Aufruf wenden<br />
sich die Präsidenten der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschlands und Berlins<br />
an alle verbändeangehörenden Unternehmen<br />
sowie die Wirtschaft im Osten<br />
Deutschlands. Darin lehnen sie Gewalt,<br />
Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit konsequent<br />
ab. Gleichzeitig fordern die Verbandsrepräsentanten<br />
ein zügiges und angemessenes<br />
Handeln der Politik auf nationaler<br />
und internationaler Ebene. Aus Sicht<br />
der Wirtschaft brauche es ein deutliches<br />
Bekenntnis zur gezielten Zuwanderung,<br />
schnelle und wirksam zu vollziehende Anerkennungsverfahren<br />
mit der darin enthaltenen<br />
Abschiebung bei Ablehnung und<br />
die Schaffung von Voraussetzungen zur<br />
zügigen Integration Bleibeberechtigter.<br />
UV-Präsident Hartmut Bunsen mit Tanja Listner, Dirk Huth und Sebastian Roß (v. l.) von den<br />
Stadtwerken Leipzig.<br />
Das Thema Energiemanagement stand auf<br />
der jüngsten Veranstaltung des UV Sachsen<br />
mit den Stadtwerken Leipzig im Fokus.<br />
Vorgestellt wurde das webbasierte Energiemanagement-Portal,<br />
das es Unternehmen<br />
ermöglicht, ihren Energieverbrauch genau<br />
einzelnen Anlagen, Einrichtungen und Prozessen<br />
zuzuordnen. Die Leistungen reichen<br />
von der reinen Lastgang-Visualisierung bis<br />
hin zu detaillierten Reports und Verbrauchsanalysen<br />
und befähigen den Nutzer, Energiekosten<br />
vor allem durch die Optimierung<br />
von Prozessen zu senken. Abgerundet wurde<br />
der Abend mit einer Führung durch die<br />
im Mai neu eröffnete Kongresshalle. André<br />
Kaldenhoff, Geschäftsbereichsleiter Congress<br />
Center Leipzig, stellte die vielfältigen<br />
Möglichkeiten für Veranstaltungen vor und<br />
erläuterte architektonische Besonderheiten<br />
wie den Mix aus Historie und Moderne.<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
Unternehmerverband Berlin e. V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: N. N.<br />
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: +49 30 9818500<br />
Fax: +49 30 9827239<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Internet: www.uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />
Präsident: Dr. Burkhardt Greiff<br />
Geschäftsführer: Steffen Heller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />
Tel.: +49 331 8103<strong>06</strong><br />
Fax: +49 331 8170835<br />
E-Mail: potsdam@uv-bb.de<br />
Internet: www.uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Berlin<br />
Französische Str. 12, 10117 Berlin<br />
Tel.: +49 30 2045990<br />
Fax: +49 30 20959999<br />
E-Mail: berlin@uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Cottbus<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: +49 355 22658<br />
Fax: +49 355 22659<br />
E-Mail: cottbus@uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Fürstenwalde<br />
Tränkeweg 13, 15517 Fürstenwalde<br />
Tel.: +49 3361 55630<br />
Fax: +49 3361 556311<br />
E-Mail: fuerstenwalde@uv-bb.de<br />
Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />
Gutenbergstraße 1, 19<strong>06</strong>1 Schwerin<br />
Tel.: +49 385 569333<br />
Fax: +49 385 568501<br />
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />
Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />
