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Die Stadt im 21. Jahrhundert - Klassenkampffeld im Wandel

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Ästhetik des Widerstandes<br />

<strong>Die</strong> Stellung der ArbeiterInnen <strong>im</strong> Betrieb und<br />

<strong>im</strong> Büro hatte – respektive hat – auf ihr Klassenbewusstsein<br />

einen wesentlichen Einfluss. Das Produktionswissen,<br />

insbesondere dasjenige der FacharbeiterInnen,<br />

war die materielle Grundlage für die,<br />

<strong>im</strong> revolutionären Prozess erhobene Forderung der<br />

Übernahme der Produktionsmittel, die Selbstverwaltung<br />

und Enteignung der KapitalistInnen. Wenn<br />

Wissen und Ausführung zusammen kommen und<br />

daher überblickbar sind, und das waren die realen Erfahrungen<br />

des revolutionären Subjekts, dann entsteht<br />

auch Bewusstsein darüber, wie eine revolutionäre Alternative<br />

aussehen kann. Nämlich die in der Betriebsrealität<br />

angelegten Möglichkeiten einer Übernahme<br />

der Produktion und die Machtübernahme durch das<br />

Proletariat. Auch quantitativ war der Anteil der in der<br />

Industrie beschäftigten ArbeiterInnen am Proletariat<br />

gross. So gross, dass sie auch Träger einer eigenen<br />

ArbeiterInnenkultur und Lebensweise waren, die ihr<br />

Selbstbewusstsein als Klasse weiter festigte. <strong>Die</strong>ses<br />

revolutionäre Selbstverständnis der ArbeiterInnenklasse<br />

fand in der Räterepublik ihren politischen<br />

Ausdruck.<br />

Verändern sich die Formen der Mehrwertproduktion,<br />

verändert sich die Zusammensetzung der<br />

Klasse und ihr Selbstverständnis. <strong>Die</strong> Widerspruchserfahrung<br />

wird anders geprägt, Klassenbewusstsein<br />

dementsprechend strukturiert, die Fronten der Klassenkämpfe<br />

verbreitert. Denn das verschärfte System<br />

der Kapitalverwertung hat den Drang, in alle gesellschaftlichen<br />

Nischen einzudringen und alle individuellen<br />

wie kollektiven Äusserungsformen nach dem<br />

Bedürfnis der Kapitalakkumulation zu best<strong>im</strong>men.<br />

<strong>Die</strong> Tertiarisierung, also das stetige Wachsen des<br />

<strong>Die</strong>nstleistungssektors, hat vehementen Einfluss auf<br />

die demographische und soziale Struktur der <strong>Stadt</strong>.<br />

Weniger gut Betuchte oder jene, welche <strong>im</strong> industriellen<br />

Sektor arbeiten, können sich den Wohnort <strong>Stadt</strong><br />

kaum mehr leisten und werden an den <strong>Stadt</strong>rand oder<br />

in die Agglomeration gedrängt. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch<br />

in den Pendlerströmen, welche auf einen markanten<br />

Anstieg der Reisenden vom Land in die <strong>Stadt</strong> verweisen.<br />

Es zeigt sich also, die <strong>Stadt</strong> als Wohnort ist rar<br />

geworden. Wo gearbeitet wird, wird nicht mehr gewohnt.<br />

Nur noch wenig erinnert an das fordistische<br />

Modell, in dem Wohn- und Arbeitsort identisch waren<br />

und sich ganze quartierähnliche Gemeinschaften<br />

bildeten, die demselben Unternehmen angeschlossen<br />

waren. Nicht, dass dies zu verherrlichen wäre, jedoch<br />

führt der neue Querschnitt der <strong>Stadt</strong>bewohnerInnen<br />

zur Frage, wo denn das revolutionäre Subjekt <strong>im</strong><br />

Sinne der ArbeiterInnenklasse zu finden ist, wenn<br />

es sich offenbar nicht mehr in gewissen städtischen<br />

Quartieren ballt.<br />

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