10_wl_Jahrbuch_2016_DE_Magazin_v14-1
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LÜBECKER REVOLUTIONÄRE<br />
LÜBECKER REVOLUTIONÄRE<br />
12<br />
Komplexe Strukturen wie aus einem Guss: Auch<br />
Hohlräume im Inneren sind, wie hier am Beispiel<br />
eines Turbinen-Bauteils sichtbar gemacht, beim<br />
SLM-Verfahren problemlos realisierbar.<br />
Kein Wunder bei derart überzeugenden<br />
Argumenten, dass die Nachfrage<br />
in allen großen Industrieländern<br />
stetig ansteigt. Derzeit konkurrieren<br />
auf dem Weltmarkt nach Ritts Angaben<br />
sieben Hersteller, vier davon<br />
in Deutschland, wo die innovative<br />
Technologie ursprünglich entwickelt<br />
wurde – unter Beteiligung von Dr.<br />
Dieter Schwarze, wissenschaftlicher<br />
Kopf und Koordinator im Lübecker<br />
Unternehmen. Vorarbeit für das jetzige<br />
Wachstum geleistet hat auch der<br />
Wirtschaft und Politik im Austausch:<br />
Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (2. v. li.)<br />
mit SLM-Marketing- und Kommunikationschef<br />
Stefan Ritt, dem Vorstandsvorsitzenden<br />
Dr. Markus Rechlin und dem Vorsitzenden<br />
des Aufsichtsrats Hans-Joachim Ihde<br />
Alle Formen sind möglich:<br />
Pumpenlaufrad aus Aluminium<br />
und Edelstahl mit stromlinienoptimierter<br />
Geometrie<br />
Ritt arbeitet seit 1998 bei SLM Solutions<br />
beziehungsweise dem Vorgängerunternehmen<br />
des seit Mai 2014<br />
an der Frankfurter Börse im Prime<br />
Standard notierten Technologieherstellers.<br />
Viel länger als die meisten<br />
also, auch der Vorstand ist mehrheitlich<br />
erst seit dem Jahr vor dem<br />
Börsengang an Bord. Zuständig ist<br />
Ritt für globales Marketing und Kommunikation,<br />
lange war er es auch für<br />
den weltweiten Vertrieb der Anlagen,<br />
in denen Laserstrahlen Metallpulver<br />
schmelzen. Schicht für Schicht wird<br />
aus dem geschmolzenen Metall,<br />
meist Stahl-, Titan-, Kobalt-, Chromoder<br />
Aluminiumpulver, eine beliebige<br />
dreidimensionale Form aufgebaut,<br />
die exakt den Konstruktionsdaten<br />
eines 3-D-Computermodells (CAD)<br />
entspricht. Formwerkzeugbau und<br />
Nachbearbeitung entfallen, Materialeigenschaften<br />
wie Stabilität oder<br />
Oberflächenstruktur lassen keinerlei<br />
Wünsche gegenüber herkömmlich<br />
hergestellten Teilen offen. Ein<br />
unschlagbarer Trumpf ist zudem die<br />
Flexibilität: Es lassen sich komplexe<br />
Strukturen „aus einem Guss“ generieren,<br />
die mit herkömmlichen Verfahren<br />
schlicht unmöglich wären. Zum<br />
Beispiel mit Hohlräumen im Inneren,<br />
die Materialverbrauch und Gewicht<br />
deutlich reduzieren, was sich gerade<br />
in der Luft- und Raumfahrt nicht nur<br />
durch den geringeren Treibstoffverbrauch<br />
schnell bezahlt macht. „Die<br />
Bauzeit der Teile ist mittlerweile<br />
oft kürzer und das einzelne Bauteil<br />
auch durch die geringere Anzahl<br />
an Komponenten preisgünstiger.<br />
Immer größere Serien können immer<br />
wirtschaftlicher gefertigt werden“,<br />
erklärt Ritt. Wer genau hinschaut,<br />
kann in den Augen des Ingenieurs ein<br />
Funkeln entdecken.<br />
Eine Tochter in Shanghai<br />
Seit November 2015 setzt die<br />
SLM Solutions Group AG ihren<br />
globalen Wachstumskurs mit<br />
einer Niederlassung in Shanghai<br />
fort. Die neue Tochtergesellschaft<br />
SLM Solutions Shanghai Co. Ltd.<br />
betreut den gesamten chinesischen<br />
Markt. Zur Einweihung des<br />
neuen Standortes waren auch<br />
Wirtschaftsminister Reinhard<br />
Meyer, ein Repräsentant der<br />
Regierung von Shanghai und der<br />
