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<strong>03</strong> 22. 1. <strong>2016</strong><br />
www.motorradonline.de<br />
TOP-TEST<br />
Honda Africa Twin<br />
DIE EXTRAVAGANTE<br />
DUCATI XDIAVEL<br />
Eisiges<br />
Kanada<br />
Motorräder<br />
verschicken<br />
+ + Fahrbericht: Neue<br />
Glühendes<br />
Bolivien<br />
Triumph Speed Triple<br />
+ + Motorrad-Anhänger:<br />
kaufen und beladen<br />
Rallye Dakar:<br />
Warum KTM immer gewinnt<br />
ELEKTRONISCHE FAHRWERKE<br />
Revolution durch Hightech?<br />
Deutschland 3,90 €<br />
Österreich 4,40 € Schweiz 7,70 sFr<br />
BeNeLux 4,60 € Dänemark DKR 43,00<br />
Finnland 5,90 € Griechenland 5,70 € Italien 5,20 €<br />
Slowenien 5,20 € Spanien 5,20 € Kanaren 5,40 €
Premiere<br />
am 23.01.<strong>2016</strong><br />
Die neue CRF1000L Africa Twin.<br />
Das Comeback des Adventure-Bikes.<br />
Bestellen Sie jetzt Ihre Africa Twin und folgen<br />
Sie als Erster dem „Spirit of True Adventure“!<br />
Eine Welt voller Abenteuer beginnt bereits um<br />
die Ecke, bei Ihrem Honda Motorrad Händler.<br />
Africa Twin<br />
Frühbesteller-Aktion!<br />
Die ersten Frühbesteller einer Africa Twin<br />
erhalten einen „RNS Tripmaster XL2“ in einer<br />
exklusiven Sonderedition im Wert von über<br />
500 Euro sowie ein limitiertes Africa Twin Buch<br />
gratis dazu.*<br />
DIE NEUE<br />
Änderungen von technischen Spezifikationen und des Ausstattungsumfangs vorbehalten.<br />
* Nur solange der Vorrat reicht. Übergabe erfolgt bei Fahrzeugauslieferung.<br />
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Z<br />
T<br />
U<br />
H<br />
M<br />
E M A<br />
Brauchen wir<br />
elektronisch geregelte<br />
Fahrwerke?<br />
Chefredakteur Michael Pfeiffer<br />
über Sinn und Unsinn der<br />
Elektronik-Welle im Fahrwerksbau<br />
Elektronische Helferlein sind in der<br />
aktuellen Motorrad-Entwicklung der<br />
große Renner. Traktionskontrolle, kurventaugliches<br />
ABS, Wheelie-Control,<br />
Launch-Control, da ist einiges geboten. Vor<br />
den Federelementen macht die Elektronik<br />
auch nicht halt. Semiaktive Feder- und Dämpfersysteme,<br />
die je nach Verzögerung oder Beschleunigung,<br />
Schräglage oder Bodenwellenfolge<br />
das Setup in Millisekunden neu justieren,<br />
gibt es auch schon zu kaufen. Brauchen wir<br />
das? Und vor allem: Was bringt das?<br />
<strong>MOTORRAD</strong> suchte Antworten, schnappte<br />
sich zwei aktuelle BMW R 1200 GS, eine mit,<br />
eine ohne all dem Elektrozeugs – und testete<br />
und testete (ab Seite 30). Tatsache ist: Es bringt<br />
am Ende schon etwas. Ein bisschen mehr Komfort,<br />
etwas größere Bandbreite im Einsatzbereich,<br />
mehr Sicherheit vielleicht, und niemand<br />
muss sich mehr an der Federbasis-Einstellung<br />
die Finger blutig schrauben, weil er mit dem<br />
verflixt kurzen Werkzeug nicht hinkommt.<br />
Seit einiger Zeit gibt es aber auch eine Szene<br />
in Deutschland, die um all die Elektronik<br />
einen großen Bogen macht, die lieber an einem<br />
Gaszug zieht als ein Potenziometer dreht.<br />
Motorradfahrer, denen das urige, einfache und<br />
Elektronische Fahrwerke: bequeme Helfer für<br />
anspruchsvolle und aufgeschlossene Fahrer<br />
Foto: Bilski<br />
den Piloten fordernde Bike etwas gibt, die sich<br />
auf gar keinen Fall von einem Sechsachsen-<br />
Sensor vorschreiben lassen möchten, wie sie<br />
bremsen, Gas geben oder durch die Kurve<br />
fahren sollen. Sie verachten elektronische Fahrhilfen<br />
als automobiles Sicherheitsgehabe.<br />
Diese Leute fahren wie echte Männer, ohne<br />
Vollkasko, ungeschützt und mit vollem Einsatz,<br />
aber ernten so auch das pure Erlebnis<br />
des Motorradfahrens.<br />
Also ist die Motorradfahrergemeinde auch<br />
hier ziemlich gespalten. Die einen glauben an<br />
den Fortschritt, nehmen alles mit, was es an<br />
neuen Features zu kaufen gibt. Die anderen<br />
sehen vieles skeptisch, stehen eher auf reines<br />
Motorradfahren, unverfälscht und intensiv.<br />
Wie sehen wir als Redaktion <strong>MOTORRAD</strong><br />
das Ganze? Niemals werden wir uns dem Fortschritt<br />
verschließen. Niemals etwas verdammen,<br />
bevor wir es nicht auf Herz und Nieren<br />
getestet und nicht für gut befunden haben.<br />
Und manches, was vor ein paar Jahren noch als<br />
Gimmick verschrien war, ist heute auch aus<br />
den pursten Motorrädern kaum mehr wegzudenken.<br />
ABS etwa, und auch eine unauffällige<br />
Traktionskontrolle hat ihre Berechtigung.<br />
Reines Erlebnis und die Faszination von<br />
Hightech schließen sich nicht aus. In dieser<br />
Ausgabe spannen wir den Bogen von der komplett<br />
abgefahrenen Radical Guzzi mit Flachschiebervergasern<br />
bis hin zum Hightech-<br />
Cruiser Ducati XDiavel mit modernster Technik<br />
wie variable Steuerzeiten für den neuen<br />
1300er-Desmo-V2. Viel Spaß mit beidem!<br />
Herzlichst Ihr<br />
Motorräder<br />
in diesem Heft:<br />
64 BMW F 650/700 GS<br />
30/92 BMW R 1200 GS<br />
19 Cezeta 506<br />
18 Deus ex Machina W-’ühini<br />
Grasshopper<br />
30 Ducati Multistrada 1200/S<br />
12 Ducati XDiavel/S<br />
22 Honda CRF 1000 L<br />
Africa Twin<br />
30 KTM 1190 Adventure<br />
30 KTM 1290 Super Adventure<br />
40 Mash Seventy Five<br />
42 Moto Guzzi V7 II Racer<br />
50 Radical Guzzi<br />
Ristretto 1380<br />
40 Suzuki V-Strom 1000<br />
8 Triumph Speed Triple<br />
92 Yamaha XT 660 R<br />
19 Yamaha OR2T<br />
126 Yamaha XJ 900<br />
40 Yamaha MT-09<br />
42 Yamaha XV 950 Racer<br />
40 Yamaha YZF-R1<br />
www.motorradonline.de<br />
ZUM THEMA 3
Mutter Courage<br />
Fahrbericht Triumph Speed Triple:<br />
Die Mutter aller Streetfighter tritt<br />
technisch modernisiert, optisch leicht<br />
aufgepeppt und mit mehr Power an<br />
8<br />
Gelungenes Comeback<br />
Willkommen zurück! Im Top-Test beweist die neue Honda Africa Twin,<br />
dass sie doch ganz die Alte geblieben ist: Vielseitig, angenehm,<br />
ausgewogen in Leistung und Gewicht. Halt eine gute Freundin<br />
22<br />
Auf geht’s<br />
Kaufberatung Motorradanhänger<br />
56<br />
und Transporthilfen mit vielen<br />
praktischen Tipps<br />
Nimm den Twin<br />
Moto Guzzi V7 II Racer oder<br />
Yamaha XV 950 Racer – wer<br />
hat im Café Racer-Vergleich<br />
die Nase vorn?<br />
42<br />
Bella Donna<br />
Fahrbericht Radical Guzzi<br />
Ristretto 1380: Ein Hoch auf<br />
die historische Inspiration<br />
Alter Name, neues Outfit<br />
Alta Moda: Die Ducati XDiavel verbindet das Aussehen eines schicken<br />
50<br />
Cruisers mit den Fahrleistungen eines Supersportlers. Die neue Kreation aus<br />
Bologna ist ein echter Hingucker und ein rassiges Drehmoment-Monster –<br />
gemacht zum Spaßhaben<br />
12<br />
Fotos: markus-jahn.com, Hersteller, mps-Fotostudio, Gargolov, Bilski, Martin, Herder; Titelfotos: Bilski, jkuenstle.de,<br />
Gargolov, Hersteller, markus-jahn.com, Martin, Red Bull Content Pool, Lengwenus, In Time Forwarding & Courier e. K.<br />
4 INHALT 3/<strong>2016</strong>
I N H A L T 3/<strong>2016</strong><br />
NEUHEITEN<br />
12 Präsentation Ducati XDiavel<br />
Entstehung und Entwicklung von<br />
Ducatis neuem Power-Cruiser<br />
NEWS<br />
18 Wintertreffen Augustusburg; Hintergründe<br />
der Gericke-Insolvenz mit Interview;<br />
Neuzulassungen in Europa; Klapphelm<br />
mal anders; Yamaha-Vierrad-Bike<br />
TEST+TECHNIK<br />
8 Fahrbericht Triumph Speed Triple<br />
Aufgepeppt – das britische Power-<br />
Naked Bike geht mit optischen<br />
Retuschen, mehr Leistung und einem<br />
Drehmomentplus an den Start<br />
22 Top-Test Honda Africa Twin<br />
Die Neuauflage der legendären Reiseenduro<br />
erfüllt im 1000-Punkte-Test voll<br />
und ganz die Erwartungen der treuen<br />
Fangemeinde<br />
30 Elektronische Fahrwerke<br />
unter der Lupe<br />
Elektronik rund um Einstellung und<br />
Steuerung von Gabel und Federbein hält<br />
zunehmend Einzug ins Motorradangebot<br />
– braucht’s das wirklich?<br />
40 Test kompakt<br />
Fahrbericht Mash Seventy Five;<br />
Neues aus dem Dauertestfuhrpark<br />
42 Vergleich Moto Guzzi V7 II Racer<br />
gegen Yamaha XV 950 Racer<br />
Die stylishen Twins im großen Sound-,<br />
Feeling- und Funktions-Check<br />
50 Fahrbericht Radical Guzzi<br />
Ristretto 1380<br />
Roadster mit dem 1400er-V2 der<br />
aktuellen California im klassischen<br />
Tonti-Rahmen<br />
BLICKPUNKT<br />
54 Zeitvorgaben bei Reparaturen<br />
In der Werkstatt dauert es real oft viel<br />
länger, als die Hersteller auf dem Papier<br />
vorgeben – das nervt<br />
KAUFBERATUNG<br />
56 Motorradanhänger und<br />
Transporthilfen<br />
16 Trailer und 24 pfiffige Transportlösungen<br />
in der großen Übersicht – mit<br />
vielen <strong>MOTORRAD</strong>-Kauftipps<br />
GEBRAUCHTMARKT<br />
64 BMW F 650/700 GS<br />
Gutmütige Allround-Reiseenduro mit<br />
hoher Zuverlässigkeit<br />
LEBEN<br />
78 Michael Martins Motorrad-<br />
Abenteuer , Teil 7: Winter auf dem<br />
Dempster Highway<br />
Bei minus 40 Grad durch den Norden<br />
Kanadas über die zugefrorene Ice Road<br />
bis zum Nordpolarmeer<br />
88 Motorradtransporte<br />
Wie bekommt man die Maschine in<br />
attraktive Zielgebiete? Alles über den<br />
Transport in Europa und weltweit<br />
92 Reise Bolivien<br />
Ein ungleiches<br />
Gespann aus Jung<br />
und Alt auf Südamerika-Tour<br />
– und jeder<br />
erzählt die spannende<br />
Reise aus seiner Sicht.<br />
Eine Frage der Perspektive<br />
102 Nachruf Arturo Magni<br />
Würdigung des langjährigen MV Agusta-<br />
Rennleiters und genialen Technikers<br />
RATGEBER<br />
108 Test Batterieladegeräte<br />
Moderne Starterbatterien brauchen<br />
moderne Ladetechnik: Acht Hightech-<br />
Lader im Vergleich<br />
112 Batteriepflege<br />
Die Top Ten der Pflegesünden<br />
SPORT<br />
114 Rallye Dakar<br />
Bei der Wüstenrallye versuchte Honda<br />
erneut die KTM-Siegesserie mit 14 Erfolgen<br />
hintereinander zu beenden<br />
122 Supercross Dortmund<br />
Volles Haus, top Show, spannende Rennen<br />
und ein Deutscher auf dem Podium<br />
KULTBIKE<br />
126 Yamaha XJ 900<br />
Die Erfolgsgeschichte eines Big Bikes,<br />
das elf Jahre lang gebaut wurde<br />
RUBRIKEN<br />
3 Zum Thema<br />
6 Leserbriefe<br />
68 <strong>MOTORRAD</strong>-Kleinanzeigenmarkt<br />
106 <strong>MOTORRAD</strong>-Helden-Club<br />
128 Rückspiegel/Impressum<br />
129 Comic – die vorletzte Seite<br />
130 Vorschau<br />
Da ist Bewegung drin<br />
Elektronischen Fahrwerken<br />
gehört die Zukunft.<br />
Was bringen sie?<br />
78<br />
Kanada<br />
Im Winter über den<br />
Dempster Highway?<br />
Ein kaltblütiges<br />
Abenteuer. Bis man<br />
da wieder auftaut …<br />
Ich bin dann mal weg<br />
Spedition, Autozug, Schiff<br />
oder Luftfracht? Alles über<br />
Motorradtransporte<br />
30<br />
88<br />
Diese Ausgabe gibt es auch digital als E-Magazin und E-Paper.<br />
Mehr Infos: www.motorradonline.de/digital<br />
INHALT 5
L E S E R P O S T<br />
Nur Beigemüse<br />
Leserbrief „Zopf stört“<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 2/<strong>2016</strong>, Seite 7<br />
Ich dachte eigentlich, dass inzwischen<br />
erwachsene und vernünftige Menschen<br />
bei Euch arbeiten. Aber die Antwort ist<br />
ja wohl der letzte Macho-Blödsinn. Unter<br />
http://www.fembike.de/bike-fashion/<br />
bekleidung/haarschutz-fuer-bikerinnen<br />
gibt es genau die Antwort, die Euer Leser<br />
haben wollte. (Dessen Frage lautete<br />
sinngemäß, was seine Freundin gegen<br />
den beim Fahren störenden Zopf unternehmen<br />
könne. Red.) Vielen Dank für<br />
die wiederholte Vernichtung meines<br />
Glaubens, dass es die Männerwelt endlich<br />
akzeptiert hätte, dass auch Frauen<br />
Motorrad fahren! Schickt Eure Machos<br />
mal zur Weiterbildung!<br />
Gisela Fraidling, Augsburg<br />
Man merkt ja regelmäßig, dass Frauen<br />
für Euch Redakteure nur Beigemüse sind<br />
und nicht ernsthafte Kundschaft, aber<br />
so direkt eher selten. Vielleicht solltet Ihr<br />
Euch gelegentlich mal aus dem 19. Jahrhundert<br />
zur Realität bewegen.<br />
Roland Weiss, Wintersingen/Schweiz<br />
Das geblümte<br />
Dekolleté<br />
Vorletzte Seite, Holger Aue<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 1/<strong>2016</strong>, Seite 129<br />
Ich mochte schon immer die kleinen<br />
netten Details in Deinen Comics. Danke,<br />
Holli, für das geblümte Dekolleté.<br />
Dierk von Allwörden, Stade<br />
Am Kühlschrank<br />
Vergleich Custom-Bikes<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 2/<strong>2016</strong>, Seite 18<br />
Der Einstieg in Euer Heft war hart. Die<br />
News auf Seite 14: Head-up-Display,<br />
Chromverbot, Knast in der Schweiz,<br />
Horch-Pfosten, Horror! Aber dann: Es<br />
gibt sie noch – unvernünftige, richtige<br />
Motorräder! Pure Fahrmaschinen! Und<br />
die Krönung, die Radical Guzzi „The Fugitive<br />
1380“, hängt jetzt am Kühlschrank!<br />
Chapeau, Herr Bronold (Erbauer, Red.),<br />
mir fehlen die Worte. Und 50 000 Euro.<br />
Ferdinand Stückmann, Duisburg<br />
Ich wundere mich nur über den Retro-<br />
Custom-Hype. Da berichtet Ihr über<br />
„magische Mechanik“. Ja, die Dinger sehen<br />
gut aus, aber nur auf glatter Strecke<br />
oder vor der Eisdiele. Da brauch ich dann<br />
auch kein Gepäck. Bockelharte Fahrwerke<br />
mit Minimalfederweg. Viel Spaß<br />
auch auf huckeligen Nebenstrecken.<br />
Tolle Details wie angeschmorte Knie am<br />
Krümmer (Walz-Ducati), oder bei Regen<br />
total eingesaut! Aber was will man für<br />
35 000 bis 55 000 Euro erwarten?<br />
Thomas Goldmann, Recklinghausen<br />
Weicheier<br />
Elefantentreffen<br />
<strong>MOTORRAD</strong> allgemein<br />
Seit gut 30 Jahren lese ich Eure Zeitschrift<br />
und habe sie sogar seit zehn<br />
Jahren abonniert. Einige Dinge stören<br />
mich jedoch ungemein, zum Beispiel<br />
wie hoch das Elefantentreffen im Bayerischen<br />
Wald gelobt und parallel dazu<br />
das alte Elefantentreffen am Nürburgring<br />
immer wieder von Euch totgeschwiegen<br />
wird. Ich war 2015 auf beiden<br />
Treffen und kann den Hype, der um das<br />
bayerische Treffen gemacht wird, nicht<br />
nachvollziehen. Ständig werden in Solla<br />
die Regeln strenger, Campen geht fast<br />
nur in Schräglage, und die sanitären Einrichtungen<br />
sind eine absolute Sauerei.<br />
Am Nürburgring ist es bei Weitem familiärer,<br />
man campiert auf Terrassen, und<br />
es laufen auch nicht ständig irgendwelche<br />
grimmigen Ordner rum, die einen<br />
blöd anquatschen. Ich würde mir wünschen,<br />
dass Ihr das alte Treffen doch mal<br />
mehr beachtet und auch mehr darüber<br />
schreibt. Auch wäre es sicher schön,<br />
mal über die ganzen anderen Wintertreffen<br />
zu berichten, z. B. Augustusburg<br />
(siehe S. 18, Red.). Irgendwie werde ich<br />
den Verdacht nicht los, dass Ihr zu den<br />
Weicheiern gehört und deshalb im Winter<br />
sogar die Mopedtests im südlichen<br />
Frankreich absolviert werden.<br />
Martin Tiator, Breitenbach<br />
Mach nicht mehr mit<br />
Daten-Vergleich Yamaha MT-10<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 1/<strong>2016</strong>, Seite 12<br />
Ich zitiere aus dem Artikel zur MT-10:<br />
„Was man bei einem Kracher wie der<br />
neuen Yamaha jedoch unbedingt haben<br />
sollte, ist ein Bündel an Assistenzsystemen,<br />
um der geballten Power auch Herr<br />
zu werden.“ Ja, wie absurd ist das denn?<br />
Entlarvender kann man diese Fehlentwicklung<br />
nicht beschreiben. Erst 170 PS<br />
in ein Bike stecken und dann notgedrungen<br />
wieder so weit einfangen, dass nicht<br />
der erste Ritt schon zum letzten wird.<br />
Tut mir leid, ich mach da nicht mehr mit,<br />
gerade weil ich Maschinen dieses Kali-<br />
kontakt<br />
Bitte geben Sie bei E-Mails<br />
und Leserbriefen Name und Wohnort an.<br />
Fragen und Post an die Redaktion<br />
Leser-Service: Iris Schaber. Telefonische Anfragen dienstags und<br />
donnerstags von 10.00 bis 12.00 Uhr unter 07 11/1 82-12 25.<br />
Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Frage schriftlich stellen:<br />
Re daktion <strong>MOTORRAD</strong>, Stichwort Leser-Service, 70162 Stuttgart,<br />
Fax 07 11/1 82-17 81, E-Mail: leserbriefe_mrd@motorpresse.de<br />
Nachbestellung von Einzelheften<br />
Telefon 07 11/32 06 88 99, Telefax 07 11/1 82-25 50.<br />
Bitte Bankverbindung angeben.<br />
Ausverkauft, nicht gefunden?<br />
Ihr Zeitschriftenhändler besorgt Ihnen <strong>MOTORRAD</strong> meist für den<br />
nächsten Tag.<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu<br />
kürzen.<br />
bers schon ausführlichst selber gefahren<br />
bin. Mein Rezept für genussvolles Motorradfahren<br />
ist eine 20 Jahre alte BMW<br />
R 100 GS mit Bigbore-Kit und gemessenen<br />
102 Nm Drehmoment, Öhlins-<br />
Fahrwerk und Vierkolben-Bremse. Mein<br />
ABS heißt Bremsgriff, mein Schräglagensenor<br />
Popometer und meine ASR heißt<br />
Gasdrehgriff. Da darf mein Gehirn noch<br />
selber die Grenzbereiche registrieren –<br />
und hat ganz nebenbei auch noch genügend<br />
Kapazität, um die schöne Landschaft<br />
zu genießen.<br />
Christoph Eicher, Grafing<br />
Da erklärt Ihr dem Leserbriefschreiber<br />
Werner Petry, dass die Seiten im Heft<br />
knapp bemessen sind, und dann kommen<br />
sieben Seiten nebulöse Yamaha<br />
MT-10, was wäre, wenn, könnte, sollte,<br />
dürfte … Da hätte man, wie viele andere<br />
Magazine zum Jahresende auch, eine<br />
Seite dem Astrologen widmen können.<br />
Die Vorstellung finde ich ja stark, aber<br />
diese Ausführlichkeit bitte mit Fakten!<br />
Edgar Weißhardt, Pleidelsheim<br />
Ein Vergleichstest der Yamaha MT-10<br />
ohne Motorrad geht eigentlich gar nicht.<br />
Und auch nichts gegen Michael Martin,<br />
der Mann macht tolle Bilder, keine Frage!<br />
Aber an welcher Tankstelle im Nirgendwo<br />
er sein Motorrad volltankt, ist mir<br />
egal. Mir fehlt bei Euch ein bisschen die<br />
Themenvielfalt und der Pep. Ich hoffe,<br />
im neuen Jahr gebt Ihr wieder Gas.<br />
Andreas Bischof-Girmann, Trierweiler<br />
Keine Zeit?<br />
Fehler im Heft<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 1/<strong>2016</strong> allgemein<br />
Hattet Ihr zum Jahresende keine Zeit<br />
mehr zum Korrekturlesen? Sollte die<br />
Yamaha MT-10 tatsächlich nur 140 Millimeter<br />
Radstand haben, wie auf Seite 16<br />
zu lesen ist? Wer ist dann der Testfahrer?<br />
6 LESERPOST 3/<strong>2016</strong>
Der Däumling? Und im Vergleich der<br />
Einzylinder-Supermotos heißt der vierfache<br />
Weltmeister noch Adrien Chareyre.<br />
Auf Seite 124 unten heißt er dann im<br />
Report vom Superprestigio Thomas Chareyre.<br />
Und ich hab das Heft nur überflogen.<br />
Wenn das ein Wettbewerb ist, dann<br />
müsst Ihr das schon irgendwie kenntlich<br />
machen. Auch was die Gewinne angeht.<br />
Ich bin nämlich sehr ehrgeizig …<br />
Ich lese Euch jetzt seit 35 Jahren und<br />
nehme das nicht krumm. So schult Ihr<br />
die Aufmerksamkeit und bekommt das<br />
Feedback vom Leser.<br />
Uwe Recker, Gladbeck<br />
Vielen Dank für die Hinweise. Natürlich beträgt<br />
der Radstand der Yamaha 1400 Millimeter, nicht<br />
140. Wir bitten den im Stress des vorweihnachtlichen<br />
Produktionsstaus entstandenen Fehler zu<br />
entschuldigen.<br />
Was aber die Herren Adrien und Thomas Chareyre<br />
angeht, so sind wir (ausnahmsweise) unschuldig:<br />
Die beiden Brüder sind tatsächlich jeder<br />
für sich vierfacher Supermoto-Weltmeister. Red.<br />
Gefrustet<br />
TV-Produktion bei der MotoGP<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 26/2015, Seite 118<br />
Ich hoffte ja auf einen Aufschrei über die<br />
nur teilweise MotoGP-Berichterstattung<br />
auf Eurosport. Nichts kam. Keine Frage,<br />
mit den Kommentatoren Alex, Dirk und<br />
Ron ist alles bestens. Auf die Übertragung<br />
von einer Hälfte der Rennen auf<br />
Eurosport freue ich mich. Gefrustet bin<br />
ich über die andere Hälfte der Nichtübertragungen.<br />
So sehr, dass mir fast die<br />
Lust aufs Zuschauen komplett vergeht.<br />
Trotz der 360-Grad-Gyrocam usw. Früher,<br />
als Dirk und Alex noch selber gefahren<br />
sind, war das alles besser. Die Vermarktung<br />
durch die Dorna mit dem beschriebenen<br />
immensen Aufwand ist für mich<br />
der falsche Weg. Weniger teure Effekthascherei,<br />
dafür mehr kostenfreie Sendezeit<br />
und mehr Zuschauer. Ich finde<br />
das nicht gut, wie das jetzt läuft …<br />
Ralph Weidner, Lauenau<br />
Ohne Probleme<br />
Gebrauchtberatung Ducati Diavel<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 1/<strong>2016</strong>, Seite 62<br />
Bei großen Teilen des Berichts zur Diavel<br />
habe ich ein breites Grinsen im Gesicht.<br />
Schon richtig: Einmal Fahren reicht, um<br />
süchtig zu werden. Am 2.11.2011 wurde<br />
eine Diavel die meine – und Ende des<br />
November waren bereits 1600 Kilometer<br />
drauf. Anfangs mit sehr viel Respekt,<br />
Foto: Decker<br />
der Durchzug ist enorm, die Kurvenmöglichkeiten<br />
ebenso. Das Grinsen<br />
geht mir auch heute, nach rund 38 000<br />
Kilometern, nicht aus dem Gesicht.<br />
Es sei denn, ich denke an die verbaute<br />
falsche Schaltwalze, die beim Anbremsen<br />
den Leerlauf reinschmiss, an gerissene<br />
Zylinder, defekte Kopf- und Fußdichtungen,<br />
den undichten Kühler, das<br />
defekte Thermostat und viele weitere<br />
Unpässlichkeiten. Durch das deutsche<br />
Diavelforum kenne ich allerdings eine<br />
ganze Reihe Besitzer, die seit drei Jahren<br />
ohne jegliche Probleme fah ren.<br />
Echte Vorteile hat eine professionelle<br />
Überarbeitung des Fahrwerks gebracht.<br />
Der Original-Auspuff ab 2014 ist nicht<br />
nur schicker, sondern auch sonorer<br />
und weniger aufdringlich. Und ach ja –<br />
das von Ihnen erwähnte Kettenschlagen<br />
kann man durch einen Streifen<br />
Schaumgummi unter dem Kunststoffschutz<br />
abdämpfen.<br />
Christoph Bach, Kaarst<br />
Transplantiert<br />
Gebrauchttipp KTM LC4 640<br />
Adventure, Leserfoto (oben)<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 26/2015, Seite 61<br />
Vor 15 Jahren habe ich wieder meine<br />
Liebe zu Einzylinder-Enduros entdeckt.<br />
Als ordentlicher Österreicher konnte ich<br />
natürlich nicht an KTM vorbei: Zur LC4<br />
540 Super Competition gesellten sich<br />
bald noch eine LC8 950 SM und EXC 400<br />
und neuerdings auch eine LC4 690<br />
Enduro. Aber auch eine BMW 650 F mit<br />
dem herrlich geschmeidigen 650er-<br />
Rotax-Motor erweckte mein besonderes<br />
Interesse. Nach Kauf eines solchen Motors<br />
aus einer Unfall-BMW stellte sich die<br />
starke Verwandtschaft bezüglich Gehäuse-Abmessungen<br />
zu dem luftgekühlten<br />
Zahnriemen-Motor Rotax 604 heraus.<br />
Ich transplantierte also den 650er-Motor<br />
relativ problemlos in einen KTM-Enduro-Rahmen,<br />
Baujahr 1985, mit entsprechenden<br />
Modifikationen wie Wasserkühler<br />
und Doppelvergaser usw., bis<br />
sich ein harmonisches Ganzes ergab<br />
KTM mit BMW-Herz<br />
– und der Transplanteur<br />
sucht<br />
Gleichgesinnte zum<br />
Fachsimpeln. Kontakt<br />
über www.<br />
reinharddecker.com<br />
(zirka 157 Kilogramm). Seither bin ich<br />
tausende Kilometer damit unterwegs<br />
gewesen und von der Laufruhe und Zuverlässigkeit<br />
dieses Zwitters begeistert.<br />
Gerne möchte ich mit anderen Edelbastlern,<br />
die solche Umbauten realisierten,<br />
in Kontakt treten.<br />
Reinhard Decker, Mödling/Österreich<br />
Komödienseite<br />
Abschied von der RC8, Leserbriefe<br />
<strong>MOTORRAD</strong> allgemein, 1/<strong>2016</strong>, Seite 50<br />
Als großer KTM-Fan hat mich Ihr Artikel<br />
zum Österreich-Sportler emotional getroffen.<br />
Ich kann mich an das Interview<br />
mit KTM-Chef Pierer erinnern, damals<br />
war die Aussage, leistungsstarke Superbikes<br />
gehörten nicht auf die Straße.<br />
(Wörtlich: „Ein 200-PS-Superbike gehört<br />
eigentlich nicht auf öffentliche Straßen“,<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 11/2015, S. 108, Red.) Bitte<br />
was, Herr Pierer? 1290 Super Duke R:<br />
180 PS. 1290 Super Duke GT: 173 PS.<br />
1290 Super Adventure: 160 PS. Ach so,<br />
das seien keine Sportler, sagen Sie. Bei<br />
aller Sympathie, ich denke, Herr Pierer<br />
hat sich hier arg ins Knie geschossen.<br />
Nur weil KTM keine Sportler mehr baut,<br />
und das ist äußerst schade, werden<br />
sie nicht von der Straße verschwinden.<br />
Es ist auch Unfug zu behaupten, Sportler<br />
wären gefährlicher als Naked Bikes.<br />
Insofern würde ich mir wünschen, dass<br />
Herr Pierer uns nur verarscht hat und<br />
KTM mit einem Knaller auf der EICMA<br />
<strong>2016</strong> auftritt.<br />
Zu guter Letzt wollte ich noch sagen,<br />
dass die Leserbriefseiten für mich die<br />
Vorletzte als Komödienseite abgelöst haben.<br />
Ich habe mich schon dabei erwischt,<br />
ein Heft nur wegen der Leserbriefe zu<br />
kaufen. Da wird um BMW-Schmiergeld<br />
oder nicht gestritten, Helme müssen<br />
beim Tanken abgesetzt werden, weil es<br />
könnte ja, und der deutsche Herbst darf<br />
keine Jahreszeit sein, sondern muss<br />
als Hinweis auf Terror verdammt und<br />
verurteilt werden. Ist unsere Gesellschaft<br />
wirklich schon so paranoid?<br />
Thomas Falls, Burglengenfeld<br />
www.motorradonline.de<br />
LESERPOST 7
T E S T + T E C H N I<br />
Fahrbericht Triumph Speed Triple R<br />
K<br />
MEHR SPEED<br />
Triumphs Speed Triple ist längst<br />
eine identitätsstiftende Ikone,<br />
so typisch englisch wie die roten<br />
Doppeldeckerbusse in London,<br />
die Texte von William Shakespeare oder<br />
Fish ’n’ Chips. Und als erster Streetfighter<br />
ab Werk war sie von Anfang an ein echter<br />
Trendsetter. Doch die Konkurrenz legte<br />
nach, überholte sie gar. Okay, ein Techno<br />
logieführer wollte Triumph nie sein.<br />
Aber eine Speed Triple, die hinterherfährt?<br />
Niemals! Zeit also für ein großes Update.<br />
Sie wirkt aggressiver und doch elegant,<br />
die <strong>2016</strong>er-Speedy, drahtiger, muskulöser.<br />
Ein fülligerer Drehmomentverlauf und<br />
140 PS im Verbund mit elektronischen<br />
As sis tenzsystemen stehen für mehr Kick<br />
bei weniger Nervenkitzel durch ungeplante<br />
Über raschun gen. Ein Kraftpaket aus Stahl,<br />
Aluminium und ein wenig Kunststoff.<br />
Verführerisch funkelt eine ganze Armada<br />
nagelneuer Speedies unter spanischer<br />
Sonne. Die Basisversion, nun „S“ wie „Standard“<br />
genannt, und das heute gefahrene<br />
Topmodell mit dem Kürzel „R“ wie „Racing“.<br />
R-Kennungszeichen sind Öhlins-Federelemente,<br />
roter Heckrahmen, Bugspoiler,<br />
Karbonkotflügel und weitere Goodies.<br />
Maschinen von großer Körperlichkeit, ausdrucksstark<br />
und unverwechselbar.<br />
8 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Was ist neu?<br />
Motor: Leistungs- und Drehmomentsteigerung<br />
auf 140 PS bei 9500/min und 112 Nm<br />
bei 7950/min (bislang: 135 PS bei 9400/min<br />
und 111 Newtonmeter bei 7750/min), Drehzahllimit<br />
nun 10 000 statt 9500/min; insgesamt<br />
104 Modifikationen: neue Kolben,<br />
Kurbelwelle, Brennräume und Nockenwellen;<br />
kompaktere Drosselklappenkörper mit<br />
44 statt bisher 46 Millimetern Durchmesser;<br />
neue Software; geänderter Zylinderkopf;<br />
Kompression von 12,0 auf 12,25 erhöht;<br />
Zehn-Loch- statt Vier-Loch-Einspritzdüsen;<br />
Einlasskanäle und Krümmer mit mehr<br />
Durchsatz; überarbeitete Airbox; schmalerer,<br />
effizien te rer Kühler; größerer, wirkungsvollerer<br />
Katalysator (Euro 4-Abgasnorm).<br />
Kraftübertragung/Assistenzsysteme:<br />
neue Antihopping-Kupplung; geänderte<br />
Gangräder, neuer Schaltmechanismus; Rideby-Wire<br />
mit fünf Fahrmodi (Rain, Road,<br />
Sport, Track und ein frei konfigurierbarer);<br />
abschaltbare Traktionskontrolle mit drei Einstellungen<br />
(Rain, Road, Track).<br />
Ausstattung und Bodywork: leichtere<br />
Schalldämpfer; Tankinhalt 15,5 statt 17,5 Liter;<br />
Sitzbank vorn 20 mm schmaler, geänderte<br />
Kunststoffteile; tiefergesetzte Doppelscheinwerfer<br />
mit LED-Tagfahrlicht; Instrumente<br />
mit Infos zu Ganganzeige, gewähltem<br />
Fahrmodus; neue LED-Blinker; Flyscreen mit<br />
integriertem Lufteinlass; Lenkerendspiegel;<br />
neue Armaturen; erneuerte Heckpartie, Serienbereifung<br />
Pirelli Supercorsa.<br />
, TRIPLE!<br />
Zurück zum wahren Hooligan-<br />
Bike: Mit geschärftem Design,<br />
mehr Power und neuen elektronischen<br />
Helferlein knüpft Triumph<br />
mit der optimierten Speedy an<br />
ihren Wurzeln an. Ein fahraktiver<br />
Streetfighter, der auf böse macht,<br />
aber im Alltag prima beherrschbar<br />
funktioniert.<br />
Von Thomas Schmieder; Fotos: Triumph<br />
Motorisch sind beide Versionen komplett<br />
identisch. Triumph hat den bewährten,<br />
schon elf Jahre alten 1050er-Dreizylinder<br />
stark verfeinert. 104 Änderungen im Inneren<br />
und seiner Peripherie peppen das<br />
Triebwerk auf, siehe Kasten „Was ist neu“.<br />
Scharf schaut die Speedy aus ihren tief<br />
montierten Insektenaugen mit integriertem<br />
LED-Tagfahrlicht. Anwerfen des Drillings,<br />
man kennt es, man liebt es: Röchelnd und<br />
heiser erwacht das Triebwerk. Der Soundtrack<br />
wurde noch bassiger, klangstark,<br />
aber nicht prollig. Man würde den Dreizylinder<br />
unter 100 anderen Motoren heraushören.<br />
Leistungsfördernd bieten die beidseitigen<br />
Schalldämpfer 70 Prozent mehr<br />
Durchfluss, sind minimal leichter als zuvor.<br />
Nun ja, zwei halbhohe Töpfe sind nicht<br />
mehr State of the Art: eher schwer und<br />
nicht gerade gut für die Schwerpunktlage.<br />
Wunderbar rund läuft der Triple von<br />
der ersten Sekunde an, dazu mechanisch<br />
viel ruhiger als zuvor. Tatendurstig, kräftig<br />
kommt er von der komplett neuen Seilzugkupplung<br />
mit Antihopping-/Servo-<br />
Funktion. Später, auf der Rennstrecke von<br />
Calafat, wird diese ein stempelndes Hinterrad<br />
beim Anbremsen auf die vielen Zweiter-Gang-Kurven<br />
wirkungsvoll unterbinden.<br />
Im Stadt verkehr aber zählt erst einmal<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 9
Mehr Ausstrahlung: Knackiger, drahtiger wirkt die Speedy<br />
<strong>2016</strong>. Die teurere R-Version trägt Öhlins-Federelemente,<br />
einen roten Heckrahmen und weitere Edelkomponenten<br />
Triumph Speed Triple R<br />
die spürbar gesunkene Betätigungskraft<br />
beim Ziehen des selbstverständlich einstellbaren<br />
Hebels. Okay, mit dem nach<br />
wie vor geringen Lenkeinschlag muss man<br />
beim Rangieren leben. Ein Erbe des vorne<br />
breit bauenden, stilbildenden Doppelrohr-<br />
Brückenrahmens aus Aluminium.<br />
Bald schon liegt die Stadt hinter, die<br />
Landstraße vor uns. Nicht nur auf kurvigen<br />
Landstraßen Kataloniens profitiert der Triple<br />
von seinem unverändert langen Hub: 71,4<br />
Millimeter bei 79er-Bohrung. Dies bringt viel<br />
Kraft von unten. Von Anfang an schlägt die<br />
Speedy mit enorm viel Punch zu. Noch<br />
gleichmäßiger wurde die Kraftentfaltung,<br />
zwischen 5000 und 7000 Touren soll es<br />
fünf Prozent mehr Power geben, das Drehmoment<br />
gipfelt in maximal 112 Newtonmetern.<br />
Eine gute Ausbeute für einen gut eingeschenkten<br />
Liter Hubraum. In der Spitze<br />
sind fünf PS hinzugekommen, höher verdichtenden<br />
Kolben, modifizierten Nockenwellen<br />
und neuen Einspritzdüsen sei Dank.<br />
Abgesehen von den nun elektronisch<br />
kontrollierten Drosselklappen wurde an der<br />
Gemischaufbereitung viel gearbeitet: Mehr<br />
Verwirbelung und eine feinere Zerstäubung<br />
verbessern die Füllung und verringern den<br />
Verbrauch. Nicht zu vergessen: Durch das<br />
Flyscreen wird nun kühlere Luft angesaugt.<br />
Zudem kann der Motor durch optimierte<br />
Krümmer und Silencer freier ausatmen.<br />
Was man davon spürt? Begeisternde<br />
Kraft aus dem Drehzahlkeller und feineres<br />
Ansprechen auf Gasbefehle als je zuvor. Und<br />
der Triple dreht nun höher: Kniff früher bereits<br />
bei 9500 Touren ein wenig unvermittelt<br />
der Drehzahlbegrenzer zu, liegt heute bei<br />
dieser Marke die Nenndrehzahl – als Maximum<br />
sind volle 10 000/min drin. Eine Drehzahlreserve,<br />
die man auf der Renn strecke<br />
oder selten mal beim Über holen braucht.<br />
Gewichtsersparnis und geschärftem Design<br />
geschuldet ist der kleinere Tank: Er fasst<br />
nur noch 15 statt bislang 17,5 Liter. Doch<br />
mit Euro 4 erhält auch das Thema Benzinverbrauch<br />
einen größeren Stellenwert. Gut<br />
fünf Liter je 100 Kilometer gibt Triumph laut<br />
Homologation an; dann wären trotzdem<br />
300 Kilometer Reichweite drin. Für Triumph<br />
untypisch weich arbeitet das modifizierte<br />
Getriebe, die Gänge flutschen nur so rein.<br />
Das neue Ride-by-Wire ermöglicht fünf<br />
verschiedene Fahrmodi: Rain, Road, Sport,<br />
Track und ein frei programmierbarer: Sie<br />
beeinflussen die Gasannahme und die<br />
Regelprogramme (Eingriffsschwellen) von<br />
ABS und Traktionskontrolle. Im in di vi duell<br />
gestaltbaren Rider-Modus können Pistenprofis<br />
ABS und Traktionskon trolle auch<br />
unabhängig voneinander ausschalten.<br />
Schön direkt sprechen die Drosselklappen<br />
in „Sport“ und „Track“ an. Trotzdem ist<br />
„harsche Gasannahme“ aus Rollphasen<br />
heraus, zuletzt noch ein Kritikpunkt im<br />
Roads ter-Ver gleichstest in <strong>MOTORRAD</strong><br />
10 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Triumph Speed Triple S/R<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor,<br />
eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende,<br />
kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro<br />
Zy linder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung,<br />
3 x Ø 44 mm, geregelter Katalysator mit<br />
Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 476 W, Bat terie<br />
12 V/12 Ah, mechanisch betätigte Mehr scheiben-<br />
Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe,<br />
X-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,389.<br />
Bohrung x Hub<br />
79,0 x 71,4 mm<br />
Hubraum<br />
1050 cm³<br />
Verdichtungsverhältnis 12,3 : 1<br />
Nennleistung 1<strong>03</strong>,0 kW (140 PS) bei 9500/min<br />
Max. Drehmoment 112 Nm bei 7850/min<br />
Wohltat: Weiterhin dominiert ein großer analoger und daher gut ablesbarer Drehzahlmesser<br />
das Cockpit. Neu sind Anzeigen für Fahrmodus und Gangstufe<br />
FAHRWERK<br />
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel,<br />
Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und<br />
Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium,<br />
Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare<br />
Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung,<br />
Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm,<br />
Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø<br />
255 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Traktionskontrolle,<br />
ABS.<br />
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17<br />
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17<br />
Vom Feinsten: Die Öhlins-Federung glänzt<br />
mit sensiblem Ansprechverhalten<br />
Knopfsache: Links am Lenker sind die<br />
fünf Fahrmodi anwählbar<br />
MAß E+GEWICHTE<br />
Radstand 1445 mm, Lenkkopfwinkel 67,1 Grad,<br />
Nachlauf 91 mm, Federweg v./h. 120/130 mm, Sitzhöhe<br />
825 mm, Trockengewicht 192 kg, zulässiges<br />
Gesamtgewicht 410 kg, Tankinhalt 15,5 Liter.<br />
Garantie<br />
vier Jahre<br />
Farben Rot, Schwarz (R-Version: Weiß, Grau)<br />
Preis 12 500 Euro (R-Version: 14 200 Euro)<br />
Nebenkosten<br />
450 Euro<br />
5/2015, nun Schnee von gestern. Besonders<br />
weich macht’s der gut zur Landstraße<br />
passende Road-Modus. Auf die dreistufige<br />
Traktionskontrolle ist Verlass; sie ist ein<br />
Rettungsanker für die berühmte Zehntelsekunde<br />
mit beschränkter Haftung. Das<br />
schafft Vertrauen.<br />
Davon vermittelt die neue Speedy<br />
richtig viel. „Ich bring dich gut, sicher und<br />
flott durch jede Kurve“, scheint sie einem<br />
zu zuflüstern. Ein reizvoller Kontrast: Böser-<br />
Bube -Image gepaart mit toller Fahrbarkeit.<br />
Durch die stärker vorderradorientierte<br />
Sitzposition gibt es mehr Feedback vom<br />
Vorderrad. 20 Millimeter schmaler wurde<br />
die schön bezogene Sitzbank vorn. Die<br />
Tankflanken ebenfalls, breitbeinig war früher.<br />
So kommt man weiter nach vorn, hat<br />
den konischen Alu-Lenker perfekt in der<br />
Hand. Sie fühlt sich kleiner und kompakter<br />
an, die <strong>2016</strong>er-Speedy, rückt der 675er-<br />
Street-Triple näher. Selbst Fahrer mit nur<br />
gut 1,70 Meter erreichen sicher mit beiden<br />
Fußsohlen den Boden. Stylische Lenkerendspiegel<br />
bauen ganz schön breit, bieten<br />
einigermaßen gute Sicht.<br />
Die neue Öhlins NIX 30-Gabel und das<br />
ebenfalls güldene TTX 36-Federbein sprechen<br />
superb an, tasten das Asphaltrelief<br />
supersensibel ab. Für einen „Fighter“ sogar<br />
ungewöhnlich komfortabel. Leichtfüßiger<br />
und handlicher als bislang umrundet die<br />
Speedy sämtliche Kurven radien. Am Chassis<br />
hat Triumph an sich gar keine Veränderungen<br />
vorgenommen. Trotzdem fährt die<br />
prima ausbalancierte „R“ agiler, ohne an<br />
Stabilität verloren zu haben. Gründe? Der<br />
besser integrierte Fahrer, famos grippende<br />
Pirelli Diablo Supercorsa?<br />
Wir sind in Calafat, es werden Reifenwärmer<br />
übergezogen. Jetzt spielt die<br />
Triumph noch einmal den Trumpf ihres<br />
Extra- Schubs und der berechenbaren Leistungsabgabe<br />
aus. Im Sport- und noch mehr<br />
im Track-Modus lässt die Traktionskontrolle<br />
nun mehr Schlupf zu. Transparent und bissig<br />
ankern die Monoblocks, ohne wütend<br />
zuzuschnappen. Das ABS greift spät ein,<br />
man merkt es fast nicht. Wer Wheelies und<br />
Stoppies provozieren will – beides kann die<br />
Speedy prima –, muss die Assistenzsysteme<br />
deaktivieren. Nur wenige Klicks straffere<br />
Dämpfung, und die „R“ taugt für die Renne.<br />
Auf dem verwinkelten Kurs ist sie richtig in<br />
ihrem Element, bleibt exakt auf Kurs.<br />
Mit der Präzision eines Skalpellschnitts<br />
zieht die Britin ihre Bahn. Kratzt nur selten<br />
mit den Fußrasten, zuckt nur manchmal<br />
beim Rausbeschleunigen sanft mit ihrem<br />
Vorbau – kein Lenkungsdämpfer. Ein tolles,<br />
intensives Fahrgefühl. Die Speed Triple ist<br />
ein leidenschaftliches Motorrad für ebensolche<br />
Fahrer. Erfreulich ist der Preis: 12 500<br />
Euro für die „S“ und 14 200 für die „R“ (plus<br />
450 Euro Nebenkosten) sind nur 260 bzw.<br />
läppische 30 Euro mehr als beim Vormodell.<br />
Mehr Kick für kaum mehr Kohle.<br />
www.motorradonline.de/triumph<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 11
X<br />
N E U H E I T E N<br />
Ducati XDiavel/XDiavel S<br />
DIE MIT DEM<br />
Der extravaganten Diavel stellt Ducati die<br />
noch extremere XDiavel zur Seite. Und die ist keineswegs eine Variation zum Thema,<br />
sondern ein von Grund auf neues Motorrad – und was für eins.<br />
Von Eva Breutel; Fotos: Ducati, Breutel (3)<br />
12 NEUHEITEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Das sind sie, die Macher der neuen XDiavel: Projektingenieur<br />
Eugenio Gherardi, Design-Direktor Andrea Ferraresi,<br />
Chef-Designer Gianandrea Fabbro, Produktmanager Stefano<br />
Tarabusi, Senior-Designer Bart Janssen Groesbeek (v. l.)<br />
Cruiser? Niemals! Vor fünf Jahren, als die Diavel auf den<br />
Markt kam, zuckten die Ducati-Manager vor diesem Wort<br />
zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser – was durchaus<br />
passte, denn „Diavel“ ist Bologneser Dialekt und heißt<br />
Teufel. „Don’t call me Cruiser“, ließen die Italiener ihre Diavel in<br />
interna tionalen Werbespots heiser raunen; als Muscle-Bike wollte sie<br />
sich verstanden wissen, als Hightech-Sportler der anderen Art. Doch<br />
die Zeiten ändern sich. Freudig überrascht vom großen Erfolg der<br />
Diavel – sie verkaufte sich in Europa bislang 13 000 Mal, in den USA<br />
über 5000 Mal –, setzt Ducati mit der XDiavel nun ein noch extremeres<br />
Konzept in die Motorradwelt, das diesmal ganz offiziell auf den<br />
Namen Cruiser hört.<br />
Motor und Design<br />
Selbstredend erfüllt die Neue sämtliche Kriterien des Segments, ist<br />
mit einem Radstand von 1,615 Metern ellenlang und mit 75,5 Zentimetern<br />
Sitzhöhe fast däumlingsniedrig, setzt standesgemäß auf<br />
vorverlegte Fußrasten und Zahnriemenantrieb statt Kette. Mit ihrer<br />
aufregenden Optik und dem ultrastarken Motor übertrifft sie übliche<br />
Cruiser-Ansprüche. Die extremen Abmessungen verbinden sich zu<br />
klaren, kühnen Linien, dank des vertikal statt horizontal montierten<br />
Wasserkühlers bleibt das Motorrad vorn vergleichsweise schmal. Mit<br />
dem kurzen Heck, der schlanken Taille, der massigen Schwinge und<br />
dem dicken Motor als Blickfang wirkt die XDiavel wie eine Mischung<br />
aus Arnold Schwarzenegger und George Clooney – muskulös und<br />
geschmeidig zugleich. Hochwertige Werkstoffe und ein makelloses<br />
Ducati XDiavel S<br />
www.motorradonline.de NEUHEITEN 13
An der Ergonomie der Sitzposition<br />
arbeiteten die Entwickler lange. Sie fiel<br />
cruiser mäßig, aber nicht extrem aus<br />
Serienmäßig liefert Ducati eine zusätzliche<br />
Rückenlehne für den Beifahrer mit. Als Extras<br />
gibt es andere Lenker und Sitzbänke<br />
Spezialschalter für noch mehr Vergnügen:<br />
Bei Druck auf den Ducati Power Launch-Knopf<br />
geht die XDiavel ab wie eine Rakete<br />
Der Motor ist der absolute König, betonen<br />
die Entwickler. Der neue DVT-V2 mit 1262 cm³<br />
Hubraum liefert schon bei 2100/min ein enormes<br />
Drehmoment und damit ein aufregendes<br />
Fahrvergnügen. Auch beim Design steht er im<br />
Mittelpunkt und stellt seine beeindruckende<br />
Mechanik deutlich zur Schau. Darüber hinaus<br />
fungiert er als tragendes Element der XDiavel,<br />
denn Rahmenheck und Gitterrohrrahmen sind<br />
an den Zylinderköpfen verankert<br />
KING”<br />
„THE ENGINE IS THE<br />
14 NEUHEITEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Ducati XDiavel<br />
Finish ziehen selbst des Cruisens bislang unverdächtige Sportfahrer<br />
in ihren Bann, zumal die technischen Daten eine deutliche Sprache<br />
sprechen: 156 PS leistet der Desmo-V2 mit variabler Ventilsteuerung.<br />
Der Motor ist im Prinzip bereits aus der Multistrada 1200 bekannt,<br />
bekommt für seinen neuen Verwendungszweck aber mehr Hubraum<br />
– nämlich 1262 cm³ – und einen krassen Antritt: Bereits bei 5000/<br />
min erreicht er das maximale Drehmoment von knapp 129 Newtonmetern,<br />
100 liegen sogar schon bei 2100/min an. Im Vergleich zur<br />
Diavel bleibt angesichts dieser extremen Auslegung ein wenig<br />
Spitzen leistung auf der Strecke, doch das juckt wohl niemanden. Der<br />
Motor steht auch beim Design im Mittelpunkt. Dank der neu positionierten<br />
Wasserpumpe (siehe Interview unten) verschwanden alle<br />
Schläuche und Abdeckungen. „Wir vom Design haben diesen ganzen<br />
Ab deckungen ohnehin den Krieg erklärt“, erklärt Chefdesigner Gianandrea<br />
Fabbro lachend. „Eine so schöne Mechanik wie die unseres<br />
V2-Motors darf man nicht verstecken, sondern muss sie betonen.“<br />
Fahrdynamik und Ausstattung<br />
Die Neue verheißt fast schon sportliche Bodenfreiheit: 40 Grad<br />
Schräglage soll sie ermöglichen, ohne dass Anbauteile schleifen oder<br />
Funken sprühen. Auch die Ergonomie soll die Auslegung als dynamischen<br />
Techno-Cruiser, wie die Entwickler ihre XDiavel definieren,<br />
widerspiegeln: „Klar, die Sitzposition entspricht natürlich einem Cruiser“,<br />
sagt Produktmanager Stefan Tarabusi. „Aber sie ist nicht extrem,<br />
sondern erlaubt immer noch eine sehr gute Kontrolle des Motorrads.“<br />
Die Fußrasten lassen sich serienmäßig um 22,5 Millimeter nach vorn<br />
oder hinten versetzen. Fahrdynamisch können die Entwickler den<br />
nach vorn versetzten Fußrasten sogar einen gewissen Vorteil abgewinnen:<br />
„Anders als bei unseren Sportlern kann sich der Fahrer beim<br />
Beschleunigen nicht auf den Fußrasten abstützen“, erklärt Projektingenieur<br />
Eugenio Gherardi. „Er wird in den Sitz gedrückt, ähnlich wie<br />
bei einem Sportwagen, was dazu führt, dass er Fahrtwind und Beschleunigung<br />
deutlich mehr spürt, ein wirklich emotionales Erlebnis.“<br />
In Sachen Ausstattung und Assistenzsysteme präsentiert sich die<br />
XDiavel voll auf der Höhe der Zeit. Ride-by-Wire und ABS sind bei<br />
Ducati längst selbstverständlich, ebenso eine einstellbare Traktionskon<br />
trolle. Es gibt drei Fahrmodi, von denen der sanfteste namens<br />
Urban die Leistung auf 100 PS limitiert. Neu im Vergleich zur Diavel<br />
sind das einstellbare Kurven-ABS und der Tempomat.<br />
Ein im wahrsten Sinn des Wortes mitreißendes Zusatzvergnügen<br />
ermöglicht der kleine DPL-Schalter (Ducati Power Launch) am Lenker.<br />
Auch von oben<br />
bietet die XDiavel<br />
mit dem breiten<br />
Rohrlenker, dem<br />
sich stark verjüngenden<br />
Tank, der<br />
ausladenden Sitzbank<br />
und dem<br />
kurzen Heck ein<br />
stimmiges Bild<br />
Interview Bart Janssen Groesbeek<br />
„Wohin bloß mit den Fußrasten?“<br />
Der gebürtige Niederländer Bart Janssen Groesbeek ist seit mehr als 14 Jahren Mitglied des Design-Teams von Ducati.<br />
Neben der neuen XDiavel stammt auch die Diavel im Wesentlichen aus seiner Feder.<br />
? Diavel und<br />
XDiavel wirken auf den<br />
ersten Blick ähnlich,<br />
sind aber doch ganz<br />
anders. Welche Unterschiede<br />
sind Ihnen<br />
besonders wichtig?<br />
! Die Diavel war unsere erste Annäherung<br />
an die Cruiserwelt, eigentlich ist sie<br />
ein Streetfighter mit langer Schwinge. Diesmal<br />
sollte es ein hundertprozentiger Cruiser<br />
werden. Rahmen und Schwinge sind kürzer,<br />
den Motor haben wir nach hinten versetzt,<br />
was dem Schwerpunkt zugutekommt. Entscheidend<br />
ist die neue Position der Wasserpumpe.<br />
Die saß bislang auf dem Deckel<br />
der Lichtmaschine, weshalb auf der linken<br />
Seite des Motors Schläuche und Kabel<br />
verliefen. Das hätte diesmal gestört, denn<br />
im absoluten Mittelpunkt steht bei der<br />
XDiavel der Motor. Jetzt sitzt die Wasserpumpe<br />
im V zwischen den beiden Zylindern,<br />
die Schläuche verlaufen innen.<br />
? Haben Sie von Anfang an ein mögliches<br />
Customizing mit einbezogen?<br />
! Ja. Anders als bei der Diavel, bei der<br />
die einzelnen Komponenten ineinander<br />
übergehen, sind bei der XDiavel Teile wie<br />
der Stahltank, Schwinge oder Sitzbank<br />
klar voneinander abgegrenzt. Das macht<br />
ein Customizing einfacher.<br />
? Gab es besondere Probleme?<br />
! Der Zahnriemenantrieb war eine<br />
Herausforderung. Wir haben eine dreigeteilte<br />
Einarmschwinge entwickelt: oben<br />
Gitterrohr, unten Guss, in der Mitte Schmiedeteile,<br />
die lassen sich für die Wartung<br />
aufschrauben. Und dann waren da die vorverlegten<br />
Fußrasten, für uns ja echtes Neuland.<br />
Irgendwann haben wir uns gefragt:<br />
Wohin bloß mit denen, wo kann man die<br />
verankern? Am Ende haben wir eine Extrastrebe<br />
eingebaut, darauf sitzen sie jetzt.