Mecklenburg e. V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4<br />
18055 Rostock<br />
Tel.: +49 381 242580<br />
Fax: +49 381 2425818<br />
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />
Internet: www.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Geschäftsführer: Lars Schaller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />
Tel.: +49 341 52625844<br />
Fax: +49 341 52625833<br />
E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />
Internet: www.uv-sachsen.de<br />
Geschäftsstelle Chemnitz<br />
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: +49 371 49512912<br />
Fax: +49 371 49512916<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden<br />
Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />
Semperstraße 2b, 01<strong>06</strong>9 Dresden<br />
Tel.: +49 351 8996467<br />
Fax: +49 351 8996749<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Straße 130, <strong>06</strong>258 Schkopau<br />
Tel.: +49 345 78230924<br />
Fax: +49 345 7823467<br />
Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />
Präsident: Jens Wenzke<br />
c/o IHK Erfurt - Abteilung Standortpolitik<br />
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />
Tel.: +49 361 4930811<br />
Fax: +49 361 4930826<br />
E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />
Internet: www.uv-thueringen.de<br />
Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Geschäftsführer: Thomas Möller<br />
Geschäftsstelle<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: +49 3834 835823<br />
Fax: +49 3834 835825<br />
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />
Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
64 | W+M PORTRÄTS<br />
Rolf Seelige-Steinhoff<br />
HOTELIER DURCH UND DURCH<br />
VISIONÄRE<br />
Rolf Seelige-Steinhoff, der sich aus<br />
pragmatischen Gründen am Telefon<br />
mit Steinhoff meldet und intern<br />
RSSt genannt wird, entstammt einer Unternehmerfamilie<br />
mit umtriebigem Vater,<br />
der gefühlt 180 Tage im Jahr nicht zu Hause<br />
war. RSSt glaubt, dass dies nicht seine<br />
Kindheit, sondern auch den Unternehmer<br />
in ihm prägte. Selbst mit anzupacken<br />
bei symbolischer Bezahlung war von früh<br />
an gang und gäbe, Ehrgeiz schon immer<br />
eine Eigenschaft. Sein Vater und er gründeten<br />
nach der Wende die Seetel Hotels.<br />
Formal schon von Beginn an in alleiniger<br />
Verantwortung, war der Vater stets an seiner<br />
Seite. Im gemeinsamen Arbeitszimmer<br />
wurden die Entscheidungen zu zweit<br />
beraten und gefällt.<br />
STECKBRIEF<br />
Geboren 1963 in Beckum (Westfalen)<br />
studierte Rolf Seelige-Steinhoff in Aachen<br />
Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften.<br />
Statt klassischer Karriere<br />
kam die Wende und der umtriebige<br />
Vater mit einer neuen Idee, die sein<br />
künftiges Leben bestimmen sollte.<br />
Heute ist er ein bekannter Hotelier und<br />
Unternehmer, geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Seetel-Hotelgruppe, zu<br />
der 15 Hotels, Residenzen und Villen<br />
auf Usedom sowie das Bahia de Sol<br />
auf Mallorca gehören. Jüngstes und<br />
aktuellstes Projekt ist das Kaiserstrand<br />
Beachhotel Bansin Mitte, das Ende des<br />
Jahres eröffnet werden soll. Neben<br />
zahlreichen Auszeichnungen erhielt Rolf<br />