Vorstandstandvorsitzende Dr.<br />
Markus Rechlin vor Ort. SLM Solutions<br />
ist dennoch kein Newcomer<br />
in China. Mit lokalen Partnern sind<br />
die Lübecker auch durch ihre Vorgängerorganisation<br />
bereits seit<br />
20 Jahren in der Volksrepublik<br />
aktiv. Die neue eigene Repräsentanz<br />
in Shanghai soll den direkten<br />
Kontakt zur schnell wachsenden<br />
Kundenbasis in China ausbauen<br />
und festigen.<br />
langjährige Geschäftsführer Hans-<br />
Joachim Ihde, der seit dem Börsengang<br />
den Vorsitz im Aufsichtsrat der<br />
SLM Solutions Group AG führt. Rund<br />
75 Millionen Euro Wachstumskapital<br />
hatten die Lübecker auf dem Frankfurter<br />
Parkett im Mai 2014 eingesammelt,<br />
das gibt dem Unternehmen<br />
Luft für die kommenden Jahre. „Im<br />
Rahmen unserer Wachstumsstrategie<br />
setzen wir auf Forschung und<br />
Entwicklung, den Ausbau unseres<br />
internationalen Service- und Vertriebsnetzwerks<br />
sowie den Ausbau<br />
des Geschäfts mit Verbrauchsmaterialien,<br />
das heißt mit Metallpulvern“, so<br />
der Vorstandsvorsitzende Dr. Markus<br />
Rechlin. Ziel ist es, zusätzlich zur Technologieführerschaft<br />
auch die Position<br />
des Weltmarktführers zu erobern.<br />
Gut für die Lübecker: Der Trend<br />
geht zum Einsatz mehrerer Laser.<br />
Mit dem größten ihrer drei derzeit<br />
im Portfolio vorhandenen Anlagentypen,<br />
dem „SLM 500 HL“, hat das<br />
Unternehmen seit Ende 2013 ein<br />
Alleinstellungsmerkmal. „Es ist die<br />
weltweit einzige Anlage, in der vier<br />
Laser gleichzeitig und unabhängig<br />
voneinander an einem Werkstück<br />
arbeiten können“, erklärt Ingenieur<br />
Ritt. Die Bezeichnung SLM ist zugleich<br />
eine eingetragene Wortmarke und<br />
die englischsprachige Abkürzung<br />
für das Verfahren (selective laser<br />
melting), das Kürzel HL verweist auf<br />
die Hansestadt Lübeck. In einem<br />
Demonstrations- und Trainingscenter,<br />
das im April 2015 auf dem Firmengelände<br />
eröffnet wurde, stehen sieben<br />
Maschinen, in denen Musterteile für<br />
Kunden gefertigt werden und auch<br />
viele Bauteile, die das Unternehmen<br />
selbst in der Herstellung seiner Maschinen<br />
einsetzt. Die Kunden können<br />
die Anlagen hier „in Aktion“ kennenlernen<br />
– wobei der Fertigungsprozess<br />
an sich wenig spektakulär anzusehen<br />
ist, weil das Werkstück zunächst in der<br />
unteren Baukammer verschwindet.<br />
Zu bewundern sind die Musterstücke<br />
erst nach ihrer Fertigstellung oder in<br />
den Vitrinen, die ringsum in der Halle<br />
stehen. Darunter ein Holstentor aus<br />
Aluminium, das auch alle G7-Außenminister<br />
bei ihrem Treffen in Lübeck<br />
im Juni 2015 als Gastgeschenk erhielten<br />
– als Beispiel für eine innovative<br />
Zukunftstechnologie aus dem echten<br />
Norden.<br />
Qualifizierte Mitarbeiter zu bekom<br />
men sei für SLM Solutions kein<br />
Problem, sagt Ritt. Das Unternehmen<br />
erhalte ständig Initiativbewerbungen<br />
aus dem In- und Ausland, natürlich<br />
auch von Absolventen der Lübecker<br />
Hochschulen. „3-D-Drucker für Metalle<br />
sind ein hippes Produkt“, nennt Ritt<br />
einen Grund für den Zulauf. Ein<br />
weiterer: die hohe Lebensqualität in<br />
Schleswig-Holstein mit viel Natur bei<br />
gleichzeitiger Nähe zu den größten<br />
deutschen Städten Hamburg und<br />
Berlin. „Das nehmen die Bewerber<br />
durchaus wahr.“ Und auch der viel<br />
gereiste Stefan Ritt kann sich für<br />
Schleswig-Holstein immer wieder<br />
begeistern. (sas)<br />
Wirtschaftsland <strong>2016</strong><br />
Wirtschaftsland <strong>2016</strong>