Die ultrakurzen Endrohre der neuen<br />
Auspuffanlage weisen nicht wie üblich<br />
nach hinten, sondern zur Seite<br />
LED allerorten, vom Scheinwerfer bis zu den<br />
Rückleuchten. Mittels eines Sensors wird automatisch<br />
von Tag- auf Nachtlicht umgestellt<br />
Wegen des Zahnriemenantriebs entwickelte<br />
Ducati eine dreigeteilte Einarmschwinge. Das<br />
Mittelstück lässt sich zur Wartung abschrauben<br />
Unterschiede Diavel/XDiavel<br />
Die Diavel stand Pate bei der<br />
Geburt der XDiavel. Und so<br />
gibt es einige Gemeinsamkeiten:<br />
von der generellen Design-Linie<br />
mit dem hohen Heck über das<br />
Sechsganggetriebe mit identischer<br />
Übersetzung bis hin zum<br />
fetten 240er-Hinterreifen. Größter<br />
optischer Unterschied: Bei<br />
der XDiavel steht der Motor im<br />
Mittelpunkt, bei der Diavel das<br />
Fahrwerk und der Rahmen.<br />
DATEN<br />
Diavel/Diavel Carbon XDiavel/XDiavel S<br />
Motor<br />
1198 cm³,<br />
Elf-Grad-Testastretta<br />
1262 cm³, variable Ventilsteuerung<br />
(DVT)<br />
Bohrung x Hub 106 x 67,9 mm 106 x 71,5 mm<br />
Nennleistung 162 PS bei 9250/min 156 PS bei 9500/min<br />
Max. Drehmoment 130 Nm bei 8000/min 128,9 Nm bei 5000/min<br />
Verdichtung 12,5 : 1 13 : 1<br />
Sekundärantrieb Kette Zahnriemen<br />
Radstand 1590 mm 1615 mm<br />
Lenkkopfwinkel 62 Grad 60 Grad<br />
Sitzhöhe 770 mm 755 mm<br />
Tankinhalt 17 Liter 18 Liter<br />
Gewicht fahrfertig 239/234 kg 247 kg<br />
Elektronik<br />
ABS, Ride-by-Wire, Riding<br />
Modes, Traktionskontrolle<br />
ABS, Ride-by-Wire, Riding<br />
Modes, Traktionskontrolle,<br />
Kurven-ABS, Tempomat<br />
Homologation Euro 3 Euro 4<br />
Preis 18 190/21 590 Euro 19 890/22 890 Euro<br />
Irgendwie ähnlich, aber doch<br />
ganz anders: oben die teuerste<br />
Variante der Diavel, rechts die<br />
Basisversion der neuen XDiavel<br />
16 NEUHEITEN<br />
Ducati Diavel Carbon<br />
Ducati XDiavel <br />
Ducati XDiavel<br />
Einfach an der Ampel den Knopf drücken, ersten Gang einlegen, Gas<br />
aufreißen, bei Grün die Kupplung kommen lassen – und die XDiavel<br />
legt los wie die wilde Angst, kombiniert maximal mögliche Power mit<br />
passender Traktionskontrolle, leicht abhebendes Vorderrad inklusive.<br />
„Unbegrenzt kann man das aber nicht machen,“ erklärt Projektingenieur<br />
Eugenio Gherardi schmunzelnd, „das würde auf Dauer doch die<br />
Kupplung ruinieren.“ Im schärfsten der drei wählbaren Power Launch-<br />
Modi sind daher nur drei Vollgasstarts hintereinander möglich.<br />
XDiavel S, Diavel und mehr<br />
Noch exklusiver als die XDiavel gibt sich die Variante S. Für 3000 Euro<br />
Aufpreis glänzt sie mit noch aufwendigerem Finish, darunter Räder<br />
mit zwölf auffällig geformten Speichen, die an der Außenseite der<br />
Felgen verankert sind. Dazu kommen das erste Tagfahrlicht des Hauses,<br />
eine DLC-Beschichtung der Gabelgleitrohre und Brembo-Monobloc-Bremsen<br />
vorn. Ihre Alu-Schwinge ist eloxiert und gebürstet,<br />
die Zahnriemenabdeckung besteht aus Aluminium, ein Bluetooth-<br />
Modul sorgt für die Verbindung von Smartphone und Cockpit.<br />
Die XDiavel gibt es nur in Mattschwarz, die Variante S in Schwarzglänzend<br />
mit entsprechend lackiertem Motorblock.<br />
Ob und wie sich die neue XDiavel auf die erfolgreichen Verkaufszahlen<br />
der Diavel auswirkt, weiß allerdings niemand. „Dynamisch<br />
und cool sind beide,“ meint Produktmanager Stefano Tarabusi. „Wir<br />
glauben, dass jede ihr Publikum finden beziehungsweise behalten<br />
wird.“ Doch warum heißt die Neue nun XDiavel, wo sie doch mit der<br />
Diavel im Endeffekt gar nicht so viel gemein hat? „Über den Namen<br />
haben wir lange diskutiert“, bekennt Tarabusi.<br />
„Im Gespräch war auch eine völlig neue<br />
Bezeichnung.“ Doch weil die Diavel nun mal<br />
Wegbereiterin und Inspiration für die Neue sei,<br />
bleibe sie Namensgeberin. „Das X hat uns<br />
gefallen, weil es alles Mögliche bedeuten<br />
kann“, ergänzt Chefdesigner Gianandrea<br />
Fabbro, „von der Unbekannten in der<br />
mathematischen Gleichung bis hin<br />
zum Symbol für eine Verbindung.“ Im<br />
Fall der XDiavel jene zwischen<br />
hochtechnologischen<br />
Sportmotorrädern und<br />
Cruisern – und die<br />
scheint durchaus gelungen.<br />
www.motorradonline.de/<br />
ducati<br />
3/<strong>2016</strong>
Mitfahrtermin Ducati XDiavel S<br />
Ducati-Chef Claudio Domenicali führt uns<br />
die neue XDiavel S höchstpersönlich vor.<br />
Sie ist die erste Ducati mit Riemenantrieb<br />
Reine Chefsache<br />
Es ist schon eine gute Tradition: Ducati lädt<br />
<strong>MOTORRAD</strong> zu einem ersten Eindruck ihrer<br />
neuesten Maschinen ein. So geschehen jetzt<br />
auch mit der brandneuen Ducati XDiavel.<br />
Der Techno-Cruiser wurde dabei vom Chef<br />
höchstpersönlich präsentiert.<br />
Blauer Himmel, klare Luft, ein bullig vor sich<br />
hin schnaufender 1300er-Desmo-V2: Die<br />
Welt kann so schön sein. Doch halt: Ich darf sie<br />
nicht fahren, denn die Weltpräsentation für die<br />
Journalistenkollegen fand noch nicht statt,<br />
und man kann ja <strong>MOTORRAD</strong> nicht so bevorzugen.<br />
Für mich gibt es also eine andere Maschine.<br />
Macht nichts. Denn Claudio Domenicali<br />
fährt vor mir und lässt die neue 1300er mit<br />
den weit vorne liegenden Fußrasten flott um<br />
die glibberigen Ecken fliegen. Mutig, mutig<br />
denke ich – das Thermometer zeigt nur<br />
schmerzende vier Grad an – aber wenn sich<br />
einer hier in den Bergen südlich von Bologna<br />
auskennt, dann ist er es. Also nichts wie hinterher,<br />
auch wenn sein fettes 240er-Hinterrad<br />
dicke Salzstaubwolken aufwirbelt.<br />
Was auffällt: Die neue XDiavel klingt kräftig,<br />
aber dezent (www.motorradonline.de/xdiavel).<br />
Die Zeiten, in denen eine Ducati krawallig<br />
durch die Gassen hämmert, sind definitiv<br />
vorbei. „In der Auspuffanlage steckt viel<br />
Know-how, mit ihr haben wir dieses fantastische<br />
Drehmoment hingekriegt.“ Domenicali<br />
ist begeistert von der Arbeit seiner Ingenieure<br />
und schwärmt geradezu vom feinen Ansprechverhalten<br />
und Druck aus dem Keller.<br />
„Der Zahnriemenantrieb ist für uns eine neue<br />
Welt.“ referiert er. „Endlich konnten wir das<br />
Antriebsspiel reduzieren, Du wirst es schon<br />
nach den ersten Metern merken, noch nie<br />
lief unser V2 so weich und mit so geringen<br />
mechanischen Geräuschen.“<br />
Naja, ich hätte es schon gerne ausprobiert,<br />
aber so müssen unsere Leserinnen und Leser<br />
eben noch warten (Fahrbericht in Heft 5). Wir<br />
brausen weiter und Domenicali macht klar,<br />
dass auch die längste und flachste Ducati aller<br />
Zeiten eine echte Ducati bleibt. Immerhin<br />
leistet auch der neue Euro4-Motor satte 156<br />
PS bei vergleichsweise geringen 247 Kilogramm<br />
Fahrzeuggewicht, was aus einem Cruiser<br />
natürlich bei entsprechender Fahrweise<br />
ein ziemlich schnelles Geschoss macht. So gesehen<br />
ist die XDiavel einzigartig im Markt.mp<br />
Ducati-Chef Domenicali erklärt <strong>MOTORRAD</strong>-Chef<br />
Pfeiffer die neuen Schaltereinheiten, die nun rot<br />
beleuchtet sind<br />
www.motorradonline.de
N E W S<br />
Schloss Augustusburg:<br />
45 Jahre Wintertreffen<br />
Alle kamen, nur der Winter nicht: 1700 Motorradfahrer waren beim traditionellen<br />
Treffen in Sachsen wieder dabei. Und fast 10 000 schaulustige Besucher,<br />
um historische Mopeds und heiße Wintercamping-Ideen zu bewundern.<br />
Simsons und Viertakt-AWOs aus Thüringen,<br />
tschechische Jawas und jede Menge sächsische<br />
MZ – ein paar ältere Japaner noch, aber<br />
aktuelle Motorradmodelle sind beim traditionellen<br />
Wintertreffen auf Schloss Augustusburg<br />
Mangelware. Wer noch eines der schönen alten<br />
OSTALGIE-BIKES besitzt, bringt es mit und freut<br />
sich, hier Gleichgesinnte zu treffen, im Schlosshof<br />
zu fachsimpeln oder auf dem Teilemarkt<br />
endlich neue Vergaserseilzüge zu finden. Der<br />
milde Winter hatte <strong>2016</strong> zwar eisfreie Straßen<br />
parat und den Hügeln rings ums Schloss allenfalls<br />
eine dünne Puderzuckerschicht beschert.<br />
Trotzdem waren viele der 1700 Biker im Gespann<br />
gekommen und hatten kreative Lösungen im<br />
garantiert assistenzsystemfreien Seitenwagen,<br />
um sich etwa der nächtlichen Kälte zu erwehren:<br />
von der Waschtrommel als mobile Feuerstelle bis<br />
hin zum ganzen Holzofen im Zelt. Und der ständige<br />
Nachschub an Getränken muss gewährleistet<br />
sein. Da ist Ronny noch am Üben. Denn das<br />
Fass auf dem Hänger hinter seiner Simson (Foto<br />
rechts oben) war <strong>2016</strong> schon bei der Ankunft<br />
leer. Grund: ein Leck. Bis 2017 will er’s geflickt haben<br />
und zur dann 46. Auflage des Wintertreffens<br />
„was Leckeres drin mitbringen“. Wohl bekomm’s!<br />
Als Motorradmuseum ist das<br />
Schloss dauerhaft ein lohnenswerter<br />
Treff, im Januar ganz besonders:<br />
beim großen Ost-Treffen<br />
mit Bikern und Bikes aller<br />
Couleur. Und jeder Menge Spaß<br />
Fotos: Claudia Dohle<br />
Hawaiianisch für Grashüpfer: W-’ühini<br />
Deus ex Machina ist ein weltweites Lifestyle-Label mit Wurzeln in Australien –<br />
und im Bau von Custombikes. Seit den Anfängen 2006 in Sydney entstehen im<br />
Namen der Marke immer neue Motorrad-Kreationen rund um den Globus. So<br />
auch die von englischen Dirt-Racern der 60er inspirierte "W-’ühini/Grasshopper"<br />
des Kaliforniers Michael Woolaway (links). Als Motor dient der KÖNIGSWELLEN-<br />
TWIN einer Kawasaki W 650. Doch der ist aufgebohrt auf 800 Kubik und auch das<br />
einzige Großserien-Teil. Tank und Heckbürzel sind handgedengeltes Alu, teils perlgestrahlt,<br />
teils gebürstet. Ein Einzelstück ist auch der Chrom-Molybdän-Rahmen,<br />
die Bremsen lieferten Grimeca und Brembo, Handarbeit sind die Zwei-in-nichts<br />
Krümmer. Der Name W-’ühini soll hawaiianisch sein und für Grashüpfer stehen.<br />
Foto: Deus<br />
18 NEWS 3/<strong>2016</strong>
2 x 2 = Yamaha?<br />
Foto: Vozz<br />
Klapphelm mal anders<br />
Der australische Hersteller Voztec<br />
hat sich dieses Klapphelmsystem<br />
(Foto) patentieren lassen. Vorteile<br />
des umgerechnet rund 600 Euro<br />
teuren Vozz RS 1.0 sollen sein:<br />
optimaler Sitz am Nacken und unterm<br />
Kinn, kein Kinnriemen, leicht<br />
abnehmbar im Notfall. Ab April<br />
<strong>2016</strong> will Voztec auch ECE-geprüfte<br />
Helme anbieten. Vertrieb bisher<br />
nur über www.vozzhelmets.com<br />
Du denkst, du siehst<br />
doppelt? Nein, alles in<br />
Ordnung. OR2T heißt<br />
der interne Code für diese<br />
von Yamaha entwickelte<br />
Motorradstudie mit doppeltem<br />
Vorder- und Hinterrad.<br />
Anders als bei herkömmlichen<br />
Vierrädern<br />
sind die Räder so platziert<br />
und aufgehängt, dass das<br />
motorradtypische SCHRÄG-<br />
LAGEN-KURVENVERHALTEN<br />
bestehen bleibt – aber bei doppeltem<br />
Grip. Vor allem vorn verspricht<br />
die Hossack-ähnliche Radführung mit getrennter<br />
Federung eine wesentlich verbesserte Haftung auch<br />
beim Überfahren von Hindernissen, wie ein von Yamaha veröffentlichtes Youtube-Video<br />
zeigt (www.motorradonline.de/or2t). Mehr offizielle Infos gibt es dazu nicht. Interessant<br />
und im Video gut zu erkennen ist auch der DOPPELTE KARDANANTRIEB rechts und links.<br />
Foto: Yamaha<br />
kurz notiert<br />
Foto: daboost-Fotalia<br />
Motorräder EU-weit auf Kurs<br />
Der Europäische Verband der Motorradhersteller ACEM freut sich<br />
über 2015 deutlich gestiegene Neuzulassungszahlen im Bereich<br />
der EU. Insgesamt seien von Januar bis November 2015 EU-weit genau<br />
1 151 657 motorisierte Zwei- und Dreiräder sowie Mopeds neu zugelassen<br />
bzw. in den Verkehr gebracht worden, heißt es in einer Mitteilung.<br />
Das entspreche eine STEIGERUNG um 3,9 Prozent gegenüber dem gleichen<br />
Zeitraum des Vorjahres. Die prozentual höchsten Zuwächse konnte<br />
dabei Spanien verzeichnen. Das Land war in den Jahren zuvor von den<br />
Folgen der Finanzkrise hart getroffen<br />
Deutschland: plus 3,0 %<br />
worden, der Zweiradmarkt war dort<br />
Großbritannien: plus 12,9 % praktisch zusammengebrochen.<br />
Frankreich: minus 4,2 % Rückläufe verzeichnet Frankreich, wo<br />
in den Vorjahren stets die meisten<br />
Italien: plus 6,2 %<br />
neuen Motorräder, Mopeds und Roller<br />
zugelassen Spanien: plus 16,7 %<br />
wurden.<br />
Elektrisch neu geboren<br />
Polo-Katalog <strong>2016</strong><br />
Die neue Saison steht am<br />
Start und hat den Motor<br />
schon mal angeworfen.<br />
Den Katalog dafür gibt’s<br />
ab sofort in jedem der<br />
93 Polo-Shops zum Mitnehmen.<br />
702 Seiten mit<br />
starken Marken für Biker<br />
(<strong>2016</strong> u. a. neu: Liqui Moly).<br />
Ducati-Rekorde<br />
54 800 Motorräder lieferte Ducati 2015 an die<br />
Kunden aus, 22 Prozent mehr als letztes Jahr.<br />
Wichtigster Markt sind die USA, gefolgt von<br />
Italien und Deutschland. Verkaufsschlager des<br />
Herstellers aus Bologna waren die Scrambler mit<br />
16 000 Stück, die Multistrada 1200 (über 8000)<br />
und die Monster 821 (rund 6500).<br />
Husqvarna/KTM-Rückruf<br />
Husqvarna/KTM ruft Zwei- und Viertakt-Offroader<br />
des Modelljahrs <strong>2016</strong> zurück. Bruchgefährdete<br />
Vorderradspeichen werden kontrolliert,<br />
bei Bedarf ersetzt. Halter werden schriftlich informiert.<br />
Infos gibt’s auch im Service-Bereich<br />
der Herstellerwebsites (mit Fahrgestellnummer).<br />
Foto: Polo<br />
Foto: Cezeta<br />
Bis 1964 wurde der tschechische 175er-<br />
Roller Cezeta 501/2 gebaut. Als Elektroscooter<br />
Cezeta 506 (Foto) ist er jetzt in Prag wiederauferstanden,<br />
wirkt äußerlich aber (bis auf die<br />
Scheibenbremse hinten) immer noch wie aus<br />
den Ostblock-50ern. Die herrliche Zyklopen-<br />
Schnauze und das STAHLBLECH-MONO-<br />
COQUE sind geblieben. Darunter stecken heute<br />
ein E-Motor (5 kW Dauerleistung, 8 kW max.)<br />
und Li-Ion-Akkus. Als Reichweite nennt Cezeta<br />
Motors 100 km (Schnitt), Vmax: 90 km/h, Ladedauer:<br />
4,5 Stunden. Preis: 9900 Euro. <strong>2016</strong> sollen<br />
100 Stück gebaut werden. www.cezeta.com<br />
Indian-Rückruf<br />
Alle aktuellen Indians mit 1800er-V2 ab Baujahr<br />
2014 müssen zurück in die Werkstatt. Grund ist<br />
ein möglicherweise schadhafter Bremszylinder,<br />
der zum Ausfall der hinteren Bremse führen<br />
kann. Die Scout-Modelle sind nicht betroffen.<br />
Halbe Million Gebrauchte<br />
488 784 gebrauchte Motorräder wechselten<br />
2015 in Deutschland den Besitzer. Damit sind die<br />
Besitzumschreibungen gegenüber dem Vorjahr<br />
leicht rückläufig, 2014 waren’s 0,8 Prozent mehr.<br />
Weitere Termine unter www.motorradonline.de;<br />
alle Termine ohne Gewähr<br />
NEWS 19
N E W S<br />
Gericke wieder in Insolvenz<br />
Fotos: Hein Gericke<br />
Auch wenn’s altbekannt klingt, so ist die Entwicklung um die Handelskette doch ganz aktuell – und kam für<br />
Außenstehende Ende Dezember auch durchaus überraschend. Für den Gericke-Chef aber nicht.<br />
Hein Gericke ist Ende 2015 zum dritten<br />
Mal (nach 20<strong>03</strong> und 2013) in Insolvenz.<br />
Das klingt erst einmal dramatisch, ist aber<br />
laut Inhaber und Geschäftsführer Paul Liao<br />
„keine Überraschung und kein Grund zur<br />
Beunruhigung“. Vielmehr sei die Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens, der das Düsseldorfer<br />
Amtsgericht am 28. Dezember 2015<br />
zugestimmt hat, „eine GEPLANTE UND<br />
GESETZLICH GEREGELTE KONSEQUENZ<br />
Interview Paul Liao<br />
aus dem Schutzschirmverfahren“, in dem<br />
sich die Handelskette seit Oktober 2015<br />
befindet, sagt der Gericke-Chef.<br />
Noch im Februar <strong>2016</strong> soll das Insolvenzverfahren<br />
abgeschlossen sein. Erhofftes<br />
Ergebnis: Der Düsseldorfer Zubehör-Multi<br />
soll dann erfolgreich saniert in die neue<br />
Motorradsaison starten. So heißt es sinngemäß<br />
in einem Statement der Geschäftsführung.<br />
<strong>MOTORRAD</strong> wollte genauer wissen,<br />
was das im Einzelnen und vor allem für die<br />
Motorradfahrer und Kunden des traditionsreichen<br />
Zubehöranbieters bedeutet und<br />
fragte nach. Siehe Interview.<br />
Mit Katalog und<br />
neuen Produkten<br />
will Gericke<br />
<strong>2016</strong> auf Kurs<br />
kommen<br />
Foto: Patrick Altenstrasser<br />
Paul Rutian<br />
Liao (42) ist<br />
seit 2007 Chef<br />
der europäischen<br />
Firmenzentrale<br />
von<br />
LS2 (steht<br />
für „Liao<br />
Systems“).<br />
Der aus China<br />
stammende Manager hat Anfang<br />
2014 gemeinsam mit weiteren<br />
Investoren die insolvente Hein<br />
Gericke Europe GmbH übernommen<br />
und ist seither deren<br />
Geschäfts führer.<br />
? Es hat sich ja schon viel bei Hein Gericke<br />
bewegt, deswegen hat uns die aktuelle Insolvenz<br />
doch überrascht. Was war die Ursache?<br />
! Das Insolvenzverfahren ist notwendig,<br />
um die im Insolvenzplan erarbeiteten<br />
Maßnahmen umzusetzen. Dabei<br />
handelt es sich um erforderliche Sanierungsschritte,<br />
die bei der Übernahme<br />
Anfang 2014 nicht vollzogen wurden<br />
und jetzt umgesetzt werden.<br />
? Welche Schritte sind das?<br />
! Ziel der Sanierung ist es, eine<br />
tragfähige und wettbewerbsfähige<br />
Plattform zu schaffen. Leider bedeutet<br />
das auch, dass eine Straffung des<br />
Filialnetzes und eine damit einhergehende<br />
Anpassung der Personalstruktur<br />
unumgänglich waren. Aber auch auf<br />
operativer und strategischer Seite gibt<br />
es Anpassungen: Wir werden zukünftig<br />
vermehrt auf unsere Eigenmarken setzen<br />
und deren Anteil am Gesamtsortiment<br />
schrittweise weiter ausbauen.<br />
? Es werden also Hein Gericke-Shops in<br />
Deutschland schließen?<br />
! Die Richtung ist klar: Wir werden<br />
uns von einem Teil unserer Filialen<br />
trennen müssen. Wir sprechen hier von<br />
zirka 15 Filialen im In- und Ausland. Für<br />
die betroffenen Mitarbeiter tun mir die<br />
anstehenden Einschnitte unglaublich<br />
leid. Ich bin ja nah dran am Geschehen<br />
und erlebe jeden Tag mit, wie engagiert<br />
und mit wie viel Identifikation bei Hein<br />
Gericke gearbeitet wird.<br />
? Insolvenz heißt üblicherweise Zahlungsunfähigkeit.<br />
Wird denn zum Saisonstart <strong>2016</strong><br />
überhaupt Ware in den Läden sein?<br />
! Wie schon gesagt streben wir an,<br />
das Insolvenzverfahren kurzfristig im<br />
Februar <strong>2016</strong> abzuschließen. Das jetzt<br />
laufende Verfahren hat keinen Einfluss<br />
auf den aktuellen Betriebsablauf sowie<br />
bestehende oder zukünftige<br />
Lieferbeziehungen. Sämtliche Lieferanten<br />
halten uns die Treue.<br />
? Warenengpässe waren eines der großen<br />
Probleme vor Ihrer Zeit. Ab wann wird das volle<br />
Sortiment von Hein Gericke lieferbar sein?<br />
! Die Saison <strong>2016</strong> wurde bereits<br />
letztes Jahr abschließend vorbereitet. Es<br />
wird keine Einschränkungen hinsichtlich<br />
des Angebotes geben, vielmehr wird<br />
eine Vielzahl neuer Produkte erstmalig<br />
vorhanden sein. Wir freuen uns auf<br />
den anstehenden Saisonstart, der durch<br />
unseren neuen Katalog eingeläutet<br />
wird. Auch nach Abschluss der Sanierung<br />
werde ich persönlich weiterhin<br />
inhaltlich und finanziell voll hinter dem<br />
Unternehmen stehen.<br />
? Sie sprechen „neue Produkte“ an.<br />
Welche könnten das zum Beispiel sein?<br />
! Wir werden erstmalig seit zehn<br />
Jahren völlig neu entwickelte Kollektionen<br />
sämtlicher Eigenmarken wie<br />
Hein Gericke, Tuareg, Speedware und<br />
Bullson auf den Markt bringen. Diese<br />
neuen Produkte werden nicht nur<br />
ein Highlight unseres neuen Katalogs,<br />
sondern ab der neuen Saison auch in<br />
unseren Filialen erhältlich sein.<br />
20 NEWS 3/<strong>2016</strong>
FOR TODAY’S<br />
ORIGINALS.<br />
11.02.<strong>2016</strong><br />
Erkundigen Sie sich gleich bei Ihrem Händler nach seinem Street Twin Event – Ihre Chance, die Street Twin<br />
als einer der Ersten hautnah zu erleben.<br />
Weitere Informationen zur Street Twin unter: triumphmotorcycles.de<br />
Triumph empfiehlt
T O P<br />
Honda Africa Twin<br />
- T E S T<br />
IN DER RUHE<br />
LIEGT DIE KRAFT<br />
Die ersten Eindrücke der Africa Twin bei ihrer Präsentation waren vielversprechend.<br />
Doch jetzt gilt’s. Das erste Testmotorrad steht für den Top-Test bereit. Und die Erwartungen<br />
sind groß. Doch die Honda begegnet ihnen mit Gelassenheit. Kann sie auch.<br />
Von Andreas Bildl; Fotos: markus-jahn.com<br />
Seit Kurzem geht in der Redaktion<br />
Seltsames vor sich. Kollegen aus<br />
verschiedensten Ressorts stehen<br />
plötzlich in der Tür: Reisekollege<br />
Markus Biebricher war der Erste, kurz danach<br />
tauchte Service-Mann Thorsten Dentges<br />
auf: „Du, ähm, meinst du, ich könnte den<br />
Schlüssel der Honda mal für eine Stunde haben?“<br />
Oder sie beäugen wie Klassik-Kollege<br />
Uli Holzwarth in der Redaktionstiefgarage<br />
die hochbeinige Honda: „Wie lange ist die<br />
denn da? Meinst du, man könnte die mal<br />
haben? Komm, lass mal laufen, nur kurz den<br />
Sound checken.“ Gestandene Redakteure<br />
schleichen wie die Katze um den Milch topf<br />
um die Africa Twin herum. „Endlich“, entfährt<br />
es Markus. Und er erntet Kopfnicken.<br />
Szenenwechsel, Südfrankreich. Fotostopp,<br />
um Detailfotos zu schießen. Während Knipser<br />
Markus mit der Kamera in den letzten<br />
Winkel der Africa Twin kriecht, braust ein<br />
ram ponierter Transporter heran. Sein Fahrer<br />
steigt ambitioniert in die Bremsen, springt<br />
heraus, stellt sich als Franck vor. Franck ist<br />
völlig aus dem Häuschen. Er hätte uns schon<br />
am Morgen gesehen, fährt selbst eine 750er-<br />
Africa Twin RD 07, letztes Baujahr, wohnt im<br />
nächsten Ort. Und er hätte einfach kurz anhalten<br />
müssen, um die Neue zu bestaunen.<br />
Spricht’s, steigt in seinen Transporter und<br />
ist verschwunden. Eine halbe Stunde später<br />
kommt eine piekfeine 750er-Africa Twin<br />
von 20<strong>03</strong> ums Eck geballert, Franck steigt<br />
ab und beginnt eine lebhafte Diskussion.<br />
Keine Frage, die CRF 1000 zieht die Betrachter<br />
in ihren Bann. Und gab es im Vorfeld<br />
kritische Stimmen ob der „nur“ 95 PS<br />
und über 230 Kilo Gewicht, ist davon nun<br />
nichts zu hören.<br />
22 TEST+TECHNIK<br />
3/<strong>2016</strong>
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 23
Top-Test Honda Africa Twin<br />
Die neue Africa Twin ist ein sehr ap petitliches<br />
Motorrad geworden. Schlank, mit<br />
knapper Taille, wie aus einem Guss. Dazu<br />
wertig gemacht – macht einfach Spaß, sie<br />
zu betrachten. Das glänzende Rot und das<br />
Schnee weiß des fein lackierten Tanks ergeben<br />
einen herrlichen Kontrast, die Sitzbank<br />
mit schwarz-weiß-rotem Bezug passend<br />
dazu. Die Honda zeigt wohltuenden Mut<br />
zur Farbe. Auch wenn die Aufkleber der<br />
Verkleidung nicht überlackiert sind. Die<br />
Verarbeitung kann sich sehen lassen. Die<br />
Kunststoffteile sind passgenau und wirken<br />
nicht billig. Der Stahlrahmen ist sauber<br />
geschweißt – lei der auch das Rahmenheck,<br />
ein geschraubtes wäre im Fall der Fälle<br />
besser gewesen. Keine Spur von Kabelbindern<br />
oder lose herumbaumelnden Steckern.<br />
Lediglich das Sensorkabel am Vorderrad<br />
wirkt etwas salopp verlegt.<br />
Doch Details wie der stabile Alu-Motorschutz,<br />
Kunststoff-Rahmenschoner über<br />
den Fußrasten, klappbarer Schalthebel und<br />
griffig gezacktes Bremspedal, dazu das<br />
21-Zoll-Vorderrad und üppige 230 mm Bodenfreiheit<br />
– das schmeckt nach staubigen<br />
Pisten und Fernweh. Das sind die Fußstapfen,<br />
die ihre 20<strong>03</strong> eingestellte Vorgängerin<br />
auch dank ihrer enormen Zuverlässigkeit<br />
hinterließ. Und es sind ziemlich große – die<br />
von der pummeligen Varadero seither nicht<br />
gefüllt werden konnten.<br />
Aber bevor wir jetzt gefühlsduselig in<br />
der Vergangenheit schwelgen: Es zählt das<br />
Hier und Jetzt. Und das heißt 880 mm<br />
Sitzhöhe. Die sind für Normalgewachsene<br />
dank schmaler Sitzbank und damit manierlicher<br />
Schrittbogenlänge gut zu meistern.<br />
Wer’s niedriger mag: Sie lässt sich durch<br />
simples Umstecken aber auch 15 mm tiefer<br />
montieren. Wer noch tiefer hinab oder<br />
höher hinaus will, für den bietet Honda je<br />
30 mm höhere oder niedrigere Bänke.<br />
Der 18,8 Liter fassende Tank sorgt für<br />
knappen Knieschluss. 400 Kilometer sollen<br />
dank züchtiger Trinksitten trotzdem drin<br />
sein. Verspricht Honda. Wir werden sehen.<br />
Das Hier und Jetzt heißt auch: Reihen-Twin<br />
statt V2. Und der meldet sich auf Knopfdruck<br />
zur Stelle, brummt mit leicht erhöhten<br />
1800/min Ruhepuls vor sich hin. Beim<br />
Übersichtliches und kontraststarkes<br />
Cockpit, leider spiegelt<br />
die Abdeckung etwas<br />
Knappe Scheibe mit erstaunlich gutem<br />
Windschutz und geringe Verwirbelungen<br />
dank schlauer Öffnungen<br />
Kunststoffprotektoren<br />
an Rahmen und Kupplungsglocke,<br />
angeschweißtes<br />
Rahmenheck<br />
Die Sitzbank lässt sich in<br />
zwei unterschiedlichen<br />
Positionen fixieren, was<br />
15 mm Unterschied<br />
in der Sitzhöhe ausmacht<br />
24 TEST+TECHNIK
Honda CRF 1000 L Africa Twin<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor,<br />
zwei Ausgleichswellen,<br />
eine obenliegende, ket tengetriebene<br />
Nockenwelle, vier Ven tile<br />
pro Zylinder, Gabelkipphebel und<br />
Tassenstößel, Trockensumpfschmierung,<br />
Einspritzung, 2 x Ø 44 mm,<br />
Lichtmaschine 490 W, Batterie 12 V/<br />
11 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
(Anti-Hopping),<br />
Sechsganggetriebe, O-Ring-<br />
Kette, Sekundärübersetzung 2,625.<br />
Bohrung x Hub 92,0 x 75,1 mm<br />
Hubraum<br />
998 cm³<br />
Verdichtungsverhältnis 10,0 : 1<br />
Nennleistung<br />
70,0 kW (95 PS) bei 7500/min<br />
Max. Drehmoment<br />
<br />
98 Nm bei 6000/min<br />
FAHRWERK<br />
Brückenrahmen aus Stahl, Upsidedown-Gabel,<br />
Ø 45 mm, verstellbare<br />
Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung,<br />
Zweiarmschwinge aus<br />
Aluminium, Zentralfederbein mit<br />
Hebelsystem, verstellbare Federbasis,<br />
Zug- und Druckstufendämpfung,<br />
Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310<br />
mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse<br />
hinten, Ø 256 mm, Einkolben-Schwimmsattel.<br />
Speichenräder mit Alu-Felgen<br />
2.15 x 21; 4.00 x 18<br />
Reifen 90/90 21; 150/70 R 18<br />
Bereifung im Test<br />
Dunlop Trailmax D 610<br />
MAßE + GEWICHT<br />
Radstand 1575 mm, Lenkkopfwinkel<br />
62,5 Grad, Nachlauf 113 mm, Federweg<br />
v./h. 230/220 mm, zulässiges<br />
Gesamtgewicht 427 kg, Tankinhalt<br />
18,8 Liter.<br />
SERVICE-DATEN<br />
Service-Intervalle 12 000 km<br />
Öl- und Filterwechsel <br />
<br />
alle 12 000 km, 4,2 Liter<br />
Motoröl<br />
SAE 10W30<br />
Telegabelöl<br />
Honda Ultra Cushion 10wSS47<br />
Zündkerzen NGK SILMAR8A9S<br />
Leerlaufdrehzahl 1200 ± 100/min<br />
Reifenluftdruck solo (mit Sozius)<br />
vorn/hinten 2,0/2,5 (2,0/2,8) bar<br />
Garantie<br />
zwei Jahre<br />
FarbenRot/Weiß/Schwarz,<br />
Weiß/Blau/Rot, Silber, Schwarz<br />
Preis Testmotorrad* 12 405 Euro<br />
* mit ABS und Traktionskontrolle; 11 805 Euro (ohne ABS); 13 525 Euro (mit ABS, Traktionskontrolle und Doppelkupplungsgetriebe); Nebenkosten 295 Euro<br />
Griff zur Kupplung fällt zweierlei auf: Zum<br />
einen fiel ein einstellbarer Handhebel dem<br />
Rotstift zum Opfer – angesichts des Preises<br />
nicht unbedingt zu erwarten. Zum anderen<br />
verlangt die Anti-Hopping-Kupplung<br />
nur wenig Handkraft. Sanft rastet der erste<br />
Gang ein, und ab dem ersten Meter schiebt<br />
der Twin prächtig voran. Und sofort zieht<br />
es die Mundwinkel nach oben.<br />
Stabil wirkender Alu-Motorschutz serienmäßig,<br />
aber kein Hauptständer. Die Krümmer<br />
haben separate Schutzbleche<br />
Set up<br />
SETUP LANDSTRASSE<br />
GABEL<br />
Zugstufe<br />
Druckstufe<br />
Vorspannung<br />
Luftdruck<br />
2,25 Umdrehungen<br />
8 Klicks<br />
5 Umdrehungen*<br />
2,0 bar<br />
Alle Umdrehungen von geschlossener Position aus<br />
gezählt<br />
FEDERBEIN<br />
Zugstufe<br />
Druckstufe<br />
Vorspannung<br />
Luftdruck<br />
10 Klicks<br />
12 Klicks<br />
6 Umdrehungen*<br />
2,5 bar<br />
* von vollständig entspannter Position aus gezählt<br />
Der 998 cm³ große Twin ist ein Schmeichler<br />
mit ausgezeichneten Umgangsformen.<br />
Honda vertraut bei der Africa Twin auf konventionelle<br />
Gaszüge statt elektronischem<br />
Ride-by-Wire. Der Motor hängt schön am<br />
Gas, direkt und doch weich. In Sachen Elektronik<br />
ist das Nötigste an Bord. Eine dreistufige,<br />
vom Lenker aus einfach zu bedienende<br />
Trak tionskontrolle, deren sanfteste Stufe<br />
allerdings etwas früh und rigoros einschreitet.<br />
Dazu ein optionales ABS (Aufpreis 600<br />
Euro), das sich nur am Hinterrad für Geländeausflüge<br />
abschalten lässt. Wer’s puristisch<br />
mag: Eine Version ohne ABS ist, da die<br />
Africa Twin noch nach Euro 3 homologiert<br />
ist, dieses Jahr ebenfalls zu haben. Verschiedene<br />
Mappings bietet die Africa Twin nicht<br />
– was sich verschmerzen lässt. Etwas nervig<br />
ist dagegen, dass bei jedem Ausschalten<br />
der Zündung – auch per Killschalter – ABS<br />
und Traktionskontrolle wieder auf die<br />
Werks einstellung zurückgesetzt werden.<br />
Aber zurück zum Motor.<br />
Er ist einer dieser Motoren, die bereits<br />
ab Standgas unaufgeregt, aber mit sanftem<br />
Nachdruck zur Sache gehen. Weich bollernd,<br />
hässliches Lastwechselrucken weitestgehend<br />
verkneifend. Das animiert dazu,<br />
gleich nach dem Anfahren im knackigen,<br />
präzisen Getriebe – eine DCT-Version mit<br />
Doppelkupplungsgetriebe stand zum Test<br />
noch nicht zur Verfügung – den zweiten<br />
Gang nachzulegen und früh hochzuschalten.<br />
Kurz hinter dem Ortsausgang kann<br />
schon der Sechste aktiviert werden. Im Alltag<br />
spielt sich das meiste dann zwischen<br />
2000 und 4000 Umdrehungen ab. Das ent-<br />
Schlanke Taille, nicht zu ausladender Tank,<br />
Schalldämpfer eng an die Seite geschmiegt –<br />
die Honda feiert die Abkehr vom Trend zu<br />
immer ausladenderen Reiseenduros<br />
TEST+TECHNIK 25
Top-Test Honda Africa Twin<br />
spannt, macht gelassen, schont die Nerven.<br />
Spitzkehren sind ein Kinderspiel. Sanft bullernd<br />
schiebt der Twin die Fuhre aus den<br />
Ecken. Hängt sauber am Gas, schlicht souverän.<br />
Fernab jeder Hektik. Auch weil der<br />
Twin dabei eine ausgezeichnete Laufkultur<br />
an den Tag legt.<br />
Zwei Ausgleichswellen gaben ihm die<br />
Entwickler mit auf den Weg. Und die machen<br />
ihren Job hervorragend. Sie lassen<br />
kaum mehr als ein sanftes Pulsieren übrig,<br />
egal bei welcher Drehzahl. Feine Manieren<br />
besitzt der Twin also. Und eine gleichmäßige<br />
Leistungsentfaltung auch. Eine seiner<br />
Stärken ist zweifellos das sehr breite nutzbare<br />
Drehzahlband. Feiner Antritt aus dem<br />
Drehzahlparterre, kein Einbruch in der Mitte,<br />
bei 6000/min gibt es noch mal etwas<br />
mehr Leben. Erst ab 7500/min verebbt der<br />
Elan des wohltönenden Twins. Er bekam<br />
einen angenehm dumpfen, voluminösen<br />
Sound mit auf den Weg, was zum einen auf<br />
der Kurbelwelle mit 270 Grad Hubzapfenversatz<br />
beruht. Damit ergibt sich im Prinzip<br />
die Zündfolge eines 90-Grad-V2. Wie ein<br />
Ducati-V2 klingt die Africa Twin damit zwar<br />
nicht. Doch bollert sie satt und sanft, beim<br />
Beschleunigen kernig, aber nicht aggressiv<br />
und niemals aufdringlich. Verantwortlich<br />
dafür ist das ausgeklügelte Innenleben des<br />
Schalldämpfers – erkennbar an den zwei<br />
unterschiedlich großen Austrittsrohren –,<br />
der sich trotz seiner Größe gut in die Linie<br />
fügt und eng an die Maschine anschmiegt.<br />
Ebenso gelungen das Sitzplatzarrangement.<br />
Dank der schmal konturierten Sitzbank<br />
erreichen Normalgewachsene gut<br />
den Boden. Der Lenker liegt nahezu perfekt<br />
zur Hand, die Sitzbank ist straff gepolstert<br />
und bietet üppig Bewegungsspielraum. Der<br />
Fahrer sitzt locker, aber nicht passiv. Selbst<br />
nach Stunden steigt man unverkrampft aus<br />
dem Sattel. Und vergnügt. Weil sich auch<br />
das Fahrwerk kaum eine Blöße gibt.<br />
Da wäre zum einen die gelungene<br />
Balance des Fahrwerks. Die 233 Kilogramm<br />
(vollgetankt) verteilen sich zu je 50 Prozent<br />
auf Vorder- und Hinterrad.<br />
Doch viel bemerkenswerter als solche<br />
Zahlenspielereien ist, wie sich die Africa<br />
Twin im Kurvengewühl präsentiert. Sobald<br />
die Räder rollen, scheint es, als hätte sie<br />
einen halben Zentner an Ballast über Bord<br />
geworfen. Sie kann zwar nicht Haken schlagen<br />
wie ein Hase – was angesichts des<br />
21-Zoll-Vorderrades und der auf Stabilität<br />
getrimmten Geometrie mit langem Nachlauf<br />
und flachem Lenkkopfwinkel niemand<br />
verwundert. Doch nimmt die Africa Twin<br />
Straßen jeglicher Couleur abgeklärt und<br />
souverän unter die Räder. Gelassen taucht<br />
sie von einer Schräglage in die nächste.<br />
Lässt sich willig am breiten Alu-Lenker<br />
durch Kehren, Serpentinen und schnelle<br />
Bögen dirigieren. Stabil folgt sie dem vorgegebenen<br />
Kurs. Sie pariert Bodenwellen<br />
unbeeindruckt, und über Aufstellmoment<br />
beim Bremsen kann sie nur müde lächeln,<br />
wie es eben für Maschinen mit 21-Zoll-<br />
Vorder rad typisch ist. Die Kehrseite: Bei höherem<br />
Tempo versteift sich das Handling<br />
merklich. Was letztlich nur ein kleiner Makel<br />
ist in der ansonsten feinen Balance. Weiterer<br />
Pluspunkt: Dank üppig bemessenem Lenkeinschlag<br />
legt die CRF Wendemanöver<br />
mühelos quasi auf einem Bierdeckel hin.<br />
Die Konstrukteure waren um einen möglichst<br />
niedrigen Schwerpunkt bemüht. So<br />
liegt der Kühlwasser-Ausgleichsbehälter<br />
hinten unterm Motor, ABS-Modulator und<br />
Batterie sind um den Schwerpunkt herumgruppiert.<br />
Eine besondere Rolle spielt dabei<br />
aber der Motor. Dank Unicam-Zylinderkopf<br />
(siehe Kasten unten) baut er sehr flach.<br />
Unicam- Ventilsteuerung<br />
Einzelkämpfer<br />
Gut erkennbar die direkt über den Einlassventilen sitzende Nockenwelle,<br />
Rollenkipphebel betätigen die Auslassseite<br />
Bei der Ventilsteuerung, die Honda unter dem klangvollen Namen<br />
Unicam in der Africa Twin verwendet, handelt es sich im Prinzip um<br />
eine sohc-Konstruktion, also eine einzelne, obenliegende Nockenwelle<br />
(single overhead camshaft). Bei herkömmlichen sohc-Motoren<br />
ist die Nockenwelle mittig zwischen Ein- und Auslassventilen platziert<br />
und steuert diese jeweils über Kipphebel. Beim Unicam-Motor<br />
dagegen sitzt die Nockenwelle direkt über den Einlassventilen<br />
und betätigt sie per Tassenstößel und Shims. Für die Betätigung der<br />
Auslassventile kommen Rollenkipphebel mit Einstellschrauben für<br />
das Ventilspiel zum Einsatz.<br />
Diese Bauweise ist nicht nur leichter als ein herkömmlicher sohc-<br />
Kopf, sie spart vor allem auch Bauraum und gestattet es, den Zylinderkopf<br />
kompakter zu gestalten.<br />
Neben der Africa Twin tragen auch die NC-Modelle sowie die Crosstourer<br />
und die VFR 1200 Unicam-Köpfe. Die ersten Hondas, die damit<br />
auf den Markt kamen, waren 2004 allerdings Wettbewerbsmaschinen,<br />
nämlich die Crosser CRF 250 und 450. Was gleichzeitig auch ein<br />
Beleg für die Robustheit dieser Technik ist, immerhin dreht die CRF<br />
250 über 11 500/min.<br />
Bei den mit deutlich niedrigeren Drehzahlen operierenden NC-Modellen<br />
stammen die Kipphebel gar aus der Autosparte, nämlich vom<br />
Honda Jazz.<br />
Inzwischen haben auch andere Hersteller die Vorzüge dieser Bauweise<br />
erkannt. So schickt KTM beispielsweise die neueste Genera<br />
tion der Duke 690 mit einem ähnlich konzipierten Zylinderkopf an<br />
den Start. Bei der Herzogin werden allerdings die Einlassventile per<br />
Schlepphebel betätigt.<br />
Den Unicam-Anfang machten 2004<br />
die wilden, hochdrehenden Crosser<br />
CRF 250 und 450. Ihnen folgten VFR<br />
1200 F und X sowie die NC-Modelle<br />
26 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Dynamisch reisen, aber ohne Hektik, komfortabel, aber nicht behäbig. Ihre Ausgewogenheit ist die<br />
große Stärke der Honda und Balsam für die Nerven<br />
Und auch wenn die Anhänger des V2 (zu<br />
denen auch der Autor zählt) jetzt aufheulen<br />
mögen: Der Reihen-Twin ist deutlich kompakter<br />
als ein V2 (und nebenbei günstiger<br />
in der Herstellung), wodurch er mehr<br />
Freiheit bei der Positionierung im Chassis<br />
bietet. Und gleichzeitig eine enorm lange<br />
Schwinge ermöglicht. 655 mm sind rekordverdächtig<br />
und sorgen dazu für guten Grip.<br />
Den Ölvorrat seiner Trockensumpfschmierung<br />
bunkert der Twin unten im Kurbelgehäuse.<br />
Das spart Bauhöhe, erfordert aber<br />
einen Peilstab zur Ölstandskontrolle. Dazu<br />
ist die Wasserpumpe in den Kupplungsdeckel<br />
integriert – und nicht in die Kupplung,<br />
wie manches Fachmagazin in vollem<br />
Vertrauen auf den Pressetext vermeldete.<br />
Die gelungene Darbietung des Fahrwerks<br />
fußt aber auch auf gut abgestimmten<br />
Federelementen. Trotz langer Feder wege<br />
(230 Millimeter vorne, 220 hinten) schaffen<br />
sie den Spagat zwischen ausreichend<br />
straffer Abstimmung und feinem Komfort.<br />
Gewissenhaft kümmern sie sich um große<br />
wie kleine Verwerfungen im Asphalt.<br />
Sie sind voll einstellbar, verfügen über<br />
einen recht breiten Einstellbereich und<br />
reagieren prompt auf wenige Klicks mehr<br />
Dämpfung. Allerdings auf Kosten der Sensibilität.<br />
Unterm Strich bietet die Werkseinstellung<br />
einen guten Kompromiss aus<br />
Stabilität und Komfort. Selbst bei Vollbremsungen<br />
bleibt die langbeinige Honda weitgehend<br />
ruhig. Die Bremsen dürften zwar<br />
ruhig eine Spur spontaner und mit etwas<br />
mehr Rückmeldung zu Werke gehen. Aber<br />
sie ermöglichen dank des fein regelnden<br />
ABS mit 9,2 m/s² ordentliche Verzögerung.<br />
Die Reifen allerdings spielen nicht auf dem<br />
hohem Niveau, das das Fahrwerk vorgibt.<br />
Die Dunlop D 610 Trailmax hegen kaum<br />
sportliche Ambitionen, mit Kalt und Feucht<br />
stehen sie zudem auf Kriegsfuß. Und der<br />
Vorderreifen ist nicht sonderlich mitteilsam,<br />
was seinen Kontakt zum Asphalt angeht.<br />
Da hätte die feine Honda eigentlich etwas<br />
Passenderes verdient gehabt. Das Ausloten<br />
ihrer Offroad-Qualitäten wird ohnehin –<br />
adäquat bereift – in einem separaten Test<br />
erfolgen. Dass sie sich in Sachen Topspeed<br />
mit 199 km/h eher in Zurückhaltung übt, ist<br />
dagegen leicht zu verschmerzen. Zumal sie<br />
Angebote zu<br />
diesem Motorrad<br />
finden Sie<br />
hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2016</strong><strong>03</strong>022<br />
Auf gefallen<br />
Im Falle eines Falles<br />
schützt der klappbare<br />
Schaltknauf<br />
vor Verlust. Durch<br />
Herausnehmen der<br />
Gummis bieten die –<br />
wenn auch kurzen – gezackten Rasten mehr<br />
Grip im Gelände.<br />
Ein Handrad zur<br />
Leuchtweiteneinstellung<br />
ist grundsätzlich<br />
lobenswert<br />
und eine feine Sache.<br />
Jenes der Africa Twin ist leider etwas<br />
versteckt im Verkleidungshalter platziert<br />
und nur etwas fummelig zu erreichen.<br />
Die Trockensumpfschmierung<br />
hat in<br />
Sachen Bauhöhe<br />
sicher Vorteile, die<br />
Ölstandskontrolle<br />
per Peilstab aber nicht. Dass es auch anders<br />
geht, zeigt KTM.<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 27
Top Test Honda Africa Twin<br />
auch bei diesem Tempo bolzstabil geradeaus<br />
läuft. Und die lange Endübersetzung<br />
hält das Drehzahlniveau niedrig, wenngleich<br />
dadurch die Durchzugswerte im<br />
sechsten Gang etwas blass bleiben. So<br />
spult man entspannt große Etappen am<br />
Stück ab, ehe die Tankanzeige zum Gang<br />
an die Zapfsäule mahnt. Beim Erreichen<br />
der Reserve informiert sie mit einer recht<br />
genauen Anzeige über die Restreichweite.<br />
Und siehe da: Zurückhaltend bewegt,<br />
genehmigt sich die Africa Twin gerade mal<br />
4,3 Liter, was ihr tatsächlich zu 437 Kilometern<br />
Reichweite verhilft. Und selbst zügiger<br />
bewegt, sind gut 350 Kilometer realisierbar.<br />
Das freut Fernreisende ebenso wie die zahl<br />
FAHRLEISTUNGEN<br />
-Messungen<br />
Höchstgeschwindigkeit* 199 km/h<br />
Beschleunigung80<br />
0–100 km/h 3,8 sek<br />
0–140 km/h 100 6,9 sek<br />
Durchzug<br />
60–100 km/h 90 4,6 sek<br />
100–140 km/h 6,1 sek<br />
140–180 km/h 10,9 sek<br />
80<br />
Tachometerabweichung<br />
effektiv (Anzeige 50/100) 44/93 km/h<br />
Drehzahlmesserabweichung 70<br />
Anzeige roter Bereich 8300/min<br />
effektiv8300/min<br />
60<br />
VERBRAUCH<br />
50<br />
Landstraße<br />
4,3 l/100 km<br />
Bei 130 km/h<br />
5,2 l/100 km<br />
40<br />
theor. Reichweite Landstraße 437 km<br />
KraftstoffartSuper<br />
30<br />
MAßE+GEWICHTE<br />
L/B/H<br />
2340/960/1480 20 mm<br />
Sitzhöhe<br />
865–880 mm<br />
Lenkerhöhe<br />
10 1180 mm<br />
Wendekreis<br />
4840 mm<br />
Gewicht vollgetankt<br />
233 kg<br />
Zuladung<br />
0<br />
194 kg<br />
Radlastverteilung v./h. 49,9/50,1 %<br />
Motorleistung<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
MOTOR 2<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Honda CRF 1000 L Africa Twin<br />
69,8 kW (95 PS) bei 7500/min<br />
98 Nm bei 5900/min<br />
kW PS<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Drehmoment in Nm<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
Geschwindigkeit in km/h<br />
GETRIEBE<br />
240<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
6. 220<br />
5. 194<br />
4. 173<br />
3. 144<br />
2. 113<br />
1. 74<br />
Max.<br />
Drehzahl<br />
Nenndrehzahl<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts<br />
Spektakuläres. Sondern vielmehr eine<br />
gleichmäßig ihrem sanft gerundeten<br />
Gipfel entgegenstrebende Leistungskurve<br />
und bereits knapp über<br />
2000/min gut 80 Nm Anfahrdrehmoment.<br />