Seelige-Steinhoff <strong>2015</strong> den renommierten<br />
Branchenpreis Hotelier des Jahres<br />
und wurde bereits zum zweiten Mal Unternehmer<br />
des Jahres in Mecklenburg-<br />
Vorpommern.<br />
Erst nach dem Tod seines<br />
Vaters 2010 fühlte er sich<br />
bewusst als Unternehmer<br />
gefordert, weil er nun allein<br />
für die tausend Fragen<br />
des unternehmerischen<br />
Alltags Antworten<br />
finden und vermitteln musste.<br />
Das war zwar ungewohnt,<br />
aber er war gut vorbereitet. Heute<br />
sagt er, dass er alles richtig gemacht<br />
hat. Selbstbewusstsein ist aus jedem<br />
Satz herauszuhören.<br />
RSSt ist einer, der immer gewinnen will,<br />
Letzter zu sein, kommt für ihn nicht infrage.<br />
Dazu bekennt er sich ebenso freimütig,<br />
wie zu dem inneren Paradoxon, ein Einzelkämpfer<br />
zu sein, der seine Familie für den<br />
Mittelpunkt und den eigentlichen Rückhalt<br />
für sein Tun empfindet. Er ist ein Vollblutunternehmer,<br />
der für seine Themen brennt<br />
und scheinbar durch nichts aufzuhalten ist.<br />
Gerade ringt er noch mit seinem Neubau<br />
in Bansin, der sich nicht so entwickelt, wie<br />
er es will. Genervt, aber nicht unterzukriegen,<br />
wechselt er Leute aus und motiviert<br />
die Crew zu neuen Leistungen.<br />
Seine Maxime ist klar: „Wenn du nicht von<br />
einer Sache begeistert bist, kannst du es<br />
nicht gut machen. Man darf nie aufgeben,<br />
Unternehmer sind nicht Unterlasser, sondern<br />
unternehmen etwas, auch wenn es<br />
manchmal unmöglich anmutet. Die solide<br />
Ausbildung ist hier wichtig, um richtige<br />
Entscheidungen für richtige Wege zu<br />
finden. Die richtige Reihenfolge lautet: Sei<br />
überzeugt, kämpfe und nutze deine Ausbildung!“<br />
RSSt wird bescheinigt, dass er seinem<br />
Sternbild Skorpion in vielen Facetten genau<br />
entspricht. Auch dazu steht er.<br />
Die Seetel<br />
Hotels haben klare<br />
Unternehmenswerte. „Meine Mutter,<br />
meine Schwester, meine Ehefrau und<br />
ich haben uns dazu ein Wochenende zurückgezogen<br />
und das Thema Werte diskutiert.<br />
Im Ergebnis hatten wir gefühlte 98<br />
Prozent Übereinstimmung und nennen unsere<br />
Werte nun Liebe, Respekt und Sinn.<br />
Liebe und Respekt meinen sowohl den<br />
liebevollen wie respektvollen Umgang mit<br />
unseren Gästen, Mitarbeitern, aber auch<br />
mit den Dingen, die uns umgeben. Das<br />
Thema Sinn ist für uns nicht nur die Sinngebung<br />
unseres Tuns, sondern auch der<br />
Umgang mit den Sinnen. Das passt natürlich<br />
für uns als Dienstleister und Gastronomen<br />
in besonderer Weise. Das Wertedreieck<br />
ist auch Maßstab für die Bewertung<br />
unserer Mitarbeiter. Wir haben aber auch<br />
Mitarbeiter, die als Wertebotschafter tätig<br />
sind und in besonderer Weise auf die<br />
Umsetzung unserer Firmenkultur achten.“<br />
Zusammenfassend betont RSSt: „Ich habe<br />
das Unternehmergen in mir, vielleicht habe<br />
ich es geerbt oder es wurde mir anerzogen,<br />
jedenfalls brenne ich für das, was ich<br />
tue. Das ist mein Erfolgsrezept.“<br />
Frank Nehring<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
MACHER<br />
W+M PORTRÄTS | 65<br />
Professor Dr. Georg Prinz zur Lippe<br />
WINZER UND MEHR<br />
