ZOO:M OK Ausgabe 9/10/2015

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›› Humor DIE REALITÄT IST SATIRE GENUG RHEINBAHN INTIM – DEM VOLK „AUFS MAUL GESCHAUT“ Düsseldorfs whistleblower der Tarifzone A, weiß worüber menschen in der rheinbahn sprechen Sicher ist es jedem schon einmal passiert: man fährt mit der Bahn, der Tram oder dem Bus und wird förmlich in ein Gespräch von Fremden hineingezogen. Denn sie reden so laut, dass es unmöglich ist, nicht zuzuhören. Und was manche Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln so alles erzählen, das ist doch häufig zum Schmunzeln. Das hat auch Erkan Dörtoluk erkannt, denn er hört genau zu, wenn sich Menschen lautstark in der Rheinbahn unterhalten. Er zückt sein Smartphone und notiert sich, was die Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche auf ihrer Fahrt von A nach B erzählen. Die lustigsten, skurrilsten und peinlichsten Statements der Fahrgäste veröffentlicht er im Internet auf Twitter und Facebook unter dem Namen „Rheinbahn intim“. Ein Stau brachte alles ins rollen Alles begann damit, dass sich der 42-jährige Event- Fotograf darüber ärgerte, ständig mit dem Auto im Stau zu stehen. Also entschied er sich, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Eines Abends stand auch die Linie 712 im Stau. In der sommerlichen Hitze verstummten langsam alle Gespräche in der stickigen Luft der Straßenbahn. „Nur zwei ältere Damen lästerten ziemlich laut über ihre Familien“, sagt Dörtoluk. Ihm fiel auf, dass einige andere Fahrgäste auch über das Gespräch der älteren Frauen schmunzeln mussten. „Ich habe rein instinktiv mein Handy gezückt und mitgetippt“, so der Fotograf. Erst habe ich die Gesprächsfetzen auf meinem privaten Facebook-Account gepostet. Viele Freunde fanden das witzig, so war die spontane Idee zu der Twitterseite „Rheinbahn intim“ geboren. Sex ist Thema nummer eins bei den bahngesprächen Die Idee kommt an, immerhin folgen über 8.790 Menschen „Rheinbahn intim“ auf Twitter. Doch um viele Follower, Likes oder Retweets gehe es ihm nicht. Was er möchte, ist es Menschen zum Nachdenken zu bringen über Schubladendenken und Datenschutz. Natürlich sollen die Statements, auch den ein oder anderen Lacher ernten. Es sind Miniskizzen, die in 140 Zeichen ein Gespräch darstellen. Den Sprecher skizzieren, seine Sprache sichtbar machen. „Das erdachte Alter und der Name sind die finalen Pinselstriche der Tweets, so kann sich jeder die Person vorstellen“, sagt Dörtoluk. Natürlich bediene es auch Klischees, aber es gäbe einfach Unterschiede zwischen den Milieus. So spreche eine Chantelle eben anders als eine Ann-Kathrin. Doch egal ob alt oder jung, arm oder reich, Mann oder Frau das Top-Thema schlecht hin ist: Fortpflanzung. „Es geht immer darum, wer mit wem usw.“, so Dörtoluk. Doch wer den Eindruck hat, Erkan Dörtoluk belauscht Menschen in Bus und Bahn, hat weit gefehlt. „Es sind die Gespräche, in die man regelrecht hineingezogen wird, wenn man nicht selbst tief in den eigenen Gedanken vergraben ist“, beschreibt es Dörtoluk. Es überrascht ihn immer wieder, über was die Menschen alles in der Straßenbahn reden und nicht leise, sondern so, dass die anderen Fahrgäste gezwungen sind, alles mitzuhören. Neben Sex, geht es häufig auch um Arbeit, Schule und Konsum. braucht man Datenschutz nur im internet? Immer wieder ist der Fotograf überrascht, was die Menschen in der Bahn ausplaudern. Denn im Internet ist jeder um seine Daten besorgt, aber dort macht sich wohl niemand Sorgen, um die privaten Gespräche. „Es existiert wohl einfach kein Bewusstsein für Datenschutz im Alltag“, sagt Dörtuluk. Allerdings seien es vor allem jüngere Menschen, die besonders offen sprechen. Er erinnert sich noch an eine Zeit, als die Bürger in Deutschland protestiert haben, weil Daten für die Volkszählung erhoben werden sollten. Die Menschen gingen mit Sprüchen wie: „Wir sind keine Schafe, die man zählen kann!“ auf die Straße. Heute telefonieren viele Leute hingegen mit dem Smartphone auf Lautsprecherfunktion in den öffentlichen Verkehrsmitteln. in den bahnen gibt es genug gezwitscher Immer, wenn der Fotograf denkt, dass es kein Gespräch gibt, das seine bisherigen Tweets toppen könnte, wird er eines Besseren belehrt. „Es braucht keine Satire, die Realität ist Satire genug“, sagt Dörtoluk. Doch an manchen Tagen ist in den Bahnen besonders viel los. Freitagabend steigt der Alkoholpegel stetig und es gehe nur noch um Sex. „Am Montagmorgen werden dann die Dramen des Wochenendes besprochen.“ Der Gesprächsstoff geht wohl nie aus und so ist auch der „Whistleblower der Tarifzone A“, wie sich Dörtoluk selbst nennt, weiter unterwegs, bis zur Stadtgrenze von Düsseldorf. „Denn dahinter werden die Gesprächsthemen uninteressant.“ Zum fünfjährigen Jubiläum von „Rheinbahn intim“ im Februar 2016 kommt ein Buch mit den besten Tweets und Geschichten heraus, die Dörtoluk nicht auf 140 Zeichen kürzen konnte. https://twitter.com/rheinbahn_intim. ■ rh <strong>10</strong> „Es gibt keinen, der wo mal auf den Tisch haut und sagt ‚Jetzt ist aber mal Schluss mit deiner Laktoseintoleranz, Ann-Kathrin!’“ (Elke, 50) „Wenn Sofia das Abi schafft, kriegt die neue Titten von ihren Eltern geschenkt.“ (Paul, 18)
„Alle Leute, wo ein hässliches Foto von dir liken, sind deine echten Freunde. Die wissen, wie du wirklich in dir drinnen bist.“ (Sarah, 16) „Die Zeiten wo auf den Fahrplänen stehen sind eh nur Anhaltspunkte...“ (Ricky, 19) „Wenn seine Oma diese Woche noch stirbt, müssen wir an Weihnachten nicht dahin. Das wäre echt cool, wegen der Party von Esther.“ (Mia, 21) ›› Humor „Wenn ich die E-Mail heute noch wegschicke, dann hat er sie spätestens morgen.“ (Willi, 70) „Die Merkel soll mal mit der Straßenbahn fahrn, da weisse hinterher aber, was lost ist in Deutschland!“ (Martina, 48) „Noch ein falsches Wort und ich schwör, ich mach ‚Beziehung ist schwierig‘ auf Facebook!“ (Leyla, 17) „Ich könnte niemals in Düsseldorf wohnen. Da muss man sich ja jeden Tag überlegen, was man anzieht.“ (Annika, 33 „Das ‚Freiheit‘ Tattoo, was der Ralf haben will, ist total sinnlos. Der ist Single und macht IT. Wozu braucht der Freiheit?“ (Stefanie, 40) „Wenn er Bayern-Fan ist, geht er zu 90% fremd.“ „Ich glaube, das ist weniger. 75%, oder so.“ (Sarah, 25, Kira, 23)
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