Auch wenn Leistungsfetischisten<br />
nörgeln mögen, dass da der Kick<br />
fehlt, passt diese Motorcharakteristik<br />
ausgezeichnet zum entspannten Auftritt<br />
der Honda. Aufgrund der langen<br />
Übersetzung erreicht sie Topspeed<br />
gut 1000/min vor dem Drehzahllimit<br />
Verzögerung in m/s 2<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Zeit t<br />
BREMSEN<br />
Mittlere Bremsverzögerung: 9,2 m/s 2 , entspricht<br />
einem Bremsweg von 41,9 m aus 100 km/h<br />
Bremsmessung aus 100 km/h<br />
Handling-Parcours I (schneller Slalom)<br />
Referenz BMW R 1200 GS<br />
Beherztes Bremsen bringt zwar etwas<br />
Bewegung ins Fahrwerk, aber auch ordentlich<br />
kurze Bremswege. Nur hin und wieder<br />
lupft die Honda dabei kurz kess das Heck<br />
Durch die langen Federwege neigt die Africa Twin bei voller Verzögerung dazu,<br />
etwas instabil zu werden, wobei das Hinterrad kurzfristig den Bodenkontakt verlieren<br />
kann. Sie rührt dabei ein wenig über die Längsachse, was jedoch unbedenklich ist.<br />
Die Bremswirkung ist gut, der Druckpunkt könnte jedoch etwas direkter sein. Aufgrund<br />
der langen Federwege und des schmalen Reifens ist die Verzögerung gut.<br />
Restgeschwindigkeit<br />
24,9 km/h<br />
41,9 m<br />
39,3 m<br />
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000<br />
*Herstellerangabe; 1 <strong>MOTORRAD</strong>-Testparcours, Werte vom Bremsentest aus den drei besten Fahrversuchen gemittelt; Referenz: Motorrad aus der jeweiligen Kategorie mit den bisherigen<br />
Bestwerten; 2 Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %<br />
28 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Konkurrenz <br />
BMW F 800 GS<br />
85 PS, Gewicht 222 kg,<br />
0–100 km/h 4,0 sek,<br />
Vmax 204 km/h,<br />
Verbrauch 4,6 Liter, ABS,<br />
11 200 Euro*<br />
KTM Adventure<br />
1050<br />
95 PS, Gewicht 233 kg,<br />
0–100 km/h 3,7 sek,<br />
Vmax 205 km/h,<br />
Verbrauch 5,0 Liter, ABS,<br />
12 795 Euro*<br />
Yamaha XT 1200 Z<br />
Super Ténéré<br />
112 PS, Gewicht 269 kg,<br />
0–100 km/h 3,7 sek,<br />
Vmax 210 km/h,<br />
Verbrauch 5,8 Liter, ABS,<br />
12 955 Euro*<br />
* ohne Nebenkosten<br />
reichen Haken zur Gepäckbefestigung, die<br />
unauffällig integrierten Kofferhalter oder der<br />
erstaunlich gute Windschutz der vergleichsweise<br />
kleinen Scheibe. Vermissen werden<br />
sie allerdings einen Hauptständer. Den hält<br />
das umfangreiche Zubehörangebot ebenso<br />
bereit (219 Euro) wie unter anderem eine<br />
größere Scheibe (147 Euro) und passende<br />
Koffer (30/40 Liter, 689 Euro). Nur Sturzbügel<br />
muss man im Zubehörhandel suchen.<br />
Dennoch bleibt unterm Strich: Die Africa<br />
Twin ist wieder zurück und gerüstet, das<br />
Erbe ihrer Vorgängerinnen anzutreten.<br />
www.motorradonline.de/honda<br />
Fazit <br />
Willkommen zurück. Die Africa<br />
Twin hat die Tugenden mit<br />
an Bord, die man mit diesem<br />
großen Namen verbindet. Sie<br />
besticht durch das breite Spektrum<br />
an Fähigkeiten, durch die<br />
Summe ihrer Qualitäten, nicht<br />
eine einzelne herausragende<br />
Eigenschaft. Ist wie ihre Vorgängerin<br />
weder Rallye-Rakete noch<br />
Effekthascherin. Komfortabel,<br />
sparsam, ausgewogen. Der kultivierte<br />
Motor rundet den feinen<br />
Einstand ab. Was sie abseits befestigter<br />
Wege draufhat, muss<br />
sie noch – adäquat bereift – in<br />
einem separaten Test beweisen.<br />
Fotos: fact, Gargolov, Yamaha<br />
MOTOR<br />
-Punktewertung<br />
Durchzug 40 18<br />
Beschleunigung 40 19<br />
Topspeed 30 12<br />
Motorcharakteristik 30 22<br />
Ansprechverhalten 20 15<br />
Lastwechsel 20 15<br />
Laufruhe 20 13<br />
Kupplung 10 9<br />
Schaltung 20 15<br />
Getriebeabstufung 10 8<br />
Starten 10 9<br />
Summe 250 155<br />
FAHRWERK<br />
Handlichkeit 40 30<br />
Stabilität in Kurven 40 29<br />
Lenkverhalten 40 25<br />
Rückmeldung 10 5<br />
Schräglage 20 16<br />
Geradeauslaufstabilität 20 15<br />
Fahrwerksabstimmung vorn 20 14<br />
Fahrwerksabstimmung hinten 20 15<br />
Einstellmöglichkeiten Fahrwerk 10 8<br />
Federungskomfort 10 8<br />
Fahrverhalten mit Sozius 20 15<br />
Summe 250 180<br />
ALLTAG<br />
Ergonomie Fahrer 40 32<br />
Ergonomie Sozius 20 14<br />
Windschutz 20 14<br />
Sicht 20 13<br />
Licht 20 13<br />
Ausstattung 30 22<br />
Handhabung/Wartung 30 17<br />
Gepäckunterbringung 10 4<br />
Zuladung 10 6<br />
Reichweite 30 28<br />
Verarbeitung 20 15<br />
Summe 250 178<br />
SICHERHEIT<br />
Bremswirkung 40 30<br />
Bremsdosierung 30 20<br />
Bremsen mit Sozius/Fading 20 15<br />
Aufstellmoment beim Bremsen 10 9<br />
ABS-Funktion 20 15<br />
Lenkerschlagen 20 17<br />
Bodenfreiheit 10 10<br />
Summe 150 116<br />
KOSTEN<br />
Garantie 30 15<br />
Verbrauch (Landstraße) 30 23<br />
Inspektionskosten 20 19<br />
Unterhaltskosten 20 13<br />
Summe 100 70<br />
GESAMTWERTUNG 1000 699<br />
Preis-Leistungs-Note<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
Honda<br />
CRF 1000 L Africa Twin<br />
Bestnote<br />
1,0 1,6<br />
WEDER BEI DER BESCHLEUNIGUNG NOCH BEIM<br />
DURCHZUG setzt die Honda Bestmarken. Ihre Stärke<br />
sind das breite nutzbare Drehzahlband und die tadellosen<br />
Manieren des Twins. Geringe Lastwechsel, kaum<br />
störende Vibrationen, sauberes Ansprechverhalten und<br />
schön Druck aus untersten Lagen. Das zählt bei einem<br />
Tag im Sattel mit Gepäck und Sozia mehr als atemberaubende<br />
Beschleunigung oder gewaltiger Topspeed.<br />
Wer sich Geld und Gewicht für das Doppelkupplungsgetriebe<br />
DCT sparen möchte, findet in der konventionellen<br />
Schaltbox eine ausgezeichnete Alternative.<br />
HIER SAMMELT DIE HONDA FLEISSIG PUNKTE in<br />
fast jeder Disziplin. Narrensicheres, unaufgeregtes Fahrverhalten,<br />
stabiles Chassis, sauber abgestimmte Federelemente.<br />
Die sind auch noch voll einstellbar – was<br />
will man mehr? Das Honda-Chassis verbindet auf angenehme<br />
Weise einfache Handhabung und Komfort.<br />
Und dass neben dem Fahrer auch der Passagier in den<br />
Genuss dieses Komforts kommt, rundet das Fahrwerkskapitel<br />
ab. Lediglich in Sachen Rückmeldung ist noch<br />
Luft nach oben. Doch da hilft womöglich ein Reifenwechsel<br />
schon weiter.<br />
DIE AFRICA TWIN WÄRE KEINE HONDA, wenn sie sich<br />
in diesem Kapitel einen groben Schnitzer leisten würde.<br />
Üppige Reichweite, ansehnliche Verarbeitung, tadellose<br />
Ergonomie auf beiden Plätzen, reichhaltige Ausstattung.<br />
Da lässt sie nichts anbrennen. Apropos brennen:<br />
Das Abblendlicht brennt trotz LED-Technik nicht gerade<br />
ein Loch in die Nacht. Es leuchtet die Ränder und das<br />
Vorfeld zwar ordentlich aus, liefert aber auch ein etwas<br />
fleckiges Licht. Das enorm helle Fernlicht macht das<br />
aber wieder wett.<br />
AUFSTELLMOMENT? Ist für die Honda kein Thema.<br />
Ebenso wenig wie Lenkerschlagen. Der an sechs Punkten<br />
mit dem Rahmen verschraubte Motor soll laut Honda<br />
einen Lenkungsdämpfer überflüssig machen. Tatsächlich<br />
ist Kickback kein Thema. Punkte bringen auch reichlich<br />
Bodenfreiheit und das fein regelnde ABS. Die Bremsen<br />
packen gut, ihr Druckpunkt dürfte knackiger sein.<br />
VOR ALLEM DER NIEDRIGE VERBRAUCH und günstige<br />
Inspektionskosten bringen Punkte. Nur zwei Jahre<br />
Garantie und keine Mobilitätsgarantie sind dagegen<br />
etwas mager.<br />
ZUM SCHNÄPPCHENPREIS gibt es die Africa Twin<br />
nicht. 12 405 Euro ergeben bei ordentlicher Punkteausbeute<br />
eine gute Preis-Leistungs-Note.<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 29
T E S T + T E C H N I<br />
Elektronische Fahrwerke unter der Lupe<br />
K<br />
CLICKS<br />
ODER BITS?<br />
Fahrwerke sind das Bindeglied zwischen Straße und Motorrad. Eingestellt hat man sie<br />
bislang meist mit Schraubendreher und -schlüssel. Doch nun kommen vermehrt elektronisch<br />
kontrollierte Fahrwerke. Was bringt das?<br />
Von Jens Möller-Töllner; Fotos: Bilski, fact, j.kuenstle.de, Gargolov, Hersteller, markus-jahn.com<br />
30 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Seit einer gefühlten Ewigkeit ist die<br />
BMW R 1200 GS der absolute Topseller<br />
– nicht nur in Deutschland.<br />
Mehr als 90 Prozent der Käufer<br />
wäh len bei der Ausstattung neben weiteren<br />
Goodies die Option Dynamic ESA (790 Euro<br />
Aufpreis), also das elektronisch kon trol lierte<br />
und semiaktiv arbeitende Fahrwerk. Bei<br />
Test maschinen ist es grundsätzlich verbaut.<br />
Niemals gelang es <strong>MOTORRAD</strong> bislang, eine<br />
BMW mit serienmäßigem Basisfahrwerk<br />
zu testen, eine solche war einfach nicht zu<br />
bekommen. Dabei wäre die Frage doch<br />
äußerst interessant, wie das im Vergleich<br />
zum ESA-Fahrwerk funktioniert.<br />
Daher suchten die Tester über einen<br />
Aufruf einen Leser mit R 1200 GS in Basiskonfiguration<br />
– und fanden schließlich<br />
nahe Stuttgart eine, die für den Vergleich<br />
mit der ESA-Testmaschine ausgeliehen<br />
wurde – dafür hier noch einmal herzlichen<br />
Dank an den Besitzer. Zwei verschiedene<br />
Fahrwerke: einmal gänzlich konventionell,<br />
einmal semiaktiv gedämpft; einmal schlichte<br />
Mechanik und Hydraulik, einmal sehr<br />
aufwendige Tech nologie.<br />
Doch zum besseren Verständnis vor dem<br />
Praxistest einige theoretische Erläuterungen:<br />
Die Basis-GS verfügt über konventionelle,<br />
recht schlicht aufgebaute Federbeine<br />
mit wenigen manuellen Einstellmöglichkeiten,<br />
vorn nur für die Federbasis, hinten daneben<br />
für die Zugdämpfung. Die Feder ist<br />
progressiv ausgelegt, auch die Dämpfungscharakteristik,<br />
kurz WAD, arbeitet wegab-<br />
hängig. Kurzum: ein solides, aber nur eingeschränkt<br />
einstellbares Fahrwerk – was<br />
aber keineswegs schlecht sein muss.<br />
Ein erster Entwicklungsschritt hin zu<br />
mehr Komfort bei der Fahrwerkseinstellung<br />
war bei BMW das 2004 vorgestellte ESA-<br />
Fahrwerk (Electronic Suspension Adjustment).<br />
Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit,<br />
Federelemente elektronisch per Knopfdruck<br />
zu justieren. Mehr Funktionsumfang<br />
gab’s mit dem 2009 eingeführten ESA II. Ein<br />
zusätzlich zur Dämpferfeder verbautes Elastomer-Element<br />
wirkt dabei als zweite, variable<br />
Feder. So ließen sich mit ESA II erstmals<br />
hinten nicht nur die Federbasis, sondern<br />
auch die Federrate verändern. Neben dem<br />
verbesserten Einstellkomfort ein Pluspunkt<br />
zur individuellen Fahrwerksanpassung. Der<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 31
Elektronische Fahrwerke<br />
nächste Evolutionsschritt war dann das<br />
aktuelle Dynamic ESA, die erste semiaktive<br />
Dämpfung von BMW. Dahinter verbirgt sich<br />
ein Fahrwerkssystem, das permanent auf<br />
Fahrwerksbewegungen reagiert, die über<br />
Wegsensoren vorn und hinten gemessen<br />
werden. Dynamic ESA ist mit dem ABS und<br />
der Stabilitätskontrolle ASC vernetzt und<br />
passt anhand von hinterlegten Kennfeldern<br />
über elektromagnetische Ventile die Dämpfung<br />
an – und zwar vorn wie hinten. Für<br />
jede Voreinstellung ist ein Bereich zur Regulierung<br />
der Dämpfung hinterlegt und nicht<br />
wie beim früheren ESA II ein starrer Wert.<br />
Dadurch kann das System sensibler auf<br />
unterschiedlichste Fahrmanöver reagieren.<br />
Auch beim Dynamic ESA kann der Fahrer<br />
Dämpfungscharakteristik sowie Beladungszustand<br />
vorwählen. Noch ausgeklügelter<br />
wird es bei BMW mit DDC, der Dynamic<br />
Damping Control. Dieses semiaktive Fahrwerk<br />
der S 1000-Modelle bezieht die Daten<br />
aus der Sensorbox ein, adaptiert zum<br />
Beispiel das Fahrwerk je nach Schräglage.<br />
Doch zurück zur R 1200 GS, die erst ab<br />
Modelljahr <strong>2016</strong> über eine Schräglagensensorik<br />
verfügen wird. Sind die Vorteile ihres<br />
Dynamic ESA zu spüren? Eine holprige<br />
Landstraße muss für einen Test herhalten.<br />
Dicht hintereinander fegen die zwei R 1200<br />
GS über die Rüttelpiste. Tester Georg Jelicic<br />
auf der mit normalen Dämpfern ausgestatteten<br />
BMW hält das Tempo hoch, versucht<br />
die Federbeine der GS an ihre Grenzen zu<br />
bringen. Die lassen bei forschem Tempo<br />
unter diesen extremen Bedingungen viel<br />
Bewegung zu. Die GS bleibt dabei noch<br />
einigermaßen stabil auf Kurs. Spürbar ist<br />
jedoch, dass die Grundabstimmung der<br />
Basisfederung eher komfortbetont ist. Weshalb<br />
speziell das Telelever bei sportlicher<br />
Fahrweise und/oder groben Unebenheiten<br />
früher an Grenzen kommt. Ansprechverhalten<br />
und Fahrkomfort auf guten Straßen<br />
liegen aber auf einem recht hohen Niveau.<br />
Auf jeden Fall eine gelungene Abstimmung<br />
für touristische Fahrweise im Solobetrieb.<br />
Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang,<br />
dass die Vorderradaufhängung<br />
Telelever unabhängig von der Fahrwerksausstattung<br />
einen prinzipiellen Vorteil hat:<br />
Sie besitzt einen Anti-Dive-Effekt, hält auf<br />
der Bremse die Front oben, was die Federung<br />
selbst bei harten Bremsmanövern<br />
nicht durchschlagen lässt. Das ermöglicht<br />
eine relativ komfortbetonte Abstimmung.<br />
Damit das Basisfahrwerk die optimale<br />
Performance bringt, muss es manuell auf<br />
Fahrerwünsche und Streckenbedingungen<br />
eingestellt werden. Per Handrad lässt sich<br />
die Vorspannung über einen Bereich von<br />
31 Umdrehungen justieren. Zehn Umdrehungen<br />
– gemessen vom komplett entspannten<br />
Zustand – haben sich hier als<br />
ideal herausgestellt, ergänzt um eine um<br />
fünf Klicks geöffnete Zugstufe.<br />
Was kann die GS mit Dynamic ESA<br />
besser? In puncto Einstellkomfort ist sie<br />
auf jeden Fall im Vorteil. Läuft der Motor,<br />
ge nügen wenige Tastendrücke am<br />
Lenker ende, um die hintere Federbasis<br />
an die Beladung anzupassen.<br />
Ähnlich simpel kann die Dämpfung<br />
geregelt werden. Bei gleichem<br />
Tempo im Fahrmodus „normal“<br />
über die Rüttelbahn bewegt, lässt<br />
die semiaktive Variante ebenfalls<br />
deutliche Fahrwerksbewegungen<br />
zu. Unterschiede zwischen<br />
den Dämpfungsoptionen<br />
„soft“, „normal“<br />
und „hard“<br />
sind allenfalls in<br />
Nuancen zu spüren.<br />
Bei reduziertem,<br />
also eher<br />
normalem Tempo<br />
lassen sich die<br />
Dämpfungsunterschiede<br />
der verschiedenen<br />
Modi<br />
deutlicher spüren.<br />
In der Einstellung<br />
„soft“ bügelt das<br />
Fahrwerk mit<br />
hohem Komfort<br />
über den Flickenteppich<br />
hinweg. Die Bandscheiben freut’s,<br />
die Fahrpräzision leidet. Die gewinnt wieder,<br />
wenn die Modi „normal“ oder „hard“ aktiviert<br />
sind, allerdings nimmt der Komfort<br />
dann ab. In jedem Fall wirkt das Dynamic<br />
ESA verbind licher, bietet mehr Reserven und<br />
einen breiteren Bereich in der Abstimmung.<br />
32 TEST+TECHNIK
Fazit: Das Fahrwerk der normalen GS<br />
muss unter den Testbedingungen keinesfalls<br />
die weiße Fahne schwenken. Es funk tioniert<br />
im Alltag recht ordentlich, stößt aber<br />
bei hoher Belastung oder sehr sportlicher<br />
Fahrweise früher an Grenzen. Was auch ein<br />
bisschen daran liegt, dass die ausgewählten<br />
Minimal und maximal: Deutlich erkennbar<br />
ist der große Einstellbereich der<br />
Federbasis des elektronisch gesteuerten<br />
hinteren Federbeins der R 1200 GS<br />
Zück das Maßband: Nur so<br />
lässt sich der ideale Negativ-<br />
Feder weg bei der konventionellen<br />
Groß-Enduro bestimmen<br />
Links neben dem goldenen Ausgleichsbehälter treffen<br />
sich Bits und Bytes, die Einstellung klappt elektronisch,<br />
während bei der normalen R 1200 GS gedreht wird<br />
TEST+TECHNIK 33
Elektronische Fahrwerke<br />
Federelemente von relativ schlich ter Bauart<br />
sind. Die semiaktiv ausgerüstete GS basiert<br />
auf hochwertigeren Teilen und erledigt<br />
diesen Job besser, sammelt außerdem Pluspunkte<br />
bei der Handhabung. Mit ihren wenigen<br />
Setup-Wahlmöglich keiten (drei Voreinstellungen<br />
für Federvorspannung und<br />
Dämpfung in Abhängigkeit vom gewählten<br />
Fahrmodus) holt sie nahezu das Optimum<br />
aus dem Fahrwerk heraus, ohne dass sich<br />
der Fahrer die Finger schmut zig machen<br />
muss. Der Vergleich zeigt, dass das Dynamic<br />
ESA seinen Aufpreis wert ist. Vor allem, weil<br />
sich ohne besonderes Fahrwerks-Knowhow<br />
schnell gute Ergebnisse in der Abstimmung<br />
erzielen lassen. Das gilt besonders<br />
für alle, die oft mit viel Gepäck unterwegs<br />
sind und gerne einen Sozius mitnehmen.<br />
Und nicht zuletzt bringt das Dynamic ESA<br />
auch ein Plus an Fahrsicherheit. Da es einfach<br />
richtig, aber nur schwer falsch zu bedienen<br />
ist, werden mit Sicherheit weniger<br />
Fahrer mit schlechter Fahrwerkseinstellung<br />
unterwegs sein. Ein konventionelles Fahrwerk<br />
erfordert mehr Erfahrung und Kenntnisse.<br />
Wer hier etwas falsch macht, kann<br />
leicht weit daneben liegen.<br />
Motorräder fahren aber nicht nur,<br />
sondern stehen für den Service dann und<br />
wann in der Werkstatt des Vertrauens.<br />
Po sitiv ist in diesem Fall, dass die Federbeine<br />
– egal ob normale oder Dynamic ESA-<br />
Ausführung – ohne Folgekosten Dienst<br />
schieben. Sie sind laut BMW wartungsfrei.<br />
Da die R 1200 GS in Sachen Fahrwerk mit<br />
Paralever und Duolever einen Sonderfall<br />
darstellt, sind in der Tabelle auf Seite 36<br />
auch die Gabelservice-Vergleichswerte einer<br />
BMW S 1000 XR mit und ohne semiaktives<br />
Fahrwerk aufgelistet. Kilometervorgabe<br />
und Zeitaufwand sind gleich. BMW-Kunden<br />
müssen sich im Zuge einer Entscheidung<br />
pro semiaktives Fahrwerk also nicht über<br />
versteckte Extraausgaben ärgern. Etwas<br />
anders sieht das bei einem Defekt aus. Der<br />
schlichte vordere Dämpfer der GS ist nach<br />
kurzer Internetrecherche für 360 Euro zu<br />
haben, das Dynamic ESA-Bauteil reißt mit<br />
mehr als 1000 Euro ein großes Loch ins<br />
Portemonnaie. Bei anderen Herstellern<br />
dürfte die Differenz ähnlich aussehen.<br />
Wobei der Vergleich mit anderen Fahrzeugen<br />
– etwa Ducatis Multistrada 1200 sowie<br />
KTMs 1190 Adventure und 1290 Super<br />
Adventure (die Gabel-Wartungsvorgaben<br />
sind ebenfalls in der Tabelle zu finden) –<br />
zeigt, dass die Abstimmungen der Federelemente<br />
zwischen konventionellem und<br />
semigedämpftem Bauteil sehr verschieden<br />
ausfallen können.<br />
Beispiel Ducati: Die Multistrada 1200<br />
mit semiaktivem Fahrwerk – die Hardware<br />
stammt ebenfalls von Zulieferer ZF – sorgte<br />
2013 für Furore. Die Begeisterung legte sich<br />
Technik erklärt<br />
Bei herkömmlichen Federelementen<br />
ist alles fix. Vorspannung und Dämpfung<br />
werden einmal eingestellt, Änderungen<br />
während der Fahrt sind nicht<br />
möglich. Die justierten Werte müssen<br />
dann für alles passen: vom Sahne-<br />
Asphalt bis hin zum Rübenacker dritter<br />
Ordnung. Klar, absteigen und die Einstellungen<br />
verändern ginge auch. Aber wer<br />
macht das schon? Das hört sich schwer<br />
nach einem Kompromiss an. Ist es auch.<br />
Elektronisch einstellbare Fahrwerke haben<br />
hier schon einen Komfortgewinn<br />
gebracht, noch besser sollen das semiaktive<br />
Fahrwerkskomponenten machen.<br />
Sensoren erkennen die Geschwindigkeit<br />
der ins Fahrwerk eingeleiteten Impulse.<br />
In Millisekunden werden die Daten mit<br />
weiteren Infos aus dem Fahrzeug-Daten-<br />
Bus abgeglichen (woher diese stammen,<br />
veranschaulicht die Grafik unten am<br />
Beispiel einer S 1000 RR). Der Abgleich<br />
von Ist- und Sollwert ergibt dann, wie<br />
das elektromagnetische Regelventil Zugoder<br />
Druckstufe beeinflusst – und das bis<br />
zu 500-mal pro Sekunde.<br />
Instrumenten-Kombi<br />
DDC-Steuergerät<br />
Telegabel mit<br />
Dämpferventil<br />
ABS-Sensorring<br />
Verstellmöglichkeiten BMW R 1200 GS<br />
Druckstufe Zugstufe Vorspannung<br />
Ohne ESA<br />
vorn – – –<br />
hinten – 14 Klicks 1 stufenlos (31 Umdrehungen)<br />
Mit ESA<br />
vorn<br />
hinten<br />
Gasgriff<br />
Federwegsensor<br />
drei Modi (soft, normal, hard) 2<br />
Links ein herkömmlicher Dämpfer,<br />
rechts das Pendant mit elektromagnetischem<br />
Regelventil (oben im Dämpfer)<br />
Motorrad-Steuergerät<br />
ABS-Steuergerät<br />
Federbein mit<br />
Dämpferventil<br />
Sensorbox<br />
ABS-Sensorring<br />
drei Voreinstellungen (eine Person, eine<br />
Person mit Gepäck, zwei Personen)<br />
1<br />
am Testfahrzeug, laut BMW sind zwölf Klicks normal;<br />
2<br />
Die zur Verfügung stehenden Fahrmodi (Rain/Road/Dynamic/Enduro) beeinflussen ebenfalls die Dämpfungsvoreinstellung.<br />
In diesen kann dann individuell die Dämpfung noch in den drei Modi (soft, normal, hard) angepasst werden<br />
Bei der Basis-GS gibt es nur hinten etwas zu verstellen, die semiaktive Variante greift<br />
auch vorn beim Federbein des Telelever in die Dämpfung ein<br />
34 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
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Weil ich Motorrad fahre.
DUCATI<br />
Multistrada/<br />
Multistrada S<br />
Bei Ducati hört die semiaktive<br />
Dämpfungsanpassung auf<br />
den Namen Skyhook. Anfangs<br />
reagierte die noch unsensibel,<br />
mittlerweile übertrifft die verbesserte<br />
Version in der Multistrada<br />
S (unten) die nun konventionell<br />
federnde, sehr komfortabel<br />
abgestimmte Standardvariante<br />
(links) in Sachen Fahrwerks-<br />
Performance aber deutlich<br />
Elektronische Fahrwerke<br />
aber, als Redakteur Peter Mayer in MOTOR-<br />
RAD 4/2013 normale und mit Skyhook<br />
bestückte Multistradas verglich: „Sogar im<br />
per Definition komfortablen Urban-Modus<br />
schluckt die voll elektrifizierte Multistrada<br />
Kanten und Schlaglöcher vor allem mit<br />
dem Hin terrad deutlich unsensibler weg als<br />
ihre Vorgängerin.“ Die semiaktive Dämpfung<br />
brachte erst bei Beladung oder harten<br />
Verzögerungen Vorteile, weil die Skyhook-<br />
Multistrada mit mehr Fahrwerksreserven<br />
aufwarten konnte.<br />
Beim Modell 2015 war aber in Sachen<br />
Fahrwerk ein deutlicher Fortschritt zu erkennen.<br />
Während die Federelemente der<br />
konventionell dämpfenden Multistrada viel<br />
Bewegung zulassen, auf der weichen Seite<br />
liegen – gut für den Komfort, schlecht fürs<br />
Feedback und Fahrverhalten –, agiert die<br />
S-Variante nun souveräner, paart satte<br />
Reserven mit gutem Ansprechverhalten.<br />
Angebote zu<br />
diesen Motorrädern<br />
finden<br />
Sie hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2016</strong><strong>03</strong><strong>03</strong>0<br />
Gabelservice normal und semiaktiv<br />
Wartung mit Ölwechsel<br />
Vorgegebener Zeitaufwand<br />
in Minuten für Wartung samt<br />
Ölwechsel<br />
BMW R 1200 GS ohne ESA wartungsfrei wartungsfrei<br />
BMW R 1200 GS mit ESA wartungsfrei wartungsfrei<br />
BMW S 1000 XR ohne ESA alle 30 000 km 70 Minuten<br />
BMW S 1000 XR mit ESA alle 30 000 km 70 Minuten<br />
Ducati Multistrada 1200 alle 30 000 km 90 Minuten<br />
Ducati Multistrada 1200 S alle 30 000 km 90 Minuten<br />
KTM 1190 Adventure (normales WP-Fahrwerk) alle 15 000 km (empfohlen) 82 Minuten<br />
KTM 1290 Super Adventure alle 15 000 km (empfohlen) 82 Minuten<br />
Für die Werkstätten kein Problem: Das zusätzliche Kabel samt Dämpferventil hat keine<br />
Auswirkung auf die Wartungsvorgaben und -kosten<br />
36 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Fahrwerkseinstellung leicht gemacht<br />
Hier regiert die Elektronik<br />
Motorräder mit elektronischer<br />
Fahrwerkssteuerung<br />
BMW bietet fast für die komplette<br />
Modellpalette die Option<br />
an, Fahrwerke per Knopfdruck<br />
an persönliche Vorlieben<br />
anzupassen. F 800 R und K 1300<br />
S sind dafür zwei Beispiele. Die<br />
anderen Hersteller geben sich in<br />
diesem Bereich noch zurückhaltend,<br />
aber auch bei ihnen wächst<br />
das Programm, sind immer mehr<br />
Motorräder mit elektronisch verstellbaren<br />
Fahrwerken lieferbar.<br />
Bei fast allen Modellen ist die<br />
Elektronik nicht serienmäßig an<br />
Bord. Vielmehr gibt es sie als<br />
Extras zu kaufen, was sich wie<br />
bei den beiden Yamahas – XTZ<br />
1200 ZE und FJR 1300 AE – in<br />
einem Kürzel hinter dem Modellnamen<br />
niederschlägt.<br />
BMW K 1300 S<br />
Für die K-Modelle gibt es nur das<br />
elektronisch verstellbare ESA II<br />
BMW F 800 R<br />
Bei den Mittelklasse-BMWs wirkt<br />
ESA nur auf die Zugstufe hinten<br />
KTM 1190 Adventure<br />
Vorspannung und Dämpfung<br />
elektronisch zu variieren<br />
Triumph Trophy SE<br />
Dämpfung und Vorspannung<br />
per Lenkerschalter einstellbar<br />
Yamaha XT 1200 ZE<br />
Insgesamt 84 Einstellungen lassen<br />
sich elektronisch abrufen<br />
Yamaha FJR 1300 AE<br />
Per Klick Federbasis und Dämpfung<br />
veränderbar<br />
Motorräder mit semiaktivem<br />
Fahrwerk<br />
BMW bietet auch bei Modellen<br />
mit semiaktiven Fahrwerken<br />
die größte Auswahl, vertraut bei<br />
vielen Fahrzeugen auf das Knowhow<br />
von ZF. Das nutzt auch<br />
Ducati für die Multistrada S, bei<br />
der Panigale S dämpfen Komponenten<br />
von Öhlins, bei KTM und<br />
Triumph Bauteile von WP. Interessant<br />
ist, dass viele Modelle für<br />
die Dämpfungseinstellung nur<br />
wenige unterschiedliche Modi<br />
(soft, normal, hard) vorgeben,<br />
wohingegen bei den Supersportlern<br />
wie S 1000 RR, Ducati<br />
Panigale 1299 S und Yamaha<br />
R1M die Dämpfung über umfangreiche<br />
Menü-Optionen noch<br />
individuell konfiguriert und verändert<br />
werden kann.<br />
BMW S 1000 RR<br />
Das semiaktive DDC kann individuell<br />
konfiguriert werden<br />
BMW R 1200 GS<br />
Federbasis und Dämpfung lassen<br />
sich elektronisch einstellen<br />
Ducati Panigale 1299 S<br />
Hier gibt es wie bei der S 1000<br />
RR das Komplettprogramm<br />
KTM 1290 Super Adventure<br />
Dämpfungs- und Federbasis-<br />
Vorwahl erfolgen elektronisch<br />
MV Agusta Turismo Veloce Lusso<br />
Druck- und Zugstufe arbeiten semiaktiv,<br />
werden stetig angepasst<br />
Triumph Tiger Explorer (ab <strong>2016</strong>)<br />
Die Varianten XCx, XCa, XRx, XRt<br />
dämpfen ebenfalls semiaktiv<br />
Aprilia Caponord 1200 Travel P.<br />
Im Auto-Modus mit selbstständiger<br />
Anpassung der Federbasis<br />
Ducati Multistrada 1200 S<br />
Semiaktiv werden Druck- und<br />
Zugstufe geregelt<br />
KTM 1290 Super Duke GT<br />
Misst auch die Zuladung, um die<br />
Federvorspannung anzupassen<br />
Yamaha YZF-R1M<br />
Die R1M arbeitet mit der semiaktiven<br />
Öhlins-Federung<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 37
KTM<br />
1190 Adventure/<br />
1290 Super<br />
Adventure<br />
Die 1290 Super Adventure<br />
(unten ) war das erste Modell<br />
von KTM mit semiaktivem WP-<br />
Fahrwerk. In puncto Stabilität<br />
brachte das enorm viel, nur im<br />
Ansprechverhalten konnte die<br />
1290er noch nicht voll überzeugen.<br />
Bei der 1190 Adventure<br />
(links) mit elektronisch verstellbarem<br />
Fahrwerk ist viel mehr<br />
Bewegung drin<br />
Elektronische Fahrwerke<br />
Ähnlich aufwendig arbeitet das Fahrwerk<br />
der KTM 1290 Super Adventure, das<br />
auf Beschleunigungs- und Wegsensoren<br />
zurückgreift. Bei Enduros mit langen Federwegen<br />
besonders wichtig, weil über den<br />
Dämpfungseingriff Schaukelbewegungen<br />
beim Bremsen oder Beschleunigen gemindert<br />
werden können. Und das ist in der<br />
Tat auffällig, wenn man eine 1290 Super<br />
Adventure mit einer 1190 Adventure vergleicht.<br />
Letztere hat kein semiaktives, sondern<br />
optional nur ein elektronisch einstellbares<br />
Fahrwerk, in etwa vergleichbar mit<br />
dem BMW-ESA. Allerdings verhärtet die<br />
Dämpfung der 1290er mitunter beim Bremsen<br />
stark, sodass das Vorderrad vor Kurven<br />
unkomfortabel über Bodenwellen hoppelt.<br />
Testmaschinen beider KTM-Modelle konnten<br />
aber beim Ansprechverhalten nicht<br />
immer voll überzeugen. „Erst wenn die<br />
Bodenwellen auf die Frontpartie regelrecht<br />
einschlagen, arbeitet die Gabel gut“, schrieb<br />
Autor Ralf Schneider im Top-Test der 1290<br />
Super Adventure (<strong>MOTORRAD</strong> 7/2015).<br />
Obwohl es bei manchem Modell mit semiaktiver<br />
Dämpfung funktionell noch Luft<br />
nach oben gibt, hält die Elektronik rund um<br />
die Einstellung und Überwachung von Gabel<br />
und Stoßdämpfer zunehmend Einzug<br />
in das Motorradangebot. Bei zahlreichen<br />
Zweirädern ist die Elektronik bereits an<br />
Bord, um die Dämpfung komplett oder in<br />
einzelnen Faktoren (oft Federbasis hinten<br />
und/oder Zugstufe) schnell und einfach<br />
an persönliche Vorlieben anzupassen. Noch<br />
häufiger kommen mittlerweile komplett<br />
semiaktiv agierende Fahrwerke zum Zug.<br />
Was auch daran liegt, dass die Federungsspe<br />
zialisten von WP, ZF und Öhlins ihre<br />
Komponenten auf dem Markt anbieten.<br />
Und hö here Stückzahlen lassen die Preise<br />
sinken. Auch bringen moderne Motorräder<br />
die Grundvoraussetzungen in Sensorik<br />
und Elektronik bereits mit, das semiaktive<br />
Fahrwerk lässt sich also leicht integrieren.<br />
Und solange die Regel-Algorithmen<br />
des Steuergeräts, das die Dämpfungscharakteristik<br />
von Gabel und Stoßdämpfer<br />
bestimmt, die passende Abstimmung<br />
aufspüren, dürfen die Finger künftig gerne<br />
öfter sauber bleiben.<br />
www.motorradonline.de/tests<br />
Fazit <br />
Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten:<br />
Elektronischen Fahrwerken<br />
gehört die Zukunft. Der Komfortgewinn<br />
ist nicht zu ignorieren.<br />
Und auch wenn die Funktion<br />
noch nicht in jedem Fall perfekt<br />
erscheint, wird sich hier in den<br />
kommenden Jahren noch viel<br />
tun. Doch auch konventionelle<br />
Fahrwerke haben ihre Vorteile:<br />
Sie sind preisgünstiger, weniger<br />
komplex und arbeiten richtig<br />
abgestimmt auch sehr gut.<br />
38 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
T<br />
K<br />
E<br />
O<br />
S<br />
M<br />
T<br />
P A K T<br />
DATEN<br />
MOTOR: Einzylinder-Viertakt-Motor, Bohrung x<br />
Hub 57,0 x 48,8 mm, 124 cm³, 12 PS bei 8750/<br />
min, 9 Nm bei 7750/min, Fünfgang-Getriebe<br />
FAHRWERK: Rohrrahmen aus Stahl, Telegabel,<br />
Ø 38 mm, Zweiarmschwinge, zwei Federbeine,<br />
Scheibenbremse vorn, Ø 250 mm, Scheibenbremse<br />
hinten, Ø 200 mm, Speichenräder mit<br />
Stahlfelgen, Reifen 110/70 17; 130/70 17, Lenkkopfwinkel<br />
61,0 Grad, Sitzhöhe 780 mm,<br />
Gewicht vollgetankt 125 kg, Zuladung 145 kg,<br />
Tankinhalt 14,0 Liter, Höchstgeschwindigkeit 105<br />
km/h<br />
Garantie<br />
zwei Jahre<br />
Farben<br />
Weiß/Grün, Schwarz/Weiß<br />
Preis<br />
2390 Euro<br />
◼Fahrbericht ◼<br />
Mash Seventy Five<br />
Nachklapp: kokett oder adrett?<br />
Adrett: weiß unterlegter<br />
Tacho mit integrierter kleiner<br />
Ganganzeige. Nicht<br />
an Bord: Drehzahlmesser<br />
Bunt: Tank in Zweifarb-<br />
Lackierung mit feinem<br />
Logo (nicht überlackiert)<br />
und schickem Kniekissen<br />
Erst ab 1960 traten japanische Motorräder<br />
ihren weltweiten Siegeszug an. Heute<br />
sind koreanische Autos und Roller aus Taiwan<br />
gut etabliert. Wiederholt sich Geschichte<br />
nun bei Motorrädern aus dem Millionenmarkt<br />
China? Dort lässt die französische<br />
Firma France Equipment ihre Mash Motos<br />
fertigen. Ein Test des zierlichen Retro-Bikes<br />
Mash Seventy Five in <strong>MOTORRAD</strong> 5/2015<br />
kam in puncto Verarbeitungsqualität dieser<br />
125er noch zu einem eher ernüchternden<br />
Ergebnis. Doch laut Importeur würde die<br />
Produkt-Güte kontinuierlich verbessert.<br />
Grund für diesen Nach-Test des klassischen<br />
Naked Bikes frei für Piloten ab 16.<br />
Nun präsentiert sich die vordere Bremsleitung<br />
besser verlegt, lassen sich die Blinker<br />
mit nun verchromten Gehäusen nicht mehr<br />
hängen. Chinesen lernen schnell. So werde<br />
mittlerweile der Vergaser eines anderen<br />
Herstellers genutzt (Mikuni-Nachbau), sowie<br />
eine geänderte Zündspule samt Laderegler<br />
verbaut. Adrett wirkt die schicke<br />
Zweifarb-Lackierung („Gulf Blau-Weiß“ –<br />
sieht aber eher aus wie grün) am 14-Liter-<br />
Tank mit traditionellem Kniekissen. Britische<br />
Vorbilder zitiert die verchromte Auspuffanlage<br />
der 125 Kilogramm leichten 125er.<br />
Auf den ersten und noch zweiten Blick<br />
wirkt das „Mashinchen“ sehr manierlich. Allerdings<br />
muss man zum Preis von komplett<br />
2390 Euro einfache Blechstanzteile, billige<br />
Stilmix: Hippe, aber einfach<br />
gemachte Upsidedown-Gabel,<br />
Speichenräder<br />
mit schwarzen Felgen<br />
Baumarktschrauben, den plumpen Bremshebel<br />
und nicht überlackierte Aufkleber<br />
hinnehmen. Tauglich, doch rustikal sind<br />
die Schweißnähte am Rahmen sowie die<br />
Schweißpunkte an der vorderen Schutzblech-Halterung.<br />
An ältere Suzuki-Motoren<br />
erinnert der luftgekühlte Zweiventil-Einzylinder.<br />
Spontan nimmt er per E-Starter betätigt<br />
die Arbeit auf, braucht aber ein paar<br />
Sekunden, um sauber Gas anzunehmen.<br />
Nominell 11,6 PS reißen keine Bäume<br />
aus; die Tachonadel kratzt nur bergab an<br />
der Markierung „100“. Bergauf sind Lkw<br />
ernstzunehmende Gegner. Echt retro, diese<br />
Fahrleistungen. Oben heraus vibriert das<br />
Motörchen herzhaft bis kernig. Ein Drehzahlmesser<br />
fehlt dem Fahr-und-Spar-Cockpit.<br />
Immerhin zeigt eine Digital-Anzeige an,<br />
welcher der nur fünf Gänge anliegt. Beim<br />
Griff zur einzelnen Scheibenbremse verwindet<br />
sich die auf wichtig machende Upsidedown-Gabel.<br />
Die hinteren Federbeine sind<br />
komfortorientiert weich abgestimmt.<br />
Wenig Grip wie Rückmeldung bieten<br />
chinesische Kingstone-Reifen. Mit dem gleichen,<br />
zahmen 125er-Motor offeriert Mash<br />
einen coolen Café Racer mit Stummellenker<br />
und Höckersitzbank sowie einen trendigen<br />
Scrambler mit hochgezogenem Auspuff<br />
und 18-zölligem Vorderrad. Live zu besichtigen<br />
bei bundesweit über 80 Mash-Händlern<br />
oder unter www.moto-mash.de. TSR<br />
Fotos: Jacek Bilski<br />
40 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
◼Leser-Aufruf<br />
◼<br />
Erfahrungen gesucht<br />
Fotos: Jacek Bilski, Yamaha<br />
Yamaha MT-09 und Suzuki V-Strom 1000 haben ihre 50 000 Kilometer abgespult.<br />
Zwei beliebte Maschinen, eine mit kleineren Macken, die andere ziemlich problemlos<br />
Der endlose Herbst 2015 machte es<br />
möglich: Fahren bis Weihnachten bei<br />
äußerst angenehmen Temperaturen. Daher<br />
konnten zwei Maschinen die letzten Kilometer<br />
ihrer Dauertest-Distanz sammeln:<br />
Suzuki V-Strom 1000 und Yamaha MT-09.<br />
Die Suzuki ist bereits zerlegt, vermessen<br />
und geprüft. Die Yamaha musste kurz vor<br />
Toresschluss bei Kilometerstand 49 600<br />
noch einmal in die Werkstatt, weil sie in<br />
letzter Zeit zunehmend Zündaussetzer bei<br />
Konstantfahrt im Teillastbereich bekam.<br />
◼Neues ◼ aus dem Dauertestfuhrpark<br />
Zahn-Ausfall<br />
Für beide Maschinen hätte die Redaktion<br />
gern Erfahrungen und Meinungen von<br />
Besitzern und Fahrern. Kurze oder ausführliche<br />
Berichte mit oder ohne Foto (möglichst<br />
von Fahrer und Maschine gemeinsam)<br />
bitte per E-Mail schicken an: tschmieder@<br />
motorpresse.de (V-Strom 1000) oder<br />
rhenniges (MT-09). Alternativ auch gern<br />
konventionell per Brief an: Redaktion<br />
<strong>MOTORRAD</strong>, Dauertest Suzuki V-Strom 1000<br />
(oder Yamaha MT-09), Motor Presse Stuttgart,<br />
Leuschnerstr. 1, 70174 Stuttgart. gt<br />
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adventure<br />
Wie bereits gemeldet, hat Yamaha<br />
einen großen Teil der 2015 ausgelieferten<br />
R1-Modelle in die Werkstatt<br />
beordert, um das Getriebe zu tauschen<br />
(sie he <strong>MOTORRAD</strong> 26/2015, Seite 33).<br />
Der Grund: Aufgrund eines Fertigungsfehlers<br />
können im schlimmsten Fall<br />
Getrieberäder des zweiten Gangs unter<br />
hoher Belastung brechen. In Einzelfällen<br />
ist genau das bereits passiert. Betroffen<br />
vom Rückruf ist auch die <strong>MOTORRAD</strong>-<br />
Dauertestmaschine, eine der ersten in<br />
www.motorradonline.de<br />
Operation am offenen Herzen:<br />
Beim Motor der Dauertest-R1<br />
musste das komplette Getriebe<br />
ausgetauscht werden<br />
Deutschland ausgelieferten Maschinen,<br />
die deshalb kürzlich in der Werkstatt<br />
des Yamaha-Händlers war. Ein enormer<br />
Arbeitsaufwand, weil der Motor ausgebaut<br />
und teilzerlegt werden muss.<br />
Getauscht wurden beide kompletten<br />
Getriebewellen mit allen Zahnrädern.<br />
Der Händler benötigte dafür zwei Arbeitstage.<br />
Bei der Gelegenheit wurden<br />
auf Kulanz die Kupplungsbeläge gewechselt,<br />
da die Kupplung zuletzt hart<br />
und schlecht dosierbar einrückte. gt<br />
Fotos: Rainer Froberg<br />
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T E S T + T E C H N I<br />
K<br />
Vergleich Moto Guzzi V7 II Racer, Yamaha XV 950 Racer<br />
KAFFEE–<br />
42 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
… waren früher vornehmlich Rentner, denen man in den Hinterzimmern<br />
irgendwelcher Landgasthöfe völlig überteuerten Mist wie zum Beispiel<br />
Heizdecken anzudrehen<br />
versuchte. Heute sieht<br />
das völlig anders aus.<br />
FAHRER Fotos:<br />
Von Stefan Glück<br />
markus-jahn.com<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 43
Moto Guzzi V7 II Racer, Yamaha XV 950 Racer<br />
Sie scheinen ausgestorben zu sein, die Kaffee-Fahrer<br />
vom alten Schlag. Wer erinnert sich nicht an die Handzettel,<br />
die sich früher fast wöchentlich im Briefkasten<br />
fanden und auf denen zu sagenhaft günstigen Preisen<br />
Ausflüge zu mehr oder weniger sensationellen Zielen angepriesen<br />
wurden. Im Kleingedruckten fand sich dann der Hinweis,<br />
dass es unterwegs die Möglichkeit gebe, an einer Verkaufsveranstaltung<br />
teilzunehmen, um sich dortselbst mit vermeintlich<br />
wichtigen Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken. In der<br />
Regel waren das neben dem namengebenden Kaffee irgendwelche<br />
Haushaltsprodukte, deren Qualität zumeist dia metral<br />
zum aufgerufenen Preis stand. Um es gleich vorweg zunehmen:<br />
An diesem Punkt eine Verbindung zu den beiden Protagonisten<br />
dieser Geschichte herzustellen, wäre grob fahrlässig. Und unzutreffend<br />
obendrein.<br />
Die Zielgruppe dieser Bikes ist eher in den In-Vierteln der<br />
Großstädte anzutreffen. Auf der Flaniermeile oder vor der angesagten<br />
Kneipe braucht es keine dreistelligen PS-Zahlen oder<br />
hohen Nutzwert, sondern Stil oder neudeutsch Style. Und den<br />
haben sowohl die Guzzi als auch die Yamaha. Beide kommen im<br />
derzeit schwer angesagten Look eines Café Racers daher. Der<br />
hat seinen Ursprung im England der 1950er-Jahre, als die Jungs<br />
von ihren Triumphs, Nortons oder BSAs alles überflüssige absowie<br />
einen Stummellenker anschraubten, um so schnell wie<br />
möglich von einer Kneipe zur nächsten gelangen zu können.<br />
Die Moto Guzzi V7 II Racer verkörpert diesen Typus nachgerade<br />
ideal: Von ihren zivilen Schwestermodellen unterscheidet<br />
sie sich durch die Einmann-Wildleder-Sitzbank samt startnummergeschmücktem<br />
Höcker, durch einen verchromten Tank<br />
sowie einen Stummellenker und zurückverlegte Fußrasten<br />
nebst einer winzigen Cockpitverkleidung. Äußerst straff abgestimmte,<br />
voll einstellbare Federbeine von Bitubo sowie ein<br />
Moto Guzzi V7 Racer So geht klassisch: Wildledersitzbank,<br />
verchromter Tank mit Lederriemen<br />
und schlicht-schönen Instrumenten<br />
Yamaha XV 950 Racer So geht klassisch auch:<br />
sehr schmale Wespentaille, „Rallye-Streifen“<br />
und aufgesetzter Tankdeckel<br />
44 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 45
Moto Guzzi V7 Racer<br />
So bremst Guzzi:<br />
Nicht sonderlich bissig,<br />
die Bremsleistung<br />
an sich geht aber in<br />
Ordnung. Das ABS<br />
regelt deutlich feinfühliger<br />
als das der<br />
Yamaha<br />
So muss Cockpit:<br />
runde Dosen, Chromrand,<br />
weiße Ziffern<br />
auf schwarzem Grund.<br />
Ein Fest fürs Auge.<br />
Die Digi-Displays sind<br />
zwar nicht stilecht,<br />
aber dezent<br />
So geht Sound: Weiß<br />
der Geier, wie sie<br />
so viel Klangvolumen<br />
aus so wenig Hubraum<br />
hinbekommen, aber<br />
das Ohr ist erfreut<br />
Moto Guzzi V7 II Racer, Yamaha XV 950 Racer<br />
grelles Make-up in Form eines purplefarbenen Rahmens vervollständigen<br />
die Metamorphose. Technisch bleibt alles beim<br />
Alten, sprich 48 PS, die seit 2015 sechs- statt fünffach übersetzt<br />
via Kardanwelle ans Hinterrad durchgereicht werden. Seitdem<br />
gibt es auch ABS sowie Traktionskontrolle. Auf dass der Schlupf<br />
nicht überhand nehme.<br />
Derlei Zugeständnisse an die Moderne können dem archaischen<br />
Charakter der Guzzi nichts anhaben. Gefühlt Tausend<br />
Mal wurde sie schon beschrieben, die einmalige Geräuschkulisse<br />
des V2, diese Mixtur aus Schnüffeln und Rütteln, aus<br />
Klackern und Tickern, das Ganze untermalt von einem bassigkernigen<br />
Klang, der den beiden Edelstahltöpfen entweicht.<br />
Beim frühmorgendlichen Start lässt es sich der Twin nicht nehmen<br />
– aller Einspritzelektronik zum Trotz – mit Aussetzern und<br />
Verschluckern auf den ersten Metern darauf hinzuweisen, dass<br />
ihm kalt sei und man die ersten Kilometer doch zurückhaltend<br />
angehen möge.<br />
Am Ende des Tages, nach dem Abstellen, bedankt er sich mit<br />
einem Knistern und Knastern und Knacken, das jedem Lagerfeuer<br />
zur Ehre gereichen würde, bei seiner Umgebung. Die Zeit<br />
dazwischen erfreut die Guzzi mit leichtem und zielstrebigem<br />
Handling. Ebene Straßen vorausgesetzt, klappt es auch mit dem<br />
Fahrkomfort, auf holprigem Geläuf zeigt sich die Fahrwerksabstimmung<br />
besonders hinten von der hartleibigen Seite. Da hilft<br />
dann auch die hübsche, mit Wildleder bezogene Sitzbank nicht<br />
weiter. Die zudem, sollte das Motorrad in einer verregneten<br />
Nacht draußen gestanden haben, zuverlässig über Stunden für<br />
kontinuierliche Bewässerung des Schritts sorgt. Die Schaltbox<br />
dieses Testmotorrades ließ sich nur mit Bedacht bedienen, da<br />