Foto: Weingut Schloss Proschwitz/Christoph Busse<br />
Der Prinz hatte eigentlich seinen Weg<br />
gefunden. Aus gutem Hause kommend,<br />
exzellent ausgebildet, als<br />
Unternehmensberater von Roland Berger<br />
zusätzlich geadelt, mit respektablem<br />
Einkommen, der teuren Penthouse-Wohnung<br />
in München und vielen Perspektiven<br />
für eine klassische Karriere, stand ihm<br />
die ganze Welt offen. Doch dann kam die<br />
Wende und die Familie überlegte nicht lange,<br />
das Weingut „Schloss Proschwitz“<br />
wieder in den Familienbesitz zurückzuholen.<br />
Das ging nur über einen Rückkauf und<br />
viele bürokratische Hürden, die gemeistert<br />
werden mussten. Prinz Georg war dafür<br />
der richtige Mann, auch wenn das so eigentlich<br />
nicht in seiner Lebensplanung vorgesehen<br />
war. Der umtriebige Prinz legte<br />
mit dem ihm eigenen Elan los und startete<br />
1990 das Projekt Rückkauf. Das war<br />
dem Tausendsassa aber nicht genug. Die<br />
Promotion musste noch beendet werden<br />
und ein einfacher Rückkauf ohne Strategie<br />
wäre weder klug noch typisch für den einstigen<br />
Roland-Berger-Mann. Das heruntergekommene<br />
Weingut sollte etwas Besonderes<br />
werden. Und das wurde es auch.<br />
Heute ist es der größte Weinbaubetrieb in<br />
Ostdeutschland. Parallel dazu wurde auch<br />
das zu DDR-Zeiten als Kinderheim genutz-<br />
te Schloss Proschwitz zurückerworben<br />
und kräftig<br />
saniert.<br />
Professor Dr. Georg Prinz<br />
zur Lippe ist ein angenehmer<br />
Gesprächspartner, der<br />
zuhören kann und trotz seines<br />
komplizierten Titelgebildes<br />
in der Lage ist, einem schnell mögliche<br />
Hemmungen zu nehmen. „Sagen<br />
Sie einfach Prinz Georg zu mir.“ Nur Georg<br />
ist zu nah, die offizielle Langform zu<br />
distanziert. Der Prinz ist ein Menschenfänger,<br />
er gewinnt schnell die Sympathien<br />
seiner Gegenüber. Man sieht ihm sein<br />
Interesse an Menschen regelrecht an und<br />
glaubt es ihm auch. Die Weinbauern aus<br />
Proschwitz, die zumeist schon zu DDR-Zeiten<br />
dort arbeiteten, wissen das sehr wohl<br />
zu schätzen. Als Diplom-Agraringenieur ist<br />
er der Richtige für den Weinbau und als<br />
Wirtschaftswissenschaftler weiß er auch,<br />
dass dies nicht alles ist, um erfolgreich zu<br />
sein. Und außerdem ist er neugierig, interessiert<br />
sich für alle möglichen Themen mit<br />
wirtschaftlichen Perspektiven. Deshalb ist<br />
er auch permanent unterwegs. Er ist immer<br />
noch beratend tätig, mal als Unterstützer<br />
für neue Ideen, mal als Vermögensverwalter.<br />
Da bleiben fürs Weingut maximal 50<br />
Prozent, aber das muss genügen.<br />
Was treibt so einen Unternehmer wie ihn,<br />
was prägt ihn? Sicher die Herkunft und<br />
die Erziehung. So gab es von der Familie<br />
20.258 D-Mark mit den besten Wünschen,<br />
damit Studium und Leben und Zukunft<br />
zu bestreiten. Und schon wurde noch<br />
während des Studiums ein erstes Unternehmen<br />
gegründet. Sehr wahrscheinlich<br />
prägte ihn auch seine Tätigkeit als Unternehmensberater,<br />
die er allerdings diffe-<br />
renziert betrachtet. „Unternehmensberater<br />
kennen keine Demut“, das konnte der<br />
Prinz nicht mit sich vereinbaren. Demut,<br />
Achtung und Respekt gegenüber anderen<br />
