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Schlesischer Gottesfreund

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Geistliches Wort 18<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Noch siebzig Tage<br />

bis Ostern S. 18<br />

BEITRÄGE<br />

Was bedeutet mir Schlesien S. 19<br />

Erinnerungen S. 20<br />

NOCH SIEBZIG TAGE BIS OSTERN !<br />

Immer, so weit ich zurückdenken kann, haben fremde,<br />

klangvolle Worte für mich einen geheimnisvollen Reiz<br />

gehabt, lange ehe ich sie verstand, ja wohl auch deshalb,<br />

weil ich sie nicht verstand: ich konnte mich am<br />

Zusammenklang von Vokalen und Konsonanten freuen,<br />

wie an den Harmonien einer guten Musik, konnte versuchen<br />

sie nachzusprechen - „buchstabieren“ ist sicher ein zu<br />

schwaches, zu nüchternes Wort. Sep-tu-a-ge-si-mae , Sexagesi-mae,<br />

E-sto-mi-hi : diese drei Worte aus dem Kirchenjahr<br />

mögen für viele andere klingende, anfangs fremde und<br />

meist unverstandene, für mich „schöne“ Worte stehen.<br />

Ihr Zauber verschwand, als ich sie als Vokabeln einer<br />

Fremdsprache, hier: Latein, zu lernen hatte, zu übersetzen<br />

verstand. Nüchtern wurden sie, trocken; in meinen Beispielen:<br />

Zahlworte, der siebzigste, der sechzigste ..., eingeordnet<br />

in Sachzusammenhänge, in historische, philosophische,<br />

theologische Systeme. Nur der Klang blieb noch, die<br />

Sprach-Schönheit solcher Worte, und die Aufgabe, ihr im<br />

Aussprechen gerecht zu werden.<br />

Bis, lange Zeit später, bei dem einen oder anderen dieser<br />

Worte, der Zauber, besser sage ich: ihr Geheimnis wieder<br />

zurückkehrte. Von einem dieser Worte voller Geheimnis<br />

möchte ich Ihnen erzählen.<br />

Geheimnisse sind keine Rätsel. Rätsel kann man lösen,<br />

und mit ihrer Lösung sind sie abgetan. Geheimnisse aber<br />

werden nur immer größer, immer wunderbarer, immer zauberhafter,<br />

je tiefer wir in sie hineinsteigen, bis sie in uns<br />

selber geheimnisvoll strahlen und funkeln und leuchten, ein<br />

Teil von uns selber werden, oder vielmehr: wir ganz in sie<br />

eintauchen.<br />

Septuagesimae: das lateinische Wort ist der Name des<br />

ersten Sonntages nach der Epiphaniaszeit, nach dem Ende<br />

also des Weihnachtsfestkreises und im Übergang zur Passionszeit.<br />

Aber welch ein wunderbarer Übergang!, ich bin<br />

darüber ins Staunen gekommen, und dieses Staunen hält<br />

an, über viele Jahre schon.<br />

Septuagesimae: das Wort ist ein Zahlwort, „der siebzigste“,<br />

und es bezeichnet den 70. Tag vor Ostern. Ich aber<br />

übersetze es ein wenig anders: NOCH SIEBZIG TAGE<br />

BIS OSTERN ! Mit einem Ausrufungszeichen dahinter.<br />

NOCH SIEBZIG TAGE BIS OSTERN ! Was hier geschieht,<br />

ist doch dieses: hier wird vom Weihnachtsfestkreis<br />

zum Osterfestkreis, von der Geburt Jesu zu seiner Auferstehung<br />

hin ein großer Bogen geschlagen, eine Brücke<br />

gleichsam, deren eine Pfeiler das Weihnachtsfest ist, und<br />

der andere Pfeiler das Osterfest.<br />

Wer bewahren will, muß<br />

Veränderungen gestalten S. 23<br />

Einer Hundertjährigen<br />

zum Geburtstag S. 24<br />

Bescheiden - aber ein Anfang<br />

ist gemacht! S. 25<br />

BUCHEMPFEHLUNG S. 28<br />

VERANSTALTUNGEN S. 30<br />

AUS DER LESERGEMEINDE S. 31<br />

AUSSTELLUNG S. 32<br />

Und was über-brückt diese Brücke? Sie überbrückt die<br />

Passionszeit. Die liegt dazwischen, wie ein Tal, vielleicht<br />

gar wie ein Abgrund. Die Passionszeit führt, im Leben<br />

Jesu, über sein Erwachsenwerden, seine Berufung, sein<br />

Predigen, Helfen, Heilen, durch seinen Alltag hindurch und<br />

hinein in sein Leiden, in sein Sterben, bis hin in die<br />

Gottesverlassenheit am Kreuz.<br />

Es ist wie bei uns allen: wir müssen hindurch durch dieses<br />

Tal, das wir unser Leben nennen, Alltage und Festtage,<br />

Arbeit und Freuden, Hoffnungen und Enttäuschungen,<br />

Lieben und Leiden, Hilfe erfahren und Hilfe geben, und am<br />

Ende allemal: daß wir sterben müssen; am Ende allemal der<br />

Abgrund: unser Tod.<br />

Septuagesimäe: das Brücken-Wort. Das Wort, das uns -<br />

vorweg schon, als eine wunderschöne Verheißung, als ein<br />

Vorgriff und Ausblick - über alle Täler und Abgründe,<br />

Mühen und Plagen, Lieben und Hoffen, auch alles<br />

Versagen in vielerlei Schuld hinaus und hinweg trägt:<br />

NOCH SIEBZIG TAGE BIS OSTERN !<br />

Gleichviel, ob nur noch oder immer noch siebzig Tage<br />

- die Zahl ist nach uralter Tradition Symbol für die Vollzeit<br />

des Lebens - : dieses Wort, Septuagesimae, trägt hinüber.<br />

Nicht ist der Weg, so schwer und bitter, gar unerträglich<br />

und schier aussichtslos er manchem und manchmal scheinen<br />

mag, ist schon alles; nicht der Tod in Schuld und<br />

Gottesferne ist das Ziel unseres Lebens, sondern Ostern,<br />

die Auferstehung in die Lebensgemeinschaft mit Gott hinein.<br />

Das ist das Wunder, das Geheimnis, das Evangelium<br />

dieses Wortes.<br />

In diesem Jahr hat der 31. Januar diesen Namen; da<br />

wird diese Ausgabe des „<strong>Gottesfreund</strong>es“ in Ihren Händen<br />

sein. Vielleicht, daß Sie dieses Wort einmal nachbuchstabieren,<br />

mehr aber seiner wundervollen Verheißung nachsinnen.<br />

Und ich will Ihnen dazu noch einen Liedvers erinnern,<br />

Eleonore Fürstin Reuß hat ihn geschrieben:<br />

O das ist sichres Gehen<br />

durch diese Erdenzeit:<br />

nur immer vorwärts sehen<br />

mit sel`ger Freudigkeit.<br />

Wird uns durch Grabeshügel<br />

der klare Blick verbaut,<br />

Herr, gib der Seele Flügel,<br />

daß sie hinüberschaut.<br />

(EG Nr. 63)<br />

Septuagesimae: NOCH SIEBZIG TAGE BIS OSTERN !<br />

Dietmar Neß �

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