So geht Racing: Stummellenker,<br />
Solo-Sitzbank<br />
– alles da. Fehlt<br />
nur noch die Leistung<br />
46 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
gab es schon präzisere Exemplare. Dennoch schafft es die<br />
Italienerin, den Geist von damals mit den Anforderungen von<br />
heute auf eine hochemotionale Art und Weise zu verbinden.<br />
Über die Bezeichnung Racer sehen wir großzügig hinweg.<br />
Das sollte man auch bei der Yamaha tun. Denn das Einzige,<br />
das die XV 950 Racer mit Rennsport verbindet, sind die<br />
unter der massiven mattschwarzen Gabelbrücke angeschlagenen<br />
Lenkerstummel und der neckische Rallye-Streifen<br />
über Tank und Bürzel. Und obwohl sie laut Yamaha unter der<br />
Rubrik Sport-Heritage – übersetzt: sportliches Erbe – läuft, ist<br />
sie im Grunde ihres luftgekühlten, ebenfalls zweizylindrigen<br />
Herzens ein waschechter Cruiser. Die Fahrwerksgeometrie<br />
belegt dies; sie ist identisch mit dem Langgabler XV 950.<br />
Langer Radstand, flache Gabel, wenig Bodenfreiheit sind die<br />
Bündel, die die Racer zu tragen hat. Der Umstand, dass die<br />
Fußrasten von Höhe Kupplung auf Höhe Schwingachse zurückverlegt<br />
wurden, sorgt auch nicht für Aufheiterung. Ob<br />
beim Halt, beim Rangieren oder Ständerrausklappen. Sie sind<br />
im Weg. Immer! Spätestens ab der zweiten Fahrt trägt man<br />
freiwillig Stiefel, um blaue Knöchel zu vermeiden.<br />
Um die Liste des Meckerns zu vervollständigen,<br />
sei noch Folgendes angemerkt: Das Handling ist<br />
Angebote zu<br />
diesen Motorrädern<br />
finden<br />
Sie hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2016</strong><strong>03</strong>042<br />
Leistungs - Messung<br />
Motorleistung<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Yamaha XV 950 Racer<br />
41,2 kW (56 PS) bei 6100/min<br />
80 Nm bei 3100/min<br />
Moto Guzzi V7 II Racer<br />
35,4 kW (48 PS)<br />
bei 6400/min<br />
59 Nm bei 3100/min<br />
40<br />
kW PS<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Schon beachtlich, was rund 200<br />
cm³ und ein modernes Motorenlayout<br />
ausmachen. Die Yamaha<br />
– wenngleich Akrapovic-gepimpt<br />
– drückt ab Standgas<br />
rund 20 Nm mehr auf die<br />
Kurbelwelle und gibt diesen<br />
Vorsprung nicht mehr her. Das<br />
Leistungsplus ist nicht ganz so<br />
Drehmoment in Nm<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
beeindruckend, schließlich ist<br />
die Guzzi auf 48 PS homologiert,<br />
die Yamaha nicht. Dennoch<br />
hat ihr Motor genau jene<br />
Souveränität, die sich die Guzzi-Fans<br />
für die V7 seit Jahren<br />
ebenso sehnlich wie bis dato<br />
erfolglos wünschen. Vielleicht<br />
klappt’s ja nächstes Jahr.<br />
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250,<br />
korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %<br />
www.motorradonline.de<br />
im Vergleich zur Guzzi<br />
arg träge, die Kurve, in<br />
der die Rasten bei Trockenheit<br />
nicht aufsetzen,<br />
muss erst noch erfunden<br />
werden. Bei Nässe setzen<br />
die Reifen das Limit.<br />
Daten und Messwerte<br />
MOTOR<br />
FAHRWERK<br />
Moto Guzzi<br />
V7 II Racer<br />
Yamaha<br />
XV 950 Racer<br />
Bauart Zweizylinder-Viertakt- Zweizylinder-Viertakt-<br />
90-Grad-V-Motor<br />
60-Grad-V-Motor<br />
Einspritzung 2 x Ø 38 mm 2 x Ø 35 mm<br />
Kupplung Einscheiben-<br />
Mehrscheiben-<br />
Trockenkupplung<br />
Ölbadkupplung<br />
Bohrung x Hub 80,0 x 74,0 mm 85,0 x 83,0 mm<br />
Hubraum 744 cm³ 942 cm³<br />
Verdichtung 10,5 : 1 9,0 : 1<br />
Leistung 35,0 kW (48 PS)<br />
38,3 kW (52 PS)<br />
bei 6250/min<br />
bei 5500/min<br />
Drehmoment 58 Nm bei 3000/min 80 Nm bei 3000/min<br />
Rahmen<br />
Doppelschleifenrahmen<br />
aus Stahl<br />
Doppelschleifenrahmen<br />
aus Stahl<br />
Gabel Telegabel, Ø 40 mm Telegabel, Ø 41 mm<br />
Bremsen vorne/hinten Ø 320/260 mm Ø 298/298 mm<br />
Assistenzsysteme ABS, Traktionskontrolle ABS<br />
Räder 2.50 x 18; 3.50 x 17 2.50 x 19; 4.50 x 16<br />
Reifen 100/90 18; 130/80 17 100/90 19; 150/80 16<br />
Bereifung Pirelli Sport Demon Michelin Commander II<br />
Yamaha XV 950 Racer<br />
MAßE + GEWICHTE 41,2 kW (56 PS) bei 6100/min<br />
80 Nm bei 3100/min<br />
Radstand 1435 mm 1570 mm<br />
Moto Guzzi V7 II Racer<br />
Lenkkopfwinkel 35,4 kW 62,5 (48 PS) Grad bei 6400/min 61,0 Grad<br />
Nachlauf 59 Nm bei 117 3100/min mm 130 mm<br />
Federweg vorne/hinten 130/96 mm 135/110 mm<br />
Sitzhöhe 1 810 mm 760 mm<br />
Gewicht vollgetankt 1 199 kg 253 kg<br />
Zuladung 1 202 kg 235 kg<br />
Tankinhalt/Reserve 21,0/4,0 Liter 12,0/– Liter<br />
Service-Intervalle 10 000 km 10 000 km<br />
Preis 9990 Euro 9395 Euro<br />
Preis Testmotorrad 9990 Euro 10105 Euro 2<br />
Nebenkosten inkl. 200 Euro<br />
-MESSWERTE<br />
Höchstgeschwindigkeit* 155 km/h 168 km/h<br />
Beschleunigung<br />
0–100 km/h 6,0 sek 5,6 sek<br />
0–140 km/h 12,5 sek 12,0 sek<br />
Durchzug<br />
60–100 km/h 5,6 sek 5,6 sek<br />
100–140 km/h 9,7 sek 7,5 sek<br />
Verbrauch Landstraße/100 km 4,4 Liter 4,5 Liter<br />
Reichweite Landstraße 477 km 267 km<br />
* Herstellerangabe; 1 <strong>MOTORRAD</strong>-Messungen; 2 Akrapovic-Endschalldämpfer (710 Euro)<br />
TEST+TECHNIK 47
Yamaha XV 950 Racer<br />
So geht blaues Knie:<br />
Der Brotkasten –<br />
pardon, Luftfilter –<br />
ist beim Fahren ständig<br />
im Weg. Genauso<br />
wie die Fußrasten<br />
(nicht im Bild) beim<br />
Rangieren<br />
So geht Tristesse:<br />
Außer dem fetten<br />
Chromring hat dieses<br />
Cockpit kaum etwas<br />
zu bieten. Tempo,<br />
Trip, Time – that’s it.<br />
Egal, man mag eh<br />
nicht hinschauen<br />
So geht kleines<br />
Schwarzes: knappes<br />
Cockpit-Leibchen<br />
mit neckischer<br />
Aussparung für die<br />
beiden Bowdenzüge<br />
Moto Guzzi V7 II Racer, Yamaha XV 950 Racer<br />
Beim harten Bremsen biegt sich die Gabel wie Weizen im<br />
Sommerwind, zudem regelt das ABS mit groben und unregelmä<br />
ßigen Intervallen. Der rechts angebrachte Luftfilter verhindert<br />
den Knieschluss mit dem Tank. Last but not least lässt<br />
die Informationsfülle des Cockpits zu wünschen übrig.<br />
Wer jetzt glaubt, der Autor wolle die Yamaha niederschreiben,<br />
der irrt. Aber wo Racer-Erwartungen geweckt werden,<br />
da sollten zumindest Motorrad-Ansprüche erfüllt werden.<br />
Und dem ist eben nicht so. Betrachtet man die XV als den Cruiser,<br />
der sie letztlich ist, sieht die Welt wieder ganz anders aus.<br />
Dort zählt neben der Optik, die aber höchst subjektiv betrachtet<br />
wird, der Motor. Und hier schlägt die Stunde der Yamaha.<br />
Natürlich profitiert er von seinem Hubraumplus, wie das Diagramm<br />
auf Seite 47 zeigt. Da kann die Guzzi noch so aufgeregt<br />
mit den Ventilen schnattern, wenn’s auf der Showmeile zählt,<br />
sieht sie keine Sonne. Weniger Hubraum, mehr Gänge. Pech<br />
gehabt. In Sachen Emotionalität kann es der Yamaha-V2 wiederum<br />
nicht mit der Guzzi aufnehmen, obwohl die Akrapovic-<br />
Tüte aus dem Werkszubehör ihr Bestes gibt. Sie sorgt für einen<br />
wummrig-bassigen Sound, der den Fahrer erfreut und die<br />
Umstehenden in Ruhe lässt. So soll das sein.<br />
Bleibt die Frage nach dem „Welche für wen?“ Wer mit der<br />
Ergonomie der Yamaha kein Problem hat und zumeist in<br />
urbanem oder ebenem Geläuf unterwegs ist, der kann mit der<br />
XV happy werden. Wem sich zwischen Start und Ziel ernst<br />
zu nehmende Kurven in den Weg stellen oder wer das Thema<br />
Café Racing von der schrägen Lage angeht, der ist mit der V7<br />
besser angezogen.<br />
www.motorradonline.de/vergleichstests<br />
So geht eigenwillig:<br />
Cruiser-Fahrwerksgeometrie<br />
mit Racer-<br />
Ergonomie<br />
48 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
-Fazit<br />
Mist, man hätte wetten sollen. Guzzi besiegt Yamaha,<br />
das hätte eine verdammt gute Quote gegeben. Sei’s<br />
drum. Die V7, wenngleich ebenfalls nicht frei von<br />
Schwächen, ist in diesem Fall einfach das stimmigere,<br />
rundere Konzept. Sound, Feeling, Funktion – alles<br />
passt zusammen. Die Yamaha-Philosophie, einfach<br />
einen Stummellenker an einen Cruiser zu klemmen<br />
und die Rasten mittschiffs zu legen, funktioniert nicht<br />
wirklich. Zum Cruisen zu unbequem, zum Sporteln …<br />
– ach, Schwamm drüber. Für die Flaniermeile langt’s<br />
aber. Der Motor allerdings, der macht richtig Laune.<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 49
T E S T + T E C H N I<br />
Fahrbericht Radical Guzzi Ristretto 1380<br />
K<br />
ICH WAR EIN<br />
CRUISER<br />
Was für eine Transformation: der 1400er-V2 einer aktuellen California implantiert in einen<br />
klassischen Tonti-Rahmen. Mehr Motor in weniger Chassis geht nicht. Viel mehr Show bei einem<br />
Roadster auch nicht. Es lebe die historische Inspiration! Von Thomas Schmieder; Fotos: Rossen Gargolov, TSR (1)<br />
50 TEST+TECHNIK 3/<strong>2016</strong>
Du bist erst 500 Meter gefahren,<br />
Stadtverkehr, Rushhour. Aber<br />
eines ist schon klar: Wie dieser<br />
großvolumige V2 unter dir<br />
röchelt und röhrt, schmatzt und schlürft,<br />
bebt und lebt – das ist ein monumentales<br />
Erlebnis. Bassiger Sound. Gefühlt sitzt du<br />
auf einem Hauch von Nichts, aus dem links<br />
und rechts wuchtige Zylinder mit nahezu<br />
qua dratischen Ventildeckeln herausragen,<br />
groß wie Wassereimer. Devot bückst du<br />
dich zu den Lenkerstummeln. Hoffentlich<br />
verschwindet deine Jeans nicht auf Nimmerwiedersehen<br />
in den offenen Ansaugtrichtern.<br />
Die Flachschieber in den Keihins<br />
FCR 41 schlürfen und zwitschern in ihren<br />
Führungen. Man glaubt, Kolben und Einlassventilen<br />
bei der Arbeit zuschauen zu<br />
können. Hier sind alle Sinne berührt.<br />
An der Ampel gehen neben dir Autoscheiben<br />
runter und die Daumen der Insassen<br />
hoch, recken sich Köpfe. „Was für ein<br />
Wahnsinnsmotorrad!“, hörst du jemanden<br />
rufen. Diese Guzzi verschiebt die Wahrnehmung.<br />
Beim Spiel mit dem Gasgriff (keine<br />
Sorge, im Leerlauf dreht der Motor schön<br />
stabil, nur die Suche danach kann nerven),<br />
neigt sich die Bella Donna erst nach rechts<br />
und dann wieder zurück nach links in<br />
die Ausgangslage. Ein Gruß in Form von<br />
Rückdrehmoment der längs liegenden,<br />
massigen Kurbelwelle. Ganz Guzzi eben.<br />
Dann springt das Licht vor dir von Rot auf<br />
Grün, die gertenschlanke blaue Maschine<br />
hechtet nach vorn. Fast vergessen, der<br />
1380er drückt 100 Newtonmeter praktisch<br />
ab Standgas. Da geht was!<br />
Der 1,4-Liter-Motor ist fast serienmäßig,<br />
nur die frei programmierbare Zündung<br />
nach Art des Hauses und seine Atemwege<br />
sind komplett neu. Der V2 atmet durch eine<br />
Edelstahl-Auspuffanlage aus, deren Mündungen<br />
wegen der raffinierten Bögen links<br />
wie rechts nach vorne weisen. Keramikbeschichtung<br />
lässt die gesamte Auspuffanlage<br />
mattschwarz „glänzen“. Schwarz,<br />
Blau und Silber gehen hier eine stilvolle<br />
Synthese ein. Dieses Motorrad ist eine<br />
Materie gewordene Vision – was geht,<br />
wenn man sich nur traut. Ein „Muscle Racer“<br />
mit offenem Rahmendreieck und keckem<br />
Heckhöcker nämlich. Ein Café Racer der<br />
Gegenwart, mit stilprägenden, aber ziemlich<br />
schweren „Revtech“-Scheibenrädern.<br />
Der ehemalige BMW-Designer Sylvain<br />
Berneron zeichnete das Styling, in bester<br />
Tradition seines „Holographic Hammers“.<br />
Stefan Bronold junior von Radical Guzzi aus<br />
der Oberpfalz setzte es praktisch eins zu<br />
eins um. <strong>MOTORRAD</strong>-Lesern vielleicht<br />
schon über frühere Umbauten bekannt,<br />
Vollkommen verwegen:<br />
Aus der<br />
extrem schmalen<br />
Silhouette ragen<br />
nur Lenkerstummel<br />
und wassereimergroße<br />
Zylinder<br />
mit offenen<br />
Flachschiebervergasern<br />
raus. Feist!<br />
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Ästhetik der Technik: schmaler Tank, flankiert von mächtigen Okolyten (l.). Gestiftet von<br />
einer Guzzi 1100 Sport: offenes Kardan-Kreuzgelenk inmitten der filigranen Eigenbau-<br />
Schwinge. Klassisch: Schnappdeckel-Tank. Puristisch: Lenkerarmatur von Motogadget<br />
Radical Guzzi Ristretto 1380<br />
als seine Werkstatt noch „Guzziladen“ hieß.<br />
Stefan schuf ein Motorrad praktisch nur aus<br />
Metall. Auf schnödem Kunststoff, also Erdöl,<br />
basiert hier fast nichts. Trotzdem blieb das<br />
Gewicht moderat, bei rund 230 Kilogramm.<br />
Viele Kunstgriffe waren nötig, um den XXL-<br />
Motor in Lino Tontis klassischen Rahmen<br />
mit dem kurzen Steuerkopf zu bekommen;<br />
jenen bleistiftdünnen, doch<br />
stabilen Verbund aus gut<br />
zugemessenen Dreiecken, Trapezen und<br />
Parallelogrammen.<br />
Rund 20 Tonti-Rahmen hat Stefan Bronold<br />
immer auf Lager. Motoraufnahmen<br />
und Heckrahmen müssen vor der Hochzeit<br />
des neuen Motors mit dem historischen<br />
Chassis geändert werden. Keine Angst,<br />
hier wurde keine Cali 1400 geschlachtet,<br />
sondern ein taufrischer Motor bestellt.<br />
Und dessen Kurbelwelle verlängert, um<br />
die Lichtmaschine auf den vorderen Stumpf<br />
zu packen, so wie früher. Stolz prangt sie<br />
hinter dem aus dem Vollen gedrehten Alu-<br />
Deckel. Zulassungstechnisch gilt das als ein<br />
Motorrad vor 1984. Eigenbau ist die filigran<br />
wirkende, fünf Kilo leichte Schwinge mit<br />
Brems- und Drehmoment-Abstützung. Sie<br />
hält unerwünschte Kardanreaktionen im<br />
Zaum. Aus einer Guzzi 1100 Sport stammt<br />
der Kardan mit offenem Kreuzgelenk.<br />
Nicht genug Platz bietet der drahtige<br />
Stahlrohr-Rahmen für das heutige Sechsganggetriebe.<br />
Also fort damit. Stattdessen<br />
implantierte Stefan die Fünfgang-Box einer<br />
klassischen Guzzi. Gewusst wie. In sich<br />
stimmig, homogen wirkt das Ganze.<br />
Ristretto taufte Radical Guzzi diese auf<br />
fünf Exemplare limitierte Serie. Benannt<br />
nach besonders starkem, süditalienischem<br />
Espresso – viel Kaffee, wenig Wasser. So wie<br />
bei diesem Café Racer: viel Motor, wenig<br />
Chassis. Etwas Sinnlicheres hast du in den<br />
letzten Jahren kaum angefasst, zumindest<br />
nicht auf zwei Rädern. Mit Ausnahme einer<br />
anderen Maschine von Radical Guzzi, der<br />
puren, deutlich stärkeren Fahrmaschine<br />
Baukasten: Tonti-<br />
Rahmen mit 1400er-<br />
Cali-V2, offenem Rahmendreieck,<br />
geschlossenen<br />
Scheibenrädern,<br />
Eigenbau-Schwinge
Umbau-Infos Radical Guzzi Ristretto<br />
Es ist Liebe: Fernseh- und Video-Mann<br />
Kris Karathomas aus Hamburg war zuerst<br />
„nur“ Kunde, einer von maximal<br />
fünf Besitzern einer Ristretto. Doch er<br />
ist so begeistert von seiner getunten<br />
Italo-Maschine, dass er die Presse-<br />
Arbeit für Radical Guzzi übernahm<br />
DIE TECHNIK<br />
Tonti-Rahmen mit Unterzügen und Heckbügel<br />
(970 Euro); Schwinge Radical Guzzi (1899 Euro);<br />
Scheibenräder 3,5 und 5,5 x 18‘‘ (1650 Euro);<br />
Auspuffanlage Edelstahl mit Keramik-Beschichtung<br />
(2400 Euro); Tank-Sitzbank-Kombination<br />
Alu blank mit Sitzpolster (2750 Euro); Tacho<br />
mit integrierter Digitalzündanlage (1100 Euro);<br />
Lichtmaschine komplett inkl. Adaptersatz für<br />
8V-Motor in Tonti-Rahmen (1070 Euro); leichtere<br />
Kupplung mit verstärkten Federn (600 Euro);<br />
Keihin-Flachschieber-Vergaser mit Gasgriff, Zügen<br />
und Trichtern (1640 Euro); Ölkühler mit Leitungen<br />
(350 Euro); überholtes Fünfganggetriebe<br />
(1850 Euro); Kardanantrieb 8/33 überholt,<br />
(1600 Euro); Bremsscheiben vorn mit radialen<br />
Brembo-Bremszangen und Bremspumpe (1070<br />
Euro); hydraulische Kupplung inkl. Magura-<br />
Pumpe (350 Euro); Fußrastanlage CNC-gefräst<br />
(429 Euro); Gabel MV Agusta (gebraucht, überholt,<br />
1100 Euro): Gabelbrücken CNC-gefräst mit<br />
Lenkschaftrohr (1160 Euro); Scheinwerfer mit<br />
Haltern (208 Euro); Blinker/Kennzeichenhalter<br />
(280 Euro); Alu-Schutzblech mit Halter (300<br />
Euro); Lichtmaschinendeckel CNC-gefräst (279<br />
Euro); Batteriekasten Edelstahl/Lithium-Ionen-<br />
Batterie (320 Euro); Alu-Spritzschutz (150 Euro);<br />
LSL-Lenkerstummel (180 Euro).<br />
Ebenfalls möglich: drei verschiedene Nockenwellensätze<br />
für 125 bis 130 PS (1200 Euro);<br />
Zylindersatz 1450 cm3 (1400 Euro); Motorenkit<br />
1700 cm3 (4750 Euro).<br />
Komplettpreis je nach Ausstattung ab 45 000 bis<br />
49 000 Euro. Alle Preise fahrfertig, mit TÜV und<br />
Wertgutachten sowie einem Jahr Garantie.<br />
KONTAKT<br />
Radical Guzzi, Stefan Bronold jun., Nabburger<br />
Straße 40, 92521 Schwarzenfeld, Telefon<br />
0 94 35/6 39 32 67, www.radicalguzzi.com<br />
„Fugitive“ aus <strong>MOTORRAD</strong> 2/<strong>2016</strong>. Sie<br />
ist ebenso sinnlich, nur noch fahraktiver.<br />
„Wir wollten zeigen, welches Potenzial<br />
in dieser Marke steckt, Moto Guzzi<br />
ein bisschen Entwicklungshilfe geben!“<br />
So sagt es Kris Karathomas aus Hamburg.<br />
Er ist ein Ristretto-Besitzer und schreibt<br />
als Medienmann nun auch die Pressetexte<br />
von Radical Guzzi.<br />
Dem „italienischen Herzschlag“ sind<br />
Kris und Stefan komplett erlegen. Kräftig<br />
kommt der V2 vom Start weg, wartet ungeduldig<br />
auf das Einrücken der Kupplung.<br />
Drehen über 6000 tut nie not, da steigt die<br />
Leistung subjektiv nicht mehr an. Aber in<br />
seiner überaus kräftigen Mitte macht der<br />
Ex-Cruiser schöne Freuden-Wheelies. So<br />
etwas ist für solch eine Wuchtbrumme<br />
wirklich eine Ansage. Gern bleiben die Gänge<br />
mal hängen (Zwischenleerläufe!), man<br />
muss sehr sauber schalten. Eine alte Guzzi-<br />
Eigenheit. Leidensfähigkeit erfordert die<br />
Sitzposition, der Kniewinkel ist extrem spitz.<br />
Langstrecke? Unmöglich. Lang über den<br />
spindeldürren 20-Liter-Alutank gestreckt,<br />
die Füße gefühlt auf Höhe der Hinterachse.<br />
Der Hintern meldet sich schon nach kurzer<br />
Fahrzeit. Weit außen muss man die Füße<br />
auf den Rasten platzieren, sonst werden die<br />
Hosenbeine von den offenen Trichtern angesaugt.<br />
Obacht: Auf der rechten Seite berührt<br />
man versehentlich gerne den Gaszug.<br />
Doch die Erniedrigung wirkt meditativ:<br />
Zuerst kommst du dir etwas affig vor, aber<br />
das gibt sich nach ein paar Kilometern.<br />
Dann merkst du: Das ist ein verdammt cooler<br />
Hobel! In der Kurve runterschalten geht<br />
nicht, sonst versetzt es das Hinterrad. Muss<br />
alles schon vorher erledigt sein. Ist eben<br />
kein echtes Sportmotorrad. Will trotz des<br />
moderat breiten 180er-Hinterreifens auch<br />
nicht so richtig in die Kurve. Man muss stark<br />
www.motorradonline.de<br />
mit der Guzzi kämpfen, um sie auf Kurs zu<br />
bringen. Das hat aber auch seinen Reiz.<br />
Bombastisch ist die Geradeauslaufstabilität.<br />
Wie auf Schienen fährt die Ristretto. Ein<br />
Guzzi-ICE. Sie erinnert an einen Supersportler<br />
mit komplett geschlossenem Lenkungsdämpfer.<br />
Ihre Gabel samt Bremsanlage<br />
stiftete eine MV Agusta F4. Weniger Gabel-<br />
Offset bringen massive, fein ausgearbeitete<br />
Eigenbau-Gabelbrücken. Vielleicht ist der<br />
Nachlauf damit einen Tick zu lang geraten.<br />
Durchaus knackig fühlen sich die radialen<br />
Brembo-Vierkolbensättel an, ohne wütende<br />
Beißer zu sein. Ach ja, in Schräglage<br />
setzt die Auspuffanlage auf. Man müsste<br />
sie vorn schräg abflexen, dann würde es gehen.<br />
Freude am Fräsen! Das meint hier aber<br />
auch den Bau. Denn Stefan Bronold fertigt<br />
extrem viele Teile selbst an. Ein echtes Kompliment<br />
kommt von Fotofahrer Tobias Münchinger,<br />
dem wilden Hund der sehr sportlichen<br />
Redaktion PS: „Mir hat das Ding voll<br />
gefallen“, sagt der Jungspund, „optisch voll<br />
der Knaller!“ Und Tobi gehört mit seinen 25<br />
Jahren bestimmt nicht zur Kern-Zielgruppe.<br />
Nun, Stefan Bronold ist auch erst 30 …<br />
Mille Grazie, Radical Guzzi, für ein großes<br />
Erlebnis. Maschinen solcher Art verleihen<br />
dem Adler wieder Flügel, ach was: mächtige<br />
Schwingen. Sich mit diesem Motorrad<br />
unter Transalp- und GS-Fahrern zu bewegen,<br />
kommt einem vor wie sich als Chefredakteur<br />
der Zeitschrift „Beef“ auf einen<br />
Veganer-Treff zu verirren. Drei Ristrettos<br />
sind bereits verkauft, zwei noch zu haben.<br />
Zum Liebhaberpreis ab 45 000 Euro.<br />
So ist der Ex-Cruiser ein Fall für wahre,<br />
loyale Fans. Und davon hat Moto Guzzi,<br />
dieser Motorrad-Hersteller zwischen Traum,<br />
Tradition (durchgehende Historie seit 1921)<br />
und Tragik, ja nun wirklich zuhauf.<br />
www.motorradonline.de/motoguzzi<br />
TEST+TECHNIK 53
B L I C K P U N K T<br />
Zeitvorgaben bei Reparaturen<br />
MIT<br />
DER<br />
ZEIT<br />
– NERVT DAS!<br />
Bei Verschleißreparaturen zahlen Motorradfahrer beim Händler meist das, was die Hersteller<br />
dafür vorgeben. Zeit ist dabei Geld. Und meist zu wenig, klagen die Händler. Denn oft dauert’s<br />
in der Werkstatt real viel länger als auf dem Papier. Eine echte Zwickmühle. Aber nicht überall.<br />
Von Brigitte Haschek; Fotos: Rossen Gargolov, jkuenstle.de, Illustration: Holger Aue<br />
Es gibt Dinge, da kommt man ganz<br />
schön ins Grübeln. So geht es<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Werkstattchef Gerry<br />
Wagner, als er sich daran macht, den<br />
Dauertester Honda Crosstourer zu demontieren.<br />
Es gehört bekanntlich zum redaktionseigenen<br />
Prinzip der Gründlichkeit, dass<br />
nach dem 50 000 Kilometer-Dauerlauf die<br />
Maschine in ihre Einzelteile zerlegt wird, um<br />
Verschleißspuren auf die Schliche zu kommen.<br />
Wagner, weiß Gott kein Greenhorn<br />
an der Werkbank, braucht allein rund einen<br />
halben Tag, bis das Triebwerk ausgebaut ist<br />
– vom Zerlegen ist da noch nicht die Rede.<br />
Spaßeshalber erkundigt sich Gerry bei<br />
Honda, was für einen Motortausch – also<br />
Aus- und Einbau – beim Crosstourer an<br />
Arbeitszeit veranschlagt wird. Und staunt<br />
nicht schlecht, als Honda nur viereinhalb<br />
Stunden kalkuliert. Eine Diskrepanz, die<br />
Grund genug ist, das Thema Arbeitszeitvorgaben<br />
grundsätzlich zu hinterfragen.<br />
„Mechaniker,<br />
die noch nie<br />
Ventile bei der<br />
S 1000 RR eingestellt<br />
haben,<br />
schrauben den<br />
ganzen Tag“<br />
BMW-Händer aus Bayern<br />
Eine Liste mit Verschleißreparaturen ist<br />
schnell erstellt und an die Hersteller übersandt.<br />
Aus praktischen Gründen fragen wir<br />
die jeweiligen Positionen für Modelle ab,<br />
die sich größtenteils ohnehin im MOTOR-<br />
RAD-Dauertest-Fuhrpark befinden. „Insgesamt<br />
ziemlich sportlich“, urteilt Chefschrauber<br />
Wagner, als die Ergebnisse der Umfrage<br />
vorliegen (siehe Tabelle). Da dürfe aber<br />
rein gar nichts dazwischenkommen. „Um<br />
diese Zeiten einhalten zu können, muss<br />
die Maschine bereits tipptopp sauber in der<br />
Werkstatt stehen und der Arbeitsplatz optimal<br />
vorbereitet sein.“<br />
Schwingenlagertausch bei der BMW R<br />
1200 R in 55 Minuten? Angesichts des erforderlichen<br />
Ausbaus von Kardanantrieb<br />
und Hinterrad hält unser Werkstattchef dies<br />
für ziemlich unrealistisch. Und wer einen<br />
Kettensatzwechsel bei der KTM Super Duke<br />
R in einer halben Stunde hinbekomme, der<br />
müsse fliegende Hände haben, meint Wagner.<br />
Die angegebenen Zeiten seien zu erreichen,<br />
wenn man die Reparatur zum fünften<br />
oder zehnten Mal ausführe.<br />
Das bestätigen auch die zum Thema<br />
Arbeitszeitwerte befragten Händler. „Der<br />
Austausch des Gabeldichtungsrings bei der<br />
54 BLICKPUNKT<br />
3/<strong>2016</strong>
KTM 1190 Adventure ist für die Werkstatt<br />
ein Problem“, sagt ein Markenhändler aus<br />
Baden-Württemberg. 40 Minuten werden<br />
von KTM einschließlich Probefahrt angesetzt,<br />
realistisch sei die doppelte Zeit. Ist der<br />
Lichtmaschinen-Rotor einer KTM Duke 125<br />
zu wechseln, fallen in der Regel mit 80<br />
Minuten sogar viermal mehr an, als vom<br />
Hersteller vorgegeben. Im Prinzip bleibt<br />
die Werkstatt auf dem Mehraufwand sitzen,<br />
was sich aber niemand leisten kann. In den<br />
krassesten Fällen wird nachjustiert: Einen<br />
Teil nimmt der Händler auf seine Kappe,<br />
einen anderen versucht man beim Kunden<br />
zu holen. Zudem lässt sich mit geschickter<br />
Mischkalkulation noch die eine oder andere<br />
Kostenschraube drehen. Der KTM-Händler<br />
beklagt zudem, dass bei Rückrufen die<br />
Arbeitszeiten extrem knapp bemessen sind.<br />
„Da reicht die Zeit nie und man legt gleich<br />
zigfach drauf.“<br />
Davon kann ein Triumph-Händler aus<br />
dem Fränkischen ebenfalls ein Lied singen:<br />
„Die Zeitvorgaben bei Rückrufen sind sehr<br />
knapp kalkuliert, weil in der Regel eine große<br />
Zahl von Maschinen betroffen ist“, sagt<br />
er. Als Beispiel nennt er den Austausch des<br />
Zylinderkopfs bei der Tiger Explorer – selbst<br />
bei mehrmaliger Ausführung dauere dies<br />
zwölf Stunden und nicht acht Stunden, wie<br />
vorgegeben. In Sachen Verschleißreparaturen<br />
hingegen gebe es bei Triumph nur<br />
vereinzelt Diskrepanzen zwischen Vorgabe<br />
und tatsächlichem Zeitaufwand.<br />
Marktführer BMW verfolgt dagegen in<br />
jedem Fall die Linie der knapp bemessenen<br />
Arbeitszeiten. „Die Vorgaben sind nur mit<br />
viel Erfahrung und Routine zu schaffen“,<br />
sagt ein Markenhändler aus Bayern. „Ein<br />
Mechaniker, der noch nie eine Kupplung<br />
bei der R 1200 R getauscht hat, benötigt<br />
beim ersten Mal locker die dreifache Zeit.“<br />
Knifflig seien beispielsweise auch Bremssattelreparaturen.<br />
„Ab dem fünften Mal<br />
geht es dann schneller.“ Die schmalen Zeitfenster<br />
habe BMW wohl mit Blick auf die<br />
Kunden gesetzt. Ventile bei der S 1000 RR<br />
zu prüfen und einzustellen, schafften nur<br />
zwei seiner neun Leute in der vorgegebenen<br />
Zeit. „Die haben das aber auch schon<br />
x-mal gemacht“, sagt der Chef. Wie löst<br />
er das Dilemma, ohne dauernd draufzuzahlen?<br />
„Wir haben den realistischen Mehraufwand<br />
auch bei Routinearbeiten mit<br />
einkalkuliert.“<br />
Die Konstruktion spielt natürlich auch eine<br />
Rolle dabei, wie hoch der Arbeitsaufwand<br />
ausfällt. So ist Ventile prüfen und einstellen<br />
bei der Suzuki GSX-R für den damit unerfahrenen<br />
Mechaniker ebenfalls kein Kinderspiel.<br />
Doch bei der japanischen Marke gibt<br />
es sozusagen Vertrauensarbeitszeit – es gibt<br />
keine Vorgaben. „Feste Arbeitszeitwerte<br />
gibt es nur für Inspektionen und bei Garantiefällen“,<br />
bestätigt ein Markenhändler aus<br />
dem Ruhrgebiet. „Und die kommen hin.“<br />
Er lobt die Kooperation mit dem Suzuki-<br />
Außendienst. „Die sind sehr gut aufgestellt,<br />
helfen wirklich, wenn es ein Problem<br />
gibt und kommen dafür auch mal in den<br />
Betrieb“, sagt er.<br />
Ein Marken-Kollege aus Süddeutschland,<br />
der gleichzeitig Kawasaki-Händler ist,<br />
sieht das genauso: „Bei Suzuki und Kawasaki<br />
stimmen die Vorgaben.“ Bei Yamaha scheint<br />
es auch ohne Druck auf die Arbeitszeit gut<br />
zu laufen. „Die Kundendienst-Leute kommen<br />
alle aus der Praxis, das hilft“, sagt ein<br />
schwäbischer Yamaha-Händler.<br />
Beim <strong>MOTORRAD</strong>-Dauertester BMW R 1200 R<br />
halten sich die Inspektionskosten während<br />
der ersten Halbzeit im Rahmen<br />
Bei der Yamaha MT-07 beanspruchen Kerzenwechsel<br />
und Ventileinstellung mehr Zeit<br />
als bei der Dreizylinder-Schwester MT-09<br />
Schrauben im Minutentakt<br />
Was die Hersteller als Arbeitszeiten für Verschleißreparaturen veranschlagen<br />
BMW<br />
R 1200 R<br />
Ducati<br />
1199 Panigale<br />
Harley-<br />
Davidson<br />
Sportster XL<br />
Honda<br />
NC 700 X<br />
KTM<br />
Super Duke R<br />
Yamaha<br />
YZF-R1<br />
1<br />
ride by wire; ²hydraulische Kupplung; 3 Kardanantrieb; 4 Hydrostößel; 5 nur eine Drosselklappe; 6 Antriebsräder vorn + 42 min, Antriebsräder hinten + 48 min<br />
Yamaha<br />
MT-07<br />
Yamaha<br />
MT-09<br />
Ventilspiel prüfen<br />
450 min entfällt 4 48 min 80 min 126 min 114 min 42 min<br />
Ventile einstellen<br />
25 min; Ein-<br />
stellen 15 min<br />
pro Zylinder<br />
Lenkkopflager tauschen (beide) 60 min 90 min 114 min 144 min 95 min 168 min 186 min 150 min<br />
Schwingenlager tauschen 55 min 126 min 120 min 102 min 75 min 144 min 84 min 240 min<br />
Kupplung tauschen 70 min 24 min 78 min 72 min 30 min 24 min 36 min 54 min<br />
Gabelöl tauschen 70 min 90 min 60 min 42 min 45 min 156 min 132 min 108 min<br />
Drosselklappen-<br />
entfällt 1 entfällt 1 entfällt 5 entfällt 5 entfällt 1 60 min 72 min 96 min<br />
Synchronisation<br />
Zündkerzenwechsel 5 min 106 min 12 min 6 min 30 min 48 min 42 min 30 min<br />
Kupplungszug tauschen entfällt 2 entfällt 2 18 min 12 min entfällt 2 12 min 36 min 48 min<br />
Kettensatz-Wechsel entfällt 3 120 min 42 min 6 60 min 30 min 114 min 138 min 138 min<br />
Erneuerung Leuchtmittel 15 min 24 min 18 min 6 min 5 min 18 min 6 min 6 min<br />
Hauptscheinwerfer<br />
Luftfilterwechsel 20 min 42 min 12 min 12 min 15 min 30 min 30 min 30 min<br />
www.motorradonline.de BLICKPUNKT 55
K<br />
A U F B E R A T U N G<br />
Motorradanhänger und Transporthilfen<br />
VERFLIXT,<br />
VERLADEN …<br />
Rauf mit dem Bike auf den Anhänger. Und erst dort fahren, wo die Kurven am schönsten sind.<br />
Wenn nur das verflixte Auf- und Abladen nicht wäre … <strong>MOTORRAD</strong> stellt auf den folgenden Seiten<br />
16 Hersteller von Trailern und 24 pfiffige Transportlösungen vor. Von Jörg Lohse; Fotos: mps-Fotostudio, Hersteller<br />
Zugegeben, die Recherche zu dieser<br />
Kaufberatung war mit reichlich amüsanten<br />
Videosequenzen gemixt, von<br />
denen die hier frei nachgestellten<br />
Playmobil-Szenen nur einen kleinen Ausschnitt<br />
widerspiegeln. Google und Youtube<br />
bieten einen reichhaltigen Fundus dessen,<br />
was beim Motorradtransport alles schiefgehen<br />
kann: von Rampen, die bei der flotten<br />
Auffahrt auf einen Anhänger nach hinten<br />
wegkatapultiert werden bis hin zu ungewollten<br />
Stoppies auf der Ladefläche. Aber auch<br />
das echte Leben bietet Stoff ohne Ende.<br />
Auf Autobahnen ist so manch abenteuerlich<br />
verzurrte Zweiradfracht unterwegs, die einem<br />
dann allerdings das Lachen eher gefrieren<br />
lässt. Nicht auszudenken, welche Richtung<br />
das Ladegut vom Format einer GS Adventure<br />
oder Fat Boy bei einer Vollbremsung oder<br />
ruckartigen Seitenbewegung einschlägt.<br />
Womöglich in die eigene …?<br />
Fakt ist: Der nichtgewerbliche Motorradtransport<br />
erfreut sich wachsender Beliebtheit.<br />
Warum die Anfahrt ins Urlaubsrevier stumpf<br />
auf dem Bock abhocken, wenn es auch<br />
komfortabler geht? Um es aber von Anfang<br />
an wirklich komfortabel zu haben, sollte auch<br />
auf das richtige Equipment gesetzt werden.<br />
Unsere Marktübersicht zeigt, dass es<br />
mittlerweile bestechend einfache Lösungen<br />
für die Zweirad-Hobbyspediteure gibt. Denn<br />
zugegeben: Selbst Profis wie den MOTOR-<br />
RAD-Logistikern fällt es manchmal schwer,<br />
eine ausladende 350-Kilo-Fuhre sicher auf<br />
einen schmalen Anhänger mit Standschienen<br />
zu bugsieren. Viel einfacher ist es, mit<br />
möglichst geringem Auffahrwinkel auf eine<br />
Plattform zu fahren und das Motorrad mit<br />
dem Vorderrad in einer Standwippe abzustellen.<br />
Dann heißt es nur noch, die<br />
richtigen Verzurrpunkte<br />
zu wählen, um die<br />
schwere Ladung auch<br />
sauber abzuspannen.<br />
Ideal sind z. B. ausreichend<br />
stabil ausgelegte<br />
Zurrschienen, mit denen der Abspannwinkel<br />
individuell ausgerichtet werden kann.<br />
Egal, ob man persönlich nun eher die<br />
Ratsche oder Gurte mit Klemmschlössern bevorzugt:<br />
Wichtig ist, dass die Verzurrlösung<br />
die fürs Transportieren auf der Straße wichtige<br />
Norm EN 12195 erfüllt und die angegebene<br />
Belastbarkeit für Motorradmasse ausreicht.<br />
Denn wer will schon sein Missgeschick irgendwann<br />
selbst auf Youtube sehen?<br />
Der Leitfaden zum richtigen Verladen unter<br />
www.motorradonline.de/transport<br />
3/<strong>2016</strong>
RATIOPARTS RATSCHENGURT MIT<br />
AUFROLLMECHANISMUS<br />
Bestechend einfach die Handhabe<br />
dieser Ratsche, die es für 19,95 Euro bei<br />
Hein Gericke gibt: Auf Knopfdruck<br />
lässt sich der mit 250 daN belastbare<br />
1,8-Meter-Gurt auf die gewünschte Länge<br />
herausziehen bzw. wieder einrollen.<br />
Praktisch: die verzinkten Stahlhaken<br />
mit C-Profil.<br />
ZURRSCHIENEN.COM<br />
SCHIENENSYSTEM<br />
Alexander Koch aus Stuttgart<br />
hat sich auf den Vertrieb von<br />
hochwertigen Zurrsystemen<br />
spezialisiert. Die bis 2500 daN<br />
belastbaren Alu-Zurrschienen<br />
gibt es in verschiedenen Ausführungen<br />
(halbrund, flach, für<br />
Eckmontage) ab zwei Meter<br />
Länge (ab 49 Euro). Dazu die<br />
passenden Fittinge (ab 5 Euro),<br />
mit denen sich das Motorrad<br />
punktgenau verzurren lässt.<br />
ZURRGURTPAKET VON<br />
ZURRSCHIENEN.COM<br />
Passend zu den oben abgebildeten Zurrschienen<br />
gibt es beim Anbieter Zurrschie<br />
nen.com die Komplettausrüstung für<br />
den Motorradtransport: vier Zurrgurte<br />
mit Ratschenschluss und Karabinern,<br />
dazu vier Endlosschlaufen in zwei Längen.<br />
Das Set kostet 100 Euro, ist nach EN 12195<br />
geprüft und bis 1000 daN belastbar.<br />
ROTHEWALD VORDERRAD-<br />
<strong>MOTORRAD</strong>STÄNDER<br />
Die Ständerwippe (59,95 Euro) aus<br />
dem aktuellen Detlev Louis-Programm<br />
nimmt Vorderräder zwischen 17 und<br />
21 Zoll auf (Reifenbreite 90 bis 130<br />
Millimeter). Die Stabilität ist noch<br />
akzeptabel. Was aber nervt: Bei der<br />
Erstmontage müssen die etwas nachlässig<br />
beschichteten Stahlrohre unter Spannung<br />
verschraubt werden, und alle beweglichen<br />
Teile haben insgesamt sehr viel Spiel.<br />
HI-Q TOOLS<br />
AUFFAHRRAMPE<br />
Schlanke 89,95 Euro kostet<br />
diese 6,3 Kilo leichte Auffahrschiene<br />
in den Polo-<br />
Shops oder über den Versand.<br />
Die 2,16 Meter lange<br />
Alurampe ist mit 340<br />
Kilo belastbar und lässt<br />
sich für den Transport<br />
auf kurze 1,14 Meter<br />
zusammenklappen.<br />
Mit drei Zähnen lässt<br />
sie sich auch auf Anhängern<br />
mit Standschienen<br />
auflegen.<br />
Ein Spanngurt zur Sicherung<br />
der Rampe<br />
ist beigelegt. Nur<br />
das große Spiel im<br />
Klappgelenk stört.<br />
Motorradanhänger<br />
AIRTRAILER<br />
BARTHAU<br />
BÖCKMANN<br />
BOXER-DESIGN<br />
KONTAKT: Airtrailer Deutschland,<br />
Hamalandplatz 1, 46414<br />
Rhede, Tel. 0 28 72/9 48 91 40,<br />
www.airtrailer.de<br />
BESONDERHEITEN: Beim<br />
Airtrailer lässt sich die Plattform<br />
aus durchgehend geriffelter<br />
Aluplatte zum Be- und Entladen<br />
komplett absenken. Das soll auch<br />
einer Person den Umgang mit<br />
besonders schweren Motorrädern<br />
erleichtern. Continental-Luftfederung,<br />
die zurückgesetzte Achse<br />
und ein niedriger Schwerpunkt<br />
(durch kleine Räder) sollen für<br />
einen hohen Fahrkomfort sorgen.<br />
Erhältlich für ein (Mono) oder<br />
zwei Motorräder (Duo).<br />
PREISBEISPIEL: Airtrailer<br />
Mono mit Radwippe, Kompressor,<br />
Befestigungsgurten und<br />
100-km/h-Zulassung 2964 Euro<br />
KONTAKT: Barthau Anhängerbau,<br />
Eschentaler Str. 15, 74547<br />
Untermünkheim, Tel. 0 79 44/6 30,<br />
www.barthau.de<br />
BESONDERHEITEN: Bei den<br />
Motorradanhängern der MO-Reihe,<br />
die in ungebremster und gebremster<br />
Ausführung erhältlich<br />
sind, hat man laut Hersteller<br />
auf eine umfangreiche Serienausstattung<br />
geachtet. Durch die geprägte<br />
Lochung von Auffahr- und<br />
Standschiene sowie die verstellbare<br />
Radwippe soll sich der Trailer<br />
auch von einer Person beladen<br />
lassen. Rahmen und Fahrgestell<br />
sind feuerverzinkt. Stützrad, Zurrgurtset<br />
sowie eine Staubox sind<br />
gegen Aufpreis erhältlich.<br />
PREISBEISPIEL: Barthau MO<br />
750 mit zwei Standschienen und<br />
512 kg Nutzlast 1345 Euro<br />
KONTAKT: Böckmann Fahrzeugwerke,<br />
Siehefeld 5, 49688<br />
Lastrup, Tel. 0 44 72/89 50,<br />
www.boeckmann.com<br />
BESONDERHEITEN: Böckmann<br />
gilt als Spezialist bei Pferdeanhängern,<br />
für die Stahlrösser<br />
vertreibt der norddeutsche<br />
Trailerhersteller die Motorradanhänger<br />
der slowenischen Marke<br />
TPV. Diese gibt es in un- und<br />
gebremster Ausführung für den<br />
Transport von bis zu drei Motorrädern<br />
bei einer Nutzlast von<br />
maximal 794 kg. Die Zugdeichsel<br />
ist feuerverzinkt, die vibrationshemmenden<br />
Kotflügelträger<br />
können als zusätzliche Bodenauflage<br />
genutzt werden.<br />
PREISBEISPIEL: TPV MB2,<br />
gebremst, mit drei Standschienen<br />
und Stützrad 1049 Euro<br />
KONTAKT: Boxer-Design,<br />
Bleicherstr. 39, 88400 Biberach,<br />
Tel. 0 73 51/3 00 16 47,<br />
www.boxer-design.de<br />
BESONDERHEITEN: Die süddeutschen<br />
BMW-Zubehörspezialisten<br />
vertreiben einen Zweiradanhänger,<br />
der sich für den<br />
Nichtgebrauch mit wenigen<br />
Handgriffen komplett zerlegen<br />
lässt und mit einem Packmaß<br />
von 119 x 57 x 55 cm sogar kofferraumtauglich<br />
ist. Der Trailer ist<br />
kippbar, eine integrierte Vorderradwippe<br />
soll das Handling beim<br />
Beladen zusätzlich erleichtern.<br />
Der 75 kg schwere Hänger lässt<br />
sich mit einem bis zu 375 kg<br />
schweren Bike beladen.<br />
PREISBEISPIEL: Boxer-Design<br />
Klappanhänger mit 100-km/h-<br />
Zulassung 1990 Euro<br />
www.motorradonline.de KAUFBERATUNG 57
JOUBERT ZURRGURTSET<br />
Im praktischen Sechserpack bietet Detlev Louis diese<br />
je fünf Meter langen Spanngurte mit Ratsche an.<br />
Mit einer Zurrkraft von 350 daN in der Umreifung<br />
ist das nach EN 12195-2 geprüfte<br />
Polyestergewebe wie geschaffen für<br />
das sichere Abspannen des Motorrads.<br />
Zurzeit zum besonders attraktiven<br />
Aktionspreis von schlanken 29,95 Euro in<br />
den Louis-Shops oder per Versand erhältlich.<br />
TWINLOX ALL-IN-ONE<br />
Für alle, die den Motorradtransport<br />
fast schon professionell betreiben<br />
(mit Crossern oder zur Rennstrecke),<br />
empfiehlt sich das Twinlox-System,<br />
bei dem die Bikes über spezielle<br />
Stoßdämpfer gesichert werden. Über<br />
Adapter werden diese an den Fußras<br />
ten oder über die Schwingenachse<br />
ultrastabil verankert. Als Gegenstück<br />
dient eine Zurrschiene,<br />
die auf dem Fahrzeugboden<br />
verschraubt<br />
wird.<br />
MX/Crosser-Set 249 Euro,<br />
All-in-One für<br />
349 Euro.<br />
RACEFOXX LENKER-ABSPANNGURT<br />
Immer wieder schwierig: das sichere Abspannen<br />
von vollverkleideten Supersportlern oder auch<br />
Rollern. Wenn die Gabelbrücke schlecht erreichbar<br />
ist, sind Abspanngurte wie dieser von Racefoxx<br />
(14,90 Euro) eine geniale Alternative. Einfach über<br />
die Lenkerenden stülpen, dann die Schlaufen nach<br />
unten anziehen. Mit Bedacht festzurren, um keinen<br />
verbogenen Lenker zu riskieren.<br />
Motorradanhänger<br />
BRENDERUP<br />
HARBECK<br />
HEKU<br />
HUMBAUR<br />
KONTAKT: Brenderup,<br />
Weißenmoorstr. 28, 26125 Oldenburg,<br />
Tel. 04 41/88 53 25 68,<br />
www.brenderup.com<br />
BESONDERHEITEN: Die dänische<br />
Anhängermarke hat für den<br />
Motorradtransport ein durch die<br />
Bank klassisches Modell mit zwei<br />
Standschienen plus Bügel und<br />
vier Verzurrösen im Programm.<br />
Das Eigengewicht beträgt 132 kg,<br />
bis zum Erreichen des zulässigen<br />
Gesamtgewichts von 750 kg<br />
lassen sich 618 weitere Kilos auflasten.<br />
Zum Be- und Entladen<br />
lässt sich der Leuchtenträger vom<br />
verzinkten Chassis abklappen.<br />
Stützrad und Verzurrbeschläge<br />
sind als Extra erhältlich.<br />
PREISBEISPIEL: Brenderup<br />
MC 2 (ungebremst) mit 13-Zoll-<br />
Bereifung 1016,62 Euro<br />
KONTAKT: Hermann Harbeck<br />
Fahrzeugbau, Gewerbestr. 7,<br />
83329 Waging am See, Tel.<br />
0 86 81/40 90, www.harbeck.de<br />
BESONDERHEITEN: Der Plattformtrailer<br />
des bayerischen Herstellers<br />
lässt sich dank zahlreicher<br />
Extras für mehr als den reinen<br />
Zweiradtransport nutzen. Optional<br />
können auf die MOPL-Reihe<br />
z. B. 400 mm hohe Alu-Bordwände<br />
aufgeschraubt werden. Die<br />
Plattform selbst ist mit Alu-Riffelblech<br />
oder als Holzboden mit<br />
rutschhemmender Beschichtung<br />
erhältlich. Die ungebremste Version<br />
hat eine Nutzlast von 545 kg,<br />
der gebremste Hänger darf mit<br />
735 kg aufgelastet werden.<br />
PREISBEISPIEL: Harbeck<br />
B 1000 MOPL mit Holzboden und<br />
Einzelradfederung 2190 Euro<br />
KONTAKT: Heku-Fahrzeugbau,<br />
Bunzlauer Str. 6, 33719 Bielefeld,<br />
Tel. 05 21/20 00 66,<br />
www.heku-fahrzeugbau.de<br />
BESONDERHEITEN: Ankuppeln<br />
und auffahren – so das Prinzip<br />
der Heku-Kippanhänger. Nach<br />
Lösen der Verriegelung senkt sich<br />
der Rahmen über eine Gasdruckfeder<br />
ab. Je nach Schwerpunktlage<br />
schwenkt die Plattform beim<br />
Auffahren wieder in die waagerechte<br />
Grundposition zurück.<br />
Eine als Extra erhältliche Radwippe<br />
soll das Verzurren erleichtern.<br />
Beim Abladen greift das gleiche<br />
Prinzip: aus der Wippe zurückrollen,<br />
bis sich der Hänger wieder<br />
in Schräglage befindet.<br />
PREISBEISPIEL: Heku Kippanhänger<br />
mit 100-km/h-Zulassung<br />
und Radwippe 1470 Euro<br />
KONTAKT: Humbaur,<br />
Mercedesring 1, 86368 Gersthofen,<br />
Tel. 08 21/24 92 90,<br />
www.humbaur.com<br />
BESONDERHEITEN: Vom<br />
simplen Schienen-Anhänger bis<br />
hin zum wettergeschützen Koffermodell.<br />
Humbaur hat als einer<br />
der größten Anhängerhersteller<br />
Europas auch für Motorradfahrer<br />
ein breites Sortiment aufgefahren.<br />
Ein Highlight: der hydraulisch<br />
absenkbare Trailer HKT, mit dem<br />
das Verladen dank der um sechs<br />
Grad angestellten Bodenplatte<br />
ein Kinderspiel sein soll. Einsteckmöglichkeiten<br />
an allen Ecken<br />
sollen den Plattformtrailer universaltauglich<br />
machen.<br />
PREISBEISPIEL: Humbaur HKT<br />
752515 S mit Motorradwippe<br />
und 450 kg Nutzlast 2428,71 Euro<br />
58 KAUFBERATUNG<br />
3/<strong>2016</strong>
HEIN GERICKE BREMSENFESTSTELLER<br />
Es sind immer die kleinen Dinge, die den Transport<br />