Menschen und ihren Leistungen, das sind<br />
wichtige Anker in seiner Wertewelt. Zu seinen<br />
Maximen gehört es, kreativ zu sein,<br />
keine Angst vor Neuem zu haben und doch<br />
etwas Nachhaltiges zu tun. So ein Weingut<br />
braucht kreative Ideen, um heute im Markt<br />
zu bestehen. Nur vergangenen Zeiten hinterherzuschauen,<br />
bringt keinen wirtschaftlichen<br />
Erfolg. Und was gibt es Nachhaltigeres<br />
als einen Weinstock zu setzen und sich<br />
auf das Glas Wein zu freuen.<br />
Frank Nehring<br />
STECKBRIEF<br />
Georg Prinz zur Lippe wurde 1957 in<br />
Schweinfurt als jüngstes von sieben<br />
Kindern geboren. Die Familie stammt<br />
ursprünglich aus dem Fürstentum Lippe<br />
und siedelte sich vor 250 Jahren in<br />
Sachsen an. Der Vater besaß landwirtschaftliche<br />
Unternehmen und Industriebeteiligungen<br />
in Sachsen, darunter<br />
auch das Weingut Schloss Proschwitz.<br />
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die<br />
Familie entschädigungslos enteignet.<br />
Der Prinz studierte Agrar- und Betriebswirtschaft<br />
in Bonn und Weihenstephan.<br />
Fast parallel zum anschließenden Aufbaustudium<br />
zum Wirtschaftsingenieur<br />
begann seine Tätigkeit als Unternehmensberater<br />
für die Münchener Unternehmensberatung<br />
Roland Berger.<br />
Drei Jahre später im Jahr 1989 wurde<br />
er Deutschland-Chef einer japanischen<br />
Personalagentur. Dann kam die Wende<br />
und ein neuer Lebensabschnitt.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
66 | W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />
GESUNDHEIT – EIN GESCHÄFT<br />
FÜR VIELE BRANCHEN<br />
Die Gesundheitswirtschaft erlebt<br />
in den neuen Ländern einen ungekannten<br />
Aufschwung. Das liegt<br />
unter anderem an einem gewachsenen<br />
Gesundheitsbewusstsein der heutigen<br />
Generationen, der deutlich gestiegenen<br />
Lebenserwartung der Bevölkerung und<br />
der daraus resultierenden Tatsache, dass<br />
wesentlich mehr Menschen als noch vor<br />
15 oder 20 Jahren im Alter gepflegt werden<br />
müssen. Darüber hinaus ist der Osten<br />
ein beliebtes Ziel für Gesundheitstouristen<br />
und betuchte Patienten aus Russland<br />
oder der arabischen Welt. Von diesem<br />
Boom profitieren bei weitem nicht<br />
nur Krankenhäuser und Reha-Kliniken.<br />
Auch die Pharma- und Heilmittelindustrie,<br />
die Medizintechnik-Branche,<br />
Logistik- und Krankentransportunternehmen<br />
sowie Krankenkassen<br />
und -versicherungen. In unserem<br />
Titelthema zeigen wir auf,<br />
wie stark die Gesundheitswirtschaft<br />
in den neuen Bundesländern aktuell ist.<br />
Im abschließenden Teil unserer Serie<br />
„Land der Wunder“ beleuchten wir den<br />
wirtschaftlichen Aufbruch, den Berlin in<br />
den vergangenen 25 Jahren vollzogen<br />
hat. Die Stadt an der Spree zählt heute<br />
zu den populärsten europäischen und<br />
internationalen Metropolen. Doch neben<br />
dem Tourismus machen auch Industrie<br />
und Handwerk sowie die vitale Startup-Szene<br />
von sich reden. Im exklusiven<br />
€<br />
W+M-Interview: Berlins Regierender<br />
Bürgermeister Michael Müller (SPD).<br />
Darüber hinaus lesen Sie wie gewohnt<br />
interessante Beiträge aus den Ländern<br />
und der Politik sowie einen ausführlichen<br />
Ratgeberteil.<br />