von A nach B entscheidend verbessern. Ein besonders<br />
effektiver Trick: das Blockieren der Vorderradbremse.<br />
So steht das Motorrad nach dem ordentlichen Abspannen<br />
wirklich bombenfest auf der Stelle. Kleines Problem bei diesem zweiteiligen<br />
Bremsenfeststeller, der bei Hein Gericke für 6,95 Euro erhältlich<br />
ist: Die Gummilasche kann bei manchen Bikes durch die Rückstellkraft des<br />
Hebels aus der Aufnahmenut gezogen werden.<br />
HEIN GERICKE<br />
STREET TRIPLE-<br />
AUFFAHRRAMPE<br />
Noch kompakter lässt sich<br />
wahrscheinlich keine<br />
Rampe zusammenlegen.<br />
Die 6,5 Kilo leichte Aluminium-Konstruktion<br />
misst bei voller Länge<br />
knapp zwei Meter,<br />
zweifach zusammengefaltet<br />
aber nur noch<br />
71 cm. Ein Spanngurt<br />
mit Haken sichert<br />
vor dem Wegrutschen.<br />
Die Verarbeitung<br />
ist solide, der<br />
Preis mit 79,95 Euro<br />
passt. Obacht:<br />
Die Rampe ist<br />
maximal mit 250<br />
kg belastbar.<br />
ACEBIKES STEADYSTAND<br />
Es gibt Vorderradwippen, und es gibt den Steady stand<br />
(Aktionspreis 99 Euro). Die Materialgüte kann sich sehen<br />
lassen: Feinstes Oberflächenfinish<br />
durch eine hochwertige<br />
Pulverbeschichtung, bei der<br />
Erstmontage überzeugt die erstklassige<br />
Passform der Bauteile. Fünf Einstellmöglichkeiten<br />
erlauben die exakte Einstellung<br />
für Radgrößen von 15 bis 19 Zoll<br />
und sorgen zusammen mit rutschfesten<br />
Gummifüßen für einen sicheren Stand.<br />
TOURATECH RATSCHEN-SPANNGURT<br />
Mit rund drei Meter Länge ist der Ratschen-Spanngurt<br />
von Touratech (14,90 Euro) wie geschaffen<br />
für den Motorradtransport. Dazu gefällt auch<br />
das praktische Klettende fürs saubere Verstauen<br />
beim Nichtgebrauch. Was nicht gefällt:<br />
keine Angaben zur Belastbarkeit<br />
und kein Hinweis auf die Prüfnorm.<br />
KOCH<br />
OSTMANN<br />
PONGRATZ<br />
SMV<br />
KONTAKT: Koch Anhängerwerke,<br />
Werner-Forßmann-Str. 60,<br />
21423 Winsen/Luhe,<br />
Tel. 0 41 71/7 83 80,<br />
www.kochanhaengerwerke.de<br />
BESONDERHEITEN: Einfach<br />
oder exklusiv? Bei Koch gibt es<br />
sowohl den klassischen Plattform-Trailer<br />
mit 100 km/h-Zulassung<br />
wie auch die absenkbaren<br />
Anhänger mit besonders flachem<br />
Auffahrwinkel von rund drei<br />
Grad. Für den besonders edlen<br />
Auftritt gibt es zudem den Excalibur<br />
(Foto) mit zweifarbig lackiertem<br />
Fiberglas-Aufbau und Platz<br />
für zwei Motorräder. Dazu gibt es<br />
diverse Extras wie Standschienen<br />
und Vorderradwippen.<br />
PREISBEISPIEL: Excalibur M<br />
1056 Ex mit 850 kg Nutzlast und<br />
100-km/h-Zulassung 8165 Euro<br />
KONTAKT: Ostmann Fahrzeugbau,<br />
Schwagstorfer Eue 2,<br />
49179 Ostercappeln,<br />
Tel. 0 54 73/8 01 89 90,<br />
www.ostmann-fahrzeugbau.de<br />
BESONDERHEITEN: Der nordwestdeutsche<br />
Hersteller fertigt die<br />
Anhänger im Regelfall individuell<br />
nach den jeweiligen Kundenwünschen<br />
an. Die Möglichkeiten sind<br />
dementsprechend vielfältig und<br />
reichen von der einfachen Plattformlösung<br />
bis hin zum voll verkofferten<br />
Trailer. Auch absenkbare<br />
Anhänger können inklusive der<br />
gewünschten Aufbauten wie Vorderradwippen<br />
oder Lenkerzurrgurtsystemen<br />
geordert werden.<br />
PREISBEISPIEL: Ostmann<br />
AB 30 180 1800 P, absenkbar,<br />
mit Luftfederung und 100-km/h-<br />
Zulassung 6672,65 Euro<br />
KONTAKT: Pongratz Trailer-<br />
Group, An der Bundesstraße 34,<br />
8772 Traboch (Österreich),<br />
Tel. 00 43/38 43/26 <strong>03</strong> 30,<br />
www.pongratz-anhaenger.com<br />
BESONDERHEITEN: Auch der<br />
österreichische Anbieter will mit<br />
dem absenkbaren Trailer PLL das<br />
Laden selbst von schweren Motorrädern<br />
zum Kinderspiel machen.<br />
Dabei verzichtet man auf<br />
eine (teure) Kompressortechnik.<br />
Die Plattform wird mittels wartungsfreier<br />
Seilwinde abgesenkt<br />
bzw. wieder angehoben, die hintere<br />
Bordwand dient gleichzeitig<br />
als Auffahrrampe. Deutlich günstiger<br />
ist der Motorradanhänger<br />
EMA mit Auffahrschiene.<br />
PREISBEISPIEL: Pongratz PLL<br />
250/12 U mit 352 kg Nutzlast und<br />
Einzelradaufhängung 2780 Euro<br />
KONTAKT: SMV AG,<br />
Grabenstr. 2, 9320 Arbon<br />
(Schweiz), Tel. 00 41/71/4 40 04 88,<br />
www.smv.ag<br />
BESONDERHEITEN: Wer hat’s<br />
erfunden? Natürlich die Schweizer<br />
…, die eine eher ungewöhnliche<br />
Trailerlösung für Wohnmobilisten<br />
entwickelt haben. Bei<br />
den Modellen Alu Star und Space<br />
Extender steht das Zweirad nämlich<br />
quer zur Fahrtrichtung. Die<br />
kurze Ausführung des Trailers soll<br />
Vorteile beim Rangieren bringen.<br />
Je nach Gewicht lassen sich die<br />
Motorräder oder Roller entweder<br />
per Seilwinde oder über eine<br />
klappbare Auffahrrampe aus Alu<br />
auf Transporthöhe hieven.<br />
PREISBEISPIEL: SMV Alu-Star<br />
Moto mit 600 kg Nutzlast und<br />
100-km/h-Zulassung 1999 Euro<br />
www.motorradonline.de KAUFBERATUNG 59
HEIN GERICKE BLACK-<br />
LINE-SPANNGURT<br />
Fünf Meter Spanngurt, stabile<br />
Ratsche mit angenehmem<br />
Softtouch-Griff, Transporttasche<br />
und ein Paar Arbeitshandschuhe.<br />
Das Komplettset<br />
erfüllt zudem die korrekte<br />
Norm für die Ladungssicherung<br />
(EN 12195-2), darf bis<br />
2000 kg belastet werden und<br />
kostet bei Hein Gericke überschaubare<br />
12,95 Euro.<br />
OXFORD SUPA-<br />
WONDERBAR STRAPS<br />
Obacht bei der Order: Der<br />
Wonderbra ist zum Heben<br />
da, mit dem Wonderbar von<br />
Oxford erreicht man eher<br />
das Gegenteil. Und das sogar<br />
bestechend einfach und fix.<br />
Denn der Abspanngurt für den<br />
Lenker ist bereits fix und fertig<br />
vorkonfiguriert. Schlaufen<br />
über die Lenkerenden stülpen,<br />
Karabiner in passende Ösen<br />
oder Bodenanker einhängen<br />
und die Gurte über die stabilen<br />
Klemmschlösser gleichmäßig<br />
anziehen. Erhältlich<br />
bei Hein Gericke (Shops oder<br />
Versand) für 44,95 Euro.<br />
HEIN GERICKE TRANSPORT-STÄNDER<br />
Für alle Hobby-Spediteure, die ihren Universal-Anhänger<br />
im Do-it-yourself-<br />
Verfahren für den Motorradtransport<br />
um- oder<br />
aufrüsten wollen: Bei<br />
Hein Gericke gibt es<br />
den fürs Vorder- oder<br />
Hinterrad passenden Anschlag.<br />
Das Montageset mit<br />
Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben<br />
und Einschlaghülsen<br />
wird für den<br />
schwarz<br />
lackierten<br />
Stahlrohrbügel<br />
gleich<br />
mitgeliefert.<br />
Preis: 15,95 Euro.<br />
Motorradanhänger<br />
STEMA<br />
UNSINN<br />
WÖRMANN<br />
WOLF<br />
KONTAKT: Stema Metalleichtbau,<br />
Riesaer Str. 50, 01558<br />
Großenhain, Tel. 0 35 22/3 09 40,<br />
www.stema.de<br />
BESONDERHEITEN: Der ostdeutsche<br />
Hängerspezialist bietet<br />
ein besonders breit gefächertes<br />
Programm. Die einfachen Trailer<br />
mit Standschienen für den Transport<br />
von bis zu drei Motorrädern<br />
beginnen bereits bei rund 600<br />
Euro. Deutlich mehr Komfort<br />
und Vielseitigkeit bieten die MUT-<br />
Kipp anhänger (ab 1899 Euro)<br />
sowie Absenkanhänger der<br />
WOM-Classic-Reihe (ab 3399<br />
Euro), die auch mit Seitenwänden<br />
oder Planen aufgerüstet<br />
multifunktional nutzbar sind.<br />
PREISBEISPIEL: Stema WOM<br />
XT, absenkbar mit Handhydraulik,<br />
100-km/h-Zulassung 2599 Euro<br />
KONTAKT: Unsinn Fahrzeugtechnik,<br />
Rainer Str. 23, 86684<br />
Holzheim, Tel. 0 82 76/5 89 00,<br />
www.unsinn.de<br />
BESONDERHEITEN: Für den<br />
bayerischen Trailer-Hersteller<br />
steht die komfortable Verladung<br />
ganz oben im Lastenheft. Weshalb<br />
alle Motorradanhänger der<br />
AS-Baureihe entweder über eine<br />
Kippfunktion (Auffahrwinkel ca.<br />
13 Grad) verfügen oder komplett<br />
absenkbar sind (Auffahrwinkel<br />
dann ca. sechs Grad). Eine rutschhemmende<br />
Siebdruck-Plattform<br />
sowie der umlaufende Lochleistenrahmen<br />
sollen das Beladen sowie<br />
Verzurren weiter erleichtern.<br />
PREISBEISPIEL: Unsinn AS<br />
826-13-155 mit Absenkfunktion,<br />
Holzboden, Stützrad und 520 kg<br />
Nutzlast 1820 Euro<br />
KONTAKT: Wörmann, Torstr. 29,<br />
85241 Hebertshausen, Tel. 0 81 31/<br />
29 27 80, www.woermann.eu<br />
BESONDERHEITEN: Anhänger<br />
für jeden Geldbeutel – so das<br />
Angebot von Wörmann aus dem<br />
Großraum München. Der einfache<br />
Trailer mit Standschiene für ein<br />
Motorrad ist für übersichtliche<br />
700 Euro zu bekommen. Deutlich<br />
multifunktionaler die MOT-Serie<br />
mit Siebdruckboden und Alu-<br />
Seitenwänden sowie der Vorbereitung<br />
für Zusatzaufbauten<br />
(ab 1773 Euro). Ein besonders<br />
komfortables Be- und Entladen<br />
versprechen die Hänger mit<br />
Absenk- oder Kippfunktion.<br />
PREISBEISPIEL: Wörmann<br />
Load-Master 7525/166,<br />
mit Kippfunktion, 560 kg Nutzlast<br />
2130 Euro<br />
KONTAKT: Wolf Anhänger-<br />
Großmarkt, An der Amtmannsmühle<br />
8, 35444 Biebertal/<br />
Rodheim, Tel. 0 64 09/16 00,<br />
www.anhaenger-wolf.de<br />
BESONDERHEITEN: Die Hessen<br />
vertreiben nicht nur diverse<br />
Motorradanhänger von Pongratz<br />
oder Humbaur und rüsten diese<br />
nach Kundenwünschen um,<br />
sondern fertigen seit bereits 25<br />
Jahren den zerlegbaren Trailer<br />
„Follow me“. Dieser soll sich binnen<br />
fünf Minuten ohne Werkzeug<br />
zerlegen bzw. wieder zusammenschrauben<br />
lassen. Die Standschiene<br />
ist teilbar, sodass sich der<br />
zerlegte Trailer auch im Auto<br />
transportieren lässt.<br />
PREISBEISPIEL: Wolf „Follow<br />
me“ mit 390 kg Nutzlast und<br />
100-km/h-Zulassung 1290 Euro<br />
60 KAUFBERATUNG<br />
3/<strong>2016</strong>
RACEFOXX RATSCHEN-<br />
UND ABSPANNGURTE<br />
Mit dieser Paketlösung<br />
von<br />
Racefoxx ist das<br />
Bike sekundenschnell<br />
stabil verzurrt.<br />
Zwei gepolsterte Schlaufen (9,90 Euro) für die Gabelbrücke,<br />
dann nur noch die gummierten S-Haken der Automatik-<br />
Ratschengurte (19,90 Euro/Paar) mit Aufrollmechanismus<br />
einhängen und anziehen. Belastbarkeit geprüft nach EN 12195.<br />
ACEBIKES TYREFIX<br />
Moderne Bikes bieten kaum noch<br />
Möglichkeiten, das Heck solide abzuspannen.<br />
Die perfekte Lösung bietet<br />
der Tyrefix von Acebikes (68 Euro):<br />
eine rutschfeste Auflage für den Reifen,<br />
die mit zwei stabilen Ratschengurten<br />
nach vorne abgespannt wird.<br />
Steht das Vorderrad wie hier in einer<br />
Wippe, lässt sich das Motorrad<br />
nicht schneller und effektiver<br />
transportfertig machen.<br />
ZURRSCHIENEN.COM <strong>MOTORRAD</strong>STÄNDER MS-2<br />
Ebenfalls eine Anschaffung fürs Leben: der große Motorradständer<br />
von Zurrschienen.com. Der Technikgourmet erfreut<br />
sich an der hochwertigen Verarbeitung sowie der leichtgängigen<br />
und klapperfreien Wippmechanik. Dank der rutschfesten<br />
Gummifüße ist eine Verankerung im Boden nicht notwendig.<br />
Sechs Einstellmöglichkeiten für Radgrößen von 12<br />
bis 21 Zoll machen den MS-2 (209 Euro) zum Universaltalent.<br />
RACEFOXX BREMS-<br />
HEBEL-SICHERUNGSGURT<br />
Einfach und effektiv: Mit diesem Klettband<br />
aus festem Nylongewebe (4,90<br />
Euro) lässt sich die Vorderradbremse<br />
sicher und dauerhaft blockieren –<br />
was den Transport des Bikes umso<br />
einfacher macht. Auch bei uns im<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Fuhrpark hat sich dieser<br />
Trick mit der Bremse bestens bewährt.<br />
Das sagen die Anhängerprofis<br />
„Eine Anschaffung<br />
fürs Leben“<br />
Seit zehn Jahren hängen Gabriele und Jean Eiler aus Vaihingen/Enz ihrer Kundschaft etwas Passendes an.<br />
Im <strong>MOTORRAD</strong>-Interview verraten die Inhaber eines Fachgeschäfts für Fahrzeuganhänger und Baumaschinen,<br />
wie der ideale Trailer für Biker aussieht und welche Fehler beim Motorradtransport häufig gemacht werden.<br />
? Anhänger<br />
kaufen oder<br />
mieten: Gibt es<br />
eine Faustregel, ab wann sich was mehr lohnt?<br />
! Nein. Denn im Prinzip stellt sich<br />
eher die Frage, was mit dem Anhänger<br />
passiert, wenn er nicht genutzt wird.<br />
Gerade in Großstädten hat man keine<br />
geeignete Unterstellmöglichkeit. Überhaupt<br />
halten sich die Mietkosten im<br />
Rahmen. Für eine 14-tägige Urlaubstour<br />
müssen maximal 200 Euro kalkuliert werden,<br />
die bei Gruppentouren auch noch<br />
unter den Mitfahrern aufgeteilt werden<br />
können. Für diese Gelegenheitsfahrer<br />
ist die Miete die eindeutig bessere Wahl.<br />
? Wem würden Sie den klassischen Motorradanhänger<br />
mit Schienen empfehlen?<br />
! Die Schienenlösung ist ein reiner<br />
Motorradanhänger – nicht mehr und<br />
nicht weniger. Deshalb eine gute Lösung<br />
für alle, die häufig und mit stets gleicher<br />
Beladung zu Rennstrecken oder Crosspisten<br />
unterwegs sind. Bei der Auswahl<br />
kann der Hänger genau auf die eigenen<br />
Bedürfnisse abgestimmt werden. Was<br />
die Kosten im Rahmen hält: Mit guter<br />
Ausstattung ist solch ein Trailer bereits<br />
für weniger als 1000 Euro zu bekommen.<br />
Allerdings kann er kaum für andere<br />
Einsatzzwecke genutzt werden.<br />
? Und was sollte sich der Gelegenheitstransporteur<br />
hinters Auto hängen?<br />
! Dem würden wir einen multifunktionalen<br />
Anhänger mit praktischer Kippfunktion<br />
empfehlen. Zum einen kann er<br />
damit auch seinen Grünschnitt wegbringen<br />
oder Brennholz holen. Zum anderen<br />
erhöht die geschlossene Plattform die<br />
Sicherheit bei der Motorradverladung.<br />
Mit Vorderradwippen, Standschienen<br />
oder Antirutschmatte, richtig gesetzten<br />
Verzurrpunkten und 100-km/h-Zulassung<br />
kostet ein Trailer, auf den zwei<br />
ausgewachsene Bikes passen, zwischen<br />
2000 und 2500 Euro. Das klingt zunächst<br />
nach viel. Relativiert sich aber, wenn<br />
man die Nutzungsdauer berücksichtigt.<br />
Denn ein solcher Anhänger ist meist eine<br />
Anschaffung fürs Leben.<br />
? Was sind typische Fehler der Hobby-<br />
Spediteure?<br />
! Dass falsch verzurrt wird, Gurte oder<br />
Fixierpunkte zu schwach ausgelegt sind<br />
und das Zuladungslimit nicht beachtet<br />
wird. Im Idealfall bringt der Kunde sein<br />
Bike zum Anhängerkauf bzw. der Anmietung<br />
mit. So kann man gemeinsam<br />
besprechen, wie das Motorrad optimal<br />
verladen und sicher transportiert wird.<br />
www.motorradonline.de KAUFBERATUNG 61
BIKE-TOWER<br />
MONTAGESTÄNDER<br />
Der Zentralständer von Bike-Tower<br />
ist in erster Linie für Service- und<br />
Pflegearbeiten gedacht, doch<br />
Aleksander Bilcar wollte mit<br />
seiner Konstruktion auch<br />
eine Lösung für den<br />
Motorradtransport<br />
anbieten. Hat der Bike-<br />
Tower einen festen<br />
Stand (Transporter oder<br />
Anhänger ohne Schienen),<br />
kann die Lifthöhe so<br />
eingestellt werden, dass<br />
die Räder noch Bodenkontakt<br />
haben. So lässt sich<br />
das Motorrad abspannen,<br />
ohne dass das Fahrwerk<br />
zusammengepresst wird.<br />
Preis inkl. modellspezifischer<br />
Trägerplatte 359 Euro.<br />
RACEFOXX HINTERRAD-<br />
ABSPANNGURT<br />
Auf den ersten Blick die günstige Alternative<br />
zum Tyrefix von Acebikes. Allerdings<br />
fehlen beim Racefoxx-Abspanner<br />
(19,90 Euro) noch die notwendigen<br />
Ratschengurte. Wenn man diese noch<br />
dazurechnet, ist die Alternative dann<br />
aber plötzlich gar nicht mehr so günstig.<br />
Anders als beim Tyrefix wird das Nylongewebe<br />
per Klettband am Rad fixiert.<br />
Eine rutschfeste Auflagefläche für den<br />
Reifen ist allerdings nicht vorhanden.<br />
Wo was kaufen?<br />
Anbieter-<br />
Adressen<br />
Acebikes, über Eiler Anhänger,<br />
Tel. 0 70 42/8 14 29 90,<br />
www.eiler-anhaenger.de<br />
Bike-Tower, Tel. 01 57/79 07 02 91,<br />
www.bike-tower.de<br />
Detlev Louis, Tel. 0 40/73 41 93 60,<br />
www.louis.de<br />
Hein Gericke, Tel. 02 11/9 89 88 88,<br />
www.hein-gericke.de<br />
Polo, Tel. 0 21 65/8 44 04 00,<br />
www.polo-motorrad.de<br />
Racefoxx Trackparts, Tel.<br />
0 21 91/7 10 33, www.racefoxx.com<br />
Touratech, Tel. 0 77 28/9 27 90,<br />
www.touratech.de<br />
Twinlox, über Mototech, Tel.<br />
07 11/50 46 38 41, www.mototech.de<br />
Zurrschienen.com, Tel. 07 11/<br />
45 99 97 16, www.zurrschienen.com<br />
ABUS ZURRGURTE<br />
Bei Polo kommen Abspanner voll auf ihre Kosten. Denn die Shopkette<br />
bietet exklusiv ein besonders reichhaltiges Sortiment von<br />
ABUS-Zurrgurten an wie z. B. das Viererset mit Klemmschlössern<br />
(19,99 Euro), einen Fünf-Meter-Zurrgurt mit Ratsche und gummierten<br />
S-Haken (12,99 Euro) oder der sechs Meter lange Ratschengurt<br />
mit C-Haken (29,99 Euro). Natürlich geprüft nach EN 12195.<br />
POLO LENKERHALTERUNG<br />
Nahezu baugleiche Transportsicherung<br />
für den Lenker<br />
wie das Modell von Racefoxx.<br />
Auch hier sorgt eine Fleece-<br />
Ummantelung für einen möglichst<br />
kratzfreien Kontakt<br />
zu empfindlichen Lackteilen<br />
wie dem Tank. Der Preis ist mit<br />
14,95 Euro nahezu identisch.<br />
Anders als beim Oxford Wonderbar<br />
müssen die notwendigen<br />
Ratschengurte separat<br />
gekauft werden. Eine große<br />
Auswahl dazu bietet Polo<br />
„made in Germany“ von ABUS<br />
an (siehe links).<br />
HEIN GERICKE TRANSPORT-STÄNDER<br />
Nicht nur oberflächlich betrachtet nahezu tupfengleiche<br />
Vorderradwippe wie die<br />
von Detlev Louis. Auch beim Zusammenbau<br />
zeigen sich die gleichen<br />
Probleme (Montage nur unter<br />
Spannung, scheppernde<br />
Mechanik).<br />
Die Oberflächengüte<br />
ist weit von<br />
62 KAUFBERATUNG<br />
den High-End-Wippen<br />
in dieser Übersicht<br />
entfernt. Dafür lockt<br />
wie beim Louis-Pendant<br />
der günstige Preis: 59,95 Euro<br />
kostet der Gericke-Ständer. Und bietet<br />
noch zwei Laschen mehr, mit denen<br />
die Wippe im Boden verankert wird.<br />
3/<strong>2016</strong>
JAHRES-/GESCHENKABO<br />
26 Ausgaben <strong>MOTORRAD</strong><br />
+ Clubmitgliedschaft<br />
+ Mannesmann Werkzeugbox<br />
= NUR 95,90 €<br />
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wichtigen Werkzeuge übersichtlich<br />
sortiert in einem Koffer aus stabilem<br />
Stahlblech. Mit allen gängigen Schraubwerkzeugen<br />
und Feinmechaniker-Zangen.<br />
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DIE ABOVORTEILE:<br />
26 x <strong>MOTORRAD</strong><br />
Das Geschenk als Dankeschön<br />
1 zusätzliche Ausgabe<br />
GRATIS bei Bankeinzug<br />
Clubmitgliedschaft über 12 Monate mit vollem<br />
Zugriff auf das Club-Portal motorrad-helden.de.<br />
GLEICH BESTELLEN: WWW.<strong>MOTORRAD</strong>-HELDEN.DE/ABO<br />
<strong>MOTORRAD</strong> Aboservice,<br />
70138 Stuttgart<br />
Tel. +49 (0) 711 - 320 688 99<br />
Fax +49 (0) 711 - 182 255 0<br />
www.motorrad-helden.de/abo<br />
motorrad@dpv.de<br />
Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG, 70162 Stuttgart.<br />
Registergericht Stuttgart HRA 9302. Geschäftsführer: Dr.<br />
Volker Breid, Norbert Lehmann. Vertrieb: Belieferung,<br />
Betreuung und Inkasso erfolgen durch DPV Deutscher<br />
Pressevertrieb GmbH, Nils Oberschelp (Vorsitz), Heino<br />
Dührkop, Dr. Michael Rathje, Düsternstraße 1, 2<strong>03</strong>55 Hamburg,<br />
als leistender Unternehmer. AG Hamburg, HRB 95752.<br />
GLEICH AUSFÜLLEN UND ABO BESTELLEN<br />
JA, ICH MÖCHTE <strong>MOTORRAD</strong> IM ABO<br />
selbst lesen.<br />
Best.-Nr. 1440485<br />
verschenken.<br />
Best.-Nr. 1440486<br />
Ich bestelle bzw. verschenke <strong>MOTORRAD</strong> zum Jahresabopreis von zzt. nur 95,90 € (A: 109,– €; CH:<br />
192,– SFr.; weitere Auslandspreise auf Anfrage) für 26 Ausgaben. Gratis dazu erhalte ich (bzw. der<br />
Schenker) die Mannesmann Werkzeugbox nach Zahlungseingang der Abogebühr. Nach Ablauf des<br />
Bezugszeitraums kann ich jederzeit mit Geld-zurück-Garantie kündigen. Das Geschenkabo endet<br />
nach einem Jahr automatisch.<br />
MEINE PERSÖNLICHEN ANGABEN: (bitte unbedingt ausfüllen)<br />
Name, Vorname<br />
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PLZ<br />
Geburtsdatum<br />
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1 9<br />
Telefon<br />
Das Geschenkabo soll beginnen am:<br />
E-Mail<br />
ICH BEZAHLE PER BANKEINZUG UND ERHALTE EINE GRATIS-AUSGABE:<br />
BIC<br />
IBAN<br />
Bankinstitut<br />
Ich zahle per<br />
Rechnung.<br />
SEPA-Lastschriftmandat: Ich ermächtige die DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH, Düsternstr. 1-3,<br />
2<strong>03</strong>55 Hamburg, Gläubiger-Identifi kationsnummer DE77ZZZ00000004985, wiederkehrende Zahlungen<br />
von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die<br />
von der DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die<br />
Mandatsreferenz wird mir separat mitgeteilt. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend<br />
mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit<br />
meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.<br />
ICH VERSCHENKE <strong>MOTORRAD</strong> AN: (nur beim Geschenkabo auszufüllen)<br />
Name, Vorname<br />
Ja, ich möchte auch von weiteren Inhalten, Vorabnachrichten, Themen und Vorteilen profi tieren.<br />
Deshalb bin ich damit einverstanden, dass mich Motor Presse Stuttgart und ihre zur Verlagsgruppe Verlagsgarantie: Sie können die Bestellung binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen.<br />
Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Sie die erste bestellte Ausgabe erhalten, nicht jedoch vor<br />
gehörenden Unternehmen Rodale-Motor-Presse GmbH & Co. KG und Verlagsgesellschaft Stuttgart<br />
mit ihren Titeln künftig per Telefon und E-Mail über weitere interessante Medienangebote informiert. Erhalt einer Widerrufsbelehrung gemäß den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Zur<br />
Dieses Einverständnis kann ich jederzeit per eMail an widerruf@dpv.de widerrufen.<br />
Wahrung der Frist genügt bereits das rechtzeitige Absenden Ihres eindeutig erklärten Entschlusses, die<br />
Bestellung zu widerrufen. Sie können hierzu das Widerrufs-Muster aus Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB<br />
Datum/Unterschrift<br />
nutzen. Der Widerruf ist zu richten an: <strong>MOTORRAD</strong>, Aboservice, Postfach, 70138 Stuttgart, Telefon:<br />
+ 49 (0) 711 320 688 99, Telefax: +49 (0) 711 182 255 0, E-Mail: motorrad@dpv.de<br />
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Jeder Leser eines Abonnements von <strong>MOTORRAD</strong>, PS, <strong>MOTORRAD</strong> Classic oder FUEL und jeder Teilnehmer einer Reise oder eines Trainings des <strong>MOTORRAD</strong> action teams wird automatisch Mitglied im Club der<br />
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G<br />
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G<br />
BMW<br />
F 650/700 GS<br />
„GS“ steht für<br />
Gelände/Straße,<br />
das weiß man mittlerweile. Und „F“ für „Fahranfänger“? Sicherlich nicht, aber die gutmütige<br />
Zweizylindermaschine mit versteckten 800 Kubik übt in der Tat starke Reize auf Einsteiger aus.<br />
Von Thorsten Dentges; Fotos: markus-jahn.com<br />
T<br />
-<br />
Für das Modelljahr <strong>2016</strong> gibt es die F 700 GS mit fünf(!) Sitzhöhen.<br />
Von 765 bis 860 Millimeter, da sollte für jedermann<br />
und jede fahrende Lady was dabei sein. Vier Sitzbankvarianten<br />
sowie eine Fahrwerkstieferlegung machen es möglich.<br />
„Sonderausstattung ab Werk“ heißt die Umschreibung für Aufschlag<br />
auf den recht günstigen Basispreis. Das war schon bei der<br />
Erstauflage der Zweizylinder-Straßenenduro F 650 GS im Jahr<br />
2008 so. Einstandspreis: nur 7800 Euro. Aber ohne ABS,<br />
Hauptständer und sonstige Ausstattungen. Mit lag man<br />
schnell über 9000 Euro. Auch damals gab es schon einen<br />
Tieferlegungssatz und eine flachere Zubehör-Sitzbank,<br />
um die Sitzhöhe von serienmäßig 820 Millimeter auf<br />
790 zu senken. Man – oder eher frau – nutzte diese Option<br />
gerne. Insbesondere etwas unsichere Einsteiger fühlen sich auf<br />
dem schlanken, nur etwas über 200 Kilo schweren Motorrad<br />
wohl, weil es schon auf der ersten Probefahrt wunderbar<br />
leicht zu beherrschen ist. Dieses Allroundgerät überzeugt.<br />
Understatement, nicht nur beim Preis, hieß generell das<br />
Konzept. Auch beim Hubraum wurde bewusst untertrieben:<br />
Die echten 798 Kubikzentimeter Hubraum wurden<br />
zunächst hinter der Modellbezeichnung „650“ versteckt,<br />
ab dem Update-Modell 2013 hieß die Maschine F 700 GS.<br />
Einsteiger sind mit der Leistung von 71 respektive 75 PS<br />
(bei der 700er) nie überfordert, und einfache Ausstattung<br />
und mitunter lieblose Verarbeitung werden mit sehr hoher<br />
Zuverlässigkeit und klasse Fahrleistungen gekontert.<br />
Somit gelten 650er und 700er als gute Gebraucht-Deals,<br />
zumal etwaiges Zubehör dann meist inklusive ist.<br />
IM DETAIL<br />
Tests in <strong>MOTORRAD</strong><br />
21/2008 (TT), 20/2011 (VT), 1/2012 (VT), 15/2012<br />
(VT 650er gegen 700er), 19/2013 (VT 48 PS)<br />
TT = Top-Test, VT = Vergleichstest;<br />
Artikel-Download unter www.motorradonline.de/ekiosk<br />
Man sieht, dass man<br />
nichts sieht – vorn<br />
bremst nur eine Scheibe.<br />
Auch Gussräder und<br />
einfache Telegabel sind<br />
Teil der Sparausstattung<br />
der Zweizylinder-650er<br />
Der Bordcomputer<br />
(das Digitalpanel auf<br />
der rechten Seite), sehr<br />
informativ, kostet extra.<br />
Serienmäßig ist nur das<br />
Doppelpack analoger<br />
Tacho/Drehzahlmesser<br />
Anders als bei den Straßen-F<br />
800 R umfasst ein<br />
Gitterrohrrahmen aus<br />
Stahl den kompakten<br />
Twin. Mit schmaler Taille<br />
sorgt er für guten Stand<br />
auf dem Boden<br />
Leicht geänderte Ziffernblätter,<br />
die etwas<br />
dynamischer wirken,<br />
ansonsten ist bei der<br />
ab 2013 angebotenen<br />
700er im Cockpit alles<br />
gleich geblieben<br />
Echter Zugewinn: Die<br />
Doppelscheibenbremse<br />
mit ABS bietet bei Vollbremsungen<br />
und anderen<br />
harten Belastungen<br />
mehr Sicherheit als die<br />
Singlescheibe zuvor<br />
64 GEBRAUCHTBERATUNG<br />
3/<strong>2016</strong>
BESICHTIGUNG<br />
Die laut Hersteller „einsteigerfreundliche Allround-Reiseenduro“<br />
ist gegenüber der F 800 GS<br />
etwas stärker auf Straßenbetrieb ausgelegt. Das<br />
wirkt sich positiv auf die Haltbarkeit aus, denn<br />
der F 650/700 GS bleiben strapaziöse Geländegänge<br />
meist erspart. Werkstätten stufen die<br />
Zweizylinder-BMW als problemlos ein. Aber auf<br />
das Lenkkopflager sollte man achten. Dieses<br />
kann je nach Fahrweise und Belastung schon<br />
mal nach 10 000 Kilometern hin sein. Ist das<br />
Motorrad bereits durch mehrere (Einsteiger-)<br />
Hände gegangen, sind verschlissene Kettensätze,<br />
Reifen und Bremsbeläge sowie Kratzer und<br />
unschöner Lack keine Seltenheit. Als wertsteigernd<br />
gelten Koffersätze und das Tieferlegungskit<br />
aus dem Originalzubehör (Umbau kostet ca.<br />
1200 Euro). Das Kit mit modifizierter Gabel und<br />
neuem Federbein erlaubt bauartbedingt keinen<br />
Hauptständer. Ist trotz Tieferlegung einer zu<br />
entdecken, handelt es sich um ein fremdes Kit,<br />
das in der Regel nicht so gut funktioniert.<br />
MARKTSITUATION<br />
Die Nachfrage sowohl nach der 650er als auch nach der 700er<br />
ist hoch. Unter den Interessenten befinden sich überdurchschnittlich<br />
viele Anfänger und Wiedereinsteiger. Einige Billigangebote<br />
locken schon unter 4000 Euro. Dabei handelt es<br />
sich aber oft um Exemplare mit Laufleistungen über 50 000<br />
Kilometern von Privatanbietern, die bereits öfters den Besitzer<br />
oder die Besitzerin gewechselt haben und die technisch in<br />
teils fragwürdigem Zustand sind. Ist zwar eher selten, aber<br />
trotzdem checken: Ist ABS mit an Bord oder wurde ursprünglich<br />
auf dieses aufpreispflichtige Extra verzichtet? Nachweislich<br />
gut (in der Werkstatt) gewartete und gepflegte 650er-Maschinen aus zweiter oder dritter Hand mit weniger als 40 000<br />
Kilometern sind eher erst ab 5500 Euro erhältlich, das Gros wird um 6500 Euro gehandelt. Die etwas stärkere 700er gilt weniger<br />
als „Mädchenmotorrad“ und wird auch von Fortgeschrittenen gesucht. Ihr Einstandspreis als neuwertige Gebrauchte mit<br />
weniger als 10 000 Kilometern liegt selten unter 7500 Euro.<br />
Preisniveau in Euro Baujahre km-Stand<br />
Niedrig4000–5500 2008–2010 20 000–60 000<br />
Mittel5600–7500 2008–2013 5000–40 000<br />
Hoch7600–8500 2013–2015 unter 7500<br />
Modell im Programm Verkäufe*<br />
F 650 GS 2008–2012 7349<br />
F 700 GS 2013 bis heute 4439<br />
▸ Verfügbarkeit am Markt: sehr hoch<br />
* Stand Dezember 2015<br />
Internet<br />
Fansites: www.gs-forum.eu<br />
(dort eigene Unterrubriken<br />
für Modellfans), www.<br />
f800-forum.de (dort auch<br />
Infos zur 650er/700er)<br />
Ob 650er (im Bild vorn) oder 700er: gleicher Hubraum<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder,<br />
Trockensumpfschmierung, Einspritzung,<br />
geregelter Katalysator, mechanisch betätig<br />
te Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe,<br />
O-Ring-Kette.<br />
Bohrung x Hub<br />
82,0 x 75,6 mm<br />
Hubraum 798 cm³<br />
Nennleistung<br />
55,0 kW (75 PS) bei 7300/min<br />
Max. Drehmoment77 Nm bei 5300/min<br />
FAHRWERK<br />
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Telegabel,<br />
Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein,<br />
direkt angelenkt, verstellbare<br />
Federbasis und Zugstufendämpfung,<br />
MODELLPFLEGE<br />
2008 Neues Modell F 650 GS mit Zweizylindermotor<br />
wird parallel zum Einzylindermodell<br />
gleichen Namens und zeitgleich<br />
mit der ebenfalls neuen F 800 GS angeboten,<br />
die über den gleichen, aber etwas<br />
leis tungsstärkeren Motor verfügt. Der Paralleltwin<br />
mit 798 cm³ Hubraum leistet in<br />
der F 650 GS nur 71 statt 85 PS, dafür liegt<br />
das Gesamtgewicht etwa 10 kg unter dem<br />
der 800er. Weitere prägnante Unterschiede:<br />
einfache Telegabel statt Upside-down-<br />
Gabel, Guss- statt Drahtspeichenräder.<br />
Preis: 7800 Euro. Aufpreispflichtig: ABS<br />
(710 Euro), Heizgriffe (195 Euro), Bordcomputer<br />
(145 Euro), Hauptständer (110 Euro).<br />
Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse<br />
hinten, ABS.<br />
Alu-Gussräder 2.50 x 19; 3.50 x 17<br />
Reifen 110/80 19; 140/80 17<br />
MAßE + GEWICHTE<br />
Radstand 1562 mm, Lenkkopfwinkel 64,0<br />
Grad, Nachlauf 95 mm, Federweg v./h.<br />
170/170 mm, Sitzhöhe* 830 mm, Gewicht<br />
vollgetankt* 218 kg, Tankinhalt 16 Liter.<br />
MESSUNGEN<br />
(<strong>MOTORRAD</strong> 18/2012)<br />
Höchstgeschwindigkeit**<br />
Beschleunigung 0–100 km/h<br />
(F 700 GS, Modelljahr 2013)<br />
192 km/h<br />
4,3 sek<br />
Durchzug<br />
60–100 km/h 4,6 sek<br />
Verbrauch 3,9 l/100 km (Landstraße)<br />
* <strong>MOTORRAD</strong>-Messungen; ** Herstellerangabe<br />
2010 Sondermodell „30 Years GS“ mit<br />
Dreifarb-Dekor, Handprotektoren, Motorschutz,<br />
höherem Windschild, roter Sitzbank.<br />
Preis: 8440 Euro.<br />
2011 Sondermodell mit Vorderradkotflügel<br />
und Windschild wie BMW F 800 GS.<br />
Preis: 8335 Euro.<br />
2013 Neue Modellbezeichnung: F 700 GS.<br />
Leistung nunmehr 75 PS, ABS serienmäßig,<br />
Doppelscheibenbremse vorn, Verkleidungsteile,<br />
Windschild und Armaturen<br />
neu, Einstellung der Federbasis hinten<br />
über verbessertes Handrad. Neue Sonderausstattung:<br />
automatische Stabilitätskontrolle<br />
(ASC) und elektronische Fahrwerksanpassung<br />
(ESA). Preis: 8750 Euro.<br />
<strong>2016</strong> Modellvariante „Style 1“ mit rotem<br />
Rahmen, Handprotektoren und Aufsatzspoiler.<br />
Preis: 9100 Euro.<br />
www.motorradonline.de GEBRAUCHTBERATUNG 65
BMW<br />
F 650 GS<br />
E<br />
Weitere Testberichte<br />
zu diesem<br />
Motorrad<br />
finden Sie hier:<br />
motorradonline.de/f650gs<br />
Gegenüber der teureren 800er-Schwester wirkt<br />
der F 650 GS-Twin deutlich zierlicher und niedriger.<br />
Optimal, wenn man bodenständig bleiben möchte<br />
DIE WETTBEWERBER<br />
Angebote zu<br />
diesem Motorrad<br />
finden Sie<br />
hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2016</strong><strong>03</strong>066<br />
BMW F 650 GS Die Einzylindermaschine<br />
leistet immerhin 50 der 60-PS-V2, ähnlich gutmütig<br />
Honda Transalp 700 Kubik, soli-<br />
PS. Topgepflegte Exemplare der und reiselustig wie die kleine<br />
letzten Modelljahre 2007/2008 BMW GS, aber gebraucht deutlich<br />
günstiger: ab 3500 kosten noch gut 4000 Euro<br />
Euro<br />
Kawasaki Versys Scheckheftgepflegte<br />
Gebrauchte ab 2007 mit<br />
ABS und weniger als 40 000 Kilometern<br />
um 3000 Euro – das 64-<br />
PS-Bike bietet guten Gegenwert<br />
Suzuki V-Strom 650 Seit 20<strong>03</strong><br />
überzeugt die langlebige Zweizylindermaschine<br />
(67 PS) mit<br />
toller Fahrdynamik. Riesiges<br />
Angebot bereits ab 2500 Euro<br />
Demnächst in der <strong>MOTORRAD</strong>-Gebrauchtberatung<br />
in Ausgabe 04/<strong>2016</strong> in Ausgabe 05/<strong>2016</strong><br />
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Seite 76<br />
Fotos: jaime de diego, fact Fotos: Bilski, fact, Jahn (2)<br />
66 GEBRAUCHTBERATUNG<br />
3/<strong>2016</strong>
TRAININGS-TERMINE <strong>2016</strong><br />
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» Hockenheim 13.05. 349 €<br />
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» Bilster Berg 10.07. – 11.07. 699 €<br />
» Bilster Berg 20.08. – 21.08. 699 €<br />
TRAINING-SPECIALS<br />
» Fahrdynamiktraining<br />
Boxberg 11.06./12.06. 369 €<br />
» PS-VIP-Fahrertraining<br />
Sachsenring 20.06. – 21.06. 699 €<br />
PERFEKTIONSTRAININGS<br />
» Nürburgring-Nordschleife 31.05. – 01.06. 1199 €<br />
» Nürburgring-Nordschleife 05.07. – 06.07. 1199 €<br />
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kostenloses und hochwertiges <strong>MOTORRAD</strong> action team-T-Shirt für alle<br />
Trainingsteilnehmer, Kaffee und Mineralwasser kostenlos.<br />
* Kostenlose Instruktion mit der Rennleitung 110 für Einsteiger und Rookies,<br />
kostenlose Zeitnahme, keine Transpondermiete,<br />
Eckis Rennsportservice bei allen Renntrainings vor Ort,<br />
Streckenrundgang bei ausgewählten Trainings mit Arne Tode & Christian Kellner.<br />
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» Sachsenring 20.06. – 21.06. 699 €<br />
» Bilster Berg 10.07. – 11.07. 699 €<br />
» Bilster Berg 20.08. – 21.08. 699 €<br />
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» Nürburgring GP-Kurs 22.04. – 23.04. 429 €<br />
» Hockenheim <strong>03</strong>.06. – 05.06. ab 219 €<br />
» Sachsenring 20.06. – 21.06. 349 €<br />
» Bilster Berg 10.07. – 11.07. 419 €<br />
» Bilster Berg 20.08. – 21.08. 419 €<br />
» Sachsenring 05.09. – 06.09. 349 €<br />
ENDURO & SUPERMOTO<br />
» Hockenheim Supermoto-Wochenende 19.<strong>03</strong>. – 20.<strong>03</strong>. 150 €<br />
» Villars (FR) Offroad-Camp 05.05. – 06.05. 250 €<br />
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» Kleinhau Enduro-Wochenende 08.10. – 09.10. 70 €<br />
Club-Partner:<br />
Name:<br />
Mitgliedsnummer:<br />
Max Mustermann<br />
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PROGRAMM JETZT GRATIS BESTELLEN: <strong>MOTORRAD</strong> ACTION TEAM, 70162 STUTTGART<br />
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<strong>2016</strong><br />
HELDEN-Clubmitglieder erhalten<br />
bei zahlreichen Trainings<br />
einen Frühbucherrabatt bis<br />
zum 29. Februar <strong>2016</strong>.<br />
SPONSOREN:
3/<strong>2016</strong><br />
Foto: Daniel Lengwenus<br />
78<br />
Kanada: Dempster Highway<br />
Nur die Härtesten kommen durch: Michael<br />
Martin fährt mit der GS bei minus 40 Grad<br />
durch den Norden Kanadas über die zugefrorene<br />
Ice Road bis zum Nordpolarmeer.<br />
88 Motorradtransporte<br />
Spedition, Auto-Zug, Schiff oder Lufttransport?<br />
Wie bekomme ich mein Motorrad<br />
in attraktive Zielgebiete? Alles über Motorradtransporte<br />
in Europa und weltweit.<br />
92<br />
Der alte Mann und das Gör<br />
Neulich in Bolivien: Eine junge Reisenovizin<br />
fährt gemeinsam mit einem Globetrotter<br />
dieselbe Strecke. Dank Perspektiv-Wechsel<br />
erleben sie völlig unterschiedliche Dinge.<br />
Arturo Magni: Lebens-Rückblick<br />
Als Vermittler zwischen Ideen und Realisierung<br />
schrieb der italienische Motoren- und<br />
Fahrwerk-Guru Motorrad-Renngeschichte.<br />
102<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 77
SERIE<br />
Michael Martins Motorrad-Abenteuer, Teil 7:<br />
Winter auf dem Dempster Highway<br />
78 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
ICE ROAD<br />
DURCH KÄLTE UND EIS<br />
Es soll ja Motorradfahrer geben, denen Frost<br />
eher behagt als Sommertemperaturen. Für solche<br />
Naturen ist der winterliche Norden Kanadas mit<br />
dem Dempster Highway und der Ice Road eine spektakuläre<br />
Gegend. Michael Martin hat sie überlebt.<br />
Von Michael Martin; Fotos: Michael Martin, Thilo Moessner, Jörg Reuther<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 79
Ein Großteil des unbefestigten Dempster<br />
Highways führt durch Nadelwald<br />
Das 1000-Seelen-Nest Tuktoyaktuk liegt<br />
am Ende der Ice Road. Hier leben Inuit<br />
Bis heute spannen viele Inuit ihre Hunde<br />
vor den Schlitten, wenn sie auf Jagd gehen<br />
SPIKES<br />
FÜR DAS ÜBERLEBEN AUF DEM EIS<br />
80 LEBEN
Rasthaus „Eagle Plains“: Die<br />
Truck-Motoren laufen bei Wartezeiten<br />
tagelang. Stellt man sie<br />
ab, versulzen die Dieselleitungen<br />
Kanada: Dempster Highway<br />
Don’t come, we have a blizzard“,<br />
warnt mich die Chefin vom<br />
„Eagle Plains“, dem ersten Rasthaus<br />
nach 410 Kilometern auf<br />
dem kanadischen Dempster Highway, am<br />
Telefon. Ich habe besser gar nicht erst erwähnt,<br />
dass ich den „Dempster“ mit dem<br />
Motorrad befahren möchte. Inspiriert hatte<br />
mich ein Buch der deutschen Reisejournalistin<br />
Doris Wiedemann, die den Dalton Highway<br />
in Alaska mit dem Motorrad im Winter<br />
befahren hat. Doch der Dempster Highway<br />
ist nicht nur länger, sondern auch einsamer,<br />
außerdem nicht geteert. Es ist die<br />
einzige Straße Kanadas, die den Polarkreis<br />
überquert. Wir haben ausgerechnet eine<br />
besonders kalte Phase im Februar erwischt.<br />
Am Morgen des Aufbruchs in Dawson City<br />
wird das Thermometer schwer vorstellbare<br />
minus 46 Grad Celsius anzeigen.<br />
Aber noch ist es nicht so weit, erst<br />
einmal muss meine 1200er-GS ernsthaft<br />
winterfest gemacht werden.<br />
Wir haben das Motorrad mit einem Pickup<br />
von Anchorage in Alaska nach Dawson<br />
City am Yukon gebracht. In einer beheizten<br />
Werkstatt bestücke ich die Stollenreifen mit<br />
mehr als Hundert eindrehbaren Spikes. Man<br />
könnte noch weitere Maßnahmen ergreifen,<br />
wie spezielles Motoröl oder eine besonders<br />
kälteresistente Batterie. Doch dafür ist mei<br />
LEBEN 81
DIE INUIT<br />
LEBEN GUT MIT DER EXTREMKÄLTE<br />
82 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Kanada: Dempster Highway<br />
ne Zeit auf dem Dempster Highway zu<br />
kurz, als dass sich der beträchtliche Aufwand<br />
lohnen würde.<br />
Ich ziehe aber eine beheizbare Weste<br />
und eine beheizbare Unterhose unter<br />
die Daunenkleidung und lege in die arktis-tauglichen<br />
Stiefel beheizbare Sohlen<br />
ein. Die Stromversorgung erfolgt über<br />
die Motorradbatterie beziehungsweise<br />
bei den Sohlen über externe Akkus.<br />
Dann rolle ich die ersten Meter durch<br />
die Wildwest-Kulisse von Dawson City<br />
und stürze gleich mehrfach. Autofahrer<br />
schütteln den Kopf, auch mir erscheint<br />
mein Vorhaben, den Dempster Highway<br />
im Winter mit dem Motorrad zu befahren,<br />
in diesem Moment völlig absurd.<br />
Doch zum Glück werde ich auf der<br />
Eisstraße nicht allein unterwegs sein.<br />
Meine Freunde Jörg Reuther und Thilo<br />
Moess ner werden mich aus Sicherheitsgründen<br />
im winterfesten Geländewagen<br />
begleiten. An einem sonnigen Morgen<br />
brechen wir in Dawson City auf, etwas<br />
außerhalb knickt der Dempster Highway<br />
Richtung Inuvik ab.<br />
Die ersten 50 Kilometer auf dem Motorrad<br />
verlaufen zu meiner Überraschung<br />
völlig problemlos. Die Temperatur ist<br />
auf minus 35 Grad gestiegen, die Sonne<br />
scheint, und anders als die Straßen von<br />
Dawson City ist der Highway hier noch<br />
frisch geräumt, sodass die Spikes gut auf<br />
der vereisten Kiesoberfläche greifen.<br />
Ich fahre nicht schneller als 50 km/h, um<br />
den Fahrtwind gering zu halten. Bereits<br />
bei dieser Geschwindigkeit sorgt der<br />
Chillfaktor dafür, dass sich minus 35 wie<br />
minus 55 Grad anfühlen. Die Piste führt<br />
durch borealen Nadelwald, der aber<br />
verschwindet, als wir in den Tombstone<br />
Mountains größere Höhen erreichen.<br />
Ab und zu schiebe ich das immer wieder<br />
vereisende Visier auf, um wenigstens<br />
kurz die Landschaft genießen zu können,<br />
welche die tief stehende Mittagssonne<br />
in schönes Licht taucht. Bald rollen wir<br />
Ein heftiger Sturm<br />
bläst Schnee durch die<br />
Richardson Mountains<br />
Auf Schneefahrbahnen nützen die Spikes<br />
recht wenig, auf blankem Eis aber sehr viel<br />
Zu kalt für den Boxer: Starthilfe auf dem<br />
Dempster durch ein Straßenbau-Fahrzeug<br />
Arktische Kälte: Die Nachttemperaturen liegen<br />
zwischen minus 41 und minus 48 Grad<br />
www.motorradonline.de LEBEN 83
Einzige Tankstelle am<br />
Dempster Highway:<br />
Tankstelle Eagle Plains<br />
Kanada: Dempster Highway<br />
wieder durch ausgedehnte Wälder, queren<br />
vereiste Flüsse und erklimmen Anhöhen,<br />
die weite Blicke über den tief verschneiten<br />
Wald bieten. Mir fallen tiefe Spuren im<br />
Schnee auf, die links und rechts der Piste in<br />
den Wald führen. Plötzlich sehe ich einen<br />
Wolf durch einen seiner gespurten Wege<br />
streifen. Wir blicken uns kurz an, dann lässt<br />
er mich in geringer Distanz passieren. Vor<br />
den im Sommer allgegenwärtigen Bären<br />
müssen wir keine Angst haben, sie befinden<br />
sich im Winterschlaf.<br />
Die Abstände zwischen den notwendigen<br />
Pausen werden am Nachmittag immer geringer.<br />
Ich merke, wie mein Körper trotz der<br />
Heizsysteme und bester, arktistauglicher<br />
Kleidung gefährlich auskühlt. Bei hereinbrechender<br />
Dunkelheit und Kilometer 175<br />
entscheide ich mich, meine Gesundheit<br />
nicht weiter zu riskieren und das Motorrad<br />
für die zweite Hälfte der Strecke bis Eagle<br />
Plains auf den Pick-up aufzuladen. Nachdem<br />
das Motorrad auf der Ladefläche festgezurrt<br />
ist, klettere ich in voller Montur ins<br />
Auto und genieße die behagliche Wärme.<br />
Das Außenthermometer des schweren, mit<br />
Spikes ausgerüsteten Geländewagens<br />
zeigt bereits wieder unter minus 40 Grad.<br />
Wir kommen nun zügig mit 80 km/h auf<br />
der vereisten Piste voran. Plötzlich macht<br />
ICE ROAD:<br />
NUR FÜR KALTBLÜTIGE PROFI-TRUCKER<br />
84 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Das romantische Licht täuscht: Der Dempster<br />
im Winter verlangt Bikern alles ab<br />
Schützen vor Erfrierungen: wasserlose Fettcreme,<br />
Frostschutzmaske und gutes Visier<br />
Das Bremsen hat sich gelohnt: kurzer Blick<br />
auf eine seltene Luchsart am Pistenrand<br />
Dawson City am<br />
Zusammenfluss von<br />
Yukon und Klondike:<br />
Ausgangsort für den<br />
Dempster<br />
www.motorradonline.de LEBEN 85
Kanada: Dempster Highway<br />
Jörg eine Vollbremsung, er hat einen<br />
Luchs am Pistenrand entdeckt, den wir<br />
aus geringer Distanz fotografieren können.<br />
Zweimal unterbrechen wir die Fahrt,<br />
um Polarlichter zu fotografieren, dann<br />
erreichen wir gegen 21.00 Uhr das Rasthaus<br />
von Eagle Plains. Davor parken zehn<br />
Trucks mit laufenden Motoren, die Fahrer<br />
sitzen an der Bar und spielen Karten.<br />
„Der Highway ist seit drei Tagen gesperrt“,<br />
erklärt uns einer der Trucker die volle<br />
Bar. Neben den Truckern warten mehrere<br />
Inuit-Familien, dass die Sperrung des<br />
Dempster Highways im nördlichen Teil<br />
aufgehoben wird. Der Schneesturm hatte<br />
für meterhohe Schneeverwehungen gesorgt,<br />
die mit schwerem Gerät geräumt<br />
werden müssen. Ich könnte es in Eagle<br />
Plains wochenlang aushalten. Die Zimmer<br />
sind überheizt, die Dusche liefert 40 Grad<br />
warmes Wasser, das Essen ist gut und<br />
eine Satellitenschüssel sorgt für schnelles<br />
Internet. Wir haben das Motorrad vom<br />
Auto geholt und parken es in der geheizten<br />
Werkstatt, unser Auto hat eine elektrische<br />
Standheizung, die den Motor vor<br />
Frostschäden bewahrt.<br />
Am nächsten Mittag wird die Sperrung<br />
aufgehoben. Alle fahren jetzt los, auch ich<br />
auf der BMW und hinter mir die Freunde<br />
im Allradler. Bald sind die Trucks am Horizont<br />
verschwunden, denn ich kann mit<br />
dem Motorrad nicht schneller als 50 km/h<br />
fahren. Ich habe es versucht, doch die<br />
Kälte beißt einfach zu mörderisch.<br />
Nach einer Stunde Fahrt bei Sonne<br />
und minus 38 Grad erreichen wir am<br />
Polarkreis die Richardson Mountains. Der<br />
boreale Wald ist einer verschneiten Tundralandschaft<br />
gewichen, die von einem<br />
tiefblauen Himmel überspannt wird.<br />
Schöner könnte die Arktis kaum sein.<br />
Nach weiteren 60 Kilometern überqueren<br />
wir auf einem Pass die Grenze der kanadischen<br />
Provinzen Yukon und Northwest<br />
Territories. Auf der Passhöhe wird das<br />
Motorrad plötzlich von einem Sturm erfasst,<br />
der den Schnee aufwirbelt und<br />
mich Richtung Graben drückt. Doch die<br />
Schneemassen treiben so fotogen über<br />
die Berge, dass wir fotografieren müssen.<br />
Zum Glück legt sich der Sturm bald, aber<br />
wir haben zu viel Zeit mit Fotografieren<br />
verloren. Die Sonne verschwindet bereits<br />
wieder hinter den Bergen, ich bin völlig<br />
ausgekühlt und kräftemäßig am Ende.<br />
Bis zu unserem Etappenziel Inuvik sind es<br />
noch über 200 Kilometer. Es bleibt mir<br />
nichts anderes übrig, als die Maschine<br />
wieder auf den Pick-up zu laden. Dann<br />
rollen wir durch die Nacht nach Norden.<br />
Freunde hatten uns das „Arctic Chalet“<br />
in Inuvik als Unterkunft empfohlen, und<br />
wir werden nicht enttäuscht. Judi und Olav<br />
betreiben ihr Refugium mit viel Engagement<br />
und Herzblut. Der nordpolerfahrene<br />
Olav gibt uns wertvolle Tipps für die letzte<br />
Etappe über die sogenannte Ice Road nach<br />
Tuktoyaktuk. Wir verlassen Inuvik mit dem<br />
Sonnenaufgang und biegen hinter dem<br />
„Arctic Chalet“ auf die Ice Road ein. Sie<br />
folgt auf einer Länge von 178 Kilometern<br />
zunächst dem zugefrorenen Mackenzie-<br />
Fluss und führt dann über einen Arm des<br />
Arktischen Ozeans nach Tuktoyaktuk. Die<br />
spektakuläre Verbindung existiert nur zwischen<br />
Dezember und April. Sie wird von<br />
den Behörden überwacht und gilt als die<br />
längste durchgehende Eisstraße der Welt.<br />
In der übrigen Zeit ist die Inuit-Siedlung<br />
nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar.<br />
Die Spikes des Motorrads greifen auf<br />
dem blanken Eis optimal. Wäre die Kälte<br />
nicht, könnte ich viel schneller als 50<br />
km/h fahren. Das Eis ist, wo es nicht von<br />
Schnee bedeckt ist, glasklar und hat eine<br />
Dicke von mindestens einem Meter. Ein<br />
Schild erlaubt Fahrzeuge bis 30 Tonnen<br />
Gesamtgewicht! Wir kommen gut voran,<br />
doch plötzlich ziehen Wolken auf. Vorboten<br />
des Schneesturms, vor dem uns Judi<br />
und Olav gewarnt haben. Dieser bricht<br />
zehn Kilometer vor Tuktoyaktuk über uns<br />
herein. Markierungen und das GPS leiten<br />
uns aber sicher in den kleinen Ort. Erster<br />
Anlaufpunkt an der Einfallstraße ist ein<br />
riesiger Truck, der als mobiler Laden fungiert.<br />
„The Fruitman“ steht an der Tür des<br />
Fahrerhauses. Ich parke die BMW und<br />
klettere mit steifen Gliedern die Stufen<br />
zum Laderaum hoch. Der ist gut beheizt<br />
und gefüllt mit tropischen Früchten.<br />
Ungläubig bestaune ich Ananas, Kiwis,<br />
Mangos. Eines von vielen kleinen Wundern<br />
im kalten Norden Kanadas.<br />
www.motorradonline.de/unterwegs<br />
LESEN SIE WEITER AUF SEITE 87 ▸<br />
EISKALTER<br />
SCHNEESTURM BEI BLAUEM HIMMEL<br />
86 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Ungewöhnliche Begegnung (l.). Im Winter<br />
fährt der „Fruitman“ bis nach Tuktoyaktuk,<br />
um in seinem Truck Südfrüchte anzubieten (o.)<br />
infos<br />
Die Strecke führt durch<br />
einsame Gegenden eines<br />
großen Landes. Sie stellt<br />
hohe Anforderungen an<br />
Fahrer und Maschine, verschenkt<br />
dafür aber intensive<br />
Naturerlebnisse und<br />
Menschenbegegnungen.<br />
ALLGEMEINES: Kanada liegt<br />
auf dem nordamerikanischen Kontinent<br />
zwischen Pazifik im Westen<br />
und Atlantik im Osten. Nordwärts<br />
reicht der Staat bis hin zum Arktischen<br />
Ozean. Südlich und nordwestlich<br />
grenzt Kanada an die USA.<br />
Der Fläche nach ist Kanada hinter<br />
Russland der zweitgrößte Staat der<br />
Erde. Vor rund 12 000 Jahren wurde<br />
Kanada durch diverse Indianerstämme<br />
besiedelt, die Inuit folgten vor<br />
rund 5000 Jahren. Ab dem späten<br />
15. Jahrhundert landeten Europäer<br />
!<br />
ALASKA<br />
(USA)<br />
Anchorage<br />
Dawson<br />
KANADA<br />
Vancouver<br />
USA<br />
Kanada<br />
Hauptstadt: Ottawa<br />
Fläche: 9 984 670 km 2<br />
Gründung: 1867<br />
Währung: Kanad. Dollar<br />
Einwohnerzahl: 35 851 774<br />
an der Ostküste. Franzosen und Engländer<br />
dominierten die Kolonialisierung.<br />
Ab etwa 1600 breitete sich die<br />
Bezeichnung „Canada“ aus, die ursprünglich<br />
der Name eines Irokesendorfs<br />
war. Frankreich trat 1763 seine<br />
Kolonie an Großbritannien ab. 1867<br />
gründeten vier britische Kolonien<br />
die Kanadische Konföderation. Kanada<br />
ist ein auf dem Westminster-<br />
System basierender parlamentarisch-demokratischer<br />
Bundesstaat<br />
und eine parlamentarische Monarchie.<br />
Nominelles Staatsoberhaupt<br />
ist Königin Elisabeth II., die durch<br />
einen Generalgouverneur vertreten<br />
wird. Amtssprachen sind Englisch<br />
und Französisch. Die Unabhängigkeitsbestrebungen<br />
der Provinz Quebec,<br />
die Stellung der frankophonen<br />
Kanadier und die Rechte der indigenen<br />
Völker sind zentrale Konfliktlinien<br />
innerhalb von Staat und<br />
Gesellschaft. Die Themen Klimawandel,<br />
Umweltschutz, Einwanderung<br />
und Rohstoffabhängigkeit sowie<br />
das Verhältnis zu den USA bestimmen<br />
die öffentlichen Debatten.<br />
Reisedauer: fünf Tage<br />
Gefahrene Strecke: 1000 Kilometer<br />
USA<br />
(Alaska)<br />
Mc Carthy<br />
Eskimo Lake<br />
Richards<br />
Island<br />
Tuktoyaktuk<br />
Kittigazuit<br />
Eisstraße<br />
Inuvik<br />
8<br />
Fort Mc Pherson<br />
Tsiigehtchic<br />
N O R T H W E S T<br />
T E R R I T O R Y<br />
5<br />
Dawson City<br />
Y U K O N T E R R<br />
WISSENSWERT ZUM THE-<br />
MA <strong>MOTORRAD</strong>FAHREN:<br />
Während Kanada im Sommer ein<br />
beliebtes Reiseland darstellt, ist das<br />
Fahren im Winter speziell: Das Eindrehen<br />
von Spikes in Stollenreifen<br />
hilft auf Eis, Spezialöle und starke<br />
Batterien sind von Vorteil. Heizwäsche,<br />
-handschuhe und -stiefel sowie<br />
Fell-Lenkerstulpen schützen vor<br />
der grimmigen Kälte. Genauso wie<br />
wasserlose Fettcreme (Apotheke)<br />
und Gesichtsmaske. Antibiotika<br />
gegen Infektionen (Bronchial- und<br />
Harnwege) unbedingt mitführen. Im<br />
Sommer ist der Dempster Highway<br />
einfach zu befahren, doch die Ice<br />
Road existiert natürlich nicht. Der<br />
Bau einer ganzjährig befahrbaren<br />
Straße zum Arktischen Ozean ist im<br />
Gange. Wild zelten ist entlang der<br />
Route kein Problem, im Winter kann<br />
in Eagle Plains übernachtet werden.<br />
Das Land gilt als sicher. Für Europäer<br />
genügt der Reisepass zum Einreisen,<br />
ein Impfpass ist nicht nötig. Die<br />
eigene Maschine kann für längere<br />
Auf enthalte nach Anchorage (Alaska)<br />
oder Yellowknife<br />
(Kanada) speditiert<br />
werden (zum Beispiel:<br />
www.intime-ham.com).<br />
Eagle Plains<br />
KANADA<br />
www.motorradonline.de LEBEN 87<br />
Whitehorse<br />
I T O R Y<br />
200 km<br />
Karte: MAIRDUMONT/Claudia Werel<br />
PLANET WÜSTE: Die Reise<br />
war eine Etappe in Michael Martins<br />
weltweit angelegtem Fotoprojekt<br />
„Planet Wüste“, das aktuell im gesamten<br />
deutschsprachigen Raum<br />
als Live-Multivision, als Buch und als<br />
DVD-Edition präsentiert wird. Buch<br />
und DVD-Box können bestellt werden<br />
unter www.michael-martin.de.<br />
Eintrittskarten online unter www.<br />
michael-martin.de/tickets. Nachfolgend<br />
einige Termine seiner 150<br />
Auftritte umfassenden Tournee.<br />
TERMINE:<br />
23.01.<strong>2016</strong>: 37073 Göttingen<br />
24.01.<strong>2016</strong>: 2<strong>03</strong>55 Hamburg<br />
27.01.<strong>2016</strong>: 90762 Fürth<br />
28.01.<strong>2016</strong>: 89312 Günzburg<br />
29.01.<strong>2016</strong>: 88239 Wangen<br />
30.01.<strong>2016</strong>: 79098 Freiburg<br />
01.02.<strong>2016</strong>: 53173 Bonn<br />
02.02.<strong>2016</strong>: 69117 Heidelberg<br />
<strong>03</strong>.02.<strong>2016</strong>: 09456 Annaberg<br />
04.02.<strong>2016</strong>: 09126 Chemnitz<br />
05.02.<strong>2016</strong>: 49477 Ibbenbüren<br />
06.02.<strong>2016</strong>: 21698 Harsefeld<br />
07.02.<strong>2016</strong>: 07743 Jena<br />
10.02.<strong>2016</strong>: 64283 Darmstadt<br />
11.02.<strong>2016</strong>: 49074 Osnabrück<br />
12.02.<strong>2016</strong>: 30159 Hannover<br />
13.02.<strong>2016</strong>: 28195 Bremen<br />
14.02.<strong>2016</strong>: 51065 Köln<br />
17.02.<strong>2016</strong>: 48151 Münster<br />
18.02.<strong>2016</strong>: 47799 Krefeld<br />
19.02.<strong>2016</strong>: 52062 Aachen<br />
20.02.<strong>2016</strong>: 63263 Neu-Isenburg<br />
21.02.<strong>2016</strong>: 40210 Düsseldorf<br />
24.02.<strong>2016</strong>: 95<strong>03</strong>0 Hof<br />
Erlebenswert:<br />
die Live-Multivisionsshow,<br />
das Buch und<br />
die DVD- oder<br />
Blu-Ray-Reihe<br />
von „Planet<br />
Wüste“
Leben Motorradtransporte<br />
Beam your bike<br />
away: Für alle Reise-Vorhaben<br />
gibt<br />
es passende Motorrad-Transport-Lösungen<br />
– per (Container-)Schiff,<br />
Auto-<br />
Zug, Flugzeug, LKW<br />
oder Bike-Shuttle<br />
88 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
BIKE-<br />
BEAMER<br />
Gründe für den Transport des eigenen Motorrades gibt es<br />
reichlich. Wer im europäischen Ausland Urlaub plant und die<br />
lange Anreise auf eigener Achse scheut, kann die Dienstleistungen<br />
von Speditionen oder Autozüge in Anspruch nehmen.<br />
Die Verbringung in andere Erdteile sollte man Unternehmen<br />
mit Erfahrung in der Motorrad-Logistik anvertrauen.<br />
Von Markus Biebricher; Fotos: Archiv, In Time, Olaf Kleinknecht<br />
Motorrad-Urlaub im sonnigen<br />
Süden? Keine Lust auf oder<br />
Zeit für die verschleißträchtige<br />
Fernfahrt mit dem eigenen<br />
Bike? Dann wird die Anreise per Shuttle-<br />
Service interessant. Sie beruht auf der Geschäftsidee<br />
einer Reihe von Spediteuren<br />
oder Reiseveranstaltern, die Motorräder<br />
mit Leichttransportern samt Hängern, mit<br />
LKWs oder Kleinbussen zum Ziel zu bringen.<br />
Der Motorradfahrer fährt entweder im<br />
Bus mit oder fliegt zum Ziel. Interessant<br />
sind die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Darüber hinaus macht diese Variante<br />
speziell bei Gruppenreisen oder Veranstaltungen<br />
Sinn. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist die Verladung des Motorrades auf einen<br />
Autozug. Nachdem die deutsche Bahn aus<br />
Kostengründen die meisten ihrer früher<br />
so hilfreichen Verbindungen eingestellt hat,<br />
gibt es aber in den Nachbarländern durchaus<br />
noch Möglichkeiten, das Motorrad<br />
recht weit in sonnige, südliche Gefilde bringen<br />
zu lassen. Interessant für Motorradfahrer<br />
aus dem Norden: Die Deutsche Bahn<br />
unterhält <strong>2016</strong> noch zwei Verbindungen<br />
von Hamburg nach München und nach<br />
Lörrach. An 135 Tagen im Jahr soll der Autozug<br />
mit einem Schlafwagen, fünf Liegewagen<br />
und sieben Fahrzeugtransportwagen<br />
rollen: von März bis Oktober an drei Tagen,<br />
während des übrigen Jahres ein- oder zweimal<br />
pro Woche. Hinzu kommen Sondertermine<br />
über Weihnachten und Neujahr.<br />
Alle Infos: www.dbautozug.de. 2017 will die<br />
Bahn leider auch diese Strecken einsparen.<br />
Grund: Die Nachfrage konzentriere sich<br />
auf die Sommermonate, rund 90 Prozent<br />
der 200 000 Passagiere pro Jahr seien<br />
Sommerurlauber. Und dieses fast reine<br />
Saisongeschäft könne nicht für schwarze<br />
Zahlen sorgen, so die Bahn.<br />
Doch es gibt Trost: Ein interessantes<br />
Angebot kommt von der holländischen<br />
„Treinreiswinkel“ in Verbindung mit Euro-<br />
Express. Die Niederländer schicken <strong>2016</strong><br />
von Mitte Mai bis Ende September jede<br />
Woche einen Autozug von Düsseldorf nach<br />
Verona in Italien. Das Ganze zu attraktiven<br />
Konditionen: Zum Beispiel kostet ein „Oneway-Ticket“<br />
am 21. Mai <strong>2016</strong> für eine Person<br />
samt Motorrad 148 Euro. Alle Infos unter<br />
Telefon 00 31/7 15 16 19 82 oder http://<br />
www.bahnreiseladen.de/autozug/italien/<br />
autoslaapt rein-dusseldorf-verona<br />
Österreich bietet interessante Verbindungen<br />
von Feldkirch nach Villach oder Graz.<br />
Oder von Wien beispielsweise nach Verona,<br />
Livorno, Düsseldorf oder Hamburg. Buchungen<br />
und Infos unter www.oebb.at.<br />
Es gibt sogar einen Zug (ca. 36 Stunden)<br />
von Edirne in der Türkei bis ins österreichische<br />
Villach (www.optimatours.de). Auch<br />
Frankreich unterhält ein attraktives Netz:<br />
www.b-europe.com. Verlässliche Infos über<br />
Strecken in Italien und Spanien sind momentan<br />
schwer zu bekommen und werden<br />
Gegenstand eines erneuten Artikels sein.<br />
Wer davon träumt, mit der eigenen<br />
Maschine die außereuropäischen Traumstrecken<br />
dieser Welt zu befahren, sollte eine<br />
Spedition kontaktieren. Am besten eine, die<br />
auf Motorradtransporte spezialisiert ist (siehe<br />
Firmenporträt und Kasten mit Adressen).<br />
Ein solcher Transport macht natürlich nur<br />
dann Sinn, wenn die Reise etwas länger<br />
dauern soll und eventuelle Mietgebühren<br />
für ein Motorrad im Zielgebiet die Transportkosten<br />
übersteigen würden.<br />
Luftfracht gilt als problemlose und<br />
rasche Transportmöglichkeit. Wenn die<br />
Kosten eine untergeordnete Rolle spielen,<br />
kann das Motorrad an fast jeden Ort der<br />
Welt versendet werden. Zunächst sollte<br />
man von mehreren Speditionen Angebote<br />
anfordern, denn die Art und Weise des<br />
Transportes kann so unterschiedlich ausfallen<br />
wie die Preisgestaltung. Wichtig ist, dass<br />
man bei der Anfrage die Abmessungen<br />
und das Gewicht seines Fahrzeuges kennt.<br />
Einige Unternehmen verfügen bereits<br />
über verschieden große Spezialpaletten für<br />
Motorräder, auf denen die Maschine ohne<br />
große Demontage verzurrt werden kann.<br />
Falls kein Festpreis oder ein besonderes<br />
Angebot existiert, wird der Betrag aus dem<br />
Volumengewicht der kompletten Fracht errechnet.<br />
Die Formel lautet: Länge × Breite ×<br />
Höhe (in Zentimetern) geteilt durch 6000.<br />
Dieser Wert wird schließlich mit dem Kilopreis<br />
multipliziert (size-count-formula).<br />
Dazu addieren sich die Gebühren für das<br />
Be- und Entladen, den Zoll, ein Gefahrengutachten<br />
und eine mögliche Transportversicherung.<br />
Im Zielland können am Flughafen<br />
weitere kleine Gebühren anfallen.<br />
Wer sich die Mühe macht, sein Motorrad<br />
teilweise zu zerlegen (Vorderrad und<br />
Lenker demontieren) und es mit einer entsprechend<br />
kompakten Palette oder Kiste<br />
aufgibt, kann aufgrund des geringeren<br />
Volumens Geld sparen. Tipp: Vor der Arbeit<br />
Die einfachste, aber keinesfalls günstigste<br />
Art des Lufttransportes. Motorrad auf Palette<br />
zurren, fertig<br />
www.motorradonline.de LEBEN 89
Interview Olaf Kleinknecht<br />
„Kostentransparenz ist<br />
für uns elementar“<br />
Um den Alltag eines Motorrad-Spediteurs besser verstehen<br />
zu können, haben wir Olaf Kleinknecht (Foto links), Gründer der<br />
Hamburger Spedition In Time, ein paar Fragen gestellt:<br />
Beispiel einer preisgünstigen Lösung:<br />
Teilzerlegung in selbstgebauter Holzkiste.<br />
Fertige Kisten gibt es auch bei Händlern<br />
Motorradtransporte<br />
mit dem Spediteur der Wahl eventuelle<br />
Anforderungen an die Verpackung absprechen.<br />
Man kann das Motorrad von Verpackungsunternehmen<br />
einpacken lassen<br />
oder eine Kiste selber bauen (Anleitungen<br />
gibt es im Netz). Eine gute Lösung sind<br />
mitunter auch die Transportkisten lokaler<br />
Motorradhändler, um die man sich aber<br />
frühzeitig kümmern sollte.<br />
Länder wie Australien oder Neuseeland<br />
betreiben hohen Aufwand, um Schädlinge<br />
aus ihren Ländern fernzuhalten. Kisten aus<br />
Holz werden daher samt Inhalt in einem<br />
Quarantäne-Bereich der Zielorte mit giftigem<br />
Gas behandelt. Was manche Kistenbauer<br />
zu Metallkonstruktionen greifen lässt<br />
(in denen auch immer häufiger Neumotorräder<br />
zum Händler speditiert werden). Mitunter<br />
müssen die Metallrahmen auch noch<br />
verkleidet werden, was man am besten<br />
mit Sperrholz macht. Dieses wird unter so<br />
hohen Temperaturen hergestellt, dass es<br />
den Behörden im Hinblick auf Schädlingsbefall<br />
unverdächtig erscheint.<br />
Die Seefracht gilt als günstigere Alternative<br />
zur Luftfracht. Doch meistens ist diese<br />
Variante mit erheblich mehr Arbeits- und<br />
Organisationsaufwand verbunden – und<br />
man muss auf sein Motorrad bereits sechs<br />
bis acht Wochen vor Reisebeginn verzichten.<br />
Seefracht ist mit und ohne Verpackung<br />
als Containergut möglich. In jedem Fall<br />
muss die Kiste oder das Motorrad nach<br />
Bremen oder Hamburg gebracht werden.<br />
Viele Spediteure verlangen für den unverpackten<br />
Containertransport das Abklemmen<br />
der Batterie und eine Entleerung des<br />
Tanks. Ist das Bike verpackt, helfen Speditionen,<br />
die umso teurer sind, je weiter die<br />
Abholung im Süden Deutschlands erfolgt.<br />
Wer sein unverpacktes Motorrad nicht<br />
selbst fahren will, kann auf die eingangs<br />
erwähnten Klein- oder Großtransporteure<br />
? Was waren<br />
für Euch bislang die exotischsten Liefer-Ziele?<br />
! Besonders exotisch, weil mit extremer<br />
Vorbereitung verbunden, war<br />
ein Individualtransport nach Japan.<br />
Auf der Weltkarte exotisch waren Ouagadougou<br />
und Dar Es Salaam. Durchaus<br />
exotisch war aber auch der Container<br />
voller Motorräder aus dem 11500<br />
Kilometer entfernten Wladiwostok.<br />
? Was war die größte logistische Herausforderung<br />
im Laufe deiner Experten-Karriere?<br />
! Der Transport der Motorräder<br />
einer deutschen Reisegruppe für eine<br />
Reise durch China von Schanghai nach<br />
Peking. Angefangen von der Verladung<br />
der 15 Motorräder in Exclusiv-Containern<br />
bis zur Auslösung in China sowie<br />
dem Rücktransport nach Deutschland.<br />
? Was war das skurrilste Erlebnis im<br />
Zusammenhang mit Motorrad-Transporten?<br />
! Ein Motorrad-Transport für einen<br />
deutschen Kunden nach Australien<br />
und zurück. Normalerweise Routine,<br />
doch der Kunde sprach kein Wort<br />
Englisch. Zusammen mit unserem<br />
deutsch sprechenden Partner in Australien<br />
haben wir aber vor Ort einen<br />
reibungslosen Ablauf des Transportes<br />
organisieren können, und der Kunde<br />
kam rundum zufrieden zurück.<br />
? Was war das schönste und was das<br />
schrecklichste Erlebnis?<br />
! Das schönste war für mich<br />
eine Kundin, die ihrem Freund einen<br />
aufwändigen Motorrad-Transport<br />
schenkte. Schrecklich war dagegen die<br />
Organisation eines Rücktransportes<br />
von Peru nach Deutschland. Der Kunde<br />
musste aus persönlichen Gründen<br />
seine Reise abbrechen und vorzeitig<br />
zurückkehren. Das Motorrad verblieb<br />
in Callao und die dortigen Zollbehörden<br />
wollten es nicht mehr rausrücken.<br />
Es hat mich neun Monate und zahllose<br />
nächtliche Telefonate gekostet, um das<br />
Bike aus den Fängen des peruanischen<br />
Zolls zu lösen. Wir sind nur ganz knapp<br />
einer Konfiszierung entgangen. Ungeachtet<br />
der immensen Mehrkosten hat<br />
der Kunde natürlich nur den vereinbarten<br />
Frachtpreis bezahlt.<br />
? Kannst du uns einige Ziele nennen,<br />
die richtig schnell erreichbar sind?<br />
! Der schnellste Weg von Deutschland<br />
nach New York per Schiff dauert<br />
etwa neun Tage. Im Flugzeug geht<br />
es am schnellsten per „Fly and Ride“<br />
nach Cancun/Mexiko innerhalb von<br />
drei Tagen, der Rückweg ist ähnlich<br />
schnell. Generell dauert der Rückweg<br />
aber länger als der Hinweg. So braucht<br />
ein Motorrad per Schiff nach Chile<br />
hin etwa fünf Wochen, zurück sieben<br />
Wochen. Per Flugzeug nach Chile geht<br />
es innerhalb von fünf Tagen, zurück<br />
dauert es gerne mal sieben bis 14 Tage.<br />
? Was war der teuerste Transport, den<br />
du bisher abgewickelt hast?<br />
! Das war kein Motorrad, sondern<br />
ein fünf Tonnen schwerer Dodge-<br />
Pickup, der unbedingt im Flieger von<br />
Miami nach Amsterdam musste.<br />
? Was ist deine Empfehlung an Kunden,<br />
die gerne andere Erdteile befahren möchten?<br />
! Die für mich besten Ziele sind<br />
Valparaiso in Chile und Auckland in<br />
Neuseeland. An beiden Destinationen<br />
haben wir langjährige Partner, die sich<br />
immer weit über das normale Maß<br />
hinaus um unsere Kunden kümmern.<br />
Die Infrastruktur in beiden Häfen entspricht<br />
westeuropäischem Standard.<br />
? Was ist euer meistgebuchtes Ziel?<br />
! Das ist saisonal unterschiedlich.<br />
Eine beständige Größe ist Südamerika,<br />
insbesondere Chile. Aus diesem Grund<br />
werden wir auch <strong>2016</strong> wieder unsere<br />
Sonderaktion Valparaiso auflegen.<br />
? Weißt du schon was über weitere<br />
Spezial-Angebote von In Time?<br />
! Bei Individualreisenden ist es<br />
schwierig, eine größere Anzahl von<br />
Kunden zum gleichen Zeitraum zu<br />
bündeln. Dennoch haben wir weitere<br />
Ziele für Sonderaktionen in Planung.<br />
Denkbar ist Kanada, Neuseeland oder<br />
Namibia. Wir werden auch wieder<br />
Sammelcontainer nach Chile und<br />
einen Frühbucherrabatt anbieten. Bei<br />
Buchung bis 31.<strong>03</strong>. gibt es einen Rabatt<br />
von zehn Prozent auf den Grundpreis,<br />
bei Buchung bis 30.06. fünf Prozent.<br />
90 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Motorräder werden<br />
im Hamburger Hafen<br />
für die Seefracht im<br />
Container vorbereitet.<br />
Zunächst geht es<br />
per LKW an den Pier<br />
zurückgreifen, die mitunter<br />
einen Transport<br />
quer durch Deutschland<br />
für rund 100 Euro<br />
anbieten, wenn sie ihre<br />
jeweiligen Fahrzeuge vollbekommen.<br />
Meistens kann man in die Motorrad-<br />
Transport-Kisten auch noch Ausrüstung<br />
und Koffer integrieren, doch auch das sollte<br />
mit dem Spediteur der Wahl abgeklärt werden.<br />
Selbst wer sein Bike unverpackt einem<br />
Container anvertraut, kann eventuell Ausrüstung<br />
wie Helme, Stiefel, Kombi, Ersatzteile,<br />
Werkzeug, Reifen, Reservekanister mitliefern<br />
und auf Sitzbank, Gepäckträger oder<br />
in die Seitenkoffer packen.<br />
Kommen wir zu den Preisen: Im Rahmen<br />
eines Spezial-Angebotes der Firma<br />
In Time aus Hamburg für Valparaiso/Chile<br />
würde eine Mittelklasse-Reise-Enduro inklusive<br />
aller Gebühren (ohne Transportversicherung)<br />
mit günstigen 950 Euro für<br />
die „one way“-Passage per Containerschiff<br />
zu Buche schlagen. Flugtransporte kosten<br />
gern über einen Tausender mehr, doch die<br />
Preise variieren je nach Jahreszeit, Spedition<br />
und Anforderungen. Hier lohnt es sich,<br />
frühzeitig mit der Recherche zu beginnen.<br />
Der Preis für die Seefracht setzt sich<br />
neben den reinen Frachtkosten aus den<br />
Hafenkosten und den Ausschiffungskosten<br />
zusammen. Letztere können je nach Zielhafen<br />
500 bis 1000 Euro betragen und stellen<br />
somit den größten Posten in der Rechnung.<br />
Zusätzlich muss man im Zielland mit<br />
Zollgebühren, Steuern und Lagergeldern<br />
rechnen. Während es sich im Fall von Chile,<br />
den USA oder Australien um feste und somit<br />
kalkulierbare Beträge handelt, können<br />
besonders in Dritte-Welt-Ländern schnell<br />
diverse diffuse Schmiergeldzahlungen<br />
dazu kommen, die im Voraus kaum zu berechnen<br />
sind. Hinzu kommt der zumindest<br />
theoretische Nachteil, dass der Container<br />
in Zwischenhäfen umgeschichtet werden<br />
könnte, was die Motorräder in seinem<br />
Inneren nicht immer schont. Doch ein<br />
Risiko besteht bei jeder Art von Transport,<br />
denn auch beim Beladen des Flugzeuges<br />
Kurzporträt In Time, Hamburg<br />
Die Firma In Time wird von Olaf Kleinknecht<br />
im Jahr 1997 ins Leben gerufen.<br />
Der Gründer setzt auf den Transport<br />
von kommerziellen Handelswaren per<br />
Schiff und Flugzeug. Bereits 1998 beginnt<br />
der seit langem begeisterte Motorradfahrer,<br />
sich auf interkontinentale Motorrad-<br />
Transporte zu spezialisieren. Er kann sich<br />
neben seiner beruflichen Kompetenz im<br />
Speditionsgeschäft gut in die Sorgen und<br />
Nöte des transportunerfahrenen Kunden<br />
hineinversetzen, der sein geliebtes Motorrad<br />
fremden Menschen für einen eventuell<br />
heiklen Transport anvertrauen muss.<br />
„Es ist für unser Dienstleistungsverständnis<br />
unerheblich, ob jemand eine nagelneue<br />
BMW GS versenden möchte oder<br />
mit einer zwanzig Jahre alten Yamaha um<br />
die Welt reist. Wir nehmen jedes Anliegen<br />
ernst und behandeln jeden Transport mit<br />
derselben Sorgfalt, als wäre es unser eigenes<br />
Motorrad.“ Nur ein schönes Versprechen?<br />
Anscheinend nicht, denn In Time<br />
genießt ein gewisses Ansehen unter den<br />
Kunden, was sich durch positive Einträge<br />
in diversen Foren niederschlägt. Neben<br />
der individuellen Beratung ist für Olaf<br />
Kleinknecht die Kostentransparenz ein<br />
wichtiger Baustein, um seinen Ruf als verlässlicher<br />
Transportpartner nicht zu verlieren.<br />
Die Kunden erhalten einen Endpreis<br />
inklusive aller Nebengebühren.<br />
Nicht selbstverständlich, denn andere<br />
Anbieter lassen aus Nachlässigkeit oder<br />
Unkenntnis schon mal verschiedene Posten<br />
aus.<br />
Neben den gängigen und beliebten Destinationen<br />
in Amerika, Australien und<br />
Afrika bietet In Time auch Transportlösungen<br />
beispielsweise für Indien, die<br />
Mongolei und Nepal an. Für noch exotischere<br />
Reiseziele werden auf Wunsch individuelle<br />
Konzepte erarbeitet. Olaf Kleinknecht:<br />
„Falls wir keinen verlässlichen<br />
Partner haben oder generieren können,<br />
machen wir keine falschen Versprechen,<br />
sondern geben Tipps, wie das Motorrad<br />
sicher nach Hause kommt.“ Eine Aussage,<br />
die viele Fernreisende beruhigen dürfte.<br />
Infos und Adresse:<br />
In Time Forwarding & Courier e. K.<br />
Flughafen Frachtzentrum Geb. 148,<br />
22335 Hamburg, Telefon 0 40/59 35 92 40<br />
www.intime-ham.com<br />
kann die Palette vom Stapler kippen etc.<br />
Glücklicherweise lassen sich für fast alle<br />
Transportarten spezielle Versicherungen<br />
abschließen, die gemessen am Frachtpreis<br />
kein Vermögen kosten.<br />
Generell empfiehlt es sich, die Transport-<br />
Erfahrungen anderer Motorrad-Reisender<br />
zu berücksichtigen. In der Datenbank des<br />
bekannten Fernreise-Forums HUBB kann<br />
man gezielt nach Erfahrungsberichten<br />
suchen: www.horizonsunlimited.com/<br />
tripplan/transport/shipping.php. Die Gegebenheiten<br />
in den diversen Ländern ändern<br />
sich ständig und die besten Quellen für<br />
frische Infos sind andere Reisende. Grundsätzlich<br />
gibt es für westeuropäische Kunden<br />
einige sehr gute auf Motorrad-Transport<br />
spezialisierte Speditionen am Markt. Empfehlenswerte<br />
Adressen finden sich untenstehend.<br />
Einen Spezialisten möchten wir dieses<br />
Mal näher beleuchten: die Firma In Time aus<br />
Hamburg (siehe Kurzporträt unten).<br />
Adressen <br />
Ausgewählte Adressen von Motorrad-<br />
Speditionen/Bike-Shuttle-Services<br />
Europaweit:<br />
www.bike-on-board.de<br />
www.bikertransit.de<br />
www.bike-shuttle.com<br />
www.bayerwald-motorradtransporte.de<br />
www.bikeworld-travel.de<br />
www.CS-Conti.de<br />
www.4Motorbiker.de<br />
www.free-bike.de<br />
www.hertrans.de<br />
www.motomotion.org<br />
www.moto-cargo.de<br />
www.motorrad-trip.de<br />
www.mototransporter.de<br />
www.mtl-spedition.com<br />
www.motorrad-topguide.de<br />
www.motorradtransporte.org<br />
www.motorradtransport-haueis.de<br />
www.iloxx.de<br />
www.wallner-motorradlogistik.de<br />
www.zweiradtransport24.de<br />
International:<br />
www.bikertransit.de<br />
www.bikeworld-travel.de<br />
www.hamburg-sued.com<br />
www.dhl.de/motorradlogistik<br />
www.hellmann.net<br />
www.interfracht.de<br />
www.intime-ham.com<br />
www.leisurecargo.com<br />
www.lufthansacargo.de<br />
www.go2mbs.de<br />
www.go2uti.com<br />
www.pan-europa.de<br />
www.shipafl.com<br />
www.motorradonline.de LEBEN 91
Reise Bolivien<br />
92 LEBEN
Reif und erfahren: Daniel mit seiner 1200er GS. Jung und neugierig: Madeleine mit ihrer flinken Yamaha XT 660 R<br />
DER ALTE<br />
MANN<br />
UND DAS<br />
GÖR<br />
Erfahrener Globetrotter<br />
nimmt sich einer jungen<br />
Studentin für ihre erste<br />
Südamerika-Tour an. Ein<br />
Abenteuer an sich – und<br />
zwar für beide. Wenn das<br />
ungleiche Gespann dann<br />
noch quer durch Bolivien<br />
fährt, ist in jedem Fall für<br />
Hochspannung gesorgt.<br />
Text und Fotos von Madeleine Becker<br />
und Daniel Lengwenus<br />
Tintenschwarze Dunkelheit wird<br />
jäh zerrissen von einem gleißend<br />
hellen Lichtstrahl. Was zum Teufel<br />
ist das?!? Ein Ufo, das da gerade im<br />
bolivianischen Busch landet? Dieses grelle,<br />
stark blendende Licht scheint jedenfalls<br />
nicht von dieser Welt. Im zweiten Gang kurz<br />
über Standgas, eine Hand schützend vor<br />
den Augen, ist es gar nicht leicht, die vollbepackten<br />
Motorräder auf grobem Schotter<br />
so in der Balance zu halten. Noch ein paar<br />
blinde Meter und wir haben es geschafft,<br />
die Quelle des außerirdischen Blendwerks<br />
passiert und …<br />
Laute Rufe, irgendetwas bewegt sich<br />
im Schatten. Nur langsam gewöhnen sich<br />
die Augen und erkennen Soldaten in Camouflage-Uniformen.<br />
Ein Trupp bis auf die<br />
Zähne bewaffneter Männer zwingt uns<br />
mit vorgehaltenen Waffen zum Anhalten.<br />
In zwei Gruppen umstellen sie uns, hindern<br />
uns mit groben Berührungen daran, von<br />
unseren Motorrädern abzusteigen. Geblendet<br />
von einer in die Augen gehaltenen<br />
kräftigen Taschenlampe, sind im Umfeld<br />
nur noch Gewehrläufe zu erkennen, als die<br />
schroffe Aufforderung ertönt: „Pasaporte!“<br />
Die Jungs der Drogenpolizei sind echt<br />
schlecht drauf. Was aber schlimmer wiegt,<br />
sie sind nervös! Das überträgt sich leider<br />
auch auf die Gestellten! Und das sind wir,<br />
Madi und ich!<br />
Nachdem ich meinen Pass wieder in<br />
den Händen halte, überlassen die Soldaten<br />
mich auf dem Motorrad sitzend der Dunkelheit,<br />
die mich sofort umschließt. Nicht mal<br />
der Tankrucksack direkt vor mir ist zu sehen.<br />
Genervt möchte ich einfach losschreien …<br />
Aber als ich nach oben sehe, erstickt dieses<br />
fantastische Sternenzelt meine Wut und<br />
lässt alles ringsherum vergessen.<br />
Ach ja, Madi hinter mir wird ja immer<br />
noch verhört. Wahrscheinlich übt sie bei<br />
der Gelegenheit ein bisschen Spanisch.<br />
„Hey Madi“, rufe ich, „schau mal nach oben<br />
in diesen genialen Sternenhimmel!“<br />
LEBEN 93
„WIR KOMMEN NUR LANGSAM<br />
VORAN, TUN UNS SCHWER<br />
MIT DER PISTE UND DEN LKWS!“<br />
Neugierige Dorfjugend: An der Straßenkarte<br />
auf dem Tankrucksack sind alle interessiert<br />
Bolivien<br />
Spinnt der jetzt komplett? Ich werde hier<br />
von zehn Männern umringt, hatte gerade<br />
noch eine geladene Waffe vor dem Gesicht,<br />
und jetzt soll ich meinen Blick in den dunklen<br />
Himmel richten? Ein Soldat brüllt mich<br />
unvermittelt an: „Was macht eine 23-Jährige<br />
aus Deutschland mitten in der Nacht an<br />
der bolivianischen Grenze? Mit einem brasilianischen<br />
Motorrad, häh?“<br />
Ja, das ist allerdings eine gute Frage.<br />
Was mache ich hier eigentlich? „Haben Sie<br />
Waffen dabei?“ „Nein!“ „Haben Sie Kokain<br />
dabei?“ „Nein!“ Zwei Soldaten fummeln<br />
an mir herum und tasten mich am ganzen<br />
Körper ab! Gott sei Dank habe ich dicke<br />
Motorrad-Klamotten an. Nach einer gefühlten<br />
halben Stunde ertönt der erhoffte Satz:<br />
„Usted puede pasar!“ Wir dürfen weiterfahren!<br />
Endlich! Ich atme tief durch und schaue<br />
erleichtert nach oben.<br />
Wow! Dieser funkelnde Sternenhimmel.<br />
Er ist wirklich wunderschön.<br />
Nach dieser Befreiung laufen die 50<br />
Kilometer bis Villamontes wie schwerelos<br />
unter unseren Grobstöllern durch. Zivilisation,<br />
die erste in Bolivien, empfängt uns<br />
94 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Wellness auf Bolivianisch: Einfach mal mit frischem<br />
Wasser das Gesicht waschen kann ja so schön sein!<br />
Das Ende einer Dienstfahrt: Nach 38 Stunden auf dem Bock hilft auch das letzte Coca-<br />
Blatt im Mund nicht mehr. Der Fahrer hatte großes Glück, dass die Böschung so sanft war<br />
mit gedämmter Straßenbeleuchtung und<br />
einem kleinen Hotel, welches nach dem<br />
gerade Erlebten wie eine Festung Schutz zu<br />
bieten scheint. Die Einfahrt in den Innenhof<br />
ist wie Eintauchen in einen Hort der Sicherheit.<br />
Erst einmal durchatmen und langsam<br />
wieder runterkommen. Am nächsten Morgen<br />
diskutieren wir, wie wir weiterfahren.<br />
Nach der Mammut etappe von über 500<br />
Kilometern, eigentlich viel zu lang für Südamerika,<br />
wird der Vormittag zur Erholungspause.<br />
Es geht ja nur bis nach Tarija, der<br />
Provinzhauptstadt, die bereits in den Ausläufern<br />
der Anden liegt, jedoch noch auf<br />
verträglichen 1873 Metern. Das sind gerade<br />
mal 240 Kilometer, die schaffen wir locker.<br />
Denkste! Wie kommt man aus einer<br />
Stadt heraus, wenn Verkehrsschilder nicht<br />
existieren, das Navi sich nicht auskennt und<br />
auch sonst keine Karten vorhanden sind?<br />
Durchfragen! Und das dauert.<br />
Der erste kleine Anstieg führt direkt steil<br />
an der Felswand entlang in einen engen<br />
Canyon. Keine Vegetation, eine kochend<br />
heiße, staubige Steinwüste, Temperaturen<br />
um die 42 Grad im Schatten.<br />
Aber kein Schatten! Nur grober Schotter<br />
auf der Piste und ein tief eingeschnittenes<br />
Rinnsal ganz weit unten in der Schlucht.<br />
Keinerlei Streckenbegrenzung. Der Camino<br />
de la Muerte, die Straße des Todes, von La<br />
Paz nach Coroico, ist berüchtigt in der<br />
ganzen Welt – und macht Angst. Das macht<br />
diese Piste von Villamontes nach Entre Rios<br />
ebenfalls. Hier in Bolivien verdienen offenbar<br />
so gut wie alle Bergstraßen das Prädikat<br />
„Straße des Todes“. Denn jeder kleine Fehler<br />
kann tödlich enden. Kein Spaß. Ich frage<br />
meine junge Begleiterin, wie es ihr geht.<br />
Die Antwort kommt aus dem Helm wie das<br />
Fauchen eines wütenden Pumaweibchens:<br />
„Fahr einfach!“<br />
Was will der jetzt schon wieder von mir?<br />
Ich habe hier genug mit mir selbst zu tun.<br />
„Lass dich jetzt bloß nicht ablenken, konzentriere<br />
dich lieber auf diese Straße!“, versucht<br />
mir meine innere Stimme zu sagen. Ich bin<br />
schon den ganzen Tag auf 180, weil er mir<br />
versprochen hat, dass es heute leichter wird<br />
zum Fahren. Und jetzt steht da ein riesiger<br />
Lkw quer. Am Abhang ist gerade noch eine<br />
Lenkerbreite Platz. Dani fährt vor, hält für ein<br />
paar Sekunden inne, gibt Gas und schafft es.<br />
Ach du meine Güte!<br />
www.motorradonline.de LEBEN 95
Immer frisch auf den Tisch: Wo gekocht wird, gibt es<br />
frittiertes Hühnchen oder frittiertes Hühnchen …<br />
Bolivien<br />
Ich atme durch, fasse meinen ganzen<br />
Mut zusammen und fahre in Schrittgeschwindigkeit<br />
am Lastwagen vorbei. Bloß<br />
nicht runterschauen. Bloß nicht! Wie weit es<br />
da wohl runtergeht? Hilfe! Noch nie habe<br />
ich in einen so garstigen Abgrund geschaut.<br />
Mindestens 300 Meter! Steil bergab. Die<br />
Schrittgeschwindigkeit, der Blick nach unten<br />
und diese riesige Angst in mir lassen das<br />
Motorrad kurz instabil werden. Ich besinne<br />
mich, gebe Gas und zische zwischen Lkw<br />
und Abgrund durch. Danach bin ich echt<br />
fertig, zittere am ganzen Körper. Aber Dani<br />
fährt schon wieder weiter . . .<br />
Die Etappe zieht sich immer länger.<br />
Wir kommen nur langsam voran, tun uns<br />
schwer mit dem Staub, den Abgründen,<br />
den rücksichtslosen Lastwagenfahrern. Sie<br />
bremsen nicht für kleinere Fahrzeuge, also<br />
sollte man stets darauf gefasst sein, ganz<br />
spontan einen Ausweichplatz ansteuern zu<br />
müssen. Überlebenswichtig, gerade dann,<br />
wenn man rechts am Abgrund fährt und<br />
die Lkws links an der Wand. Das kostet Zeit<br />
– und Kraft. Bis nach Tarija ist es heute nicht<br />
mehr zu schaffen. Zum Glück gibt es einen<br />
kleinen Ort auf halber Strecke. Und 20 Kilometer<br />
davor wirbt ein großes Plakat für<br />
das Hotel Plaza ebendort. Wir sind gerettet!<br />
Ein Ort, ein Hotel, bis zum Dunkelwerden<br />
erreichbar, was will man mehr?!?<br />
Ein Zimmer in diesem Hotel – zum Beispiel.<br />
Aber es ist leider völlig ausgebucht,<br />
etliche Bohrtrupps haben sich einquartiert.<br />
Sie suchen in diesem Teil Boliviens nach<br />
allem, was sich zu Geld machen lässt. Mineralien,<br />
Metall, Gas … Der Hotelbesitzer will<br />
nicht, dass wir in Schlafsäcken im Innenhof<br />
übernachten. Er empfiehlt uns eine Eco-<br />
Lodge, etwa zehn Kilometer flussaufwärts.<br />
Wir müssen uns sputen, es wird gleich<br />
dunkel. Im letzten Licht biegen wir mit drei<br />
vor uns fahrenden Allrad-Pick-ups von der<br />
Hauptpiste nach rechts ab in einen Feldweg,<br />
der an einer reißenden Furt endet.<br />
Mit weißer Gischt überspült das Wasser die<br />
Hauben der hochbeinigen Toyotas. Mit den<br />
Motorrädern haben wir gar keine Chance<br />
durchzukommen, da steht uns das Wasser<br />
gleich bis zum Hals! Auf der anderen Seite<br />
sehen wir in mittlerweile schwarzer Nacht<br />
die Lichter der Lodge hoch oben am Hang.<br />
Wir schnappen uns das Nötigste an Gepäck<br />
und kämpfen uns zu Fuß durch diese<br />
reißende Strömung. Mit den Motorrädern<br />
wären wir jetzt sicher schon irgendwo 50<br />
Meter weiter flussabwärts …<br />
Wieso kann es nicht einfach mal an<br />
einem Tag glattlaufen? Nach dieser Horrorstrecke<br />
will ich einfach nur noch in die Koje.<br />
Stattdessen kämpfe ich mich in dunkler<br />
Nacht mit vollem Gepäck durch sprudelndes<br />
kaltes Wildwasser. Es steht mir bis zur Hüfte,<br />
klitschnass ist gar kein Ausdruck.<br />
96 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
„WIR HÄTTEN AUF DER HAUPT-<br />
STRASSE BLEIBEN SOLLEN. DIE NEBEN-<br />
PISTEN SIND SO ANSTRENGEND!“<br />
Fruchtbar und vitaminreich: Rund um Tarija wächst alles an Obst, was des Reisenden<br />
Herz begehrt. Im Pantanal gibt es dagegen nur Sumpf. In ihm gedeihen Wasserschweine<br />
Ein Bild von einer Stadt: Auf 2800 Meter Höhe eingebettet in die grünen Anden liegt Sucre.<br />
Mit ihren vielen bestens erhaltenen Kolonialbauten ist sie die schönste ganz Boliviens<br />
Triefend stampfen wir in die Lodge. Es<br />
duftet nach Bratwurst und frischem Kartoffelsalat.<br />
Wahrscheinlich habe ich schon<br />
Halluzinationen. Aber nein, die Gäste essen<br />
das wirklich. Eine Deutsche leitet die Eco-<br />
Lodge. Ich könnte ihr die Füße küssen für das<br />
phänomenale Essen – endlich mal ein Abend<br />
ohne den ewig eintönigen Reis mit Bohnen.<br />
Von Tarija nach Potosí erwarten uns 350<br />
Kilometer wunderbare, bestens asphaltierte<br />