Die nächste Ausgabe von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />
10. Dezember <strong>2015</strong>.<br />
PERSONENREGISTER<br />
Bauer, Antje 8<br />
Becker, Ramona 55<br />
Benz, Thomas 57<br />
Berger, Roland 65<br />
Bernikas, Kathrin 58<br />
Blutner, Friedrich E. 6<br />
Bohn, Jürgen 21<br />
Bormann, Michael 50<br />
Brinker, Werner 18<br />
Büchner, Jens 57<br />
Buchter, Heike 54<br />
Bunsen, Hartmut 56, 62, 63<br />
Claussen, Moritz 55<br />
Deiß, Wolfgang 48/49<br />
Diestel, Peter-Michael 7<br />
Drischmann, Jörg 55<br />
Dulig, Martin 8<br />
Elisabeth II. 14<br />
Enck, Thomas 10/11<br />
Ferriss, Timothy 54<br />
Finger, Bodo 8<br />
Frenzel, Bettina 55<br />
Geisel, Andreas 58<br />
Gerber, Albrecht 59<br />
Gerlach, Ron 13<br />
Gleicke, Iris 34<br />
Görke, Christian 59<br />
Grandjean, Andrea 55<br />
Grebe, Rainald 24<br />
Greiff, Burkhardt 59, 62<br />
Gürth, Marlon 19<br />
Gürth, Sven 19<br />
Gustke, Stephan 62<br />
Hartmann, Tim 56, 57<br />
Haseloff, Reiner 56<br />
Helmsdorf, Uwe 6<br />
Henkel, Frank 58<br />
Herrmann, Bernd 55<br />
Höhn, Uwe 21<br />
Howe, Michael 54<br />
Huth, Dirk 63<br />
Kahnemann, Daniel 54<br />
Kaldenhoff, André 63<br />
Kammann, Rolf 16<br />
Kastirr, Wolfgang 6<br />
Köhler-Repp, Dagmar 15<br />
Kolat, Dilek 58<br />
Kuba, Karl 16/17<br />
Kugler, Horst 6<br />
Kuhlmann, Andreas 57<br />
Kvarics, Christiane 55<br />
Lafontaine, Oskar 7<br />
Lahr, Markus 60<br />
Lehmann, Harry 57<br />
Lehmann, Robert 36<br />
Leonhardt, Katrin 48/49<br />
Listner, Tanja 63<br />
Lukasson, Markus Georg 55<br />
Machnig, Matthias 21<br />
Mallison, Robert 55<br />
Marin, Udo 58<br />
Metzner, Martin 15<br />
Meyer, Holger 49<br />
Miedaner, Talane 54<br />
Militzer, Michael 26<br />
Möller, Thomas 6<br />
Mörer-Funk, Axel 48/49<br />
Mulfinger, Klaus-Jörg 30/31<br />
Müller, Andreas 6<br />
Müller, Dirk 54<br />
Müller, Felix 14<br />
Müller, Hans-Jürgen 6<br />
Müller, Michael 58, 66<br />
Müller, Otto-Johannes 6<br />
Müller, Robert 14<br />
Müller, Ulrich 18<br />
Neumann, Karl-Thomas 26<br />
Neumann, Oliver 55<br />
Pätz, Reinhard 10/11<br />
Piëch, Ernst 61<br />
Piëch, Ferdinand 14<br />
Pitschel, Albrecht 6<br />
Pop, Ramona 58<br />
Prinz zur Lippe, Georg 65<br />
Quilitz, Christian 55<br />
Ragnitz, Joachim 33, 34, 36<br />
Ramelow, Bodo 22-24<br />
Ramthun, Jürgen 16<br />
Reinholz, Jürgen 21<br />
Reizel, Michael 51<br />
Rodestock, Bodo 56<br />
Roß, Sebastian 63<br />
Rummenigge, Karl-Heinz 14<br />
Schindler, Klaus 27<br />
Schultz, Hans-Jürgen 21<br />
Schulz, Anne 7<br />
Schulz, Martin 23<br />
Schuster, Franz 21<br />
Schweitzer, Axel 47<br />
Schweitzer, Eric 46/47<br />
Seelige-Steinhoff, Rolf 64<br />
Seidel, Horst 54<br />
Siegesmund, Anja 42<br />
Stolze, Hans-Jörg 19<br />
Streil, Stefan 55<br />
Thomas, Bernd 60<br />
Tiefensee, Wolfgang 21<br />
Trautvetter, Andreas 22<br />
Vance, Ashlee 54<br />
Varoufakis, Yanis 54<br />
Voglmaier, Anton 55<br />
Voigt, Markus 58<br />
von Förster, Götz-Albrecht 55<br />
Weidenfeld, Ursula 57<br />
Werner, Holger 11, 55<br />
Woidke, Dietmar 56<br />
Wowereit, Klaus 58<br />
Yzer, Cornelia 43, 58<br />
Foto: Valentina R/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2015</strong>
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