Kurven, genauso schön wie in den Alpen.<br />
Asphalt, besonders in gekrümmter Form,<br />
www.motorradonline.de LEBEN 97
Bolivien<br />
kann solch ein Segen sein. Wir genießen<br />
den unbeschwerten Kurvenswing. So<br />
schön die Anfahrt war, so grausam empfängt<br />
uns die nach und nach verkommende<br />
Minenstadt Potosí. Auf über 4000<br />
Metern kriegt man hier schon der Höhe wegen<br />
starke Kopfschmerzen. Und die werden<br />
noch schlimmer, wenn man begreift, mit<br />
welch primitiven Mitteln die verarmten<br />
Bergleute versuchen, aus den bereits ausgebeuteten<br />
und längst verlassenen Minen<br />
das Letzte herauszuholen. Entsprechend<br />
verhärmt geben sich die Einwohner, die<br />
Stimmung ist schlecht. Fremde sind hier<br />
nicht wirklich willkommen. Das merken<br />
wir ganz deutlich auf dem Indio-Markt.<br />
Wenn wir fotografieren wollen, werden wir<br />
beschimpft. Also nichts wie weg. Aber das<br />
sagt sich so leicht. Meine GS springt nicht<br />
an! Ausgerechnet hier!<br />
Dani schnappt sich mein Motorrad und<br />
versucht, eine Ersatz-Batterie aufzutreiben.<br />
Na toll, jetzt stehe ich alleine und verlassen<br />
mit seiner fetten GS hier herum und soll auch<br />
noch Wache spielen. Einige Bolivianer bleiben<br />
stehen und starren mich an. Haben die<br />
noch nie ’ne blonde Frau gesehen? Oder liegt<br />
es an der dicken BMW?<br />
Aber ich habe bis hierher schon Schlimmeres<br />
überstanden. Ich setze meinen bösesten<br />
Blick auf und checke das mal kurz im<br />
GS-Spiegel. Wow! Nicht schlecht, denke ich,<br />
und schaue den vielen gaffenden Männern<br />
entschlossen in die Augen. Nach einer halben<br />
Stunde „Böse-Blicke-Posen“ höre ich<br />
meine treue XT anbrausen. Daniel hat eine<br />
kleine Roller-Batterie mitgebracht. Ich traue<br />
ihr nicht viel zu, aber sie gibt alles, und tat-<br />
sächlich springt der Boxer dann auch an.<br />
Endlich können wir aus dieser gruseligen<br />
Stadt verschwinden - und meine Gesichtsmuskeln<br />
sich wieder entspannen.<br />
Was krabbelt denn da hinten so gemächlich<br />
über die vor Hitze flimmernde<br />
Straße? Bei Tempo 100 erkenne ich viel zu<br />
spät, dass es sich um eine riesige Vogelspinne<br />
handelt, der ich gerade noch ausweichen<br />
kann. In der Wirbelschleppe meiner<br />
Koffer wird das Vieh hoch in die Luft gesogen<br />
und fliegt handtellergroß ausgebreitet<br />
auf Madis Kopf zu!<br />
Frühstück mal anders: mit Kartoffeln gefüllte<br />
Empanadas mit Zwiebeln und Chilisoße<br />
„UNBESCHWERT UND FLOTT<br />
IM KURVENSWING. ASPHALT<br />
KANN JA SO SCHÖN SEIN“<br />
98 LEBEN
Aaaahhh! Eine gigantische Spinne fliegt<br />
nur zehn Zentimeter an meinem Visier vorbei.<br />
Boah, was für ein Riesenviech! So langsam,<br />
aber sicher habe ich echt genug von dieser<br />
Abenteuerreise. Erst vor drei Tagen hatten wir<br />
eine verdammt große Vogelspinne im Badezimmer.<br />
Natürlich habe ich sie erst entdeckt,<br />
als ich mir schon im Evaskostüm genüsslich<br />
den Dreck abduschen wollte.<br />
Irgendwo auf der Staatsstraße 5, eine<br />
der schwierigsten Etappen der Reise, muss<br />
ich den verlorenen Ölstopfen der GS mithilfe<br />
einer alten Shampoo-Flasche ersetzen.<br />
Während ich vor dem Zylinder knie und das<br />
grüne Plastikteil zurechtschnitze, fährt ein<br />
Lkw in knapp einem Meter Abstand an mir<br />
vorbei. Was macht der hier auf der linken<br />
Pis tenseite? Der Fahrer schläft, und zwar tief<br />
und fest. Ich laufe hinterher und schreie ihn<br />
wach, damit er die Brücke nicht nach links<br />
in den Abgrund verfehlt. Er schreckt hoch<br />
und korrigiert mit einer zuckenden Lenkbewegung,<br />
sodass es der Laster gerade noch<br />
über die Brücke schafft.<br />
Ärgerlich, jetzt müssen wir den später<br />
auch noch überholen. Und während des<br />
Bestürzende Verhältnisse: Auf diesem roten Schlamm<br />
ist Bodenkontakt nicht in jedem Fall zu vermeiden<br />
Begehrtes Nass: Im Pantanal durchziehen etliche Wasserarme das Tiefland und gestalten<br />
riesige Sumpfflächen und fruchtbares Weideland. Auch Krokodile fühlen sich hier wohl<br />
Überholvorgangs sieht man des ganzen<br />
aufgewirbelten Sandstaubs wegen rein gar<br />
nichts. Ein echter Blindflug, bis man dann<br />
endlich am Lkw vorbei ist. Soeben hat sich<br />
das Problem erledigt, der Truck rutscht laut<br />
krachend eine Böschung hinunter.<br />
„Ayuda! Ayuda! Hilfe! Hilfe“, schreie ich<br />
so laut ich kann. Wir schnappen unsere<br />
Helme und fahren zur Unfallstelle. Blutüberströmt<br />
kriecht der Fahrer aus dem Führerhaus.<br />
Die Hamsterbacken prall mit Coca-<br />
Blättern gefüllt, sagt er zu uns: „Me había<br />
dormido!“ Ja, das haben wir gesehen, dass<br />
du eingeschlafen bist. Er weint. Er ist seit 38<br />
Stunden unterwegs und braucht das Geld,<br />
um seine Familie zu ernähren. Am liebsten<br />
wäre er jetzt gestorben, seufzt er, diese<br />
Schulden kriegt er niemals abbezahlt. Hier<br />
scheint es weder Versicherungen noch geregelte<br />
Fahrzeiten zu geben. Wie es jetzt wohl<br />
für den armen Kerl weitergeht? Ich mag gar<br />
nicht dran denken. Den restlichen Tag fahre<br />
ich ganz beklommen vor mich hin.<br />
Weit hinter Santa Cruz, in der bolivianischen<br />
Tiefebene, strebt die Straße bolzengerade<br />
und gut asphaltiert gen Osten, in<br />
Richtung Brasilien. Am besten jede Tankstelle<br />
nutzen, die Entfernungen zwischen<br />
den kleinen Siedlungen sind enorm. Uns<br />
gegenüber tanken auch deutsche Bolivianer,<br />
die hier so ähnlich leben wie die Amish<br />
People in den Vereinigten Staaten: Hinten<br />
auf ihrem Pferdefuhrwerk befüllen sie eine<br />
große Tonne mit Diesel. Ein kleiner Junge in<br />
blauer Latzhose starrt Madi regungslos an,<br />
ohne mit der Wimper zu zucken. Die Szene<br />
mutet an wie aus dem Horrorstreifen „The<br />
Hills have Eyes“, in dem die Einheimischen<br />
Touristen fressen. Schnell weiter, bevor der<br />
immer weiter glotzende Bub Madi noch anknabbert.<br />
Bis in den nächsten Ort müssen<br />
wir es noch schaffen, bevor es dunkel wird.<br />
LEBEN 99
Bolivien<br />
Diese Nachfahren deutscher Kolonialisten<br />
sehen sich alle sehr, sehr ähnlich. Sie<br />
haben alle die gleiche Statur, die gleichen<br />
Gesichtszüge, und alle haben strohblonde<br />
Haare. Da werden die Gene wohl in einem<br />
ganz engen Pool zusammengehalten …<br />
Jetzt starren sie mich schon wieder alle<br />
an. Nichts wie weg hier! 80 Kilometer weiter<br />
finden wir ein nettes Hotel und nebenan ein<br />
Restaurant. Wie überall gibt es Reis und<br />
Hühnchen. Dani zuckt plötzlich zusammen,<br />
fast bleibt ihm ein Hühnerflügel im Hals stecken.<br />
Er starrt an mir vorbei und zeigt ganz<br />
still auf die Eingangstür. Oh nein, da sind die<br />
Latzhosen ja schon wieder. Die haben uns<br />
doch hoffentlich nicht wirklich verfolgt?<br />
Kann das alles nur ein dummer Zufall sein?<br />
Das ist echt mal gruselig. Unauffällig legen<br />
wir das Geld auf den Tisch und machen uns<br />
ganz flugs aus dem Staub.<br />
Haustiere mal anders: Nicht jeder bleibt<br />
beim Anblick einer Vogelspinne gelassen<br />
Wir hätten auf der Hauptstraße bleiben<br />
sollen. Nach etlichen tiefen und undurchsichtigen<br />
Wasserdurchfahrten auf roter<br />
Lehmpiste liege ich hier im Schlamm und<br />
frage mich, wie ich die Fuhre wieder aufrichten<br />
kann. Nicht mal mit den Stiefeln<br />
findet man sicheren Halt auf dieser Pampe.<br />
Während ich verzweifelt rutschend und<br />
fluchend die GS aufzurichten versuche,<br />
sucht Madi hinter mir erst mal in aller Ruhe<br />
einen Parkplatz. Typisch Frau! Nachdem<br />
ich die Kuh, damit ist ausdrücklich die GS<br />
gemeint, in einem Wutanfall mit Adrenalinschub<br />
wieder in die Vertikale gehievt habe,<br />
steht Madi neben mir!<br />
Oh Gott, wenn da der Profi schon liegt,<br />
was wird dann erst aus mir? Ich muss jetzt<br />
schnell helfen! Seitenständer raus und, oh<br />
nein, die XT rutscht mir nach hinten davon.<br />
An drei, vier anderen Stellen das gleiche<br />
Spiel. Ich kann sie einfach nirgendwo abstellen.<br />
Egal, dann lege ich sie eben hin. Jetzt<br />
schnell zu Dani und der gestrauchelten GS.<br />
Auf dieser gottverlassenen, einsamen<br />
Ruta 10 zwischen San Ignacio und San<br />
Juan kämpfen wir uns Meter um Meter<br />
durch den roten Glibber. Hinter San Matias<br />
erreichen wir völlig erschöpft endlich<br />
Brasilien. Der dunkelhäutige Grenzpolizist<br />
schaut auf mein Nummernschild und sagt<br />
auf Deutsch: „Hey, kommt ihr aus Deutschland?<br />
Willkommen in Brasilien!“ Für einen<br />
kurzen Moment fühlt es sich an, als wären<br />
wir eben nach Hause gekommen.<br />
www.motorradonline.de/unterwegs<br />
„METER UM METER DURCH<br />
DEN ROTEN GLIBBER KÄMPFEN<br />
WIR UNS NACH BRASILIEN!“<br />
100 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
Heute im Angebot: frische Coca-<br />
Blätter gegen die Höhenkrankheit<br />
Völlig unzerschmettert: Da hat der<br />
schöne Falter aber Glück gehabt<br />
infos<br />
Bolivien ist nicht einfach<br />
zu bereisen. Schwierige<br />
Pistenverhältnisse, kaum<br />
Zivilisation, wenig Luxus.<br />
Doch wer sich den Strapazen<br />
stellt, erfährt ein ursprüngliches<br />
Reiseerlebnis.<br />
ALLGEMEINES: Spanisch und<br />
sein Motorrad sollte man schon beherrschen,<br />
um dieses unverfälschte<br />
Bolivien sicher zu erfahren. Dabei<br />
hilft es, nicht zu zimperlich zu sein<br />
und auf Komfort und Luxus auch<br />
mal verzichten zu können.<br />
GELD: Da an den Geldautomaten<br />
nicht immer Geld zu bekommen<br />
ist und die Banken oft geschlossen<br />
sind, kommt man um eine ausreichende<br />
Barreserve nicht herum.<br />
Am besten eignen sich US-Dollar,<br />
die auch der Landbevölkerung<br />
bekannt sind. Den Euro kennen<br />
viele Bolivianer noch nicht.<br />
ÜBERNACHTEN: In allen<br />
Städten gibt es sowohl einfache<br />
Hostels als auch komfortable Hotels,<br />
die sogar über booking.com buchbar<br />
sind. In der Provinz wird es allerdings<br />
spannend, da stehen oft<br />
nur sehr rustikale Unterkünfte zur<br />
Verfügung, die normalerweise von<br />
einfachen Arbeitern frequentiert<br />
werden. Da kann es schon mal vorkommen,<br />
dass man ungebetene<br />
Gäs te (siehe Foto oben links) oder<br />
schmutzige Bettwäsche vorfindet.<br />
Es empfiehlt sich daher, einen<br />
Schlafsack dabeizuhaben. Für den<br />
Fall, dass man mal keine Unterkunft<br />
findet, ist ein leichtes Zelt im Gepäck<br />
kein Fehler. Allerdings kann<br />
man nicht überall gefahrlos zelten.<br />
Am besten, man wendet sich an vertrauenswürdige<br />
Personen vor Ort.<br />
San Ignacio<br />
de Velasco San Matias<br />
SANTA CRUZ<br />
DE LA SIERRA San Miguel<br />
Jesuiten Mission San Rafael<br />
Pampa Grande<br />
Chiquitos<br />
Santa Rosario<br />
BOLIVIEN<br />
Saipina<br />
Aiquile<br />
Pozo<br />
San José de<br />
del Tigre<br />
Chiquitos<br />
Quiroga<br />
Bañados del Izozog<br />
La Higuera<br />
Co. Azanaques SUCRE<br />
Che-Guevara-Denkmal<br />
Silberminen<br />
Potosi<br />
Cucho Ingenio<br />
Betanzos<br />
Padcaya<br />
Salar de Uyuni<br />
PARAGUAY<br />
Co. Tazna<br />
Villa<br />
Villamontes 150 km<br />
Abecia<br />
Chorolque<br />
El Puente Ibibobo<br />
Tarija<br />
C o r d . C e n t r a l<br />
Salinas<br />
Tariquia National Park<br />
Picada Sucre<br />
ARGENTINIEN<br />
Reisedauer: 16 Tage<br />
Gefahrene Strecke: 2200 Kilometer<br />
ANREISE: Da Bolivien ein Binnenland<br />
ist, muss die Anreise zwingend<br />
über die angrenzenden Länder<br />
erfolgen. Für die Grenzübertritte<br />
muss man in der Regel viel Geduld<br />
mitbringen, und die Papiere müssen<br />
gut vorbereitet sein. Wer mit einem<br />
gemieteten Motorrad einreist,<br />
braucht zusätzlich eine notarielle<br />
Autorisierung vom Vermieter. Die<br />
kostet etwa 100 bis 125 US-Dollar.<br />
MOTORRÄDER: Motorräder<br />
gibt es unserer Kenntnis nach nicht<br />
in Bolivien zu leihen. Die nächste<br />
Alternative befindet sich in Chile:<br />
motoaventura.cl bietet alle BMW-<br />
Enduros an, allerdings kostet schon<br />
die kleine G 650 GS etwa 130 US-<br />
Dollar am Tag. Wer sein eigenes Motorrad<br />
mitbringt, sollte besser auch<br />
den Weg über Chile nehmen, da der<br />
Zoll dort problemlos funktioniert.<br />
Die Spedition In Time aus Hamburg<br />
verschifft Motorräder von Hamburg<br />
nach Valparaíso. Die Kosten dafür<br />
liegen bei etwa 2000 Euro hin und<br />
zurück. Das Motorrad muss dafür in<br />
einer Transportkiste verpackt sein.<br />
Wer sein Motorrad nach der Tour in<br />
!<br />
BRASILIEN<br />
Caracas<br />
Atlantik<br />
PERU<br />
BRASILIEN<br />
BOLIVIEN Brasilia<br />
Sucre<br />
Pazifik<br />
CHILE<br />
PARAGUAY<br />
Santiago<br />
Buenos Aires<br />
ARGENTINIEN<br />
Bolivien<br />
Hauptstadt: Sucre<br />
Fläche: 1 098 581 km 2<br />
Gründung: 6. August 1825<br />
Währung: Boliviano (BOB)<br />
Einwohnerzahl: 10 631 486<br />
(Juli 2014)<br />
Südamerika lassen möchte, muss<br />
sich genauestens erkundigen,<br />
wie lange ein Motorrad in welchem<br />
Land bleiben darf. In den meisten<br />
Fällen werden nicht mehr als drei,<br />
höchstens aber sechs Monate erlaubt.<br />
Nur in Uruguay darf ein Motorrad<br />
offiziell für ein ganzes Jahr<br />
vorübergehend eingeführt werden.<br />
In Brasilien wird die Einfuhr gar<br />
nicht mehr dokumentiert, wenn<br />
man als Deutscher ein deutsches<br />
Nummernschild hat. Das Motorrad<br />
des Autors steht in Brasilien. Dort<br />
könnte man auch eine Yamaha XT<br />
660 für 75 Euro am Tag mieten, aber<br />
von Südbrasilien bis nach Bolivien<br />
ist es sehr weit. Genauere Infos über<br />
Miete oder Unterstellmöglichkeiten<br />
gibt es bei motoinbrasil@aol.de<br />
Karte: MAIRDUMONT/Claudia Werel<br />
Gegensätze ziehen sich an: Nach<br />
bestandenen Strapazen auf der<br />
Pis te gönnt man sich gern mal<br />
den Luxus eines schönen Hotels<br />
Mittlerweile ist schon mehr als ein Jahr vergangen. Ich denke immer<br />
wieder an Daniels Definition eines richtigen Abenteuers: „Abenteuer<br />
sind jene Situationen, in denen man nicht stecken möchte, wenn<br />
man gerade drin ist.“ Genau dieser Satz beschreibt die große Reise.<br />
Seither ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht grinsend an das<br />
größte Abenteuer meines Lebens zurückdenke. Am liebsten würde<br />
ich mein Motorrad gleich wieder bepacken und einfach losfahren.<br />
Madeleine Becker (23) aus Remchingen, Studentin der HS Calw im<br />
Masterstudiengang Mediamanagement and Public Communication<br />
www.motorradonline.de LEBEN 101
Nachruf Arturo Magni<br />
WELTMEISTER<br />
MECHANIKER<br />
Am 2. Dezember 2015 starb Arturo Magni im Alter von 90 Jahren. Von 1955 bis 1976 war er<br />
Rennleiter von MV Agusta. Weil die meisten, vor allem aber die ruhmreichsten MV-Weltmeistermaschinen<br />
durch seine Hände gegangen sind, kommt diese Bezeichnung einem Adelsprädikat<br />
gleich. Eine Würdigung des erfolgreichen Technikers.<br />
102 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
John Surtees mit der 350er-Vierzylinder bei<br />
der TT 1959. Arturo Magni hat den Tankdeckel<br />
geöffnet und den Rüssel des Kanisters<br />
zum Nachtanken angesetzt (links)<br />
Von Ralf Schneider; Fotos: Schwab, Cathcart, Giorgio Nada Editore<br />
Arturo Magni selbst beschrieb seine besondere Stellung<br />
in aller Bescheidenheit. Ein besserer Mechaniker sei<br />
er gewesen, erzählte er einst in einem Gespräch mit<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Korrespondentin Eva Breutel. Wichtige<br />
Entscheidungen die Renneinsätze betreffend, habe Conte Domenico<br />
Agusta, der Chef von MV, stets in glanzvoller Despotie selbst<br />
gefällt. Diese Selbsteinschätzung verschweigt vornehm die Tatsache,<br />
dass wenig erreicht und noch lange nichts gewonnen ist,<br />
wenn eine Rennmaschine frisch aufgebaut auf den Rädern steht.<br />
Die handwerkliche Umsetzung einer Konstruktion, die präzise<br />
Bearbeitung von Motor- und Fahrwerksteilen, die penible Einstellung<br />
aller Komponenten und all die Detailarbeit, die mit dem<br />
Begriff Abstimmung mehr verschleiert als beschrieben wird,<br />
oblag Arturo Magni, seit er im Jahr 1950 bei MV Agusta anfing.<br />
Als einfacher, aber wohl schon damals besserer Mechaniker.<br />
Er war zarte 25 Jahre alt. Begeisterter Erbauer von Flugzeugmodellen<br />
und italienischer Meister im Langstreckenflug in einem<br />
selbst gebauten Segelflieger, hatte Magni seine berufliche Laufbahn<br />
beim Flugzeughersteller Bestetti Aeronautica in Arcore begonnen,<br />
wo er noch während des Krieges die Motoren von Militärflugzeugen<br />
wartete. Diese stellen höchste Anforderungen an die<br />
Sorgfalt der Mechaniker, und was Magni im Umgang mit ihnen<br />
lernte, prägte ihn fürs Leben. Den letzten Schliff erhielt er, als er<br />
1947 zu Gilera wechselte, einem der ältesten italienischen Motorradhersteller,<br />
der ebenfalls in Arcore ansässig war. Für die Entwicklung<br />
eines 500er-Vierzylinder-Rennmotors suchte Ingegnere Pietro<br />
Remor ausdrücklich einen jungen Mechaniker, den er in seinem<br />
Was im oberen Foto in<br />
Sachen Motorengebrüll<br />
gerade abgeht, zeigt<br />
der mittlere Zuschauer<br />
in der Box. Links von<br />
ihm der Conte Agusta.<br />
Im Foto nebenan feiert<br />
das stolze MV-Team<br />
einen der zahlreichen<br />
Siege Giacomo Agostinis<br />
am Sachsenring<br />
Die erste 500er von MV: 1950 noch als Turismo ausgeführt.<br />
Mit Telegabel, Parallelogrammschwinge und Reibungsdämpfer<br />
1953 trug die Rennmaschine immer noch Parallelogramm, jetzt<br />
aber mit hydraulischer Dämpfung. Vorn federt eine Earles-Gabel<br />
Sinn ausbilden wollte. Die Wahl fiel auf Magni, und als Remor im<br />
Frühjahr 1950 von Gilera zu MV Agusta wechselte, zog er ihn mit.<br />
Mit leichten Modifikationen konstruierte und realisierte Remor<br />
seinen Vierzylinder für MV gleich noch einmal. Weil der Conte<br />
Agusta die neue 500er zunächst als Straßenmotorrad geplant<br />
hatte, erhielt sie einen Kardanantrieb und zur Verringerung der<br />
Kardanreaktionen eine Parallelogrammschwinge. Als Magni Jahrzehnte<br />
später Moto Guzzi-Motoren in seine Fahrwerke einbaute,<br />
nahm er diese Technik wieder auf. Die zwei Fotos der ersten<br />
MV-Vierzylinder aus den Jahren 1950 und 1953 zeigen bei genauem<br />
Hinsehen, wie viel die Techniker damals mit verschiedenen<br />
Federungssystemen, Dämpfungsvarianten, ja sogar Schaltmechawww.motorradonline.de<br />
LEBEN 1<strong>03</strong>
Vorn wird eine<br />
Anzahl von Magni-<br />
Guzzis allmählich<br />
komplettiert, während<br />
der Seniorchef<br />
sich im Hintergrund<br />
ums historische<br />
Material kümmert<br />
Nachruf Arturo Magni<br />
nismen sowie Kardan- und Kettenantrieb experimentierten. Bei<br />
all diesen Änderungen dürfen wir uns Arturo Magni am Werk vorstellen.<br />
Immer an der Nahtstelle von Idee und Verwirklichung.<br />
1966 hatte die MV-Rennmannschaft, seit 1955 unter seiner<br />
Leitung, bereits so viel Erfahrung gesammelt, dass ihre nächste<br />
Neukonstruktion einschlug wie eine Bombe: Gefahren von einem<br />
jungen Italiener namens Giacomo Agostini, gewann die neue<br />
350er-Dreizylinder-Rennmaschine mit Vierventilmotor gleich ihren<br />
ersten Grand Prix-Einsatz. Aufgebohrt auf 377, später auf 474<br />
cm³, half sie Agostini, im gleichen Jahr 500er-Weltmeister zu werden.<br />
Von da an gewann er jeden seiner MV-WM-Titel auf den ständig<br />
weiterentwickelten 350er- und 500er-Dreizylindermaschinen.<br />
Sie ist das Motorrad der goldenen Ära von MV Agusta mit<br />
350er- und 500er-Titelgewinnen in Serie, aber oft sehr langweiligen<br />
Rennen. Ungleich spannender war die Endphase des MV-Engagements<br />
in der Weltmeisterschaft, in Sachen Technik ein Gang<br />
auf einem messerscharfen Grat zwischen Sieg und Ausfall. Manchmal<br />
konnten Arturo Magni und sein Team regelrechte Raketen<br />
auf die Räder stellen. Zum Beispiel 1974 in Spa Francorchamps, als<br />
Phil Read in der ersten Runde nach einem Schiebestart mehrere<br />
Sekunden Vorsprung herausfuhr, den Rundenrekord unterbot und<br />
mit Dauerdrehzahlen von 15 000/min den schnellsten Renndurchschnitt<br />
in der Geschichte des GP-Sports schaffte. Andererseits gelang<br />
es den Technikern nicht, den Ventiltrieb der neu entwickelten<br />
Vierzylinder dauerhaft standfest zu machen und das Stempeln des<br />
Hinterrads beim Zurückschalten sowie das störrische Handling der<br />
MV zu verbessern. 1976 fuhr Giacomo Agostini auf dem Nürburgring<br />
den letzten Grand Prix-Sieg einer MV Agusta ein.<br />
Arturo Magni baute nach der Schließung der Rennabteilung<br />
in Kooperation mit dem deutschen MV-Importeur Michael Hansen<br />
und zusammen mit seinen Söhnen MV-Straßenmotorräder.<br />
Auf der Basis des alten Zweiventil-Vierzylinders entstanden<br />
Maschinen mit bis zu 1100 cm³. Später setzte er BMW-, Honda-,<br />
Suzuki- und wie erwähnt Moto Guzzi-Motoren in seine Fahrwerke.<br />
Die Rahmen wurden stets klassisch aus Stahlrohr gebaut,<br />
meist rot lackiert und besitzen eine starke Dosis MV Agusta der<br />
klassischen Ära. Das ist kein Wunder; es steckt schließlich auch<br />
eine Menge Magni in MV.<br />
Für Guzzi-Motoren<br />
(hier von einer Le<br />
Mans 3) mit Kardanantrieb<br />
griff Arturo<br />
Magni in seinen<br />
späten Jahren die<br />
Technik seines MV-<br />
Erstlings wieder auf<br />
Einige der Fotos<br />
stammen aus dem<br />
neu erschienenen<br />
Buch „MV Agusta.<br />
From 1945 to the<br />
present“ von Mario<br />
Colombo, Roberto<br />
Patrignani, Massimo Chierici. 360<br />
Seiten, Hunderte von Schwarz-Weißund<br />
Farbfotos. Mit einem Katalog<br />
aller MV-Renn- und Straßenmotorräder.<br />
Bestellungen beim Verlag<br />
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www.giorgionadaeditore.it; Preis<br />
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104 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
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Bankinstitut<br />
Ich zahle per<br />
Rechnung.<br />
SEPA-Lastschriftmandat: Ich ermächtige die DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH, Düsternstr. 1-3,<br />
2<strong>03</strong>55 Hamburg, Gläubiger-Identifi kationsnummer DE77ZZZ00000004985, wiederkehrende Zahlungen<br />
von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die<br />
von der DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die<br />
Mandatsreferenz wird mir separat mitgeteilt. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend<br />
mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit<br />
meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.<br />
Verlagsgarantie: Sie können die Bestellung binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen.<br />
Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Sie die erste bestellte Ausgabe erhalten, nicht jedoch vor<br />
Erhalt einer Widerrufsbelehrung gemäß den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Zur<br />
Wahrung der Frist genügt bereits das rechtzeitige Absenden Ihres eindeutig erklärten Entschlusses, die<br />
Bestellung zu widerrufen. Sie können hierzu das Widerrufs-Muster aus Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB<br />
nutzen. Der Widerruf ist zu richten an:<br />
<strong>MOTORRAD</strong>, Aboservice, Postfach, 70138 Stuttgart, Telefon: + 49 (0) 711 320 688 99,<br />
Telefax: +49 (0) 711 182 255 0, E-Mail: motorrad@dpv.de<br />
Datum/Unterschrift<br />
Best.-Nr. 1440470<br />
Club powered by<br />
Club-Partner:<br />
Jeder Leser eines Abonnements von <strong>MOTORRAD</strong>, PS, <strong>MOTORRAD</strong> Classic oder FUEL und jeder Teilnehmer einer Reise oder eines Trainings des <strong>MOTORRAD</strong> action teams wird automatisch Mitglied im Club der<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-HELDEN. Und mit dem individuellen Clubausweis öffnet sich die ganze Vorteilswelt von www.motorrad-helden.de und der Club-Partner.
Modellraten<br />
Die fehlenden Modellbezeichnungen auf dem<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Katalog sind doch für echte Kenner<br />
kein Problem. Oder?<br />
RATE<br />
MAL!<br />
Der <strong>MOTORRAD</strong>-Katalog ist das<br />
Standardwerk für Motorrad-Enthusiasten.<br />
Und gut für alle, die gerne<br />
den Überblick behalten wollen.<br />
Unter den <strong>MOTORRAD</strong>-Helden verlosen<br />
wir 15 Gratisexemplare in<br />
einem Gewinnspiel. Wer kann drei<br />
Modelle vom Titel des Katalogs<br />
korrekt benennen?<br />
Von Roman Kirschbauer<br />
Wer in Sachen Motorrad bestens<br />
informiert sein will,<br />
greift alljährlich zum MOTOR-<br />
RAD-Katalog. Die diesjährige<br />
Ausgabe versammelt auf 292 Seiten alles,<br />
was die neue Saison an Zweirädern bereithält.<br />
Der Überblick über alle in Deutschland<br />
erhältlichen Motorräder inklusive technischer<br />
Daten, Testergebnissen und einer kurzen<br />
Beschreibung ist seit Jahrzehnten einmalig.<br />
Selbst Leichtkrafträder, Roller, Elek trobikes<br />
und Pocketbikes haben wir für euch<br />
aufwendig recherchiert. Über 900 Modelle<br />
wecken dabei die Lust auf den Frühling.<br />
Darüber hinaus findet sich in diesem<br />
dicken Wälzer eine Auswahl an Tuning -<br />
Mo tor rädern, Umbauten und Custombikes.<br />
Ebenso vertreten sind das breite Angebot<br />
an sportlichen Offroad-Motorrädern sowie<br />
das Panoptikum der Gespannbauer. Ein<br />
nach Spezialgebieten geordneter Adressteil<br />
bildet das Who’s who der Motorradszene<br />
in Deutschland und den benachbarten Ländern<br />
ab. Jeder, der einen Experten zu einer<br />
bestimmten Frage sucht, wird dort fündig.<br />
Mit einem Preis von 8,50 Euro ist der Katalog<br />
eine hervorragende Investition für alle,<br />
die mehr wissen wollen. Aber es geht sogar<br />
noch preiswerter. Zumindest für Clubmitglieder.<br />
Und das sind bekanntermaßen alle<br />
Abonnenten von <strong>MOTORRAD</strong>, <strong>MOTORRAD</strong><br />
Classic und PS sowie jeder <strong>MOTORRAD</strong><br />
action team-Stammkunde (Kunden, die in<br />
den letzten drei Jahren mindestens eine<br />
Veranstaltung gebucht haben).<br />
Um umsonst an den Katalog zu kommen,<br />
geht ihr wie gewohnt auf www.<br />
motorrad -helden.de, loggt euch ein, klickt<br />
auf das Gewinnspiel und löst die Aufgabe:<br />
Wir haben auf dem Titel des <strong>2016</strong>er-Katalogs<br />
alle Modellbezeichnungen zu den dort<br />
abgebildeten Motorrädern unlesbar gemacht.<br />
Ihr müsst nur drei der Modelle richtig<br />
benennen und seid dadurch im Lostopf.<br />
Die 15 Gewinner bekommen den Katalog<br />
per Post zugeschickt.<br />
HELDEN- Infos<br />
Das lohnt sich: Entdecke immer wieder<br />
neue Möglichkeiten rund um<br />
den Club ausweis. Alle I nfos über die<br />
vielen Vorteile und aktuelle preisreduzierte<br />
Produkte, Gewinnspiele,<br />
den Zugang, die Aktivitäten, das<br />
exklusive Wissen und den Mitgliederbereich<br />
findet ihr auf<br />
www.motorrad-helden.de<br />
106 LEBEN<br />
3/<strong>2016</strong>
In der ersten Ausgabe der <strong>MOTORRAD</strong> edition dreht sich alles um den Zweiventil-<br />
BMW-Boxer. <strong>MOTORRAD</strong> begleitet dieses einzigartige Motorradkonzept seit seinen<br />
Anfängen im Jahr 1923. So sammelten sich im Archiv wahre Schätze, aus denen<br />
dieses exklusive Sonderheft zusammengestellt wurde. Testberichte, Technikhistorie,<br />
Hintergründiges, Kurioses und Skurriles. Alles in einem Heft.<br />
ACHTUNG<br />
ERSTAUSGABE.<br />
JETZT AM<br />
KIOSK!<br />
» DIREKTBESTELLUNG:<br />
<strong>MOTORRAD</strong>ONLINE.DE/SONDERHEFT
R A T G E B E R<br />
Test Batterieladegeräte<br />
WURSTKATZE<br />
Wir wissen, was Sie jetzt denken. Und Sie haben recht! Aber die Sache<br />
mit der dicken Katze und der merkwürdigen Headline passierte,<br />
als Redakteur und Grafiker im Bildarchiv unter „Kühlschrank“ recherchierten.<br />
Von wegen „Frischhaltegerät“ und so. Wie auch immer:<br />
acht Frischhalter im Test. Von Klaus Herder; Fotos: GTÜ<br />
Die Zeiten, in denen einfache Steckernetzteil-Ladegeräte<br />
oder<br />
große, leistungsstarke, aber leider<br />
nur simpel linear arbeitende Autobatterielader<br />
aus dem Baumarkt unschuldige<br />
Motorradbatterien totkochten, neigen<br />
sich glück licherweise dem Ende zu. Technisch<br />
halbwegs interessierte Selbermacher<br />
– und vermutlich nur die trauen<br />
sich an pflegebedürftige Akkus heran –<br />
dürften mittlerweile registriert haben,<br />
dass moderne Starterbatterien auch nach<br />
moderner Ladetechnik verlangen. Vorausgesetzt<br />
man möchte den Saftspender<br />
dauerhaft und ohne ständige Aufsicht am<br />
Ladegerät lassen wie zum Beispiel in der<br />
Winterpause.<br />
Doch neben den die kalte Jahreszeit<br />
überbrückenden Motorradfahrern gibt es<br />
seit geraumer Zeit auch eine zweite Zielgruppe<br />
für moderne Batterieladegeräte:<br />
Autofahrer, bei denen die akkumordende<br />
Kombination „viele Verbraucher, viel Kurzstreckenbetrieb“<br />
für erhöhten Batterie-<br />
Pflegebedarf sorgt. Da es Menschen gibt,<br />
die gleichzeitig zu beiden Zielgruppen<br />
gehören, bot sich ein Test von Batterieladegeräten<br />
an, die sowohl Motorrad- als<br />
auch Autobatterien verwöhnen. Eines für<br />
alles, natürlich mit „intelligenter“ Elektronik<br />
bestückt, die dafür sorgt, dass sowohl<br />
ganz konventionelle Akkus (die mit den<br />
zu öffnenden Stopfen) als auch MF-Akkus<br />
(MF steht für Maintenance Free, übersetzt:<br />
wartungsfrei) und AGM-Starterbatterien<br />
(AGM = Absorbed Glass Mat, zum Beispiel<br />
Gel und Vlies) zu alter Fitness kommen<br />
und anschließend frisch gehalten werden.<br />
Idealerweise erfolgt das mit dem sogenannten<br />
IUoU-Ladeverfahren, bei dem<br />
möglichst schonend bis zur Ladeschlussspannung<br />
geladen wird, um dann anschließend<br />
in eine Nachladephase und<br />
einen Erhaltungsmodus zu wechseln.<br />
Die Hälfte der Probanden kann das, nämlich<br />
die Geräte von Banner, CTEK, Saito<br />
und TecMate. Aber auch die übrigen<br />
Testkan didaten machten einen durchweg<br />
ordent lichen Job, indem sie das Wichtigste<br />
beherrschten: immer einen zum<br />
jeweiligen Ladezustand passenden Ladestrom<br />
zu liefern.<br />
Foto: Valyiskaya Svetlana – Fotolia<br />
AEG<br />
LM 4.0 6/12V<br />
Anbieter: AEG, www.aeg-automotive.com<br />
Preis: 49,99 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 13,5 x 6,5 x 4,0 cm; 650 g<br />
Einsatzbereich: für 6- und 12-Volt-Starterbatterien<br />
(Gel, AGM, Blei-Säure, wartungsfreie und wartungsarme<br />
Batterien) bis 40 bzw. 80 Ah empfohlen (6/12<br />
Volt), Erhaltungsladung bis 130 Ah<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 2/4 A (6/12 Volt),<br />
Schutzart IP65 (im Freien zu verwenden), Einsatzbereich<br />
– 20 bis + 40 Grad Umgebungstemperatur,<br />
Aufhängeöse auf<br />
der Rückseite<br />
Auffälligkeiten:<br />
kräftige Klemmen,<br />
Isolierung aber<br />
nur aufgeschoben<br />
und leicht zu<br />
lösen; Anschlusskabel<br />
an Klemmen<br />
gelötet,<br />
Zugentlastung<br />
nur unzureichend<br />
ausgeführt<br />
Urteil: gut<br />
EINHELL<br />
BT-BC 4 D<br />
Anbieter: Einhell, www.einhell.de<br />
Preis: 35,00 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 22,0 x 11,5 x 9,0 cm; 500 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt-Starterbatterien (Blei-<br />
Säure, AGM, Blei-Gel) von 2,3 bis 16 Ah bzw. 20 bis 60<br />
Ah empfohlen<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 1/4 A (umschaltbar),<br />
keine Angaben über IP-Schutzart, laut Typenschild<br />
und Bedienungsanleitung nur für den Hausbetrieb<br />
geeignet, separater Netzschalter für ein/aus<br />
Auffälligkeiten:<br />
kräftige Klemmen,<br />
Isolierung kann<br />
sich aber ggf.<br />
leicht lösen;<br />
Bedienungsanleitung<br />
mit miss -<br />
verständlichen<br />
Angaben, deren<br />
Befolgen bei wartungsfreien<br />
Batterien<br />
zur Zerstörung<br />
führen kann<br />
Urteil: befriedigend<br />
108 RATGEBER<br />
3/<strong>2016</strong>
BANNER<br />
Accucharger 12V 3A<br />
Anbieter: Banner, www.bannerbatterien.com<br />
Preis: 69,00 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 16,5 x 6,1 x 3,8 cm; 560 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt-Starterbatterien (konventionell,<br />
EFB, AGM, Gel) bis 72 Ah empfohlen<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 3 A, Schutzart IP64<br />
(im Freien bedingt zu verwenden), LED-Display,<br />
integrierter Aufhängehaken auf der Rückseite, Aufbewahrungstasche<br />
Auffälligkeiten: kräftige Klemmen mit fest fixierter<br />
Isolierung; Display<br />
mit leicht verständlichen<br />
Klartext-Angaben;<br />
Gehäuse<br />
durch zwei<br />
Gummischalen<br />
gut vor Beschädigungen<br />
geschützt<br />
BOSCH<br />
C3<br />
Anbieter: Bosch, www.bosch-automotive.com<br />
Preis: 59,90 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 18,0 x 7,5 x 5,2 cm; 750 g<br />
Einsatzbereich: für 6- und 12-Volt-Starterbatterien<br />
(AGM, Gel, MF, offen, VRLA) von 1,2 bis 14 Ah (6 Volt)<br />
bzw. von 1,2 bis 120 Ah (12 Volt) empfohlen<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 0,8/3,8 A (6/12<br />
Volt), Schutzart IP65 (im Freien zu verwenden),<br />
Einsatzbereich 0 bis 40 Grad Umgebungstemperatur,<br />
Halter mit Hakenbefestigung im Lieferumfang<br />
Auffälligkeiten:<br />
kräftige Klemmen,<br />
Isolierung kann<br />
sich leicht lösen;<br />
das Anschlusskabel<br />
mit den Ösen<br />
ist gleichzeitig<br />
das Kabel für die<br />
Klemmen – die<br />
Batterieklemmen<br />
werden an die<br />
Ösen geschraubt<br />
CTEK<br />
MXS 5.0<br />
Anbieter: CTEK, www.ctek.de<br />
Preis: 96,40 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 16,8 x 6,5 x 3,8 cm; 600 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt Starterbatterien (alle<br />
Blei-Säure-Typen) von 1,2 bis 110 Ah empfohlen,<br />
Erhaltungsladung bis 160 Ah<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 0,8/5 A (Motorrad/<br />
Auto), Schutzart IP65 (im Freien zu verwenden), Regenerierungsfunktion<br />
mit zeitlich limitierter Spannungserhöhung<br />
(max. 15,8 V), Pufferfunktion bei Batterieausbau,<br />
Aufhängeösen<br />
auf der<br />
Rückseite, Aufbewahrungstasche<br />
Auffälligkeiten:<br />
kräftige Klemmen<br />
mit fest fixierter<br />
Isolierung; sehr<br />
robuste und wertige<br />
Ausführung<br />
von Gehäuse und<br />
Anschlussteilen<br />
Urteil: gut<br />
Urteil: gut<br />
Urteil: sehr gut<br />
GYS<br />
Gysflash 4A<br />
Anbieter: Gystech, www.gys-schweissen.com<br />
Preis: 96,40 Euro (gekauft bei: Der Hartwaren-Profi)<br />
Größe/Gewicht: 36,0 x 18,5 x 7,0 cm; 850 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt-Starterbatterien (Blei-<br />
Säure, Blei-Gel) bis 70 Ah<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 4 A, Auswahl zwischen<br />
drei Ladearten (bis 15 Ah/70 Ah bei verschiedenen<br />
Außentemperaturen), Schutzart IP65 (im Freien<br />
zu verwenden), Überhitzungsschutz, der ggf. während<br />
des Ladevorgangs die Ausgangsleistung absenkt<br />
Auffälligkeiten:<br />
Klemmen-Isolierung<br />
etwas dürftig,<br />
diese können<br />
einfach abgezogen<br />
werden;<br />
Befestigung der<br />
Anschlusskabel<br />
erfolgt über<br />
Kabelschuhe,<br />
diese lassen sich<br />
leicht entfernen<br />
Urteil: gut<br />
SAITO<br />
ProCharger XL<br />
Anbieter: Detlev Louis, www.louis.de<br />
Preis: 99,95 Euro (gekauft bei Detlev Louis)<br />
Größe/Gewicht: 19,2 x 16,8 x 10,4 cm; 2250 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt-Starterbatterien (alle<br />
Typen, auch Lithium) von 5 bis 100 Ah empfohlen<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 1,5/4 A (umschaltbar)<br />
für Batterien bis 30/100 Ah, auch für Fahrzeuge<br />
mit CAN-Bus-System geeignet, Regenerierungsfunktion,<br />
keine Angaben über IP-Schutzgrad, Wandmontage-Vorrichtung<br />
im Geräteboden integriert<br />
Auffälligkeiten:<br />
Klemmen-Isolierung<br />
etwas dürftig,<br />
diese können<br />
einfach abgezogen<br />
werden; Falltest<br />
nicht bestanden<br />
(äußerlich<br />
kein Defekt zu erkennen,<br />
einwandfreie<br />
Funktion<br />
aber nicht mehr<br />
gewährleistet);<br />
großes und<br />
übersichtliches<br />
Display; vorbildliche<br />
Bedienungsanleitung<br />
Urteil: gut<br />
TECMATE<br />
OptiMate 6 ampmatic<br />
Anbieter: TecMate, www.tecmate.com/de/<br />
Preis: 89,90 Euro (gekauft übers Internet bei Amazon)<br />
Größe/Gewicht: 19,9 x 7,1 x 6,1 cm; 740 g<br />
Einsatzbereich: für 12-Volt-Starterbatterien (AGM/<br />
MF, Standard, Gel, Spiralzellen) von 3 bis 240 Ah empfohlen,<br />
Schutzart IP54 (im Freien zu verwenden), Einsatzbereich<br />
– 40 bis + 50 Grad Umgebungstemperatur<br />
Besonderheiten: Ladestrom max. 5 A, vollautomatische<br />
Funktion, keine Einstellmöglichkeiten<br />
Auffälligkeiten: kräftige Klemmen mit fest fixierter<br />
Isolierung; ohne<br />
Zuhilfenahme<br />
der Bedienungsan<br />
leitung ist der<br />
genaue Status des<br />
Ladevorgangs<br />
nur schwer festzustellen,<br />
wichtige<br />
Sicherheitshinweise<br />
nur in Englisch<br />
Urteil: gut<br />
www.motorradonline.de RATGEBER 109
R A T G E B E R<br />
Test Batterieladegeräte<br />
Marke/Bezeichnung<br />
Sichtprüfung<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
CTEK<br />
MXS 5.0<br />
GYS<br />
GYSFLASH 4A<br />
BANNER<br />
ACCUCHARGER 12V 3A<br />
Verpackung/Aufbewahrung 20 18 16 18<br />
Zubehör 10 4 4 4<br />
Schutzartprüfung laut Hersteller 10 10 10 10<br />
Kapitelwertung 40 32 30 32<br />
Bedienung<br />
Bedienungsanleitung 10 8 10 6<br />
Gerätebeschriftung, Anzeigen, Übersichtlichkeit 20 20 16 20<br />
Praxistauglichkeit 20 12 16 20<br />
Kapitelwertung 50 40 42 46<br />
Funktionsumfang<br />
Qualität Lade-/Ladeerhaltungsverfahren 50 50 40 50<br />
Anpassung Ladekennlinie an Akkutyp 20 20 20 4<br />
Anpassung der Ladeleistung 1 20 20 20 8<br />
geeignet für Start-Stopp-Batterien (AGM) 20 20 12 12<br />
wählbare Regenerierungsfunktion 2 5 5 0 0<br />
weitere Nutzungsmöglichkeiten 3 5 2 0 1<br />
Kapitelwertung 120 117 92 75<br />
Elektrische Prüfungen<br />
Kurzschlussfestigkeit/Funkenbildung 30 30 30 30<br />
automatische Batterieerkennung 4 30 30 30 30<br />
Ladbarkeit tiefentladener Batterien 5 20 20 20 16<br />
Verpolungsschutz/-anzeige 30 30 30 30<br />
Leistungsaufnahme im Stand-by-Betrieb 20 20 20 20<br />
Kapazitätsverlust durch Rückstrom von der geladenen Batterie 20 16 16 16<br />
Verhalten bei schwankender Eingangsspannung (170–265 V) 20 20 20 20<br />
Kapitelwertung 170 166 166 162<br />
Qualitätsprüfungen<br />
optischer/haptischer Gesamteindruck 20 16 16 16<br />
Kältetest 6 20 20 20 20<br />
Falltest (aus 1 m Höhe auf Beton) 20 20 20 20<br />
Einhaltung der angegebenen Nennwerte 20 20 16 20<br />
Kapitelwertung 80 76 72 76<br />
Zwischensumme Leistungskriterien 460 431 402 391<br />
Kosten<br />
Preis 96,40 € 96,40 € 69,00 €<br />
Kapitelwertung Preis/Leistung 40 19 17 24<br />
Gesamtpunkte 500 450 419 415<br />
Urteil *<br />
sehr gut gut gut<br />
*500–450 Punkte = sehr gut, 449–375 Punkte = gut, 374–300 Punkte = befriedigend; 1 praxisgerechte Anpassung der Ladeleistung für Auto/Motorrad;<br />
2<br />
manuell wählbare Regenerierungsfunktion (Ausgleichsladung für Nassbatterien); 3 z. B. Akkutest, Pufferfunktion, 6 V; 4 automatische Batterieerkennung bzw. Abschaltung bei abgefallener Klemme;<br />
5<br />
Ladbarkeit einer tiefentladenen Batterie bei 3 V/4,5 V/6 V/9 V Restspannung; 6 Kältetest (Anschlussklemmen und Leitungen bei –20 ° C)
AEG<br />
LM 4.0 6/12V<br />
BOSCH<br />
C3<br />
SAITO<br />
ProCharger XL<br />
TECMATE Opti-<br />
Mate 6 ampmatic<br />
EINHELL<br />
BT-BC 4 D<br />
SO WURDE GETESTET<br />
16 16 12 10 16<br />
4 6 4 4 4<br />
10 10 2 8 2<br />
30 32 18 22 22<br />
8 6 10 2 6<br />
12 12 20 12 16<br />
16 20 12 16 8<br />
36 38 42 30 30<br />
40 20 50 50 40<br />
4 20 20 4 4<br />
16 20 20 8 16<br />
8 12 8 8 8<br />
0 0 3 0 0<br />
1 1 2 1 0<br />
69 73 1<strong>03</strong> 71 68<br />
30 30 30 30 30<br />
30 30 30 30 30<br />
20 16 20 20 8<br />
30 30 30 30 30<br />
20 20 20 20 20<br />
16 16 20 16 4<br />
20 20 20 20 20<br />
166 162 170 166 142<br />
16 16 16 16 16<br />
20 20 20 20 20<br />
20 20 0 20 20<br />
16 16 4 20 16<br />
72 72 40 76 72<br />
373 377 373 365 334<br />
49,99 € 59,90 € 99,95 € 89,90 € 35,00 €<br />
31 26 16 17 40<br />
404 4<strong>03</strong> 389 382 374<br />
gut gut gut gut befriedigend<br />
Alles unter Kontrolle:<br />
Batterie-lade- und Entladestation<br />
beim Prüf- und<br />
Ingenieurzentrum FAKT<br />
Bin laden<br />
Drei Partner, ein Test: MOTOR-<br />
RAD und die Sachverständigenorganisation<br />
GTÜ<br />
(Gesellschaft für Technische Überwachung,<br />
www.gtue.de) sorgten<br />
dafür, dass sich die Elektronik-Profis<br />
vom Kraftfahrtechnischen Prüf- und<br />
Ingenieurzentrum FAKT (www.fakt.<br />
com) im bayerischen Heimertingen<br />
intensiv um die im freien Handel erworbenen<br />
Ladegeräte kümmerten.<br />
Die in fünf Obergruppen aufgeteilten<br />
Prüfkriterien (Sichtprüfung,<br />
Bedienung, Funktionsumfang, elektrische<br />
Prüfungen, Qualitätsprüfung)<br />
wurden um ein Preis-Leistungs-<br />
Kapitel ergänzt, in dem die in den<br />
Leistungskriterien erzielten Punkte<br />
ins Verhältnis zum Kaufpreis gesetzt<br />
wurden, was den Testkandidaten<br />
wiederum mehr oder weniger Zusatzpunkte<br />
bescherte. Bei den genannten<br />
Kaufpreisen handelt es sich<br />
nicht um die unverbindlichen Preisempfehlungen,<br />
sondern um die<br />
tatsächlich gezahlten Kaufpreise,<br />
die erfahrungsgemäß – speziell bei<br />
Internet-Angeboten – deutlich von<br />
den UVPs abweichen können. Von<br />
der ansonsten bei <strong>MOTORRAD</strong>-Produkttests<br />
üblichen 100-Punkte-Wertung<br />
wurde diesmal abgewichen,<br />
um den Kriterien der besonders<br />
zahlreichen Unterkapitel gerecht<br />
zu werden. So waren theoretisch<br />
500 Maximalpunkte machbar.<br />
www.motorradonline.de RATGEBER 111
R A T G E B E R<br />
Batteriepflege<br />
DIE TOP TEN DER PFLEGESÜNDEN<br />
Ungeladene<br />
Akkus platzen<br />
bei Frost zwar<br />
nicht, aber sie<br />
gehen garantiert<br />
kaputt<br />
Wer solch vergammelte Anschlüsse<br />
spazieren fährt, darf sich nicht über<br />
Kontaktschwierigkeiten wundern<br />
Von Pflegefällen<br />
und Pflegefallen<br />
Der Entlüftungsschlauch muss sicher<br />
sitzen und darf vor allem nicht geknickt<br />
sein, sonst gibt’s ’ne Sauerei<br />
1 Prüfen<br />
Selbst leere Batterien können beim Messen<br />
der Ruhespannung zwölf bis 13 Volt anzeigen.<br />
Erst beim Prüfen unter Last sind relevante<br />
Aussagen zum Ladezustand möglich.<br />
2 Ausbau<br />
Den Minuspol immer zuerst abklemmen,<br />
sonst kann es beim ungewollten Massekontakt<br />
ein nettes Feuerwerk geben. Wichtig<br />
bei konventionellen Blei-Säure-Akkus: Einbaulage<br />
des Entlüftungs schlauchs merken.<br />
3 Ladegerät<br />
Alte (Pkw-)Einfachst-Ladege räte sind Gift<br />
für moderne Akkus, da sie zu spät oder gar<br />
nicht abschalten und sich bei wartungsfreien<br />
Akkus der Gasungszeitpunkt nicht<br />
mehr erkennen lässt.<br />
4 Lagerung<br />
Akkus grundsätzlich voll ge laden und auch<br />
gern kühl lagern. In warmen Räumen ist die<br />
Selbstentladung am größten. Leere Akkus<br />
sulfatieren während der Lagerung und sind<br />
bei Frost ernsthaft gefährdet.<br />
5 Auffüllen I<br />
Bei konventionellen Blei-Säure-Akkus<br />
(die mit den herausnehmbaren Stopfen)<br />
ausschließlich destilliertes Wasser zum<br />
Nachfüllen benutzen. Niemals Batteriesäure<br />
oder Leitungswasser, das ruiniert<br />
den Akku dauerhaft.<br />
6 Auffüllen II<br />
Erst nach dem Laden bis Maximum auffüllen,<br />
da sich die Flüssigkeit beim Laden ausdehnt.<br />
Liegt der Flüssigkeitsstand bereits<br />
vor dem Laden unter dem Minimum, nur<br />
bis kurz über die Minimum-Markierung auffüllen<br />
und dann laden.<br />
7 Batterieflüssigkeit<br />
Verdünnte Schwefelsäure sorgt erst mit<br />
zeitlicher Verzögerung für Schäden auf<br />
Haut, Bekleidung und am Motorrad – dann<br />
aber richtig. Verschüttete Batterieflüssigkeit<br />
daher sofort und mit ganz viel Wasser<br />
(oder Neutralisierer) abwaschen.<br />
8 Entladen<br />
Eine Batterie muss nicht regelmäßig „von<br />
Hand“ entladen und geladen werden, damit<br />
sie fit bleibt. Das wurde früher zwar gern<br />
gemacht (z. B. mit einer Glühlampe), sorgt<br />
bei modernen Akkus aber für eine unnötige<br />
mechanische Belastung. Laden allein reicht.<br />
Und diese Sauerei sieht zum Beispiel<br />
so aus: massive, irreparable Säureschäden<br />
auf dem Schwingenlager<br />
Ausnahme: Hightech-Ladegeräte haben<br />
oft eine Funktion, die u. a. mit geringer Entladung<br />
arbeitet – das ist durchaus sinnvoll.<br />
9 Einbau<br />
Den Minuspol immer zuletzt anklemmen.<br />
Ansonsten: siehe 2. Gegebenenfalls Entlüftungsschlauch<br />
und Dämpfungsmaterial<br />
nicht vergessen. Schrauben gut fest-, aber<br />
nicht brutal anziehen.<br />
10 Polfett<br />
Das gehört erst auf die bereits angeschlossenen<br />
Pole und Klemmen. Wer das Pol fett<br />
bereits vor dem Anschließen dazwischenschmiert,<br />
sorgt für eine Isolation, die dort<br />
völlig fehl am Platz ist.<br />
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Rallye Dakar <strong>2016</strong> in Argentinien und Bolivien<br />
führenden Toby Price vom KTM-Werksteam<br />
am Vorabend zurückgelegen – ein Nichts<br />
angesichts der mehr als 1000 Kilometer in<br />
den drei gezeiteten Sonderprüfungen, die<br />
vor dem Ziel in Rosario noch zu bewältigen<br />
waren. Doch der 36-Jährige sollte auch<br />
an diesem Tag kein Glück haben. Zuerst<br />
brumm te ihm die Rennleitung eine heftige<br />
Zeitstrafe auf, weil er auf der zehnten Etappe<br />
am zweiten Kontrollpunkt statt der er-<br />
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Unwegsames Gelände, unüberwindbar scheinende Hindernisse,<br />
Tagesetappen über 900 Kilometer, Leistungssport auf mehr als<br />
4000 Metern Höhe, bei strömendem Regen oder 48 Grad Hitze –<br />
das war die Rallye Dakar <strong>2016</strong>. Wer sie gewinnt, gilt zu Recht als<br />
Held. Aber auch die Verlierer und Gescheiterten haben Heldenhaftes<br />
geleistet.<br />
Von Andreas Schulz;<br />
Fotos: Red Bull Media Pool (3), MCH PHOTO, Robert W. Kranz/Rallyewerk (2), Barni (3), DPPI (2)<br />
Paulo Gonçalves hatte den 14. Januar<br />
für sich persönlich zum Tag der<br />
Attacke erklärt. Auf der drittletzten<br />
Etappe der diesjährigen Rallye<br />
Dakar in Südamerika wollte der portugiesische<br />
Honda-Werksfahrer verlorenen Boden<br />
gutmachen, seinem Team die Chance auf<br />
den so heiß ersehnten Gesamtsieg erhalten<br />
oder zumindest einen Podestplatz sichern.<br />
34 Minuten hatte er als Dritter hinter dem<br />
114 SPORT
Es war erst seine zweite Dakar-Teilnahme, trotzdem schrieb Toby Price Geschichte:<br />
als erster Australier, der je eine Dakar gewann, und als der Mann, der den zurückgetretenen<br />
fünfmaligen Dakar-Sieger Marc Coma im KTM-Werksteam beeindruckend ersetzte<br />
laubten 15 Minuten wegen einer Reparatur<br />
viel länger angehalten hatte, was seinen<br />
Rückstand auf 1:14 Stunden anwachsen<br />
und ihn im Gesamtklassement auf Rang<br />
acht zurückfallen ließ. Dann verfuhr er sich<br />
bei seiner verzweifelten Aufholjagd, verlor<br />
immer mehr Zeit auf die Spitze. Schließlich<br />
stürzte Gonçalves nach 118 Kilometern<br />
Son derprüfung und musste mit einer Gehirnerschütterung<br />
ins Krankenhaus nach<br />
San Juan geflogen werden. Aus der Traum.<br />
Es war die insgesamt zehnte Dakar für<br />
den Vorjahreszweiten, und sie hatte schon<br />
beim Prolog schlecht angefangen. Auf dem<br />
nur elf Kilometer langen Wertungsteil, bei<br />
dem es lediglich um die Startreihenfolge<br />
für die erste echte Etappe ging, plagten ihn<br />
Elektronikprobleme an seiner Honda CRF<br />
450 Rally, er kam nur als 49. ins Ziel. Auf der<br />
ersten Etappe stellten sich die Elektronikfehler<br />
erneut ein, Gonçalves musste sich<br />
von seinem italienischen Teamkollegen<br />
Paolo Ceci ins Biwak schleppen lassen und<br />
war gottfroh, als er hörte, dass die Wertungsprüfung<br />
aufgrund der sintflutartigen<br />
Regenfälle abgesagt worden war. „Was so<br />
schlecht anfängt, kann ja nur gut enden“,<br />
scherzte er da noch.<br />
Tatsächlich sah es zunächst danach aus.<br />
Gonçalves gewann die vierte Etappe und<br />
übernahm die Gesamtführung, die er dann<br />
auch drei Tage lang verteidigen konnte.<br />
Doch auf der neunten Etappe erwischte<br />
das Pech ihn erneut. Ein Ast am Wegrand<br />
durch löcherte den Kühler seiner Honda.<br />
Ausgerechnet am ersten Tag einer Marathon<br />
etappe, nach der die Fahrer die Nacht<br />
in einem separaten Lager ohne Hilfe ihrer<br />
Service-Teams verbringen und notwendige<br />
Reparaturen selbst bewerkstelligen müssen.<br />
Glück im Unglück für Gonçalves, dass die<br />
SPORT 115
Honda-Werksfahrer Joan Barreda<br />
war vor seinem Ausfall so schnell,<br />
dass er Strafminuten kassierte<br />
Rallye Dakar <strong>2016</strong><br />
Etappe nach dem zweiten Kontrollpunkt<br />
abgebrochen wurde – dieses Mal we gen<br />
sengender Hitze – und allen Fahrern, die es<br />
nicht ins Ziel geschafft hatten, eine Zielankunft<br />
mit einer kalkulatorischen Fahrzeit<br />
zugestanden wurde. Somit war Gonçalves<br />
nicht aus dem Rennen, und weil sogar die<br />
Reparatur der Honda gelang, ohne dass er<br />
einem Teamkollegen den Motor abnehmen<br />
musste, konnte er am nächsten Morgen<br />
das Rennen als 13. wieder aufnehmen.<br />
Der Rest ist bekannt und markierte das<br />
Ende aller Hoffnungen des Honda-Werksteams<br />
auf einen Gesamtsieg bei dieser Da -<br />
kar. Für den eigentlich gar nicht Paulo Gonçalves<br />
vorgesehen war, sondern der Spanier<br />
Joan Barreda Bort. Der war zunächst auch<br />
schnellster Honda-Pilot, leider aber so flott<br />
unterwegs, dass er zwei Etappensiege verlor,<br />
weil er Tempolimits nicht beachtet und<br />
deshalb Zeitstrafen kassiert hatte. Am siebten<br />
Rallyetag beendete ein defekter Zylinderkopf<br />
jegliche Aussicht auf ein Top ergebnis,<br />
Barreda gab auf. So blieb es an den Dakar-Neulingen<br />
aus dem Honda-Werksteam<br />
hängen, die Ehre des japanischen Herstellers<br />
zu retten – und die ließen sich nicht<br />
lumpen. Der Argentinier Kevin Benavides,<br />
27 Jahre alt, verpasste als Vierter das Podest<br />
nur um eine Minute. Ricky Brabec aus den<br />
USA (24) wurde Neunter und der Franzose<br />
Adrien Metge (29), 2014 brasilianischer<br />
Enduro-Meister, kam als Elfter in Rosario an.<br />
Doch damit konnte Wolfgang Fischer,<br />
der deutsche Teamchef der im bayerischen<br />
Stephanskirchen stationierten Honda-Rallye-Werksmannschaft,<br />
nicht zufrieden sein.<br />
„Wir hatten hauptsächlich technische Probleme,<br />
gegen einen Motorschaden kann<br />
der Fahrer nichts machen. Aber auch die<br />
Elek tronikentwicklung hat einen Stand erreicht,<br />
der für den Rallyebereich womöglich<br />
zu feh leranfällig ist – das machte vor allem<br />
Paulo Gonçalves zu schaffen, bevor er das<br />
Pech mit dem leckgeschlagenen Kühler<br />
hatte.“ Für die Zukunft wünscht Fischer sich,<br />
dass statt großer Neuentwicklungen eher<br />
die Verfeinerung des vorhandenen Materials<br />
vorangetrieben wird: „Die Basis ist ja<br />
gut, die Motorräder sind schnell, auf dem<br />
Niveau der Konkurrenz. Und wenn dabei<br />
die Elektronik etwas vereinfacht werden<br />
könnte …“ Doch hören die Chefs der Honda-Rennabteilung<br />
HRC in Japan auf den<br />
116 SPORT<br />
3/<strong>2016</strong>
Deutschen? „Jetzt vielleicht“, lacht Fischer.<br />
Wie wichtig Honda die Dakar ist, dokumentierte<br />
HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto<br />
durch seinen Besuch beim Rallye-Team in<br />
Argentinien. „Er war die ersten vier Tage<br />
dabei und kam zum Zieleinlauf noch einmal<br />
her. Die Dakar ist für Honda das zweitwichtigste<br />
Motorradsport-Projekt nach der<br />
MotoGP-WM“, sagt Fischer. Vielleicht ergab<br />
sich ja nach dem Zieleinlauf die Gelegenheit<br />
für eine erste vertrauliche Bestandsaufnahme<br />
zwischen Fischer und Nakamoto.<br />
Bei der KTM-Mannschaft dürfte am Tag der<br />
Siegerehrung kein Gedanke an der artige<br />
Gespräche verschwendet worden sein.<br />
Nicht nur, dass Toby Price (28) bei seinem<br />
zweiten Dakar-Start als erster Austra lier<br />
überlegen den Gesamtsieg geholt hatte.<br />
KTM-Piloten hatten auch acht der 13 Etappen<br />
gewonnen, zwei allein der Franzose<br />
Antoine Méo, amtierender Enduro-E2-Weltmeister<br />
und als Dakar-Frischling nicht unbedingt<br />
als Sieganwärter taxiert. Einer der<br />
Tageserfolge ging zudem auf das Konto von<br />
Stefan Svitko aus der Slowakei, der mit einem<br />
der KTM-Rallye-Production-Racer unterwegs<br />
war, die Privatfahrer für rund 30 000<br />
Euro weitgehend rennfertig kaufen können.<br />
Der 33-Jährige wurde gar Gesamt -Zweiter,<br />
was den Absatz weiterer KTM 450 Rally<br />
Replica befeuern dürfte. Dass Svitkos Motorrad<br />
eine verkappte Werksmaschine sein<br />
könnte, zumal sie mit einem Zulassungskennzeichen<br />
des Bezirks Braunau unterwegs<br />
war, in dem auch das KTM-Werk liegt, verwies<br />
Teamchef Alex Doringer ins Reich der<br />
Fabel: „Das machen wir bei Kunden schon<br />
Mal, die eine Rally Replica kaufen, sie aber<br />
nicht gleich in ihr Heimatland importieren<br />
möchten. Dazu ist oft auch die Zeit zu<br />
Paulo Gonçalves (Fotos unten) führte<br />
das Honda-Werksteam als Spitzenreiter<br />
nach Bolivien, hatte dann jedoch<br />
viel Pech und stürzte schließlich
Einen Wermutstropfen mussten Doringer<br />
und seine Mannen freilich schlucken.<br />
Denn wie jede Menge Fans im deutschsprachigen<br />
Raum hatten sie große Stücke<br />
auf den Österreicher Matthias Walkner gesetzt,<br />
der im vergangenen Jahr bei seinem<br />
ersten Dakar-Auftritt gleich einen Tagessieg<br />
verbucht hatte, bevor er Etappe zehn nach<br />
einer Lebensmittelvergiftung aufgeben<br />
musste. Nach dem Wechsel des fünfmaligen<br />
Dakar-Siegers Marc Coma vom aktiven<br />
Sport in die Dakar-Organisation Mitte letzten<br />
Jahres hatte Walkner Coma als Rallye-<br />
Weltmeister abgelöst. Wie gut seine Chancen<br />
auf ein Spitzenendergebnis nach den<br />
Plätzen vier, zehn, elf, drei und zwei in den<br />
ersten echten Wertungsprüfungen gewesen<br />
wären, ist schwer zu sagen – da galt ja<br />
noch die zurückhaltende KTM-Team-Strategie<br />
für die erste Woche. Die Frage muss offen<br />
bleiben. Walkner war als Gesamt-Dritter<br />
in die siebte Etappe gestartet. Doch nach<br />
etwa 15 Kilometern in der gezeiteten Sonderprüfung<br />
zwischen Uyuni in Bolivien und<br />
Salta in Argentinien übersah er, von der<br />
Sonne geblendet und von vor ihm aufgewirbeltem<br />
Staub in der Sicht behindert,<br />
eine tiefe Auswaschung. Der 29-Jährige<br />
stürzte und blieb mit gebrochenem Oberschenkel<br />
liegen. Wenige Tage nach der erforderlichen<br />
Operation in La Paz/Bolivien<br />
konnte er in die Heimat geflogen werden<br />
und grüßte am 15. Januar auf Facebook<br />
halbwegs vergnügt aus einem Krankenhaus<br />
in Salzburg – inklusive der Röntgenbilder<br />
seines Oberschenkels im Vorhernachher-Vergleich.<br />
Ingo Zahn (links, unten) war der einzige<br />
deutsche Motorradfahrer bei der<br />
Dakar <strong>2016</strong>. Der Privatfahrer scheiterte<br />
an völlig unerwarteten Problemen<br />
Rallye Dakar <strong>2016</strong><br />
knapp, weil die Motorräder erst kurz vor der<br />
Dakar fertiggestellt werden.“ Allerdings<br />
räumt Doringer ein, dass Svitko vom Werksteam<br />
gegen Ende der Dakar mit Ersatzteilen<br />
versorgt wurde, weil seine eigenen ausgegangen<br />
waren: „Dabei gab es auch größere<br />
Bremsscheiben, wie sie die Werksfahrer verwenden.“<br />
Ansonsten unterscheide sich die<br />
Production Racer ohnehin nur um wenige<br />
Prozent vom Werksrenner. Bei diesen Unterschieden<br />
dürfte es sich um eine etwas<br />
höhere Motorleistung, vor allem aber um<br />
feinste Federelemente aus der KTM-eigenen<br />
Fahrwerksschmiede WP handeln, die um<br />
Klassen leichter sind als das Material, das<br />
Normalsterbliche kaufen können.<br />
Mit Price als Sieger, Antoine Méo als<br />
Siebtem, Laia Sanz als Siegerin der Frauenwertung<br />
auf Rang 15 und Jordi Viladoms<br />
an 17. Position durften Doringer und seine<br />
Truppe nicht nur vier ihrer fünf Fahrer im<br />
Ziel feiern, sondern auch den 15. KTM-<br />
Gesamtsieg in Folge – das hört sich schwer<br />
nach einem Erfolg für die Ewigkeit an.<br />
Und das angesichts der Tatsache, dass das<br />
mäch tige Honda-Werk seit nunmehr vier<br />
Jahren alles daransetzt, die KTM-Vorherrschaft<br />
in der Wüste zu brechen. „Ehrlich<br />
gesagt habe ich von der Konkurrenz nicht<br />
viel erwartet“, sagt Doringer, „um die haben<br />
wir uns keine Gedanken gemacht, sondern<br />
uns um uns selbst gekümmert.“ Zum Verdacht,<br />
die drei Honda-Etappensiege in der<br />
ersten Rallye-Woche könnten von der KTM-<br />
Strategie begünstigt worden sein, sagt<br />
er nur: „Wir planen für 14 Tage und achten<br />
darauf, in der ersten Woche noch etwas<br />
Potenzial nach oben offen zu lassen und<br />
wenige Fehler zu machen.“ Das Ergebnis<br />
spricht für sich – und auch dafür, dass die<br />
KTM-Ingenieure eventuell viel länger nach<br />
Op timierungsmöglichkeiten für die nächste<br />
Ausgabe ihres Rallye-Motorrads suchen<br />
müssen als die Kollegen bei Honda.<br />
Einen Tag vor Walkner war Ingo Zahn,<br />
dem einzigen deutschen Motorrad-Starter,<br />
das gleiche Missgeschick passiert wie dem<br />
Österreicher. Anders als Walkner brach<br />
sich Zahn jedoch lediglich eine Rippe und<br />
die Nase – er fuhr als 79. ins Etappenziel.<br />
„Löcher, vor denen im Roadbook mit nur<br />
einem Ausrufezeichen gewarnt wird, sind<br />
durch die Unwetter hier so stark ausgewaschen<br />
worden, dass inzwischen ein komplettes<br />
Motorrad darin verschwinden kann“,<br />
schilderte der 52-jährige Bayer. Tatsächlich<br />
wurde die Rallye von den Auswirkungen<br />
des Wetterphänomens El Niño erwischt,<br />
das immer wieder für verheerende Überschwemmungen<br />
in Südamerika sorgt. Peru<br />
und Chile, die zunächst auf dem Routenplan<br />
der Dakar <strong>2016</strong> gestanden hatten, zogen<br />
sich als Gastländer früh zurück. Sie sahen<br />
sich außerstande, den reibungslosen Ablauf<br />
einer internationalen Großveranstaltung<br />
sicherzustellen und gleichzeitig auf vorhersehbare<br />
Katastrophen reagieren zu können.<br />
Die Rallye führte deshalb nur durch Argentinien<br />
und Bolivien. Den Dakar-Teilnehmern<br />
bescherte El Niño in den ersten Tagen Regen<br />
in biblischen Ausmaßen, in der zweiten<br />
Woche in der als „Hölle von Fiambalá“ verrufenen<br />
argentinischen Wüstenregion Temperaturen<br />
bis zu 50 Grad Celsius. Die erste<br />
Etappe der Rallye wurde komplett abgesagt,<br />
drei weitere wegen unpassierbarer überschwemmter<br />
Streckenteile gekürzt. Drei<br />
Etappen mussten gekappt werden, weil vor<br />
allem viele Motorradfahrer in der höllischen<br />
Hitze zu dehydrieren drohten.<br />
Ingo Zahn versuchte dieses Jahr bereits<br />
zum vierten Mal, die Herausforderung der<br />
Dakar zu meistern. 2010 war er nach zwei<br />
Tagen mit gebrochener Schulter ausgefallen,<br />
2013 hatte er als 85. den Zielort erreicht.<br />
2014 brach Zahn sich erneut nach<br />
118 SPORT<br />
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Rallye Dakar <strong>2016</strong><br />
zwei Etappen die Schulter, musste 2015<br />
wegen der Verletzung auslassen und hatte<br />
sich für <strong>2016</strong> viel vorgenommen. Mit einer<br />
neuen KTM 450 Rally Replica hatte er beim<br />
holländischen Memo Tours-Team einen Service-Platz<br />
gemietet, auf dem seine Ersatzteile<br />
und sein Mechaniker Clemens Eicker<br />
mitreisten. Selbst nach dem schweren Sturz<br />
schien eine Schlussplatzierung unter den<br />
Top 50 noch möglich zu sein. Körperlich<br />
fühlte Zahn sich fit, trainiert hatte er unter<br />
anderem bei 24-Stunden-Mountainbike-<br />
Rennen. Auch das Motorrad beflügelte seinen<br />
Optimismus: „Von 2014 auf 2015 hat<br />
KTM dem Production Racer eine Einspritzung<br />
und ein völlig neues Enduro-Fahrwerk<br />
spendiert. Damit ist die Maschine im Vergleich<br />
zum Vormodell viel agiler und leichter<br />
zu fahren – für mich ein großer Wurf.<br />
Ergebnisse <br />
Neben den großen Werksteams von Honda<br />
und KTM zeigten weitere Motorradhersteller<br />
offiziell Flagge. Für Sherco startete<br />
Alain Duclos (links), bestes Etappenergebnis<br />
war Platz drei. Husqvarna wurde mit<br />
Pablo Quintanilla (unten links) und KTM-<br />
Technik Gesamt-Dritter, er gewann die<br />
letzte Wertungsprüfung. Yamaha hatte<br />
Hélder Rodrigues (unten) ins Rennen geschickt,<br />
der ebenfalls eine Etappe gewann<br />
und Gesamt-Fünfter wurde<br />
Zuverlässig ist sie auch, wir haben lediglich<br />
Verschleißteile verbraucht. Und natürlich<br />
das, was beim Sturz kaputtgegangen ist.“<br />
Doch der Sturz sollte sich als irrelevant<br />
herausstellen, das Unheil lauerte an einer<br />
anderen Ecke. Knapp 40 Kilometer vor<br />
dem Ziel der neunten Etappe rund um<br />
die argentinische Stadt Belén blieb Zahn<br />
ohne Sprit liegen. „Da waren riesige Fesh-<br />
Fesh-Felder. In diesem feinen Sand hat<br />
die KTM viel mehr Benzin gebraucht als<br />
vorher“, berichtete Zahn, „ich musste ja<br />
pausenlos Vollgas geben, um nicht stecken<br />
zu bleiben. Da haben wir uns im Team beim<br />
Tanken verkalkuliert.“ Zunächst ließ Ingo<br />
Zahn sich nicht entmutigen, vertraute auf<br />
den viel beschworenen „Spirit of Dakar“,<br />
diesem Grund gedanken der mehr als ein<br />
Vierteljahrhundert alten Rallye, der jedem<br />
Gestrandeten Hilfe verspricht.<br />
Doch auch da hatte Zahn sich verrechnet.<br />
„Keiner hielt an, im Gegenteil, die<br />
haben mich fast über den Haufen gefahren“,<br />
musste er feststellen. „Ein paar Autofahrer<br />
warfen Wasserflaschen raus, aber ich<br />
brauchte ja Benzin.“ Er demontierte den<br />
Tank der KTM und stellte sich wie mit einem<br />
Kanister an den Rand der Piste. „Damit<br />
sie sehen, dass ich nur Sprit brauche und<br />
dass es ganz schnell gehen würde“, so<br />
dachte er sich. Doch die wenigen Rallye-<br />
Autos, die anhielten, konnten nicht helfen:<br />
„Die fahren inzwischen zu 80 Prozent mit<br />
Dieselmotoren.“ Als Höhepunkt der Verzweiflung<br />
entpuppte sich schließlich ein<br />
Hubschrauber der Rennleitung, der nach<br />
fünf Stunden bei ihm landete. Ingo Zahn:<br />
„Die haben mir gesagt, sie könnten mich<br />
bei 48 Grad nicht länger da stehen lassen,<br />
einfach die Balise vom Motorrad abgeschnitten<br />
und mich im Hubschrauber zurück<br />
ins Biwak gebracht.“ Die Balise ist ein<br />
elektronisches Leuchtfeuer, über das im<br />
Notfall per Funk Hilfe gerufen werden kann.<br />
Wer sie auslöst oder verliert, ist aus dem<br />
Rennen. Wem sie abgenommen wird auch<br />
– ob er will oder nicht.<br />
Hat der Deutsche seinen Glauben an<br />
den „Spirit of Dakar“ verloren? „Irgendwie<br />
schon. Selbst Leute, die ganz hinten und<br />
nicht mehr um eine Platzierung gefahren<br />
sind, haben nicht geholfen. Jeder schaut<br />
nur noch auf sich selbst.“<br />
War das also seine letzte Dakar? „So<br />
weit würde ich nicht gehen“, sagt Ingo<br />
Zahn, „das kann einen schnell wieder einholen.“<br />
Helden, so sagt eine Definition des<br />
Begriffs, sind außergewöhnliche Menschen,<br />
die durch ihre Taten und ihr Schicksal zum<br />
Vorbild werden können. Wenn das stimmt,<br />
dann sind sie wohl alle Helden: Toby Price<br />
und Stefan Svitko, Paulo Gonçalves und<br />
Kevin Benavides, Ingo Zahn. Und natürlich<br />
die vielen Ungenannten, die <strong>2016</strong> starteten,<br />
nur um das Ziel zu erreichen. Und die im<br />
nächsten Jahr wieder starten werden.<br />
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Prolog: Buenos Aires/ARG – Rosario/ARG, 182 km,<br />
davon 11 km Sonderprüfung. Sieger: Joan Barreda<br />
Bort (E/Honda); … 78. Ingo Zahn (D/KTM). 136 Motorräder<br />
gewertet.<br />
1. Etappe: Rosario/ARG – Villa Carlos Paz/ARG, abgesagt<br />
aufgrund extremer Wetterverhältnisse.<br />
2. Etappe: Villa Carlos Paz/ARG – Termas de Río Hondo/ARG,<br />
786 km, davon 339 km Sonderprüfung. Sieger:<br />
Toby Price (AUS/KTM); … 94. Zahn; Gesamtführung:<br />
Price; … 91. Zahn. 133 Motorräder gewertet.<br />
3. Etappe: Termas de Río Hondo/ARG – Jujuy/ARG,<br />
663 km, davon 190 km Sonderprüfung. Sieger: Kevin<br />
Benavides (ARG/Honda); … 87. Zahn; Gesamtführung:<br />
Stefan Svitko (CZ/KTM); … 87. Zahn. 132<br />
Motorräder gewertet.<br />
4. Etappe: Jujuy/ARG – Jujuy/ARG, 629 km, davon<br />
429 km Sonderprüfung. Sieger: Paulo Gonçalves<br />
(POR/Honda); … 73. Zahn; Gesamtführung: Gonçalves;<br />
… 77. Zahn. 130 Motorräder gewertet.<br />
5. Etappe: Jujuy/ARG – Uyuni/BOL, 642 km, davon<br />
327 km Sonderprüfung. Sieger: Price; … 96. Zahn;<br />
Gesamtführung: Gonçalves; … 75. Zahn. 123 Motorräder<br />
gewertet.<br />
6. Etappe: Uyuni/BOL – Uyuni/BOL, 723 km, davon<br />
542 km Sonderprüfung. Sieger: Price; … 79. Zahn;<br />
Gesamtführung: Gonçalves; … 74. Zahn. 117 Motorräder<br />
gewertet.<br />
7. Etappe: Uyuni/BOL – Salta/ARG, 793 km, davon<br />
230 km Sonderprüfung. Sieger: Antoine Méo (F/<br />
KTM); … 71. Zahn; Gesamtführung: Gonçalves; …<br />
69. Zahn. 112 Motorräder gewertet.<br />
8. Etappe: Salta/ARG – Belén/ARG, 766 km, davon<br />
394 km Sonderprüfung. Sieger: Price; … 83. Zahn;<br />
Gesamtführung: Price; … 74. Zahn. 1<strong>03</strong> Motorräder<br />
gewertet.<br />
9. Etappe: Belén/ARG – Belén/ARG, 436 km, davon<br />
285 km Sonderprüfung. Sieger: Price; … 75. Zahn;<br />
Gesamtführung: Price; … 72. Zahn. 100 Motorräder<br />
gewertet.<br />
10. Etappe: Belén/ARG – La Rioja/ARG, 561 km, davon<br />
245 km Sonderprüfung. Sieger: Stefan Svitko<br />
(SVK/KTM); Gesamtführung: Price. 86 Motorräder<br />
gewertet.<br />
11. Etappe: La Rioja/ARG – San Juan/ARG, 712 km,<br />
davon 243 km Sonderprüfung. Sieger: Méo; Gesamtführung:<br />
Price. 85 Motorräder gewertet.<br />
12. Etappe: San Juan/ARG – Villa Carlos Paz/ARG,<br />
931 km, davon 481 km Sonderprüfung. Sieger:<br />
Hélder Rodrigues (POR/Yamaha); Gesamtführung:<br />
Price. 84 Motorräder gewertet.<br />
13. Etappe: Villa Carlos Paz/ARG – Rosario/ARG, 699<br />
km, davon 180 km Sonderprüfung. Sieger: Pablo<br />
Quintanilla (CHL/Husqvarna). Gesamtsieger: Price<br />
in 48:09.15 h, 2. Svitko, 39.41 min zurück; 3. Quintanilla,<br />
+ 48.48 min; 4. Kevin Benavides (ARG/Honda),<br />
bester Rookie; … 15. Laia Sanz (E/Honda, Siegerin<br />
Frauenwertung); 31. Jürgen van den Goorbergh (NL/<br />
KTM), bester Fahrer ohne Serviceteam. 84 Motorräder<br />
gewertet.<br />
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In der Westfalenhalle<br />
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Beim 33. Dortmunder Supercross<br />
gibt es jede Menge Titel abzuräumen.<br />
Prinz von Dortmund, König gar<br />
– oder wie wäre es mit Gesamtsieger<br />
der Supercross-Serie? Alles chic,<br />
aber alles ungewiss. Sicher ist in der<br />
Westfalenhalle nur eins: An Thomas<br />
Deitenbach und seinem<br />
Mikro kommt<br />
niemand vorbei.<br />
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Wenn der Mann mit der Mütze bei der letzten Siegerehrung<br />
am Samstag ein „Dooooooomiiiiniiiiiiique“<br />
über die Hallenlautsprecher vorlegt, gibt das<br />
Hallenpublikum subito die passende Antwort.<br />
Dann kommt lautstark und kehlend aus 10 000 Mündern:<br />
„Thuuuuuuuuuu ry“. Das sind dann jene Momente, in denen der<br />
56-jährige Deitenbach einfach still und glücklich in sich hineinlächelt:<br />
ausverkauftes Haus, Top-Show, spannende Rennen, und<br />
ein Deutscher – eben Dominique Thury – auf dem Podium.<br />
Supercross, kurz SX, das ist Motocross auf die Spitze getrieben.<br />
Gewaltige Sprungkombinationen, Rhythmus-Sektionen wie<br />
die so oft rennentscheidenden Waschbretter, enge Kurven, steile<br />
Rampen. Eine modellierte Arena für die Besten der Besten. Supercross<br />
– das ist aber auch die perfekte, ganz große Show, wie<br />
sie die Amis lieben. Und inzwischen auch wir. Ganz großes Kino,<br />
Licht aus, Spot an. Top oder Flop. Die Zuspitzung des Dramas.<br />
Vorläufe, Halbfinale, Hoffnungsläufe – es bleibt spannend bis hin<br />
zum alles entscheidenden letzten Lauf. Das römische Brot-und-<br />
Spiele-Muster in aktuellerem, zugegebenermaßen sehr coolem<br />
Gewand. 33 Jahre geht das schon so in Dortmund. Und Tommi<br />
Deitenbach war von Anfang an dabei. Das erste Mal noch ohne<br />
Mikrofondienst, erledigt er diesen Job dieses Jahr nun schon zum<br />
32. Mal in der Westfalenhalle. Selbst wer noch nie Dortmunds SX<br />
besuchte, kennt Tommis Stimme ganz bestimmt. Supermoto,<br />
Motocross, Enduro, MotoGP: Ganz egal, wo Rennmotorräder<br />
dröhnen, Tommy kommentiert. Seine Zuneigung gehört allen<br />
Zweiradsportarten, aber sein Herz schlägt für Dortmund. Der<br />
Iserlohner war in den 80er-Jahren selbst erfolgreicher Endurosportler,<br />
verlor aber bei einem schweren Unfall ein Bein. Für<br />
ihn kein Grund, dem Sport Adieu zu sagen. Im Gegenteil. Dann<br />
www.motorradonline.de SPORT 123
Das Opening in Dortmund<br />
bietet jedes Jahr was Neues –<br />
aber immer munter und gut<br />
Supercross Dortmund<br />
Grundvoraussetzung für<br />
jeden Freestyler ist lässiges<br />
Abhängen. Kai Haase<br />
macht das eins a<br />
eben Reporter, ADAC-Mann, Messemacher. Und immer wieder<br />
Dortmund Supercross.<br />
Tommi kann sich heute noch über die wilden Zeiten freuen,<br />
weil sie eben auch heute noch ziemlich wild sind. Schwatzten sie<br />
früher den Bergleuten für eine Buddel Schnaps und ordentlich<br />
Bier eine Bergbauröhre ab, weil sie unbedingt einen Tunnel wie<br />
beim legendären Pariser Bercy-Supercross wollten, perfektionieren<br />
Tommi und sein Team heute die Lasershow oder die Choreografie.<br />
Stillstand ist Rückschritt. Er steht bei jedem Training an<br />
der Strecke, kennt die Fahrer besser als die sich selbst und besitzt<br />
eine feine Nase für die Ansprüche und Reaktion des Publikums.<br />
Er will nicht überparteilicher Langweiler sein, sondern klopft<br />
auch mal gern einen richtigen Spruch raus. Den sportpolitischen<br />
Balanceakt zwischen staubigen Gremien und notwendigen, logischen<br />
Entscheidungen beherrscht er jedoch ebenfalls perfekt.<br />
Doch jetzt genug geplaudert, wir wollen zurück auf die Strecke.<br />
In Dortmund war zunächst einmal alles anders – und zum<br />
Schluss dann doch wieder alles wie erwartet. Greg Aranda, der<br />
Dominator der Events in Stuttgart, München, Chemnitz und zuletzt<br />
auch der französischen Meisterschaft, überraschte mit technischen<br />
Problemen und Stürzen inklusive Gehirnerschütterung.<br />
Gewann dann aber doch souverän den Gesamttitel im ADAC-<br />
SX-Cup, da seine schärfsten Verfolger Jace Owen und Ben Lamay<br />
es ihm nachmachten und in der Westfalenhalle patzten. Valentin<br />
Teillet holte sich mit Eleganz und Präzision verdient den Dortmunder<br />
Königstitel. Fehlerfrei blieb er über die drei Tage aber<br />
auch nicht. Das ließ viel Raum, vor allem für Dominique Thury.<br />
Der kämpfte wie ein Löwe, brachte die Halle zum Toben und Tommi<br />
Deitenbach fast um die Stimme. Nur ein Sturz im Finale am<br />
Sonntag verhinderte schließlich den ganz großen Erfolg. Stephan<br />
Büttner in der SX2 knackte fast noch den Gesamtsieg im SX2-Cup<br />
und vollendete damit das deutsche Glück in Dortmund. Hallooo,<br />
Deutschland, wann gab es das zuletzt in unseren SX-Hallen?<br />
Um genau zu sein: Das war 2012. Jahr eins, nachdem Ken<br />
Roczen Richtung USA abwanderte. Das Jahrhunderttalent fehlt<br />
nicht nur Tommi Deitenbach, wie er freimütig zugibt. Alleine bei<br />
der Rückschau auf Kens Auftritte in Dortmund bekommt Tommi<br />
glänzende Augen! Aber die weltweit besten Supercross-Piloten<br />
zieht es eben, wie von einem Riesenmagneten angezogen, in die<br />
USA. Roczen biss und gewann sich durch alle Motocrossklassen<br />
in Europa. Natürlich war er damals auch der Prinz von Dortmund.<br />
Aber nach seinem Motocross-WM-Titel ging es direkt ab nach<br />
Amerika. Nun schickt er sich an, als Top-Favorit die US-SX-Meisterschaft<br />
zu gewinnen. Dort sind die Stars, der Style, das dicke Geld.<br />
Was aber hinterließ Ken Roczen der deutschen Szene neben<br />
seiner mächtigen Vorbildfunktion? Eins ganz sicher: seine heimatliche<br />
Trainingsstrecke im thüringischen Mattstedt, heute<br />
der deutsche SX-Mittelpunkt! Eine Piste, auf der nun aktuell<br />
die Shootingstars Stephan Büttner, Dominique Thury und die<br />
Koch-Brüder Tag um Tag ihre Runden drehen. Und wenn es<br />
zum Thema Klimaerwärmung einmal etwas Positives gibt: Der<br />
milde und vor allem trockene Winter sorgte für Trainingsmöglichkeiten<br />
in Deutschland, die sonst nur das erfolgreiche Supercross-Land<br />
Frankreich kennt. Unter Anleitung von Roczens<br />
Papa Heiko Klepka entsteht in Mattstedt derzeit mit etwas Glück<br />
ein solides SX-Fundament für die Zukunft. Denn eins ist klar:<br />
Ohne spezielle SX-Strecken, ohne Vergleich, ohne Training gibt<br />
es keine deutschen Stars!<br />
Aber mal ehrlich: Auch ohne die ganz großen Superstars ist<br />
nicht alles schlecht in Europa. Und vor allem in Dortmund. Lecker<br />
124 SPORT<br />
3/<strong>2016</strong>
Dominique Thury<br />
sorgte in der SX1<br />
mit Freitags- und<br />
Samstagspodium<br />
für Begeisterung<br />
in der Halle<br />
Stephan Büttner (links) verpasste<br />
in der SX2 nur knapp die Krönung<br />
zum Prinzen von Dortmund<br />
US-Boy Jace Wayne Owen kam zum Abräumen<br />
nach Dortmund. Oft Schnellster,<br />
aber mit jeder Menge Pech und Stürzen,<br />
erreichte er „nur“ einen Sonntagssieg<br />
Pommes, Bierchen schlürfen, durch die<br />
Halle flanieren – die Vorteile des Supercross zeigen schonungslos<br />
die Minuspunkte beim Motocross. Frau, Freundin, Familie,<br />
alle sitzen bequem. Sauwetter? Egal! In der muckeligen Westfalenhalle<br />
siehst du lückenlos – und der Termin am zweiten<br />
Januarwochenende scheint eh ziemlich perfekt. Nach Weihnachtsgedöns<br />
und der endlos faden Wintersport-Dauerschleife<br />
im Fernsehen reiben sich doch viele schon ungeduldig die<br />
Hände. Endlich wieder Motorsport, und zwar live! Apropos Fernsehen:<br />
Was filmt denn der WDR dort drüben mit Tommi Deitenbach?<br />
Der Sprecher bleibt eben immer das erkennbare, vor allem<br />
aber das hörbare Dortmund-Aushängeschild. Sein „Hallooo,<br />
Dortmund“ bildet sicherlich auch in Zukunft den legendären Auftakt<br />
zu drei Tagen feinster Supercross-Action im Pott.<br />
www.motorradonline.de/sport<br />
www.motorradonline.de<br />
Ergebnisse <br />
König von Dortmund<br />
1. Valentin Teillet (FRA, Honda), 54 Punkte;<br />
2. Jace Wayne Owen (USA, Suzuki), 52<br />
Punkte; 3. Ben Lamay (USA, Yamaha), 48<br />
Punkte; 4. Dominique Thury (GER, KTM),<br />
41 Punkte<br />
Gesamtwertung ADAC-SX1-Cup<br />
2015/<strong>2016</strong> (nach vier Veranstaltungen)<br />
1. Greg Aranda (FRA, Kawasaki), 139 Punkte;<br />
2. Jace Wayne Owen (USA, Suzuki), 123<br />
Punkte; 3. Ben Lamay (USA, Yamaha), 122<br />
Punkte; 6. Dominique Thury (GER, KTM),<br />
63 Punkte<br />
Prinz von Dortmund<br />
1. Paul Coates (GBR, Kawasaki), 68 Punkte;<br />
2. Stephan Büttner (GER, Yamaha),<br />
53,5 Punkte; 3. Iker Larranaga Olano<br />
(ESP, KTM), 50 Punkte<br />
Gesamtwertung<br />
ADAC-SX2-Cup 2015/<strong>2016</strong><br />
(nach vier Veranstaltungen)<br />
1. Iker Larranaga Olano (ESP, KTM), 138<br />
Punkte; 2. Paul Coates (GBR, Kawasaki),<br />
136 Punkte; 3. Stephan Büttner (GER,<br />
Yamaha), 121 Punkte; 12. Paul Haberland<br />
(GER, Suzuki), 22,5 Punkte<br />
SPORT 125
K U L T B I K E<br />
Oberhaupt einer großen<br />
Motorenfamilie: Alle<br />
Triebwerke der XJ-Reihe<br />
überzeugen mit Solidität,<br />
Sparsamkeit und relativ<br />
elastischem, drehfreudigem<br />
Charakter. Ach ja,<br />
und schön sind sie auch,<br />
deshalb: Spoiler weg!<br />
126 KULTBIKE<br />
3/<strong>2016</strong>
YAMAHA<br />
XJ 900<br />
Wie bequem es zwischen allen Stühlen sein kann,<br />
bewies Yamaha mit der viel zu spät angetretenen<br />
Gegnerin von Hondas 900er-Bol-d’Or.<br />
Von Fred Siemer; Fotos: Jacek Bilski, Archiv<br />
Die Lenkerverkleidung<br />
sorgte<br />
beim Premierenmodell<br />
für<br />
Unruhe<br />
Ende der 70er hatte Yamaha unter Schmerzen<br />
endlich sein Viertaktprogramm etabliert. Von<br />
Ein- bis Vierzylinder hielten die Dinger und, schöner<br />
noch, fuhren prima Gewinne ein. Da wäre eine Verschnaufpause<br />
gerade recht gewesen. Doch Herr<br />
Honda hatte andere Pläne, hämmerte die epochale<br />
CB 900 Bol d’Or sowie deren 1100er-Big-Bike-<br />
Schwester auf den Markt – und schon stand Yamaha<br />
wieder im Hemd da. Immerhin sammelte die wunderbare<br />
XJ 650 ab 1980 in der oberen Mittelklasse<br />
fleißig Punkte, zwei Jahre später von einer nur in<br />
den USA erfolgreichen 750er namens Seca assistiert.<br />
Dann der Befreiungsschlag: Fünf Jahre nach<br />
Honda brachte Yamaha 1983 eine sportliche 900er.<br />
Werbeslogan: Unser Motorrad des Jahres. Befreiungsschlag?<br />
Nur 853 cm³ seien beim von der Seca<br />
übernommenen Motorgehäuse zu holen, hieß es,<br />
zwei Ventile pro Zylinder mussten genügen, ein<br />
Kardanantrieb galt nicht eben als sportlich. Schmal<br />
war die XJ 900 immerhin geraten, denn wie von der<br />
650er vorgelebt, trug sie Lichtmaschine und Anlasser<br />
huckepack über dem Getriebegehäuse. 48 Zentimeter<br />
– weniger konnten damals nur Twins. Kupplung,<br />
Ölpumpe und Getriebe entlieh sie der fast<br />
ebenso kräftigen XJ<br />
650 Turbo. Obwohl<br />
Bol d’Or wie XJ 900<br />
mit 85 PS auf dem<br />
Prüfstand deutlich unter ihrer Nennleistung blieben,<br />
zog die Yamaha meist davon. Der Grund: Sie war die<br />
Leichteste ihrer Klasse. Mit 244 Kilo.<br />
Bereits 1985, als Suzukis GSX-R 750 und Yamahas<br />
FZ 750 debütierten, wurde die XJ beim Sportverein<br />
abgemeldet. In der Ketten verachtenden Reisefraktion<br />
jedoch, da hatte sich herumgesprochen, wie<br />
kultiviert und elastisch ihr Vierzylinder läuft, wie anspruchslos<br />
und solide er Zehntausende Kilometer<br />
abspulte. Seit die anfangs lenkerfeste kleine Verkleidung<br />
sich am Rahmen festklammerte, nahmen<br />
die Klagen über Hochgeschwindigkeitspendeln<br />
drastisch ab, obendrein stimmte der Preis. Yamaha<br />
erkannte diese Zeichen, baute die Verkleidung zur<br />
Halbschale aus, erhöhte – geht doch! – auf 892 cm³<br />
und nominell 98 PS sowie mehr Drehmoment im<br />
mittleren Drehzahlbereich. Das passte, und zwar so<br />
gut, dass die nun parallel angebotene unverkleidete<br />
Variante beinahe unterging. Man hatte sich wohl<br />
darauf geeinigt, eine XJ 900 als maximal praktisch zu<br />
betrachten. Da gehörte ein Windschutz unbedingt<br />
dazu, schon wegen möglichst hoher Autobahnschnitte.<br />
Ihre Besatzung wohlig wiegend, sparsam,<br />
schnell genug und grundsolide, schlich sich diese<br />
Yamaha Kilometer für Kilometer aus dem Rampenlicht<br />
und schlug eine Erfolgskarriere als Kardantourer<br />
ein. Die dauerte bis 1994. Elf Jahre Bauzeit,<br />
das schafft kein Sportler dieser Welt.<br />
DATEN (Modell 31A von 1983):<br />
luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-dohc-Reihenmotor,<br />
je zwei<br />
Ventile pro Zylinder, 853 cm³, 71<br />
kW (97 PS) bei 9000/min, 80 Nm<br />
bei 7500/min, Fünfganggetriebe,<br />
Kardanantrieb, Doppelschleifenrahmen<br />
aus Stahlrohr, Gewicht<br />
vollgetankt 244 kg, Reifen<br />
vorn 110/90 x 18, hinten 120/90<br />
x 18, Tankinhalt 22 Liter, Höchstgeschwindigkeit<br />
liegend 211<br />
km/h, 0–100 km/h in 4,0 sek.<br />
SZENE: Mit 14 240 Einheiten<br />
zählt die 900er in Deutschland<br />
nicht nur zu den wirklich gut<br />
verkauften Big Bikes, sondern ist<br />
knapp vor der 650er auch die<br />
bestverkaufte XJ. Erst 1994 wurde<br />
sie von der XJ 900 Diversion<br />
abgelöst, die aber den bewährten<br />
Motor übernahm. Mehr<br />
Wertschätzung geht eigentlich<br />
nicht. Noch immer ist sie recht<br />
häufig anzutreffen, akzeptable<br />
Gebrauchte notieren ab rund<br />
1000 Euro, gute deutlich mehr.<br />
Während sie werkstattmäßig<br />
beim Yamaha-Händler weiterhin<br />
prima aufgehoben ist, macht die<br />
Ersatzteilversorgung allmählich<br />
Sorgen – beim Kauf unbedingt<br />
auf einen guten Auspuff achten.<br />
INFO: Wer tiefer in die Technik<br />
einsteigen will, dem sei die Reparaturanleitung<br />
des Bucheli-<br />
Verlags empfohlen (Preis: 39,90<br />
Euro). Viele Tipps und Infos zum<br />
Thema verbreitet die XJ-Fangemeinde<br />
unter www.xj-forum.de<br />
sowie unter www.xj-ig.de.<br />
Konventioneller ja, aber schlechter als eine BMW K 100? Viele Touristen meinten: nein. Recht hatten sie<br />
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Deren nächste Ausgabe erscheint<br />
am 5. Februar <strong>2016</strong>.<br />
Alter Test gesucht?<br />
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www.motorradonline.de KULTBIKE 127
R Ü C K S P I E G E L<br />
Neues von damals aus dem <strong>MOTORRAD</strong>-Archiv<br />
45<br />
6/1971 Aus dem Nähkästchen<br />
geplaudert: Volker Rauchs Sportaufnahmen<br />
faszinieren die <strong>MOTORRAD</strong>-Leser. Auf<br />
drei Seiten lüftet der überzeugte Leica-Jünger die<br />
Geheimnisse seiner Arbeit für die fotobegeisterte<br />
Leser-Gemeinde. Das Ganze beginnt mit einem<br />
Eingeständnis: Fotos in einwandfreier Qualität zu<br />
liefern, gelänge nur mit der richtigen Kamera, wie<br />
es der damals bekannteste „Leica-Motor-Sport-<br />
Fotograf“ ihm eingeimpft hatte. Rauch geht in sich<br />
und kommt zu dem Schluss: „Es war vor allem die<br />
Schärfe, aber auch die Brillanz, die meinen Bildern<br />
oft fehlte.<br />
Also biß ich<br />
in den sauren<br />
Apfel und<br />
kaufte die für<br />
mich sündhaft<br />
teure<br />
Leica, das<br />
Modell M 3.“<br />
Es hat sich<br />
gelohnt.<br />
6/2001<br />
15 Darauf hatte die Welt gewartet:<br />
KTM erringt den ersten Sieg bei der<br />
Rallye Paris–Dakar. <strong>MOTORRAD</strong>-Mann Peter Mayer<br />
hat danach Gelegenheit, die Maschine von Rallye-<br />
Sieger Fabrizio Meoni zu fahren. „Schlank und<br />
schmal bewegt sie sich durch die Wüste – die Erbanlagen<br />
der Enduro schlagen unverkennbar durch“,<br />
schwärmt Mayer. „Gas auf, und der Eintopf jubelt<br />
blitzartig in den höchsten Tönen.“ Wie der Fahrer.<br />
Selbst üble Rüttelpisten verlören auf dieser Maschine<br />
ihren Schrecken. Die KTM besinne sich auch<br />
in Sachen Handling der enduristischen Herkunft.<br />
Viele Originalartikel finden Sie unter www.motorradonline.de/rueckspiegel<br />
http://www.motorradonline.de<br />
Herausgeber: Paul Pietsch †, Ernst Troeltsch †<br />
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3/<strong>2016</strong>
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Team hat die Neuauflage der<br />
Ninja ZX-10R massiv beeinflusst.<br />
Fahrbericht vom Supersport-Flaggschiff<br />
der Marke<br />
ZUR SACHE,<br />
SCHÄTZCHEN<br />
Erster Fahrbericht mit der<br />
Ducati XDiavel: Was hat<br />
der schicke Cruiser mit den<br />
Fahrleistungen eines<br />
Supersportlers<br />
wirklich drauf?<br />
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WEITERE THEMEN<br />
Vergleichstest Modern Classics<br />
Triumph Street Twin und Triumph<br />
Bonneville T100<br />
Fahrbericht Wunderlich Hybrid<br />
BMW R 1200 GS mit zehn PS starkem<br />
Elektroantrieb in der Vorderradnabe<br />
Die Redaktion behält sich Änderungen vor<br />
Unterwegs in Schottland<br />
Die wilden, abwechslungsreichen<br />
Landschaften sind eine Reise wert<br />
Gebrauchtberatung<br />
Supersportler ab 2000 Euro für die<br />
Rennstrecke<br />
MotoGP-Reportage<br />
Die Clinica Mobile, das Lazarett auf<br />
Rädern, ist eine Institution<br />
3/<strong>2016</strong>
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